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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 4 B 08.2877
Rechtsgebiete: BGB, EWS, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 905 Satz 2
BGB § 1004
EWS § 24 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 B 08.2877

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Beseitigung einer Entwässerungsleitung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Juni 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peitek

ohne mündliche Verhandlung am 5. Oktober 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt die Beseitigung einer öffentlichen Kanalleitung, die über seine im Außenbereich liegenden unbebauten Grundstücke Fl.Nr. ***** Gemarkung H****** und Fl.Nr. *** der Gemarkung H******** verläuft.

Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verlegung eines Schmutzwasserkanals in der F. Straße schlossen der Kläger, Inhaber einer Baufirma, und die Beklagte am 16. Juni 1997/23. Juli 1997 (im folgenden: 16.6.1997) einen Vertrag über die Ablösung von Kanalherstellungsbeiträgen vor Entstehen der Beitragsschuld. Dieser Vertrag sah vor, dass der Kläger den Schmutzwasserkanal im Bereich der F. Straße von dem auf dem B. Weg vorhandenen Schacht 40 über die Schächte 1 bis 14 sowie 21 bis 23 zu einem Pauschalbetrag in Höhe von 141.588 DM errichten solle. Mit dem Bau des Kanals sollte der Ablösebetrag in gleicher Höhe abgegolten sein. Des weiteren trafen der Kläger und die Beklagte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Ablösevertrag eine Vereinbarung, mit der sich der Kläger verpflichtete, den Abwasserkanal im Bereich der F. Straße und des B. Weges auf der Grundlage der Projektunterlagen des Ingenieurbüros H. + W. zu erstellen. Zugleich verpflichtete sich der Kläger an seinen Grundstücken, die für den Kanalbau benötigt werden, zu Gunsten der Stadt eine kostenlose Grunddienstbarkeit zu bestellen.

In der Folgezeit weigerte sich der Kläger (bis heute), die vom Notar erstellte Urkunde über die Bestellung der Dienstbarkeit zu unterzeichnen.

In den Jahren 1997 und 1998 hat der Kläger den Kanal nur zwischen den Schächten 4 und 14 verlegt. Unter Berufung darauf, dass mit dieser Bauleistung der Ablösebetrag aufgebraucht sei, unterbreitete er der Stadt für den Bau der restlichen Kanalleitung ein Kostenangebot. Dieses nahm die Stadt jedoch nicht an, sondern vergab den Auftrag für den Bau der Leitung zwischen den Schächten 1 und 4 an eine andere Baufirma, die ein kostengünstigeres Angebot gemacht hatte (Beschluss des Vergabeausschusses vom 16.2.1998).

Am 28. Dezember 2007 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, die städtische Abwasserleitung samt sämtlichen Nebeneinrichtungen wie Schächte auf den Grundstücken Fl.Nr. ***** der Gemarkung H****** und Grundstück Fl.Nr. *** der Gemarkung H******** zu beseitigen, hilfsweise die Abwasserleitung stillzulegen. Zur Begründung berief er sich im Wesentlichen darauf, dass die Inanspruchnahme seiner Grundstücke ohne Rechtsgrund erfolge. Für die Verlegung des Kanals bestehe weder eine Dienstbarkeit noch sei er aufgrund der am 16.6.1997 geschlossenen Vereinbarung schuldrechtlich zur Duldung des Kanals verpflichtet. Da die Beklagte abweichend von der getroffenen Vereinbarung wesentliche Änderungen bei der Kanalverlegung verlangt habe, die mit erheblichen Mehrkosten verbunden gewesen seien, und die Stadt auch nicht die klägerischen Grundstücke erworben habe, habe er sich geweigert, die Grunddienstbarkeit zu bestellen. Rein vorsorglich habe er mit Schreiben vom 23. Mai 2008 die Vereinbarung vom 16. Juni 1997 gekündigt, die im Übrigen eine Duldungspflicht nicht habe begründen können.

