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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.10.2007
Aktenzeichen: 4 ZB 06.2301
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 34 Abs. 2
AO § 122
AO § 240
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 ZB 06.2301

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Gewerbesteuer;

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 04. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

ohne mündliche Verhandlung am 26. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Juli 2006 wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 33.572,30 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Rechtsstreits sind Säumniszuschläge für die Gewerbesteuerschuld 1993 der Fa. ***** und Pongratz GbR, ****** ***** ******* (im folgenden: Gesellschaft), in Höhe von 33.572,30 Euro.

Die Beklagte hatte aufgrund des vom Finanzamt Straubing festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags am 7. April 1995 einen Gewerbesteuerbescheid 1993 gegen die Gesellschaft erlassen, der mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 1995 an den vom Finanzamt geänderten Gewerbesteuermessbetrags angepasst worden war. Bereits mit Schreiben vom 22. Mai 1995 hatte die Beklagte die Gewerbesteuer "bis zur endgültigen Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung" (des Gewerbesteuermessbescheids) gestundet. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung des Messbescheids am 23. April 1998 ab. Die Klage des Klägers zu 1 gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1993 wurde vom Finanzgericht München mit Urteil vom 13. Februar 2001 abgewiesen.

Daraufhin teilte die Beklagte der Gesellschaft in einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 12. September 2002 (Betreff: "Rücknahme der Stundung <...> vom 22. Mai 1995") mit, dass die Stundung hiermit aufgehoben werde. Das Finanzamt habe mit Schreiben vom 6. September 2002 den Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens mitgeteilt. Die Gewerbesteuer 1993 in Höhe von 101.747,08 Euro sei ebenso wie die hiermit für die Dauer der Stundung vom 11. Mai 1995 bis 15. Oktober 2002 festgesetzten Stundungszinsen in Höhe von 45.256,00 Euro am 15. Oktober 2002 fällig.

Hauptforderung und Zinsen wurden am 16. Oktober 2002 bezahlt. Die Gesellschaft legte Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 12. September 2002 ein u.a. mit der Begründung, dass die Stundung ausdrücklich nur bis zur endgültigen Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei. Auf Anraten der Widerspruchsbehörde, die der Beklagten mit Schreiben vom 26. Januar 2005 dargelegt hatte, dass die Stundung mit der Ablehnung der Vollzugsaussetzung am 23. April 1998 entfallen sei und die Festsetzungsfrist für die Stundungszinsen nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO Ende 1999 abgelaufen sei, hob die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2005 den Bescheid über die Berechnung der Stundungszinsen für die Gewerbesteuer-Nachholung 1993 vom 12. September 2002 auf.

Mit weiterem Bescheid vom 21. März 2005 forderte die Beklagte von der Gesellschaft Säumniszuschläge in Höhe von 33.572,30 Euro und rechnete insoweit mit dem Rückerstattungsanspruch wegen der Stundungszinsen auf.

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.

II.

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht durchgreift.

Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge nur zu entrichten, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Die Kläger machen geltend, die Beklagte habe ihnen mit Bescheid vom 12. September 2002 eine neue Zahlungsfrist bis zum 15. Oktober 2002 eingeräumt und damit eine frühere Fälligkeit der Forderung aufgehoben. Auch wenn das mit der Einräumung einer neuen Zahlungsfrist verbundene Hinausschieben der Fälligkeit grundsätzlich bewirkt, dass Säumniszuschläge erst mit Ablauf dieser Frist verwirkt werden können (BFH vom 8.11.1989 BFH/NV 1990, 546 <juris RdNr. 16>; FG München vom 17.7.1996 EFG 1996, 1195), ergeben sich daraus keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, weil der Bescheid vom 12. September 2002 auf den Widerspruch der Kläger mit Bescheid vom 21. März 2005 bestandskräftig aufgehoben worden ist. Dieser Aufhebungsbescheid erfasst nicht nur die Festsetzung der Stundungszinsen, sondern zwangsläufig auch das, von der Beklagten damals möglicherweise nicht einmal beabsichtigte Hinausschieben der Fälligkeit. Das ergibt sich schon daraus, dass die Kläger den Bescheid vom 12. September 2002 nicht nur teilweise angefochten haben. Das Rechtsschutzziel, Aufhebung der Stundungszinsen, wäre nicht zu erreichen gewesen, wenn das Hinausschieben der Fälligkeit hingenommen worden wäre, denn nach § 234 Abs. 1 Satz 1 AO werden für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis Zinsen erhoben. Es bestand demnach ein zwingender innerer Zusammenhang zwischen den beiden Regelungen des Bescheids vom 12. September 2002 - die Beklagte hätte die Fälligkeit ohne die Festsetzung von Stundungszinsen nicht hinausgeschoben -, der nicht nachträglich aufgelöst werden kann (arg. § 125 Abs. 4 AO, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, RdNr. 62 f. zu § 44).

