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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 4 B 01.722
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 123
BauGB § 124 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

4 B 01.722

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Anspruch auf Erschließung;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 25. Januar 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft

ohne mündliche Verhandlung am 12. Oktober 2004 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 25. Januar 2001 geändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen streiten mit der beklagten Gemeinde um die verkehrsmäßige Erschließung ihres etwa 3.200 m² großen, bebauten Grundstücks Fl.Nr. 1170/9 (Gemarkung K.), das im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Gewerbegebiet H*************" vom 24. April 1987 liegt.

1. Der Bebauungsplan weist das Gebiet als (teilweise beschränktes) Gewerbegebiet aus und enthält Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubaren Grundstücksflächen. Das Grundstück der Klägerinnen liegt am südwestlichen Rand des Plangebiets und grenzt an den Außenbereich. Für die verkehrsmäßige Erschließung sieht der Bebauungsplan im fraglichen Bereich eine von Nordosten (Einmündung in die H****straße) nach Südwesten verlaufende (Stich-)Straße vor, die eine Breite von etwa 9 m aufweist und sich an der nordöstlichen Grenze des klägerischen Gründstücks zu einer Wendeanlage mit den Maßen 13 x 15 m verbreitert (*********straße). In Höhe dieser Wendeanlage teilt sich die im Bebauungsplan als Verlängerung der I********straße bis zur Plangebietsgrenze in den Außenbereich hinein eingezeichnete Verkehrsfläche in eine nördlich verlaufende (Hohlweg) und eine entlang der Grenze zum klägerischen Grundstück führende Wegefläche (Feldweg). Letztere ist mit einer Breite zwischen etwa 3 und 7 m ausgewiesen. Für das Grundstück der Klägerinnen ist an der Grenze zu den Verkehrsflächen durchgehend eine "private (Vorgarten-) Grünfläche mit dichter Bepflanzung" mit einer Breite von 6 m zum Feldweg bzw. 3 m zur Wendeanlage festgesetzt.

Die Beklagte hat die - bei Planaufstellung bereits teilweise vorhandene - I********straße einschließlich der Wendeanlage entsprechend dem Bebauungsplan ausgebaut und dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Das Grundstück der Klägerinnen grenzt auf einer Breite von 5,90 m an die Wendeanlage an. Der Feldweg wurde hingegen nicht ausgebaut; er ist (teils von den Klägerinnen) geschottert und von der Beklagten als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet.

Das Landratsamt erteilte den Klägerinnen mit Bescheiden vom 30. Oktober 1997 und 16. August 1999 die Bau- bzw. Tekturgenehmigung für den "Neubau von Werkhallen, Bürogebäude, Betriebswohnungen, Lager- und Verkaufsräume" unter Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. In den zugrunde liegenden Antragsunterlagen ist zur Art der gewerblichen Tätigkeit angegeben: "Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Filteranlagen"; als Zahl der Beschäftigten sind 10 bis 12 Personen für die Büros und ca. 6 bis 10 Personen im gewerblichen Bereich genannt. Der mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 genehmigte "Übersichtsplan, Stellplätze, Begrünungsplan" sieht auf dem Grundstück insgesamt 23 Stellplätze vor, davon 11 entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zu dem Feldweg, die übrigen im inneren Grundstücksbereich, wobei die Zufahrt von dem Feldweg aus erfolgen soll. Der genehmigte Tekturplan sieht drei weitere Stellplätze im inneren Grundstücksbereich vor. Die Beklagte hatte im Genehmigungsverfahren gegenüber dem Landratsamt (jeweils) ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben erteilt und erklärt, dass die Zufahrt durch die Lage des Grundstücks in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche gesichert sei. Die Klägerinnen haben von der Baugenehmigung teilweise Gebrauch gemacht und die zur Wendeanlage und zum Feldweg hin ausgerichteten Gebäude mit Büros und Betriebswohnungen erstellt, nicht aber die im davon abgewandten, hinteren Grundstücksteil vorgesehene Werkhalle.

Ende 1997 traten die Klägerinnen an die Beklagte heran und begehrten eine Verbesserung der verkehrsmäßigen Erschließung. Auf ihr Angebot, einen Erschließungsvertrag über die Befestigung des Feldwegs entlang der Grundstücksgrenze auf Kosten der Klägerinnen abzuschließen, ging die Beklagte nicht ein. Deren Angebot, ein privates Ausbau- und Nutzungsrecht für diesen Weg zu vereinbaren, traten die Klägerinnen nicht näher.

