Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 4 N 07.555
Rechtsgebiete: KAG, Satzung der Gemeinde Übersee


Vorschriften:

KAG Art. 7
Satzung der Gemeinde Übersee für die Erhebung des Kurbeitrages vom 22.1.2007
Die Erhebung einer kommunalen Zweitwohnungsteuer stellt keinen wichtigen Grund im Sinn von Art. 7 Abs. 2 Satz 3 KAG dar, der eine Befreiung der Zweitwohnungsinhaber von der Kurbeitragspflicht rechtfertigt.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 N 07.555

In der Normenkontrollsache

Wegen Unwirksamerklärung der Satzung der Gemeinde Übersee für die Erhebung des Kurbeitrages vom 22.1.2007

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Juni 2008

am 19. Juni 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Satzung der Gemeinde Übersee für die Erhebung des Kurbeitrages vom 22. Januar 2007 wird für unwirksam erklärt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Antragstellerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Kurbeitragssatzung der Gemeinde Übersee (Antragsgegnerin) vom 22. Januar 2007.

Die Antragsgegnerin, die ohne räumliche Einschränkung als Luftkurort anerkannt ist, erhebt seit geraumer Zeit einen Kurbeitrag. Rechtsgrundlage war zunächst die Satzung vom 12. Juni 1975 (mit späteren Änderungen), dann die Satzung vom 23. Januar 2006. Kurbeitragspflichtig waren nach diesen Satzungen in Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 2 Satz 1 KAG Personen, die sich zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet - dem gesamten Gemeindegebiet - aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten wird. Für die Inhaber von Zweitwohnungen und Dauercamper enthielten die Satzungen Vorschriften über die pauschale Abgeltung des Kurbeitrages. Nach Einführung einer gemeindlichen Zweitwohnungsteuer beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin eine neue Kurbeitragssatzung mit dem Ziel, eine doppelte Inanspruchnahme der Betroffenen mit Kurbeitrag und Zweitwohnungsteuer zu vermeiden. Die vom ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin am 22. Januar 2007 ausgefertigte Satzung (KBS 2007) regelt die Beitragspflicht nunmehr folgendermaßen:

§ 1

Beitragspflicht

Personen, die sich zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet der Gemeinde Übersee aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts oder eine Zweitwohnung im Sinne der gemeindlichen Zweitwohnungssteuersatzung zu haben und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten wird, sind verpflichtet, einen Kurbeitrag zu entrichten. Diese Verpflichtung ist nicht davon abhängig, ob und in welchem Umfang Einrichtungen, die Kurzwecken dienen, tatsächlich in Anspruch genommen werden.

Eine Regelung über die pauschale Abgeltung des Kurbeitrages fehlt. Inhaltsgleich mit den früheren Satzungen regelt § 6 KBS 2007 folgende Mitwirkungspflichten der Beherbergungsbetriebe bei der Erhebung des Kurbeitrags:

§ 6

Einhebung und Haftung

(1) Natürliche und juristische Personen, die Kurbeitragspflichtige beherbergen oder ihren Wohnraum überlassen sowie Inhaber von Campingplätzen sind verpflichtet, der Gemeinde die Beitragspflichtigen schriftlich zu melden, sofern diese sich nicht selbst gemeldet haben.

Sie sind weiterhin verpflichtet, den Kurbeitrag einzuheben und haften der Gemeinde gegenüber für den Eingang des Beitrags.

(2) Der Kurbeitrag ist von dem zur Einhebung Verpflichteten spätestens einen Tag nach der Abreise des Kurbeitragspflichtigen an die Gemeinde abzuführen. Die Gemeinde kann zulassen, dass der Beitrag erst am Monatsende abgeführt wird.

(3) Wenn Teilnehmer an Gesellschaftsreisen einen Pauschalsatz bezahlt haben, in dem der Kurbeitrag eingeschlossen ist, so ist an Stelle des nach Abs. 1 Verpflichteten der Reiseunternehmer zur Abführung des Kurbeitrags verpflichtet; er haftet der Gemeinde gegenüber für den Eingang des Beitrags. Abs. 2 gilt entsprechend.

