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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 5 B 00.1739
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 116
Eine vom Bundesverwaltungsamt im D 1 - Verfahren erteilte Übernahmegenehmigung legitimiert die Aufnahme des Abkömmlings eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG.
5 B 00.1739

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Feststellung der Eigenschaft als Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. November 1999,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat, durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2003

am 11. Dezember 2003

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 30. November 1999 wird festgestellt, dass die Klägerin zu 1) Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kläger zu 2) und 3) tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu je 1/3, die Beklagte zu 1/3.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Feststellung, Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zu sein. Die am 18. November 1958 in Glitt (Buchenland, Rumänien) geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des am 19. Mai 1981 in Rumänien geborenen Klägers zu 2) und der am 28. Februar 1985 ebendort geborenen Klägerin zu 3).

Für die Eltern der Klägerin zu 1) war im Juli 1963 die Übernahme in das Bundesgebiet beantragt worden; in den Antragsformularen ist unter der Rubrik "Kinder unter 15 Jahren, die in das Bundesgebiet mitumgesiedelt werden sollen", auch die Klägerin zu 1) genannt. Die die Klägerin zu 1) erfassende Einreisegenehmigung wurde am 7. April 1964 vom Bundesverwaltungsamt mit Liste RU 5.018 erteilt. Aus einem Schreiben des Suchdienstes Hamburg des Deutschen Roten Kreuzes vom 11. Juli 1966 ergibt sich, dass die Klägerin zu 1), ihre Schwester ***** und ihre Eltern ordnungsgemäß registriert waren. Die Eltern fanden am 23. November 1989 Aufnahme im Bundesgebiet und erhielten am 13. September 1990 Vertriebenenausweise A. Die Mutter der Klägerin zu 1) hatte mit Einbürgerungsurkunde vom 21. Juni 1941 zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Der Vater der Klägerin zu 1) wurde mit Urkunde des Landratsamtes Augsburg vom 1. September 1995 am 7. September 1995 eingebürgert.

Nach ihrer Einreise mit einer bis zum 29. August 1990 befristeten Aufenthaltserlaubnis stellten die Kläger am 23. August 1990 in Nürnberg bei der Außenstelle des Beklagten einen Antrag auf Einbeziehung in die Verteilung als Aussiedler. Dieser Antrag wurde am 24. August 1990 abgelehnt, da nicht festgestellt werden konnte, dass die Kläger als Vertriebene/Aussiedler anzusehen seien. Daraufhin kehrten sie nach Rumänien zurück und reisten wiederholt besuchsweise in das Bundesgebiet ein.

Am 23. November 1990 ging ein Antrag auf Aufnahme der Kläger als Aussiedler beim Bundesverwaltungsamt Köln ein. Im Januar 1992 sprach die Klägerin zu 1) bei der Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes in Nürnberg vor. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 2. September 1993 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Köln, die mit Urteil vom 25. August 2000 abgewiesen wurde (Az. 7 K 7053/95).

Auf ein Schreiben der Eltern der Klägerin zu 1) an den Bayerischen Ministerpräsidenten vom 25. Februar 1992 verwies das Bayerische Staatsministerium des Innern unter dem 12. Juni 1992 darauf, dass die Kläger beim Bundesverwaltungsamt in Köln die Aufnahme als Aussiedler beantragen müssten. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung hatte bereits unter dem 23. März 1992 auf die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsamtes hingewiesen. Die Kläger beantragten unter dem 24. Oktober 1996 beim Landratsamt Augsburg ihre Einbürgerung. Am 20. Februar 1997 beantragten sie die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises, hilfsweise stellten sie einen Antrag auf Einbürgerung.

Am 4. Februar 1998 erhoben die Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg eine auf Ausstellung von Vertriebenenausweisen gerichtete Untätigkeitsklage. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Ansbach gab dieses der Klage mit Urteil vom 5. Februar 2003 statt und verpflichtete den Freistaat Bayern, den Klägern Vertriebenenausweise auszustellen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Berufungsverfahren Az. 11 B 03.1420).