2. Mit ihrer am 10. Januar 2000 erhobenen Klage haben die Klägerinnen geltend gemacht, dass ihnen ein Anspruch auf Erschließung aus dem Bebauungsplan, aber auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zustehe. Die verkehrsmäßige Erschließung ihres Grundstücks sei mit Blick auf die genehmigte und auch tatsächlich stattfindende gewerbliche Nutzung völlig unzureichend. Auch wenn das Grundstück an die I********straße angrenze, scheide eine Zufahrtsmöglichkeit mit Lkw`s aus, weil der Bebauungsplan entlang der Grundstücksgrenze einen Grünstreifen festsetze. Der geschotterte Feldweg wiederum sei viel zu schmal und nicht ausreichend befestigt. Vor diesem Hintergrund habe das Landratsamt bei Erteilung der Baugenehmigung übersehen, dass tatsächlich keine ausreichende Erschließung vorgelegen habe. Das der Beklagten unterbreitete Angebot, die Erschließung durch den weiteren Ausbau der I********straße auf eigene Kosten der Klägerinnen vorzunehmen, sei der Beklagten zumutbar. Schließlich sei diese auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zur Erschließung verpflichtet, weil sie einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen, aber nicht ausgeführt habe.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den restlichen Teil der I********straße in K*******, Fl.Nr. 1170/1, Gemarkung K*******, zu erschließen und zwar beginnend am derzeitigen Wendehammer nordöstlich des Grundstücks Fl.Nr. 1170/9 und endend an der südwestlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks Fl.Nr. 1170/9, wobei die Erschließung wie folgt herzustellen ist:

1. Vom Ende des Wendehammers bis zur Einmündung der Niederfahrt zwischen dem Bürogebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. 1170/9 und den darauf befindlichen Betriebswohnungen ist die Fahrbahn in einer Breite von 5 m zu errichten.

2. Nach Verringerung der Fahrbahnbreite unter einem Winkel von 45 Grad von 5 m wird die Fahrbahn der südwestlichen Garage der Betriebswohnung P******* auf dem Grundstück Fl.Nr. 1170/9 in einer Breite von 3,50 m geführt.

3. Die Straßenfläche wird als Mischverkehrsfläche ausgeführt, Gehsteige werden nicht angelegt.

4. Zur Beseitigung des Oberflächenwassers werden über drei bis vier Straßeneinläufe, je nach Berechnung angelegt, die einschließlich des Rohrsystems an das Entwässerungssystem des Gemeindekanals oder an den vorhandenen Tagewasserabschlag der Gemeinde K******* angeschlossen werden.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Januar 2001 verpflichtet, das Grundstück der Klägerinnen durch unverzügliche Gesamtherstellung der I********straße entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans plangemäß zu erschließen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass den Klägerinnen ein auf dem Gedanken der Folgenbeseitigung basierender Erschließungsanspruch auf plangemäße Erschließung zustehe, der sich auf die Maßnahmen beschränke, die für die funktionsgerechte Nutzbarkeit der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anlagen unerlässlich seien. Die Erschließungssituation des in zulässiger Weise gewerblich genutzten Grundstücks sei schlichtweg unerträglich und keinesfalls verkehrssicher. Eine Verdichtung der der Beklagten nach § 123 Abs. 1 BauGB obliegenden Erschließungsaufgabe zu einer einklagbaren Erschließungspflicht ergebe sich aus der langen Geltungsdauer des rechtsverbindlichen Bebauungsplans und den Baugenehmigungen, auf deren Grundlage das Grundstück umfangreich bebaut worden sei und genutzt werde. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte das von den Klägerinnen unterbreitete Erschließungsangebot ausgeschlagen habe. Demnach stehe den Klägerinnen ein Anspruch auf plangerechte Erschließung entsprechend den Vorgaben des Bebauungsplans zu, weil das für die funktionsgerechte Nutzbarkeit der baulichen Anlagen auf dem klägerischen Grundstück unerlässlich sei. Allerdings verbleibe der Beklagten ein gewisser Ermessensspielraum für die Herstellung der restlichen Erschließungsanlage, weshalb nur ein Bescheidungsurteil gerechtfertigt sei.

3. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor: Ein Anspruch auf Erschließung scheide schon deshalb aus, weil der Bebauungsplan aus mehreren (näher dargelegten) Gründen nichtig sei. Im Übrigen werde aber bereits jetzt das Grundstück der Klägerinnen durch die I********straße verkehrsmäßig ausreichend erschlossen. Wie das Verwaltungsgericht ohne Einnahme eines Augenscheins zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sei, könne nicht nachvollzogen werden. Auf dem Grundstück seien lediglich die genehmigten Wohngebäude verwirklicht worden; eine gewerbliche Nutzung finde nicht, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang statt. Zudem sei der Feldweg von den Klägerinnen im Einverständnis mit der Beklagten ausgebaut und befestigt worden, so dass er ohne weiteres befahren werden könne. Dieser Weg sei im Bebauungsplan nur deshalb ausgewiesen worden, um insbesondere den Landwirten von der I********straße aus eine Verbindung zu den Grundstücken im Außenbereich zu ermöglichen. Für die Aufnahme vom gewerblichen Lkw-Verkehr sei er mit Blick auf seine geringe Breite von vornherein weder geplant gewesen noch tatsächlich geeignet. Nach dem Bebauungsplan sollte die I********straße ersichtlich mit der Wendeanlage enden. Ein Erschließungsanspruch könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass sie, die Beklagte, bei der Erteilung der Baugenehmigungen mitgewirkt habe. Denn eine solche Verdichtung setze voraus, dass durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ordnungswidrige und nicht hinnehmbare Unzuträglichkeiten entstanden seien, denen nur durch weitere Erschließungsmaßnahmen abgeholfen werden könne. Davon könne keine Rede sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Januar 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil: Die Auffassung der Beklagten zur Nichtigkeit ihres Bebauungsplans sei unzutreffend und treuwidrig. Die Erschließungslast der Beklagten habe sich aber auch unabhängig von der Gültigkeit des Bebauungsplans aus zwei Gründen zu einer einklagbaren Erschließungspflicht verdichtet: Zum einen habe die Beklagte bislang keinen sachlichen Grund angeben können, weshalb sie die zumutbaren Angebote der Klägerinnen abgelehnt habe, entweder die Erschließungskosten in vollem Umfang zu übernehmen oder die Wegefläche von der Beklagten anzukaufen und den Ausbau in eigener Regie durchzuführen. Zum anderen sei die Beklagte aber auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung zum Ausbau verpflichtet, weil sie durch die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens am Erlass einer mangels hinreichender Erschließung rechtswidrigen Baugenehmigung mitgewirkt habe. Um das auf dem Grundstück tatsächlich und im Rahmen der Baugenehmigung ausgeübte Gewerbe funktionsgerecht betreiben zu können, sei ein Ausbau des Feldweges unerlässlich; zwar sei die im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigte Halle bislang nicht errichtet worden, wohl aber befänden sich auf dem Grundstück Büros und die Produktionsstätte einer Umwelttechnikfirma. Weiter müsse eine zumutbare und funktionsgerechte Nutzung der genehmigten Pkw-Stellplätze vor den Gebäuden mit den Betriebswohnungen möglich sein. Diese könnten aber derzeit besonders im Winter oder nach schweren Regenfällen weder von Versorgungsfahrzeugen noch von Pkw's in zumutbarer Weise angefahren werden.

Die Klägerinnen haben hilfsweise für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan als nichtig erachten sollte, Anschlussberufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgen. Um das auf dem Grundstück tatsächlich und im Rahmen der Baugenehmigung ausgeübte Gewerbe funktionsgerecht betreiben zu können, seien die im Klageantrag bezeichneten Maßnahmen zwingend geboten.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass auf dem Grundstück eine gewerbliche Nutzung stattfinde, die Lkw-Verkehr zur Folge habe, und verweist auf den ihr selbst im Falle eines Erschließungsanspruchs verbleibenden Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der Erschließung.

Der Senat hat Beweis über die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Klägerinnen und dessen verkehrsmäßige Erschließung durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und mit den Beteiligten vor Ort die Sach- und Rechtslage erörtert. Diese haben daraufhin auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Eine vom Senat angeregte außergerichtliche Einigung ist nicht zustande gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten sowie die Niederschrift über den Augenschein und die anschließende Erörterung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

Die Klägerinnen haben entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine (weitere) verkehrsmäßige Erschließung ihres Grundstücks durch den - im Klageantrag im einzelnen bezeichneten oder zumindest im Gestaltungsermessen der Beklagten liegenden - Ausbau des Feldwegs in Verlängerung der I********straße. Ihre Klage muss daher in vollem Umfang abgewiesen werden. Über die Anschlussberufung der Klägerinnen ist nicht zu entscheiden. Sie wurde nur hilfsweise für den Fall eingelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan "Gewerbegebiet H*************" vom 24. April 1987 für nichtig erkennt; diese Bedingung ist indes nicht eingetreten, weil die Frage der Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans nicht entscheidungserheblich ist und deshalb auch nicht abschließend beantwortet werden muss.