Die Kurbeitragssatzung vom 22. Januar 2007 ist - rückwirkend - zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten, gleichzeitig ist die Satzung vom 23. Januar 2006 außer Kraft getreten (§ 7 KBS 2007).

Die Antragstellerin, die einen Campingplatz im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin betreibt, trägt zur Begründung ihres am 5. März 2007 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen Normenkontrollantrags im Wesentlichen vor: Die Antragsgegnerin sei nicht zur Erhebung eines Kurbeitrags berechtigt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Luftkurort nicht für das gesamte Gemeindegebiet vorlägen; dieses werde von einer stark befahrenen Autobahn und einer Eisenbahnlinie durchtrennt, weshalb zumindest die davon unmittelbar betroffenen Gemeindeteile keine für einen Luftkurort typische Luftqualität aufweisen würden. Darüber hinaus fehle es im gesamten Gemeindegebiet an den nach Art. 7 Abs. 1 KAG erforderlichen spezifischen Einrichtungen oder Veranstaltungen, in deren Rahmen man das Heilmittel "Klima" zu Kur- oder Erholungszwecken anwende und die überwiegend für Ortsfremde vorgehalten würden. Jedenfalls sei das Äquivalenzprinzip verletzt, weil zwischen der Höhe des Beitrags und dem äußerst geringen Vorteil aus dem Angebot für die beitragspflichtigen Kurgäste ein grobes Missverhältnis bestehe. Als Kureinrichtung kämen alleine der Kurpark, das Kneipptretbecken, der Kurbrunnen und der Radrundweg in Betracht. Diese Einrichtungen könnten jedoch auch von nicht kurbeitragspflichtigen Personen, wie etwa Tagesgästen, kostenfrei benutzt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Kureinrichtungen ausschließlich durch den Kurbeitrag finanziert würden, ohne dass ein Abschlag für den Nutzen der Allgemeinheit veranschlagt worden sei. Hinzu käme, dass "Wildcamper" und Tagesgäste von der Antragsgegnerin nicht herangezogen würden. Diese Ungleichbehandlung werde noch dadurch verstärkt, dass die Antragsgegnerin durch die Satzung vom 22. Januar 2007 Inhaber von Zweitwohnungen von der bis dahin bestehenden Kurbeitragspflicht ausgenommen habe, obwohl diese ebenfalls als Urlauber anzusehen seien und die Möglichkeit zur Benutzung der Kureinrichtungen hätten; es sei nicht einzusehen, warum Zweitwohnungsinhaber keinen Kurbeitrag zu entrichten hätten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Satzung der Gemeinde Übersee für die Erhebung des Kurbeitrages vom 22. Januar 2007 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei bereits verfristet; denn für den Fristbeginn komme es maßgeblich auf die Bekanntmachung der ursprünglichen Kurbeitragssatzung vom 12. Juni 1975 an, weil bereits dort die die Antragstellerin beschwerende Bestimmung über die Mitwirkungspflichten der Campingplatzinhaber bei der Erhebung des Kurbeitrages geregelt gewesen sei. Jedenfalls aber sei der Antrag unbegründet. Die Antragstellerin sei bereits aufgrund ihrer formalen Anerkennung als Luftkurort zur Erhebung eines Kurbeitrags berechtigt. Ob die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt seien, stehe im Normenkontrollverfahren nicht zur Überprüfung. Im Übrigen sei das nach wie vor der Fall, wie ein aktuelles Gutachten des Deutschen Wetterdienstes belege. Auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Kurbeitrags seien beachtet. Die Gemeinde halte zahlreiche Einrichtungen und Veranstaltungen bereit, die Kur- oder Erholungszwecken dienten und für die ein beitragsfähiger Aufwand entstehe. Mit der Herausnahme der Zweitwohnungsinhaber aus dem Kreis der Beitragspflichtigen habe sich der Satzungsgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums gehalten.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt und darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf den klaren Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 KAG rechtlich zweifelhaft erscheine, Inhaber von Zweitwohnungen von der Kurbeitragspflicht auszunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Der Antrag, die Satzung der Antragsgegnerin für die Erhebung des Kurbeitrages vom 22. Januar 2007 für unwirksam zu erklären, ist statthaft (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO) und auch sonst zulässig.