Mit Urteil vom 11. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Beseitigungsanspruch zu, da dieser - sein Vorhandensein unterstellt - jedenfalls verjährt sei. Die von Amts wegen zu berücksichtigende Verjährung richte sich nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nach dessen Vorschriften. Bei Ansprüchen, die bei Inkrafttreten bereits bestanden hätten, berechne sich die Frist ab 1. Januar 2002. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren sei am 31. Dezember 2004 abgelaufen, so dass bei Klageerhebung ein etwaiger Beseitigungsanspruch bereits verjährt gewesen sei.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das Verwaltungsgericht habe nicht offenlassen dürfen, ob überhaupt ein Beseitigungsanspruch bestehe, sondern habe feststellen müssen, von welchem Zeitpunkt an sich der Kanal objektiv unberechtigt im Grundstück befunden habe. Während einer bestehenden Duldungsvereinbarung könne ein Anspruch auf Beseitigung oder Stilllegung nicht entstehen. Der Kläger sei zur Kündigung der Vereinbarung vom 16. Juni 1997 berechtigt gewesen. Die Ablösevereinbarung sei unter der Voraussetzung geschlossen worden, dass dem Kläger durch die Verlegung des Kanals keine den Herstellungsbeitrag übersteigenden Kosten entstünden. Die verschiedenen von der Beklagten zu verantwortenden Planänderungen seien mit erheblichen Mehrkosten verbunden gewesen; insbesondere sei der Kläger bei seiner Kalkulation davon ausgegangen, dass der Kanal in 1 m Tiefe verlegt werden sollte. Hätte die Stadt seine Grundstücke erworben, hätte auch keine Notwendigkeit zur Bestellung der Grunddienstbarkeit bestanden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Juni 2006, Az. RN 3 K 07.2336, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die städtische Abwasserleitung samt sämtlichen Nebeneinrichtungen wie Schächte etc. auf dem Grundstück Fl.Nr. ***** der Gemarkung H****** sowie auf dem Grundstück Fl.Nr. *** der Gemarkung H******** zu beseitigen.

Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, kein Abwasser in die Abwasserleitung, die sich auf dem Grundstück Fl.Nr. ***** der Gemarkung H****** sowie auf dem Grundstück Fl.Nr. *** der Gemarkung H******** befindet, einzuleiten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zwischen dem Ablösevertrag und der Vereinbarung vom 16. Juni 1997 bestehe ein enger rechtlicher und sachlicher Zusammenhang. Sie bildeten eine Einheit und seien Grundlage für eine entsprechende Duldungsverpflichtung des Klägers. Der Kläger habe mutwillig die Bestellung der Dienstbarkeit verweigert. Seine einseitige Kündigung der Vereinbarung vom 16. Juni 1997 sei unwirksam. Aus den Planunterlagen sei für den Kläger ersichtlich gewesen, dass der Kanal auf seiner gesamten Länge in einer Tiefe von jeweils mindestens 2 m unter der Geländeoberkante habe verlegt werden sollen. Letztlich seien durch die geringfügigen Planänderungen sogar zwei Schächte eingespart worden, so dass es gerade nicht zu Mehrkosten gekommen sei. Da nach § 5 der Vereinbarung vom 16. Juni 1997 sämtliche Kosten für den Bau des Abwasserkanals durch den im Ablösevertrag festgelegten Betrag als abgegolten gälten, habe der Kläger abredewidrig den zweiten Abschnitt des Kanals nicht verlegt, so dass die Beklagte gezwungen gewesen sei, eine andere Baufirma hiermit zu beauftragen. Im Übrigen solle die Kündigung der Vereinbarung vom 16. Juni 1997 nur den Rechtschein erwecken, die Stadt habe den Kanal unrechtmäßig in den Grundstücken des Klägers verlegt. Tatsächlich habe ihn aber der Kläger - wenn auch nur teilweise - aufgrund vertraglicher Verpflichtungen verlegt. Hinsichtlich des Verkaufs seiner Grundstücke habe der Kläger überzogene Preisvorstellungen besessen.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2009 haben die Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet, da der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Beseitigung oder Stilllegung der auf seinen Grundstücken verlegten Kanalleitung (mehr) hat.

1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers, die gemeindliche Kanalleitung aus seinen Grundstücken zu entfernen, ist § 1004 Abs. 1 BGB, der nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bei Eigentumsstörungen durch (schlicht) hoheitliche Tätigkeit entsprechend anzuwenden ist (BayVGH vom 9.11.2006 BayVBl 2007, 307; vom 11.8.2005 4 B 03.1278; vom 24.7.2000 BayVBl 2001, 115; vom 23.3.1999 BayVBl 1999, 567 m.w.N.). Die Verlegung des Kanals diente der Erschließung des Gemeindegebiets im Bereich der F. Straße und ist daher als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren. Für diese rechtliche Einordnung ist unerheblich, dass der Kläger selbst in (teilweiser) Erfüllung des Ablösevertrages den Schmutzwasserkanal zwischen den Schächten 4 und 14 verlegt hat. Dies ist rechtlich nicht anders zu beurteilen als die Verlegung der weiteren Kanalleitung, die eine andere Baufirma im Auftrag der Beklagten vorgenommen hat. In der unberechtigten Inanspruchnahme privater Grundstücke durch einen Abwasserkanal liegt eine Eigentumsbeeinträchtigung, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB verlangen kann (BGH vom 1.2.1994 BGHZ 125, 56/63). § 1004 Satz 1 BGB erfasst jegliche Beeinträchtigung des Eigentums, die zu dulden der Eigentümer nicht verpflichtet ist; nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch (BGH vom 19.12.1975 NJW 1976, 416 = BGHZ 66, 37).