1. Der Gesetzgeber hat in § 123 Abs. 3 BauGB klargestellt, dass mit der gemeindlichen Aufgabe der Erschließung (§ 123 Abs. 1 BauGB) kein subjektives Recht des einzelnen Grundeigentümers korrespondiert. Die Rechtsprechung erkennt ausnahmsweise einen Erschließungsanspruch an, wenn die allgemeine Erschließungsaufgabe einer Gemeinde sich zugunsten eines Grundstückseigentümers zu einer strikten Erschließungspflicht verdichtet hat. Dazu bedarf es über die Tatsache einer mangelhaften Erschließungssituation eines Grundstücks hinaus einer besonderen Rechtfertigung, und zwar einer Rechtfertigung, die sich auf ein Verhalten der Gemeinde gründet (vgl. Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2003, RdNr. 20 zu § 123 m.w.N.). Eine verdichtende Wirkung kann insbesondere vom Erlass eines qualifizierten Bebauungsplans und der Erteilung einer Baugenehmigung bei nachfolgender Durchführung des Vorhabens ausgehen (BayVGH, U.v. 9.10.2003 - 4 B 00.2191 - BayVBl. 2004, 178).

Die genannten Anknüpfungspunkte für eine Verdichtung der gemeindlichen Erschließungslast beruhen auf unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen und vermitteln deshalb auch Erschließungsansprüche mit unterschiedlichem Inhalt: Ein qualifizierter Bebauungsplan kann zusammen mit weiteren Umständen Auslöser einer Aufgabenverdichtung sein, wenn er etwa eine bisher zulässige Nutzung "sperrt", wenn das Verhalten der Gemeinde bei Erlass und Verwirklichung des Bebauungsplans Treu und Glauben widerspricht oder wenn die Gemeinde ein zumutbares Erschließungsangebot ablehnt (zusammenfassend BVerwG, U.v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 - BVerwGE 92, 8/12 ff.). Letzteres aufgreifend hat der Gesetzgeber nunmehr in § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB ausdrücklich bestimmt, dass die Gemeinde zur Durchführung der Erschließung verpflichtet ist, wenn sie einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen hat und das zumutbare Angebot eines Dritten ablehnt, die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vorzunehmen. In diesen Fällen, in denen die Aufgabenverdichtung im Erlass eines rechtswirksamen qualifizierten Bebauungsplans gründet, ist der Erschließungsanspruch auf die plangemäße Erschließung gerichtet. Eine Aufgabenverdichtung kann sich aber auch aus der gemeindlichen Mitwirkung am Entstehen einer wegen unzureichender Erschließung nicht nutzbaren Bebauung ergeben. Sie wurzelt im Rechtsgedanken der Folgenbeseitigung und findet ihre Rechtfertigung in der Erwägung, dass eine ohne hinreichend gesicherte Erschließung erteilte Baugenehmigung nach Verwirklichung des Vorhabens zum Entstehen eines rechtswidrigen Zustands führt. Wenn sich daraus Unzuträglichkeiten ergeben, denen nur durch Erschließungsmaßnahmen abgeholfen werden kann, ist es den daran mitverantwortlichen Behörden verwehrt, es einfach bei dem sich so ergebenden Zustand bewenden zu lassen und sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, dass es allein Sache des Betroffenen sei, mit diesem Zustand fertig zu werden (BVerwG, U.v. 11.11.1987 - 8 C 4.86 - BVerwGE 78, 266/273). Ein Erschließungsanspruch auf dieser Grundlage beschränkt sich auf die Erschließungsmaßnahmen, die für die funktionsgerechte Nutzbarkeit der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anlagen nach Lage der Dinge unerlässlich sind (BVerwG, U.v. 28.10.1981 - 8 C 4.81 - BVerwGE 64, 186/195).