Ebenfalls am 4. Februar 1998 erhoben die Kläger Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass sie Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG seien. Sie trugen vor, die Klägerin zu 1) habe sich im Februar 1992 in der Bundesrepublik niedergelassen und über die Beklagte sowie durch Schreiben an den Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern versucht, ihren Status zu klären. Man habe ihr gesagt, dass sie den Status nicht erworben habe und das Land verlassen müsse. Sie sei Abkömmling einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit und selbst Vertriebene im Sinne von § 1 Abs. 1 und § 1 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 1 Abs. 3 BVFG. Sie sei im Wege des Aufnahmeverfahrens mit einer Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe sich zusammen mit ihren Eltern, die auf sie angewiesen gewesen seien, niedergelassen. Sie sei also zumindest als Abkömmling einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG geworden. Dieser Status sei durch die erzwungene vorübergehende Rückkehr nach Rumänien nicht untergegangen.

Der ehemalige beklagte Freistaat Bayern trat der Klage entgegen. Die Klägerin zu 1) habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Erklärung erworben und im übrigen habe sie keine Aufnahme gefunden, denn an dem dafür erforderlichen Willen der ständigen Aufenthaltnahme bestünden erhebliche Zweifel. Zwar habe sie die Aufnahme in das Verteilungsverfahren beim Bundesverwaltungsamt beantragt, sich jedoch gerade nicht auf die frühere Übernahmegenehmigung berufen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. November 1999 abgewiesen. Die Klägerin zu 1) habe die deutsche Staatsangehörigkeit mangels rechtzeitiger wirksamer Erklärung nicht gem. Art. 3 Abs. 1 RuStAGÄndG 1974 erworben. Auch ein gesetzlicher Erwerb gem. § 40a StAG scheide aus, da die Kläger am 1. August 1999 nicht Statusdeutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG gewesen seien. Zwar sei die Mutter der Klägerin zu 1) Aussiedlerin und daher Vertriebene deutscher Staatsangehörigkeit. Durch ihre Einreise sei die Klägerin zu 1) aber trotz der Einbeziehung in die Übernahmegenehmigung vom 7. April 1964 nicht aufgenommen worden. Nach den Regelungen des Aussiedleraufnahmegesetzes sei die Einreise eines Abkömmlings eines Vertriebenen bzw. Aussiedlers unter Berufung auf eine Übernahmegenehmigung nicht mit der Einreise im Aufnahmeverfahren gleichzusetzen. Im Übrigen würde die Berufung auf die Übernahmegenehmigung von 1964 auch mangels Kausalität nicht zu einer Aufnahme im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG führen, denn dazu hätte sich die Klägerin zu 1) bereits bei der ersten Einreise im Jahr 1990 auf diese berufen müssen.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2001 zugelassenen Berufung wiederholen und vertiefen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen und betonen, dass eine Übernahmegenehmigung geeignet sei, den Tatbestand der Aufnahme zu bewirken.

Sie beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Kläger Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klägerin zu 1) trotz Einbeziehung in die Übernahmegenehmigung aus dem Jahr 1964 keine Aufnahme i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG gefunden habe.

Sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses unterstützt den Antrag der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenaktenakten sowie die beigezogene Gerichtsakte des Vertriebenenverfahrens (Az. 11 B 03.1420) mit den anliegenden Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur hinsichtlich der Klägerin zu 1) begründet, da diese Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG ist und seit 1. August 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Demgegenüber haben ihre Kinder, die Kläger zu 2) und 3), diesen Status nicht erlangt.

1. Die Bundesrepublik Deutschland ist Beteiligte des Prozesses gem. § 63 Nr. 2 VwGO und richtige Beklagte gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Das Bundesverwaltungsamt ist mit Wirkung vom 1. Januar 2000 gem. §§ 27 i.V.m. 17 Abs. 2 StAngRegG (i.d.F. des Art. 3 § 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten von Personen mit dauerndem Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets zuständig geworden. Der dagegen gerichtete Einwand des Bundesverwaltungsamts im Schriftsatz vom 11. April 2002 greift nicht, da die angeführte Vorschrift des § 3 Abs. 3 VwVfG auf die hier vorliegende Fallkonstellation einer Feststellungsklage gem. § 43 VwGO ohne einen Verwaltungsakt als Klagegegenstand aus einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht anwendbar ist. Darüber hinaus haben die Behörden keine entsprechenden Erklärungen abgegeben. Der behördliche Zuständigkeitswechsel auf der Beklagtenseite bewirkt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden gesetzlichen Parteiwechsel im Sinne der gemäß § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Regelungen der §§ 239 ff. ZPO (vgl. BVerwG vom 2.11.1973, BVerwGE 44, 148/150 f., und vom 14.12.1989, NJW 1991, 766/767).