Er ist im März 2007 und damit fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Kurbeitragssatzung vom 22. Januar 2007 gestellt worden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dass die frühere Kurbeitragssatzung, die durch die angegriffene Satzung ersetzt wurde, inhaltsgleiche Regelungen enthielt, ist unbeachtlich. Denn anders als die lediglich deklaratorische Neubekanntmachung einer Satzung nach Änderung einzelner Bestimmungen (vgl. BayVGH, U.v. 31.3.2005 - 4 N 03.3086, VGH n.F. 58, 80/81 = NVwZ-RR 2006, 286) setzt der - hier erfolgte - erneute Satzungserlass als konstitutiver Rechtssetzungsakt die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erneut in Lauf, auch wenn eine zuvor geltende Norm lediglich inhaltlich wiederholt wird.

Die Antragstellerin ist als Betreiberin eines Campingplatzes im Kurgebiet der Antragsgegnerin antragsbefugt. Sie wird durch die angegriffene Kurbeitragssatzung oder deren Anwendung möglicherweise in ihren Rechten verletzt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das gilt ohne weiteres hinsichtlich § 6 KBS 2007, der sich unmittelbar (u.a.) an Inhaber von Campingplätzen richtet und diesen Melde-, Einhebungs- sowie Abführungspflichten auferlegt und sie der Haftung unterwirft. Das gilt aber ebenso für die übrigen Satzungsbestimmungen insbesondere zur Beitragspflicht und -höhe, die sie aufgrund der Haftungsregelung in gleicher Weise in eigenen Rechten betreffen wie die originär kurbeitragspflichtigen Personen selbst (vgl. BayVGH, U.v. 12.2.2004 - 5 N 02.1674 - VGH n.F. 57, 43/44 = NVwZ-RR 2004, 895).

2. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die Kurbeitragssatzung vom 22. Januar 2007 ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb insgesamt für unwirksam zu erklären; diese Entscheidung ist allgemein verbindlich, die Entscheidungsformel von der Antragsgegnerin ebenso zu veröffentlichen wie die Satzung bekanntzumachen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Antragsgegnerin ist zwar entgegen der Ansicht der Antragstellerin berechtigt, einen Kurbeitrag zu erheben.

Nach Art. 7 Abs. 1 KAG können Gemeinden, die ganz oder teilweise als (u.a.) Luftkurort anerkannt sind, im Rahmen der Anerkennung zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, einen Beitrag erheben. Die Antragsgegnerin ist - unstreitig - ohne räumliche Einschränkung als Luftkurort anerkannt. Damit zählt sie zum Kreis der erhebungsberechtigten Gemeinden. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Anerkennungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 KAG in Verbindung mit der Verordnung über die Anerkennung als Kur- oder Erholungsort und über die Errichtung des Bayerischen Fachausschusses für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen (AnerkV) vom 17. September 1991 (GVBl S. 343) für das gesamte Gemeindegebiet vorliegen, ist nicht entscheidungserheblich. Die Berechtigung zur Erhebung eines Kurbeitrags folgt nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes allein aus der Existenz der - wirksamen (Art. 43 BayVwVfG) - Anerkennung als Luftkurort, die als gegebener "Tatbestand" ohne inhaltliche Prüfung zugrunde zu legen ist (BayVGH, U.v. 22.6.2007 - 4 N 05.3049, KommunalPraxis BY 2008, 33 f. = GewArch 2008, 217/218).