Der Anspruch des Klägers auf Beseitigung des Kanals nebst Schächten ist nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, denn der Kläger ist nicht verpflichtet, den Kanal nebst Nebenanlagen auf seinen Grundstücken zu dulden. Eine Verpflichtung zur Duldung kann sich aufgrund einer dinglichen Sicherung, einer vertraglichen Vereinbarung oder nach privatrechtlichen oder öffentlichen-rechtlichen Vorschriften ergeben. Ein dingliches Recht der Beklagten, die klägerischen Grundstücke für den Kanal in Anspruch zu nehmen, besteht nicht. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Stadt ist nicht ins Grundbuch eingetragen worden, da der Kläger sich (bis heute) geweigert hat, die notarielle Urkunde über die Bestellung der Grunddienstbarkeit zu unterzeichnen.

Eine Duldungspflicht des Klägers lässt sich auch nicht auf eine schuldrechtliche Vereinbarung stützen. Bezüglich der Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks für die Verlegung der Kanalleitung haben die Parteien weder einen Pachtvertrag noch einen Leihvertrag abgeschlossen. Eine Duldungspflicht des Klägers lässt sich insbesondere nicht auf die Vereinbarung vom 16.6.1997 stützen. In § 3 dieser Vereinbarung hatte sich der Kläger verpflichtet, für die sich in seinem Eigentum befindlichen Grundstücke zugunsten der Stadt P. eine kostenlose Dienstbarkeit zu bestellen. Wegen des Abstraktionsprinzips, wonach das schuldrechtliche Grund- oder Verpflichtungsgeschäft und das dingliche Rechtsgeschäft (Erfüllungsgeschäft) getrennt zu beurteilen sind, werden Rechte und Pflichten erst durch das dingliche Recht und nicht bereits durch die schuldrechtliche Verpflichtung begründet (BGH vom 20.10.2005 MDR 2006, 470/471 zum Erbbaurecht; Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, RdNr. 13 Einl. vor § 854), d.h. die Verpflichtung des Grundstückseigentümers folgt nicht bereits aus der Vereinbarung über die Bestellung des dinglichen Rechts, sondern erst aus dem im Grundbuch eingetragenen dinglichen Recht. Da dem Grundgeschäft für eine Duldungspflicht keine rechtsbegründende Wirkung zukommt, kommt es auf die vorsorgliche Kündigung der Vereinbarung vom 16.6.1997, die der Kläger in seinem Schreiben vom 23.5.2008 ausgesprochen hat, nicht an.

Eine Duldungspflicht des Klägers lässt sich auch nicht darauf stützen, dass er seit der Verlegung des Kanals in den Jahren 1997/1998 diesen faktisch geduldet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats lässt sich aus dem Umstand, dass ein ohne rechtliche Rechtfertigung im Grundstück verlegter Kanal längere Zeit geduldet worden ist, keine Einwilligung in die Grundstücksbeeinträchtigung (vgl. Palandt RdNr. 37 zu § 1004) oder den Abschluss eines stillschweigenden Leihvertrags ableiten, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, in denen ein hierauf gerichteter Rechtsbindungswille zum Ausdruck kommt (Senatsurteil vom 11.8.2005, a.a.O., m.w.N.). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr sprechen die vorliegenden Umstände gegen einen solchen Rechtsbindungswillen. Die Parteien haben übereinstimmend eine dingliche Sicherung für erforderlich gehalten. Zwar liegt die Annahme nahe, dass der Kläger bei der Verlegung des ersten Abschnitts, die er selbst ausgeführt hat, jedenfalls mit der Inanspruchnahme seines Grundstücks einverstanden war. Aus diesem seinerzeitigen Einverständnis während der Bauphase kann jedoch ein Rechtsbindungswillen, die Leitung auch ohne dingliche Sicherung zu dulden, nicht abgeleitet werden. Der Kläger hat auf die Unterzeichnung der Urkunde über die Bestellung der Grunddienstbarkeit nicht deshalb verzichtet, weil er auch ohne formale Sicherung die Leitung auf Dauer ohnehin dulden wollte und ihm daher die Bestellung der Grunddienstbarkeit (nunmehr) überflüssig erschien; vielmehr waren Differenzen über die Erfüllung des Ablösevertrages hierfür ursächlich. Nach Erstellung des ersten Bauabschnitts vertrat der Kläger die Auffassung, dass er seine Verpflichtung aus dem Ablösevertrag nunmehr erfüllt habe, da der Wert der von ihm erbrachten Bauleistung dem Ablösebetrag entspreche; eine unentgeltliche Erstellung des zweiten Bauabschnitts komme daher nicht mehr in Betracht.