2. Die Klägerin zu 1) hat mit ihrer Einreise im Juli 1990 als Abkömmling einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit in Deutschland Aufnahme gefunden. Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist nach Art. 116 Abs. 1 GG vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

a) Die Mutter der Klägerin zu 1) ist Vertriebene gem. § 1 Abs. 2 BVFG; ihr wurde seitens des Landratsamts Augsburg (Ausgleichsamt) am 13. September 1990 ein Vertriebenenausweis A ausgestellt. Die Klägerin zu 1) ist daher Abkömmling einer vertriebenen Volksdeutschen.

b) Die Klägerin zu 1) hat durch ihre Einreise im Juli 1990 in Deutschland Aufnahme gefunden. Dieses Tatbestandsmerkmal des Art. 116 Abs. 1 GG setzt voraus, das der Betroffene mit dem Zuzug einen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet erstrebt und aufgrund eines Tätigwerdens oder sonstigen Verhaltens der Behörden der Schluss berechtigt ist, dass ihm die Aufnahme nicht verweigert wird (BVerwG vom 21.10.1959, BVerwGE 9, 231/233; vom 24.6.1971, BVerwGE 38, 224/229 und vom 12.5.1992, BVerwGE 90, 173/175). Nachdem die aufnahmebegründende Einreise der Klägerin zu 1) im Juli 1990 erfolgte, ist maßstäblich nicht die durch Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (vom 21.12.1992, BGBl. I S. 2094) am 1. Januar 1993 normierte abschließende Regelung der §§ 26 ff. BVFG, wonach eine Aufnahme i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG nur noch im Wege der Erteilung eines bzw. Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid möglich ist (BVerwG vom 19.6.2001, BVerwGE 114, 332/334 f.).

aa) Die Klägerin zu 1) strebte bei ihrer Einreise im Juli 1990 zusammen mit ihren Kindern einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet an. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass - wie ihr in den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. August 2000 (Az. 7 K 7053/95) mit Blick auf die Frage der endgültigen Wohnsitzaufgabe unter der vertriebenenrechtlichen Prämisse des "endgültigen Verlassens des Vertreibungsgebiets gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG vorgehalten wird - die Einreise aufgrund eines Touristenvisums erfolgte und sie gegenüber der Deutschen Botschaft zuvor erklärt hatte, sich nur besuchsweise in der Bundesrepublik aufhalten zu wollen. Aufgrund der nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben von Mutter und Schwester der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Ansbach (im Verfahren AN 15 K 01.00918) steht fest, dass die Klägerin zu 1) diese Erklärungen nur aufgrund der zugespitzten familiären Situation in Rumänien abgab, um Schwierigkeiten mit ihrem (Ex-)Ehemann, dem Vater der Kläger zu 2) und 3), insbesondere im Hinblick auf eine Ausreise der Kinder zu vermeiden. Laut Bestätigung der Verwaltungsgemeinschaft Großaitingen vom 23. März 1998 (Akte des VG Ansbach AN 15 K 01.00918 Bl. 166) war der Klägerin zu 1) im Jahr 1990 in einem Wohnhaus der Gemeinde eine Mietwohnung angeboten worden. Das von der Klägerin an einem derartigen Mietverhältnis bekundete Interesse belegt ihre auf Dauer gerichtete Aufenthaltsabsicht. Demzufolge steht die subjektive Seite des Aufnahmebegriffs zur Überzeugung des Gerichts außer Zweifel.

bb) Auch das objektive Element der einen Daueraufenthalt zumindest billigenden Haltung der zuständigen Behörden kann mit Blick auf die Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes vom 7. April 1964 (Az.: III 4-34123 Liste RU 5018) nicht infrage gestellt werden.

Diese Übernahmegenehmigung erfasst die Klägerin zu 1) persönlich. Zwar war sie in den Antragsunterlagen als "mit umzusiedelndes Kind unter 15 Jahren" aufgeführt worden, aber die Gültigkeit der daraufhin erteilten Übernahmegenehmigung wurde nicht etwa auf die Dauer ihrer Minderjährigkeit beschränkt. Eine derartige altersmäßige Limitierung kann auch nicht als ungeschriebene Befristung in die Übernahmegenehmigung hineingelesen oder als Geltungsverlust aus anderen Gründen postuliert werden (so auch das VG Köln in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 25.8.2000, Az.: 7 K 7053/95, UA S. 7; vgl. auch BVerfG vom 10.8.2001, DVBl. 2001, 1748/1750). Die D 1-Genehmigung war demzufolge im Zeitpunkt der Einreise der Klägerin im Juli 1990 gültig.