Der weitere Einwand der Kläger, bei der vom Verwaltungsgericht - zutreffend - zugrunde gelegten Fälligkeit der Gewerbesteuerschuld am 24. April 1998 seien im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 21. März 2005 Säumniszuschläge für die Jahre 1998 und 1999 verjährt gewesen, was von den Klägern auch geltend gemacht worden sei, geht schon deshalb ins Leere, weil der angefochtene Bescheid ausdrücklich in seiner Begründung feststellt, dass Säumniszuschläge für die Zeit vom 25. April 1998 bis 25. Dezember 1999 verjährt sind und sich aus Seite 2 des Bescheids ergibt, dass nur für jeden angefangenen Monat ab dem Jahr 2000 ein Säumniszuschlag festgesetzt worden ist.

Soweit sich die Kläger darauf berufen, die Festsetzung der Säumniszuschläge sei unbillig, weil sie zweieinhalb Jahre nach Zahlung der Hauptschuld erfolgt sei, können sie damit nicht durchdringen. Ein Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes (ist "verwirkt") bei Verwirklichung des Tatbestands der Säumnis, vorbehaltlich des § 240 Abs. 1 Satz 3 AO. Weitere Tatbestandsmerkmale gibt es nicht, insbesondere sind weder ein Verschulden des Steuerpflichtigen an der Säumnis noch eine Festsetzung des Säumniszuschlags durch die Finanzbehörde oder gar eine Ermessensentscheidung durch diese erforderlich (Rüsken in Klein, AO, 9. Auflage 2006, RdNr. 11 zu § 240). Säumniszuschläge sind ihrem Zweck nach (vgl. dazu Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, RdNr. 11 ff. zu § 240 AO) nicht nur - wie die Kläger im Anschluss an Auffassungen des Schrifttums meinen - ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt die Vorschrift des § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (BFH vom 9.7.2003 BFHE 203, 8 <juris RdNr. 16>). Der Unterschied der Auffassungen danach, ob der Säumniszuschlag allein als Druckmittel fungieren soll oder ob er überdies Zinscharakter hat, wirkt sich indes erst bei Billigkeitsmaßnahmen aus (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, RdNr. 14 zu § 240 AO), die nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind.

Auch die Behauptung der Kläger, es liege eine "nicht von sachgerechten Gründen getragene Verschlechterung" vor, stellt keinen tragenden Rechtssatz der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Zu einer verbösernden Entscheidung der Widerspruchsbehörde ist es hier nicht gekommen. Die Beklagte hat jeweils als Ausgangsbehörde dem Widerspruch gegen den Stundungszinsenbescheid abgeholfen und gleichzeitig Säumniszuschläge festgesetzt. Zwar betragen die Stundungszinsen nach § 238 Abs. 1 AO einhalb vom Hundert für jeden Monat, während sich die Säumniszuschläge für jeden angefangenen Monat auf eins vom Hundert des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags belaufen. Im Ergebnis hat das Widerspruchsverfahren gegen den Stundungszinsbescheid zu einer Rückerstattung der Beklagten an die Kläger in Höhe von 11.683,70 Euro geführt, die der Gesellschaft auf ihrem noch existierenden Konto am 23. März 2005 gutgeschrieben wurde.

Entgegen der Auffassung der Kläger, ist der angefochtene Bescheid schließlich auch nicht deshalb unwirksam, weil er gegen eine voll beendete Gesellschaft gerichtet gewesen wäre und nicht an alle Gesellschafter bekannt gegeben worden wäre. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vom 24.3.1987 BFHE 150, 293; vom 8.11.1995 BFHE 179, 211) und des erkennenden Senats (vom 4.7.2005 Az. 4 ZB 05.185) überzeugend dargelegt, dass eine Gesellschaft grundsätzlich erst dann voll beendet ist, wenn das Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Steuergläubiger abgewickelt ist, und dass es genügte den Bescheid einem der Gesellschafter bekannt zu geben (§ 122 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 2 AO). Von einer Wiederholung der Begründung im einzelnen sieht der Senat ab; dass der Prozessbevollmächtige der Kläger an seinem abweichenden Rechtsstandpunkt festhält, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtkräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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