Der Antragsgegnerin entsteht auch ein kurbeitragsfähiger Aufwand. Der Einwand, es fehle an "spezifischen" Kureinrichtungen oder -veranstaltungen für das Heilmittel "Klima" geht fehl, weil er von einem zu engen Verständnis des beitragsfähigen Aufwands ausgeht. Denn zu den mit Kurbeiträgen finanzierbaren "Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen" (Art. 7 Abs. 1 Halbsatz 2 KAG), zählen neben den eigentlichen Bade- und Kureinrichtungen etwa auch Spazier- und Wanderwege, Ruhebänke, Liegewiesen, Aufenthalts- und Gesellschaftsräume, Sport- und Unterhaltungsanlagen sowie Konzerte, Vortrags- und Theaterveranstaltungen, soweit sie überwiegend für Ortsfremde vorgehalten werden (BayVGH, U.v. 22.6.2007, a.a.O.; vgl. auch Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nr. 4.5.4.1.2; Engelbrecht in: Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, RdNr. 10 zu Art. 7; Hürholz, in: Thimet <Hrsg.>, Kommunalabgabenrecht in Bayern, Teil IV, Art. 7 Frage 3 Nr. 3). Ebenso wenig kann das Argument der Antragstellerin überzeugen, andere Gemeinden in der Umgebung würden ihren Gästen ein ähnliches oder gar besseres Kur- und Erholungsangebot bieten und dafür geringere oder gar keine Kurbeiträge verlangen. Ob und in welchem Umfang eine Gemeinde ihren nach Art. 7 Abs. 1 KAG beitragsfähigen Aufwand durch die Erhebung eines Kurbeitrags deckt oder aus allgemeinen Deckungsmitteln (mit)finanziert, steht in ihrem Ermessen. Vor diesem Hintergrund kann auch der Einwand nicht durchgreifen, die Antragstellerin werde durch die ihr in § 6 KBS 2007 auferlegten Pflichten gegenüber anderen Campingplatzbetreibern in der Region gleichheitswidrig benachteiligt und im Wettbewerb behindert; denn der Gleichheitssatz verpflichtet das jeweilige Normsetzungsorgan nur im Rahmen seines Kompetenzbereichs. Ebenso wenig würden etwaige Vollzugsdefizite zur Unwirksamkeit der Satzung führen.

b) Die Kurbeitragssatzung vom 22. Januar 2007 ist jedoch deshalb ungültig, weil die in § 1 Satz 1 enthaltene Beschränkung der Beitragspflicht zugunsten der Inhaber von Zweitwohnungen gegen Art. 7 Abs. 2 Sätze 1 und 3 KAG verstößt.

Der Kreis der Kurbeitragspflichtigen wird durch Art. 7 Abs. 2 Satz 1 KAG unmittelbar und abschließend vorgegeben. Nach dieser Bestimmung sind alle Personen beitragspflichtig, die sich in dem nach Art. 7 Abs. 1 KAG anerkannten Gebiet zu Kur- oder Erholungszwecken aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinn des Melderechts zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten ist. Dazu können auch Inhaber von Zweitwohnungen zählen, wie der Gesetzgeber selbst mit den Sonderregelungen für diesen Personenkreis in Art. 7 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 und Sätze 5 und 6 KAG voraussetzt. Mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 KAG ("beitragspflichtig sind ...") darf der Kreis der Kurbeitragspflichtigen durch gemeindliche Satzung weder erweitert noch beschränkt werden. Art. 7 KAG räumt der Gemeinde zwar - in den Grenzen des gemeindlichen Haushaltswirtschaftsrecht - ein Ermessen insbesondere bei den Fragen ein, ob ein Kurbeitrag überhaupt (Abs. 1) und, wenn ja, in welcher Höhe (Abs. 2 Sätze 2 und 3) und Form (Abs. 2 Sätze 5 und 6 zur Pauschalierung bei Inhabern von Zweitwohnungen) er erhoben wird. Die persönliche Beitragspflicht hat der Gesetzgeber hingegen selbst geregelt. Ein Ermessen der Gemeinde zu einer abweichenden Ausgestaltung des Kreises der Beitragspflichtigen kann auch nicht aus dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) hergeleitet werden; denn das Selbstverwaltungsrecht besteht nur im Rahmen der Gesetze.