Das stellt auch die Beklagte nicht in Frage. Sie bezweifelt vielmehr die Eignung der Übernahmegenehmigung als Aufnahmeakt infolge der dem Bundesamt in diesem Verfahrensstadium nur oberflächlichen Prüfungsmöglichkeit der Volkszugehörigkeit des Begünstigten. Eine Übernahmegenehmigung sei deshalb nur als Verwaltungsinternum in einem Visumverfahren ohne aufnahmebegründende Wirkung hinsichtlich des Art. 116 Abs. 1 GG anzusehen. Dem folgt der Senat nicht.

Das bereits vor Inkrafttreten des § 22 AuslG 1965 praktizierte D 1-Verfahren war speziell für deutsche Volkszugehörige ohne deutsche Staatsangehörigkeit eingerichtet, die in den Aussiedlungsgebieten verblieben waren. Es wurde regelmäßig von einer im Bundesgebiet ansässigen Vertrauensperson eingeleitet und war dazu bestimmt, den ins Auge gefassten Personen außerhalb der Familienzusammenführung im Sinne des § 94 BVFG a.F. die Einreise in das Bundesgebiet und den Daueraufenthalt zu ermöglichen (BVerwG vom 25.8.1976, BVerwGE 51, 101/102 f.). In dem hier vorliegenden Fall hatte der Großonkel der Klägerin zu 1) die Übernahmegenehmigung beantragt und dieser Antrag war vom Freistaat Bayern dem Bundesverwaltungsamt mit Schreiben des Staatsministeriums des Inneren vom 21. Februar 1964 (Az.: IA2-250-7/77) vorgelegt worden. Nachdem die im Bundesgebiet ansässigen Antragsteller von der Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes benachrichtigt wurden, um u.a. die in den Aussiedlungsgebieten verbliebenen Begünstigten von der Übernahme angesichts der einzuleitenden Ausreisemodalitäten in Kenntnis zu setzen, erfüllte eine Übernahmegenehmigung auch bereits vor ihrer Formalisierung durch § 22 AuslG 1965 alle Merkmale eines Verwaltungsakts. Die in diesem Verfahrensstadium nur oberflächliche Überprüfungsmöglichkeit der Volkszugehörigkeit der Begünstigten steht dem nicht entgegen, denn Verwaltungsakte auf der Basis nur unsicherer Beurteilungsmöglichkeit ihrer rechtlichen Voraussetzungen sind nichts Ungewöhnliches. Falls die Beklagte die Rechtsqualität einer Übernahmegenehmigung damals subjektiv anders verstanden hat, ist dies unbehelflich. Speziell für die vorliegende Fallkonstellation hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zudem eingeräumt, dass der Klägerin zu 1) allein schon aufgrund der Regelung des § 94 BVFG a.F. - unabhängig von ihrer eigenen Volkszugehörigkeit - eine Übernahmegenehmigung erteilt worden wäre.

Eine Übernahmegenehmigung steht mit Blick auf Art. 116 Abs. 1 GG in ihren Rechtswirkungen einem Aufnahmebescheid in nichts nach (vgl. OVG Münster vom 24.10.1994, Az. 22 E 465/95 <juris> und vom 7.12.1995, Az.: 2 A 4116/94, UA S. 7 und 10; VGH Mannheim vom 27.1.1999, DVBl. 1999, 1216/1217; BVerwG vom 12.11.1997, Az.: 9 B 597.97, BA S. 4). Deshalb stellen die Übergangsregelungen des § 105 c BVFG (i.d.F. des Aussiedleraufnahmegesetzes - AAG vom 28.6.1990, BGBl. I S. 1247) und § 100 Abs. 4 BVFG (i.d.F. des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes - KfBG vom 21.12.1992, BGBl. I S. 2094) die Erteilung einer Übernahmegenehmigung der Erteilung eines Aufnahmebescheids gleich (so BVerwG vom 12.11.1997 a.a.O.). Die darin zum Ausdruck kommende funktionale Gleichwertigkeit von Übernahmegenehmigung und Aufnahmebescheid rechtfertigt die Annahme einer auch qualitativen Äquivalenz in ihrer Wirkung als Aufnahmeakt i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG (vgl. VGH Mannheim vom 27.1.1999, a.a.O. S. 1217). Demzufolge ist die Übernahmegenehmigung abstrakt als Aufnahmeakt i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG anzuerkennen; diese Wirkung hängt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 17) nicht etwa konkret von der Erfüllung der Voraussetzungen des in § 105 c Abs. 1 BVFG 1990 erwähnten Aussiedlerbegriffs durch den jeweiligen Betroffenen ab. Auch ist aus der Perspektive des Art. 116 Abs. 1 GG nicht zu erkennen, warum hinsichtlich der aufnahmebegründenden Wirkung einer Übernahmegenehmigung zwischen Vertriebenen und deren Abkömmlingen als Begünstigten zu differenzieren wäre.