Die Inanspruchnahme der klägerischen Grundstücke für den Abwasserkanal ist auch nicht durch öffentlich-rechtliche Vorschriften gerechtfertigt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 2. Dezember 1997 hat der Grundstückseigentümer das Anbringen und Verlegen von Leitungen einschließlich Zubehör zur Ableitung von Abwasser über sein im Entsorgungsgebiet liegendes Grundstück sowie sonstige Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen, wenn und soweit diese Maßnahme für die öffentliche Abwasserbeseitigung erforderlich sind. Diese Pflicht betrifft nach § 24 Abs. 1 Satz 2 EWS nur Grundstücke, die an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen oder anzuschließen sind, die vom Eigentümer im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem angeschlossenen oder zum Anschluss vorgesehenen Grundstück benutzt werden oder für die die Möglichkeit der öffentlichen Abwasserbeseitigung sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist. Keine dieser Voraussetzungen trifft für die unbebauten Grundstücke des Klägers (Bachgrundstück, Biotop) zu. Sie sind weder angeschlossen noch anzuschließen und bilden mit anderen angeschlossenen oder anzuschließenden Grundstücken keine wirtschaftliche Einheit. Die gemeindliche Abwasserbeseitigung ist für sie auch nicht wirtschaftlich vorteilhaft.

Aus alledem folgt, dass der Kläger weder nach Privatrecht noch nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Duldung der Kanalleitung nebst Nebenanlagen verpflichtet ist.

2. Die Pflicht des Klägers, die Leitung nebst Nebenanlagen auf seinem Grundstück rechtlich hinzunehmen, ist jedenfalls bezüglich der Nebenanlagen auch nicht durch § 905 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer solche Einwirkungen auf das Grundstück nicht verbieten, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat/haben kann. Dabei ist nicht nur die gegenwärtige Nutzung maßgebend, vielmehr sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die erst in Zukunft eine Behinderung besorgen lassen (BayVGH vom 26.2.2007 4 ZB 06.1905 <juris RdNr. 16 m.w.N.>). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Versorgungsleitungen in einer Tiefe zwischen 2 und 3 m grundsätzlich die bauliche Nutzbarkeit eines innerstädtischen Grundstücks berühren und daher einer späteren Bebauung hinderlich sein können (BayVGH vom 5.10.2005 4 ZB 05.740 unter Hinweis auf BGH vom 1.2.1994, a.a.O. S. 64). Vorliegend spricht sehr viel dafür, dass die in einer Tiefe von mindestens 2 m unter der Geländeoberkante verlegte Kanalleitung die Nutzungsinteressen des Klägers nicht beeinträchtigen. Die im Außenbereich liegenden unbebauten Grundstücke, von denen das Grundstück FlNr. ***** überwiegend als Biotop kartiert ist, werden vom Kläger selbst in seinem Schriftsatz vom 23.5.2008 als unbebaubar eingestuft und es ist weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit eine künftige Nutzbarkeit des Grundstücks durch die Kanalleitung beeinträchtigt werden könnte; insoweit stünde § 905 Satz 2 BGB dem Begehren auf Beseitigung der Leitung entgegen.

Anderes gilt hinsichtlich der fünf Schächte, soweit die Schachtdeckel an der Geländeoberkante verlegt sind. Für diese Nebenanlagen ist die Beklagte grundsätzlich zur Beseitigung verpflichtet, da wie oben dargelegt, eine Duldungspflicht des Klägers i.S.v. § 1004 Abs. 2 BGB nicht besteht und § 905 Satz 2 BGB insoweit nicht eingreift.

3. Der Beseitigungsanspruch ist auch nicht im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass der Kanal auf Wunsch des Klägers verlegt worden ist, weil sein Grundstück F-Str. 30 seinerzeit noch nicht ausreichend erschlossen war und er teilweise den Kanal selbst verlegt hat. Das Begehren, die Kanalleitung nebst Nebenanlagen zu entfernen, ist nicht treuwidrig.