Von der unmittelbar kraft Gesetzes bestehenden Kurbeitragspflicht kann die Beitragssatzung allerdings gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 3 KAG aus wichtigen Gründen vollständige oder teilweise Befreiung vorsehen. Das Gesetz ermächtigt mit dieser Billigkeitsvorschrift, die auch in den Kommunalabgabengesetzen anderer Länder vorgesehen ist (vgl. Lichtenfeld in: Driehaus <Hrsg.>, Kommunalabgabenrecht, RdNr. 31b zu § 11), den gemeindlichen Satzungsgeber, die dem Grunde nach bestehende Kurbeitragspflicht für bestimmte Personengruppen aus wichtigen (sozialen, familiären oder sonstigen sachlichen) Gründen zu ermäßigen oder vollständig entfallen zu lassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit alle möglichen Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände rechtlich zulässig sind. Ob "wichtige Gründe" für eine Befreiung oder Ermäßigung vorliegen, ist gerichtlich voll überprüfbar und insbesondere an dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen; sie müssen insbesondere mit dem Zweck vereinbar sein, dem der Kurbeitrag nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung in Art. 7 KAG zu dienen bestimmt ist (vgl. Benne, ZKF 1987, 149/150).

Es besteht kein wichtiger Grund im Sinn des Art. 7 Abs. 2 Satz 3 KAG, der eine Befreiung der Zweitwohnungsinhaber von der Kurbeitragspflicht rechtfertigt. Der Kurbeitrag dient nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung dazu, den gemeindlichen Aufwand für Kur- und Erholungseinrichtungen oder -veranstaltungen abzudecken, die nicht den Einheimischen, sondern in erster Linie den ortsfremden Erholungssuchenden dienen; er wird von den Ortsfremden als Gegenleistung dafür erhoben, dass ihnen während ihres Aufenthaltes im Kurgebiet die Möglichkeit geboten wird, diese Einrichtungen und Veranstaltungen in Anspruch zu nehmen. Dieser durch den Kurbeitrag abgeschöpfte Sondervorteil kommt offenkundig gerade auch den Inhabern einer Zweitwohnung im Kurgebiet zugute, die nicht über eine Hauptwohnung im Erhebungsgebiet verfügen. Denn diesen bietet sich typischerweise - zumal durch eine eigene Wohnung verfestigt - die Möglichkeit, von dem gemeindlichen Kur- und Erholungsangebot Gebrauch zu machen. Ihre Herausnahme aus dem Kreis der Kurbeitragspflichtigen widerspräche nicht nur dem Zweck dieser Abgabe, sondern auch dem Gebot der Beitragsgerechtigkeit. Sie lässt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht damit rechtfertigen, dass dieser Personenkreis zugleich zu einer gemeindlichen Zweitwohnungsteuer herangezogen wird (B. Hempel/ N. Hempel, KStZ 1982, 185 f.; anderer Auffassung, ohne allerdings auf das Erfordernis eines wichtigen Grundes einzugehen: Hürholz, a.a.O., Teil IV Art. 7 Frage 5 unter Nr. 7). Bei dem Kurbeitrag und der Zweitwohnungsteuer handelt es sich um unterschiedliche Abgaben, die unabhängig nebeneinander stehen: Der Kurbeitrag stellt, wie oben ausgeführt, ein Entgelt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kureinrichtungen dar und setzt deshalb den tatsächlichen Aufenthalt im Kurgebiet voraus. Bei der Zweitwohnungsteuer handelt es sich hingegen um eine örtliche Aufwandsteuer (Art. 105 Abs. 2a GG, Art. 3 Abs. 1 KAG). Ihr Gegenstand ist das Innehaben einer zusätzlichen zweiten oder weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf unabhängig davon, ob diese im Veranlagungszeitraum tatsächlich genutzt wird. Die Steuer erfasst die im Innehaben einer Zweitwohnung zum Ausdruck kommende besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und setzt nicht etwa voraus, dass die erhebende Gemeinde besondere Einrichtungen für die Steuerpflichtigen vorhält. Während das Aufkommen aus dem Kurbeitrag zweckgebunden der Deckung des Aufwands für die gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen bzw. Veranstaltungen dient (Art. 7 Abs. 1 KAG), ist dem Steuerbegriff eine Zweckbindung des Steueraufkommens gerade fremd (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO). Angesichts der unterschiedlichen Abgabentatbestände und -zwecke können Zweitwohnungsteuer und Kurbeitrag - auch in pauschalierter Form auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 Sätze 5 und 6 KAG - nebeneinander erhoben werden (BayVGH, U.v. 4.5.2006 - 4 BV 06.341, ZKF 2007, 117 ff.). Aus ihrer Verschiedenheit folgt zugleich, dass die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer keinen sachlichen Grund für die Freistellung von einer zugleich bestehenden Kurbeitragspflicht darstellt; denn die Steuer steht in keinerlei Beziehung zu den Vorteilen, die mit dem Kurbeitrag abgegolten werden. Will eine Gemeinde, die sich dazu entschlossen hat, beide Abgaben nebeneinander zu erheben, die betroffenen Zweitwohnungsinhaber entlasten, so kann sie das nur durch eine entsprechende Ausgestaltung der jeweiligen Abgabensätze erreichen; das subjektive Empfinden einer "Doppelbelastung" lässt sich damit freilich nicht vermeiden.