2. Gemessen an diesem Maßstab haben die Klägerinnen keinen Anspruch auf eine (weitere) verkehrsmäßige Erschließung ihres Grundstücks durch den Ausbau des Feldwegs in Verlängerung der I********straße.

a) Aus dem qualifizierten Bebauungsplan "Gewerbegebiet H*************" vom 24. April 1987 kann der geltend gemachte Erschließungsanspruch auch dann nicht hergeleitet werden, wenn er mit den Klägerinnen als rechtswirksam angesehen wird. Zwar ist das Erschließungsangebot, das die Klägerinnen der Beklagten mehrmals und konkret, aber ohne Erfolg unterbreitet haben, zweifellos als zumutbar im Sinn von § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB anzusehen, so dass "an sich" ein Verdichtungsgrund vorliegen würde. Der Bebauungsplan enthält aber für den Feldweg keine Festsetzung, die den geltend gemachten und vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Anspruch auf "plangemäße Erschließung" durch "Gesamtherstellung der I********straße" inhaltlich tragen könnte:

Die Klägerinnen und ihnen folgend das Verwaltungsgericht sind der Auffassung, der Bebauungsplan weise den Feldweg als Teil der I********straße zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung ihres gewerblich nutzbaren Grundstücks im Sinn einer Befahrbarkeit mit Kraftwagen und kleineren Lkw's aus. Diese Annahme geht indes fehl. Zwar ist der Feldweg als "Straßen- und Wege-Verkehrsfläche" ausgewiesen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG 1979). Da weitere Konkretisierungen, insbesondere positive oder negative Vorgaben über die verkehrsmäßige Anbindung des klägerischen Grundstücks fehlen, kann daraus aber nicht ohne weiteres auf eine Erschließungsfunktion und Ausbaustufe in dem von den Klägerinnen gewünschten Umfang geschlossen werden. Der Gesamtzusammenhang der Planung belegt insbesondere mit Blick auf die Anlage und die Größenverhältnisse der Verkehrsflächen vielmehr das Gegenteil: Die I********straße mündet von der H****straße her mit einer durchgehenden Breite von 9 m kommend in einen 13x15 m breiten Wendehammer an der Nordgrenze des klägerischen Grundstücks, das als letztes bebaubare Grundstück am Rand des Plangebiets zum Außenbereich hin liegt. Mit dem Wendehammer soll die I********straße in ihrer Funktion als Erschließungsstraße für das Plangebiet offenkundig enden. Sie vermittelt damit auch und gerade dem auf einer Breite von etwa 6 m unmittelbar angrenzenden Grundstück der Klägerinnen eine Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit (im Sinne eines Herauffahrenkönnens mit Kraftfahrzeugen und kleineren Lkw's), die mit Blick auf Art und Maß der für das Grundstück zugelassenen gewerblichen Nutzung eine ausreichende verkehrsmäßige Erschließung darstellt. Ein Mehr an verkehrsmäßiger Erschließung ist zu einer plankonformen Nutzung des Grundstücks nicht geboten. Die Verkehrsfläche, die im Anschluss an den Wendehammer und in Verlängerung der I********straße ausgewiesen ist, teilt sich - getrennt durch eine schmale "öffentliche Grünfläche mit vorhandenem Grünbewuchs" - in zwei parallel verlaufende Stränge, wobei der an der Grenze zum klägerischen Grundstück verlaufende bis zu 3 m, der andere 2 m schmal sind; beide sind außerhalb des Plangebiets als nachrichtlich mitgeteilter Bestand ("Vorh. Hohlweg-Gehölz") fortgeführt. Diese Verkehrsfläche hat nach dem Bebauungsplan weder für das Plangebiet noch für das klägerische Grundstück die Funktion einer (weiteren) Erschließungsstraße, weil sie zur Aufnahme von gewerblichem Fahrzeugverkehr offenkundig zu gering dimensioniert ist und zudem keine erneute Wendemöglichkeit für Fahrzeuge vorsieht. Sie verbindet das Plangebiet lediglich mit dem Außenbereich und ist mit dieser beschränkten Zweckbestimmung auf eine Benutzung durch Fußgänger oder landwirtschaftliche Fahrzeuge ausgerichtet.

Diese planerische Festsetzungen sind tatsächlich verwirklicht: Die I********strasse ist mitsamt dem Wendehammer plangemäß hergestellt. Die sich anschließende Verkehrsfläche ist von der Beklagten als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet, also als öffentliche Straße, die - nur - der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dient (Art. 53 Nr. 1 BayStrWG). Sie befindet sich ferner, wie der Senat bei der Ortseinsicht festgestellt hat, in einem tatsächlichen Ausbauzustand, der dem vom Bebauungsplan vorgegebenen (beschränkten) Nutzungszweck ohne weiteres genügt.

Demnach richtet sich das Ausbauverlangen der Klägerinnen nicht auf die im Bebauungsplan vorgesehene, sondern auf eine "überobligatorische" Erschließung. Die Beklagte kann auf ein entsprechendes Erschließungsangebot - wie es die Klägerinnen wiederholt abgegeben haben - eingehen; sie muss es aber nicht, um die Rechtsfolge des § 124 Abs. 3 Satz 2 BauGB zu vermeiden.

b) Der geltend gemachte Erschließungsanspruch kann auch nicht aus dem Gedanken der Folgenbeseitigung hergeleitet werden.

Dem Grunde nach liegt ein solcher Anspruch allerdings durchaus nahe, weil die den Klägerinnen für ihr Grundstück erteilte Baugenehmigung vom 30. Oktober 1997 mit Tekturgenehmigung vom 16. August 1999 mangels hinreichend gesicherter verkehrsmäßiger Erschließung des genehmigten Vorhabens rechtswidrig sein dürfte. Genehmigt wurde nämlich eine Anlage aus einem Bürogebäude, einer Werkhalle und zwei Gebäuden mit Betriebswohnungen, die zwingend auf eine Zufahrt für Kraftwagen und kleinere Lkw's über den Feldweg angewiesen ist. Nach dem genehmigten Übersichtsplan soll die Zufahrt von der öffentlichen Verkehrsfläche auf das Grundstück und insbesondere zu der im rückwärtigen Teil vorgesehenen Werkhalle aber nicht etwa vom Wendehammer der I********straße aus, sondern allein über den Feldweg erfolgen; an diesem entlang sind zudem insgesamt 11 der insgesamt 26 Pkw-Stellplätze/Carports angeordnet, die wiederum nur über den Feldweg angefahren werden können. Für eine solche Erschließungsfunktion ist diese öffentliche Verkehrsfläche aber, wie oben ausgeführt, nach den Festsetzungen des Bebauungsplans mangels ausreichender Größe ungeeignet; zudem widersprechen die genehmigten Stellflächen am Feldweg der Festsetzung einer 6 m breiten "privaten (Vorgarten-) Grünfläche mit dichter Bepflanzung", die nach dem Bebauungsplan das Grundstück durchgehend abschirmen soll. An dem Erlass dieser (wohl) rechtswidrigen Baugenehmigung hat die Beklagte mitgewirkt, weil sie das Einvernehmen erteilt und in Widerspruch zu ihrem Bebauungsplan bescheinigt hat, dass die Zufahrt gesichert sei.

Gleichwohl steht den Klägerinnen kein Anspruch auf Erschließung durch Ausbau des Feldwegs zu. Es fehlt an der weiteren Voraussetzung, dass in Folge der (Mitwirkung am Erlass der) Baugenehmigung eine Bebauung entstanden sein muss, die wegen unzureichender verkehrsmäßiger Erschließung nicht funktionsgerecht genutzt werden kann. Das ist, wie der Senat bei der Ortseinsicht festgestellt hat, nicht der Fall:

Die Klägerinnen haben das genehmigte Vorhaben nur zum Teil verwirklicht, und zwar in einem Umfang, der einerseits den Erschließungsbedarf gegenüber dem genehmigten deutlich mindert und andererseits die Zufahrtssituation - wenn auch in Widerspruch zur Baugenehmigung, so aber in Übereinstimmung mit der Erschließungskonzeption des Bebauungsplans - "entschärft". Gerade die Werkhalle, die einen gesteigerten Zufahrtsbedarf über den Feldweg in den rückwärtigen Grundstücksteil ausgelöst hätte, wurde nicht gebaut; der entsprechende Bereich wird als Garten genutzt. Die tatsächlich vorhandene gewerbliche Nutzung beschränkt sich mithin auf das am Wendehammer gelegene Bürogebäude (Nr. 7), in dem sich neben einem Labor für Filtertechnik Büros befinden (Software-Entwicklung, Steuerberater, Finanzberater, Holztechnik). Die entlang des Feldwegs errichteten Gebäude (Nrn. 9 und 11) dienen dagegen ausschließlich als Betriebswohnungen.