Ein Folgenbeseitigunsanspruch kann analog § 242 BGB dann ausgeschlossen sein, wenn sich dieses Begehren als unzulässige Rechtsausübung darstellt (BVerwG vom 6.9.1988 BVerwGE 80, 178/179). Auch wenn das streitgegenständliche Beseitigungsverlangen in Widerspruch zum früheren Verhalten des Klägers steht, sind die Anforderungen an ein venire contra factum proprium dennoch nicht erfüllt. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmißbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH vom 5.12.1991 NJW 1992, 834). Bereits zu Beginn der Bauarbeiten hatte der Kläger hinreichend klargestellt, dass er die Frage der Nutzungsberechtigung der Beklagten als ungeklärt erachtete. Er wollte mit der Kanalverlegung ersichtlich nicht auf die Ausübung seiner Rechte als Eigentümer verzichten, vielmehr ging es ihm darum, der Beklagten ein Nutzungsrecht an seinen Grundstücken nur unter für ihn annehmbaren Bedingungen einzuräumen. Schon im Juli 1997 hatte der Kläger die Bestellung der Dienstbarkeit wegen der veränderten Ausführungsunterlagen verweigert. Die Beklagte signalisierte ihm daraufhin zu Beginn der Bauarbeiten eine Lösung der Nutzungsfragen über einen Tausch oder Ankauf seiner Grundstücke. Vor diesem Hintergrund ist es nicht treuwidrig, wenn der Kläger vor einer endgültigen Klärung dieser Fragen mit der Verlegung des Kanals begonnen hat und erst nach einem längeren Zeitraum die Beseitigung der Leitungen verlangt hat. Dementsprechend konnte für die Beklagte kein Vertrauenstatbestand begründet werden, dass der Kläger bei Scheitern der Verhandlungen gleichwohl darauf verzichten würde, gegen die Verlegung des Kanals auf seinen Grundstücken vorzugehen.

4. Der Beseitigungsanspruch des Klägers ist jedoch im Ergebnis ausgeschlossen, weil dieser bei Klageerhebung wegen Verjährung bereits erloschen war.

Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, dass die Verjährung in Analogie zu der Regelung des Art. 71 Abs. 1 AGBGB zum Erlöschen des Folgenbeseitigungsanspruchs führt, was von Amts wegen zu beachten ist (BayVGH vom 5.10.2005, a.a.O., m.w.N.). Hierauf hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen.

Die Verjährung des Abwehranspruchs nach § 1004 BGB bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats nach §§ 194 ff BGB (BayVGH vom 9.11.2006 BayVBl 2007, 307/308 m.w.N.) Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 (Gesetz vom 26.11.2001, BGBl I S. 3138) betrug die Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. 30 Jahre, die gemäß § 199 Abs. 1 Nr.1 BGB mit der Entstehung des Beseitigungsanspruchs beginnt (BayVGH vom 9.11.2006, a.a.O., S. 308). Nach § 195 BGB n.F. in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes beträgt die kenntnisab- abhängige Verjährungsfrist nunmehr 3 Jahre. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht davon ab, dass der Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme seines Grundstücks nicht als Störung empfunden oder überhaupt Kenntnis davon hat (BGH vom 1.2.1994, a.a.O. S. 64). Mithin kommt es nicht auf eine "faktische Duldung" durch den Eigentümer an, sondern allein darauf, dass sich die Leitung objektiv unberechtigt in dem Grundstück befindet, weil schon dadurch das Eigentum beeinträchtigt wird (BGH vom 1.2.1994, a.a.O., S. 64). Vorliegend entstand der Beseitigungsanspruch mit der Verlegung des Kanals in den Jahren 1997/98, da allein das faktische Einverständnis des Klägers bei Beginn der Verlegung wie dargelegt keine Duldungspflicht begründet hat. Bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war die 30-jährige Verjährungsfrist nach altem Recht noch nicht abgelaufen. Daher hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vorliegend die 3-jährige Verjährungsfrist nach § 195 n.F. BGB vom 1. Januar 2002 an zu berechnen ist. Hiernach war mit Ablauf des 31. Dezember 2004 der Anspruch auf Verlegung des Kanals nebst Nebeneinrichtungen wegen Verjährung erloschen. Mit der am 28. Dezember 2007 erhobenen Klage konnte daher der Beseitigungsanspruch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Stilllegung des Kanals, der ebenfalls auf § 1004 BGB analog zu stützen ist, war bei Klageerhebung aus den gleichen Gründen bereits erloschen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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