Die Legitimationswirkung der Übernahmegenehmigung als Aufnahmeakt i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG setzt nicht voraus, dass der Betroffene sich im Zeitpunkt der Einreise auf diesen Rechtstitel beruft oder auch nur Kenntnis davon hat. Nachdem das zweite Definitionselement der Aufnahme i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG allein auf die behördliche Billigung des Daueraufenthalts abstellt, kommt es nur auf deren objektives Vorliegen an. Daher schadet der Klägerin zu 1) das Vorliegen eines ihre Einreise in das Bundesgebiet (zusätzlich) erlaubenden Touristenvisums nicht.

Die nach der Einreise und somit im Anschluss an die bereits erfolgte Aufnahme abgelehnte Registrierung der Klägerin zu 1) im August 1990 und ihre daran anknüpfende Behandlung als ausreisepflichtige Ausländerin durch die Ausländerbehörde vermag die aufnahmebegründende normative Wirkung der Übernahmegenehmigung nicht mehr in Frage zu stellen. Ungeachtet der (offensichtlich unverschuldeten) Unkenntnis der Behördenbediensteten von der Existenz der Übernahmegenehmigung aus dem Jahr 1964, die zum damaligen Zeitpunkt auch der Klägerseite nicht präsent war, äußert die Ablehnung der Einbeziehung in das Verteilungsverfahren keinerlei Bindungswirkung in anderen Verfahren (BVerwG vom 26.5.1987, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 51 und 25.4.1988 a.a.O. Nr. 55 für das Vertriebenenverfahren). Auch die Ablehnung des Aufnahmeantrags mit Bescheid der Beklagten vom 2. September 1993 geht mit Blick auf Art. 116 Abs. 1 GG angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Aufnahme ins Leere. Zutreffend wurde daher das entsprechende klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. August 2000 u.a. darauf gestützt, "dass die Klägerin nach wie vor im Besitz einer Übernahmegenehmigung sei und damit in die Bundesrepublik einreisen und ggf. den Aussiedlerstatus erwerben könne." (UA S. 7). Schließlich beseitigt allein das mit den Wirkungen der vorhandenen Übernahmegenehmigung objektiv unvereinbare tatsächliche (ausländer-)behördliche Vorgehen nicht die andauernde Rechtswirkung dieses Aufnahmeakts.

c) Die Klägerin zu 1) hat als Abkömmling einer vertriebenen Volksdeutschen Aufnahme gefunden. Wortlaut und Zweck des Art. 116 Abs. 1 GG fordern einen kausalen Zusammenhang zwischen der Eigenschaft als Abkömmling eines vertriebenen Volksdeutschen und der Aufnahme im Bundesgebiet (BVerwG vom 12.5.1992, BVerwGE 90, 173/175 ff.). Dieser Zusammenhang zwischen der Eigenschaft als Abkömmling eines aufgenommenen vertriebenen Volksdeutschen und der eigenen Aufnahme ist gegeben, wenn die familiäre Verbundenheit den wesentlichen Grund der Aufnahme bildet, sie also aus Gründen der familiären Einheit erfolgt (BVerwG a.a.O.). Das ist bei der Klägerin zu 1) der Fall, da sie sich nach ihrer Einreise im Juli 1990 zu ihren im Raum Augsburg wohnenden Eltern und der Schwester begeben hat und sich, wie durch das bereits angesprochene Interesse an der Begründung eines Wohnraummietverhältnisses dokumentiert, mit ihren Kindern dort niederlassen wollte. Auch das objektive Element des Aufnahmebegriffs, die Übernahmegenehmigung, ist familienbezogen, denn sie wurde der Familie *********, also den Eltern der Klägerin zu 1) mit deren Kindern [= Klägerin zu 1) und ihre Schwester], als Familienverband erteilt.

Dieser Zusammenhang zwischen Abkömmlingseigenschaft und Aufnahme wurde durch den Verbleib der Klägerin zu 1) in Rumänien nach der Aufnahme ihrer Eltern und ihrer Schwester im November 1989 nicht aufgelöst. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 1992 (BVerwGE 90, 173/177) herausgestellt, dass die Abkömmlingseigenschaft durch ein Verbleiben im Aussiedlungsgebiet nicht in Frage gestellt wird. Für das Bestehen einer familiären Einheit ist ein Zusammenleben des Abkömmlings mit dem vertriebenen Volksdeutschen daher nicht geboten. Auch das Entwachsen aus der Familien- und Hausgemeinschaft mit den Eltern wirkt sich auf den Zusammenhang zwischen der Abkömmlingseigenschaft und dem "Aufnahme finden" im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG nicht aus. Darüber hinaus ist höchstrichterlich geklärt, dass kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme des vertriebenen Volksdeutschen und der Aufnahme des Abkömmlings vorliegen muss. Gerade für erwachsene Abkömmlinge kann es gute Gründe geben, die Familienzusammenführung mit ihren im Bundesgebiet aufgenommenen volksdeutschen Eltern erst geraume Zeit nach deren Aussiedlung anzustreben (BVerwG a.a.O. S. 178 f.). Schließlich muss der Abkömmling weder im Zeitpunkt der Vertreibung des volksdeutschen Elternteils noch bei seiner Aufnahme im Bundesgebiet minderjährig gewesen sein und braucht bei dessen Aussiedlung nicht mit diesem in einer Hausgemeinschaft gelebt oder diese bei Aufnahme im Bundesgebiet angestrebt zu haben (BVerwG a.a.O. S. 177 f.).

d) Hat die Klägerin zu 1) demzufolge mit ihrer im Juli 1990 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet die Rechtsstellung einer Statusdeutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG erworben, ist für einen danach eingetretenen Verlust der Statusdeutscheneigenschaft nichts ersichtlich. Ihre Ausreise nach Rumänien gibt für eine derartige Annahme schon deshalb nichts her, da diese nicht freiwillig, sondern unter dem Druck der ausländerbehördlichen Einstufung als Ausländerin gem. § 1 Abs. 2 AuslG erfolgte.

Daher hat die Klägerin zu 1) am 1. August 1999 gem. § 40a Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, da an diesem Stichtag die Statusdeutscheneigenschaft bestand und für den Eintritt dieses gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet nicht erforderlich ist (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., § 40a StAG RdNr. 8).

3. Die Kläger zu 2) und 3) sind keine Deutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG. Durch Geburt konnten sie die Statusdeutscheneigenschaft nicht erwerben, da ihre Mutter zu diesem Zeitpunkt keine Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG war. Für ihre Personen fehlt ein legitimierender Aufnahmeakt i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG.

Entgegen der Auffassung der Klägerseite können sie sich auch nicht auf § 94 BVFG a.F. berufen. § 94 Abs. 2 Nr. 6 BVFG a.F. greift vorliegend schon deshalb nicht, da für eine Hilfsbedürftigkeit der als Aussiedler anerkannten Großeltern der Kläger zu 2) und 3) nichts ersichtlich ist. Ob die Klägerin zu 1) Vertriebene ist und daran anknüpfend den Klägern zu 2) und 3) Aufenthaltsansprüche aus § 94 Abs. 2 Nr. 2 BVFG a.F. im Zeitpunkt ihrer Einreise hätten zustehen können, steht derzeit nicht rechtskräftig fest. Das kann aber dahinstehen, da selbst ein - unterstellter - Anspruch auf Aufnahme als subjektiv öffentliches Recht mit Blick auf die Begründung des Status aus Art. 116 Abs. 1 GG dem Aufnahmeakt als solchem nicht gleichgesetzt werden kann. Wenn Art. 116 Abs. 1 GG verlangt, dass jemand "Aufnahme gefunden" hat, wird eine tatsächlich erfolgte Aufnahme vorausgesetzt (vgl. BVerwG vom 20.1.1999, Az. 5 B 11.99, BA S. 2).

Demzufolge sind die Kläger zu 2) und 3) keine Statusdeutschen und § 40a StAG vermag nicht zu ihren Gunsten zu greifen; weitere Erwerbsgründe für die deutsche Staatsangehörigkeit sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 24.542,01 Euro festgesetzt (entspricht 48.000,00 DM; § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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