Die Grundstückszufahrt führt in Widerspruch zur Baugenehmigung unmittelbar vom Wendehammer der I********straße aus auf das Grundstück und verläuft dort (als gepflasterter Fahrweg) um das Bürogebäude herum, wo sie in einer größeren Parkfläche (10x16 m) endet. Die in der Baugenehmigung vorgegebene (einzige) Zufahrt vom Feldweg aus zwischen den Gebäuden Nr. 7 und 9 in den rückwärtigen Grundstücksbereich wurde dagegen nicht angelegt; hier findet sich statt dessen eine kleinere Stellfläche ohne Verbindung in den rückwärtigen Grundstücksbereich. An sie schließen sich entlang dem Feldweg in Übereinstimmung mit der Baugenehmigung weitere Pkw-Stellflächen/Carports an. Die vorhandene Zufahrt unmittelbar vom Wendehammer aus genügt, um mit Kraftfahrzeugen und kleineren Lkw's von der I********straße aus gefahrlos auf das Grundstück herauffahren zu können. Damit ist dem Erschließungsbedarf, den die vorhandene Bebauung zu gewerblichen wie zu Wohnzwecken auslöst, ausreichend Rechnung getragen. Daran ändert nichts, dass größere Lkw's, die das Labor im Gebäude Nr. 7 gelegentlich mit Anlagenkomponenten beliefern, bei der Einfahrt in das Grundstück rangieren und dabei teilweise den geschotterten Feldweg befahren müssen; das ist zumutbar. Diese Grundstückszufahrt wurde zwar in Widerspruch zur Baugenehmigung angelegt; sie wird von der Bauaufsichtsbehörde aber (offenbar) geduldet und muss das zur Vermeidung einer ansonsten in der Tat untragbaren Erschließungssituation auch. Über diese vorhandene - tatsächlich ausreichende und rechtlich ungefährdete - Zufahrt können allerdings nicht die genehmigten und auch angelegten Pkw-Stellflächen und Carports vor den Gebäuden Nrn. 7, 9 und 11 angefahren werden. Das ist nur über den Feldweg möglich. Auch das genügt jedoch aufgrund der besonderen Umstände (noch) den Mindestanforderungen. Der Feldweg ist in diesem Bereich, wie der Augenschein des Senats ergeben hat, mit Sand und Schotter befestigt, frei von Spurrillen und ausreichend breit, um mit Fahrzeugen - auch zur Versorgung der Wohngebäude Nrn. 9 und 11 - befahren zu werden. Erschwernisse nach starkem Regen oder Schneefall müssen hingenommen werden. Der Ausbauzustand des Feldwegs würde freilich nicht auf Dauer ausreichen können, um alleine eine zumutbare verkehrsmäßige Anbindung eines noch dazu gewerblich genutzten Grundstücks aufzunehmen. Auf das Grundstück der Klägerinnen kann jedoch bereits unmittelbar vom Wendehammer aus heraufgefahren werden. Der Feldweg hat allenfalls eine deutlich untergeordnete zusätzliche Erschließungsfunktion, die sich im Wesentlichen auf die den Betriebswohnungen zugeordneten Stellplätze beschränkt. Diesen Zweck kann er ohne weiteres erfüllen. Sollte er ausnahmsweise, etwa witterungsbedingt, nicht befahren werden können, so bleibt auch für die Bewohner der Gebäude Nrn. 9 und 11 eine gefahrlose und zumutbare Anfahrt auf das Grundstück vom Wendehammer aus möglich. Der Wunsch der Klägerinnen nach einem Ausbau des Feldwegs ist durchaus verständlich; eine solche Maßnahme ist indes keineswegs unerlässlich, um die vorhandene Bebauung funktionsgerecht nutzen zu können.

3. Das Straßen- und Wegerecht scheidet ebenfalls als Anspruchsgrundlage aus. Der Anliegergebrauch reicht (nur) soweit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf die Benutzung der Straße zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks in spezifischer Weise angewiesen ist (BayVGH, U.v. 14.1.1997 - 8 B 96.2342 -). Selbst wenn die Widmung der Fläche als öffentlicher Feld- und Waldweg den Klägerinnen eine solche Rechtsposition vermitteln könnte, so wäre dieser aus den oben angeführten Gründen ausreichend Rechnung getragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.129 Euro (entspricht 100.000 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 und § 73 Abs. 1 GKG a.F.).



Ende der Entscheidung

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