Die Herausnahme der Inhaber von Zweitwohnungen aus dem Kreis der Kurbeitragspflichtigen in § 1 Satz 1 KBS 2007 ist demnach mit § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 3 KAG unvereinbar und nichtig. Das führt zur Unwirksamerklärung der gesamten Kurbeitragssatzung vom 22. Januar 2007. Zwar ist die fehlerhafte Beschränkung der Beitragspflicht von den übrigen Satzungsbestimmungen objektiv abtrennbar. Bei einer bloßen Teilunwirksamerklärung bliebe jedoch eine Restregelung bestehen, die dem mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers offenkundig widerspräche. Zum einen ist bereits fraglich, ob der Satzungsgeber in Kenntnis der rechtlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 Sätze 1 und 3 KAG nicht generell von der Erhebung eines Kurbeitrags neben der Zweitwohnungsteuer abgesehen hätte. Jedenfalls aber hätte er nicht auf die in den vorangegangenen Satzungen enthaltene, den Satzungsvollzug erheblich vereinfachende Regelung über die Pauschalierung des Kurbeitrages für Zweitwohnungsinhaber verzichtet.

Der Senat geht davon aus, dass die frühere Kurbeitragssatzung vom 23. Januar 2006 keine tragfähige Rechtsgrundlage für die weitere Erhebung eines Kurbeitrages darstellt. Denn die Antragsgegnerin hat im Normenkontrollverfahren keine Kalkulation vorlegen können, die die in der Satzung festgelegten Beitragssätze zumindest nachträglich gegenüber den Angriffen der Antragstellerin zu rechtfertigen vermag. Die dem Senat übergebenen Unterlagen lassen keine Beurteilung zu, ob die gesetzlichen Anforderungen an die Beitragskalkulation, insbesondere das Kostendeckungsprinzip, beachtet sind (vgl. hierzu etwa Hürholz, a.a.O., Frage 3, und GK 1986 RdNr. 29 mit einem "Schema zur Ermittlung der mit Kurbeitrag und Fremdenverkehrsbeitrag finanzierbaren Aufwendungen im Verwaltungshaushalt"). In zeitlicher Hinsicht enden die Zusammenstellungen der Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2000. In der Sache lassen sie nicht in ausreichender Weise erkennen, ob und inwieweit die angesetzten Ausgaben tatsächlich kurbeitragsfähigen und umlagefähigen Aufwand der Gemeinde unter Berücksichtigung einer angemessenen Eigenbeteiligungsquote darstellen; es fehlen auch aktuelle Angaben zur Anzahl der zu erwartenden Kurgäste und zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer. Mit Blick auf die Einwände der Antragstellerin kann die pauschale Behauptung nicht genügen, die gemeindlichen Kur- und Erholungseinrichtungen könnten typischerweise nicht kostendeckend betrieben werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück