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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 5 B 04.392
Rechtsgebiete: AuslG, StAG, Verordnung über die Zuständigkeit der Staatsangehörigkeitsbehörden


Vorschriften:

AuslG § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AuslG § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6
StAG § 10 Abs. 1 Nr. 4
StAG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6
Verordnung über die Zuständigkeit der Staatsangehörigkeitsbehörden § 1
Verordnung über die Zuständigkeit der Staatsangehörigkeitsbehörden § 2
1. Der Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigt eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach der Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG nur, wenn der Besitz rechtmäßig ist.

2. Die nach bayerischem Landesrecht gespaltene Kompetenzzuweisung für Anspruchseinbürgerungen (Kreisverwaltungsbehörden) und Ermessenseinbürgerungen (Regierungen) lässt den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens unberührt, begrenzt aber den Streitgegenstand eines Verwaltungsprozesses im Falle eines in einer kreisfreien Gemeinde ansässigen Einbürgerungsbewerbers auf die Anspruchsgrundlagen, die von den Behörden des beklagten Rechtsträgers zu prüfen sind.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 B 04.392

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Einbürgerung;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Oktober 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Februar 2005 am 17. Februar 2005 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Oktober 2003 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo, Staatsangehörige von Serbien-Montenegro, begehrt ihre Einbürgerung.

Nach ihrer Einreise im Dezember 1994 war sie mit Bescheid des damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 27. Dezember 1994 unter Zuerkennung politisch motivierten Abschiebungsschutzes als Asylberechtigte anerkannt worden; ihr Vater war zuvor mit Bescheid vom 15. Juni 1994 als Asylberechtigter anerkannt worden. Seit 13. April 1995 ist die Klägerin im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Mit Schreiben vom 30. Juli 1999, 17. November 1999 und 10. Mai 2001 bat die Beklagte das Bundesamt um die Einleitung eines Widerrufsverfahrens, weil der Vater der Klägerin als Stammberechtigter die Asylberechtigung kraft Gesetzes durch einen am 30. August 1995 ausgestellten Nationalpass verloren habe. Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 teilte das Bundesamt der Beklagen mit, dass ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden sei. Mit Bescheid vom 23. Juli 2003 widerrief das Bundesamt die Asylanerkennung sowie die Feststellung politisch motivierten Abschiebungsschutzes. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. Oktober 2003 ab; diese Entscheidung ist seit Ende Oktober 2003 rechtskräftig. Die Klägerin ist nach wie vor im Besitz eines am 5. November 2001 von der Beklagten ausgestellten Reiseausweises (nach dem Abkommen vom 28.7.1951) mit 10-jähriger Gültigkeitsdauer.

Bereits am 7. April 2001 hatte die Klägerin bei der Beklagten einen Einbürgerungsantrag gestellt, ihre Bereitschaft erklärt, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben und sich verpflichtet, nach schriftlicher Zusicherung der Einbürgerung die dazu erforderlichen Schritte zu unternehmen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2001 teilte die Regierung von Mittelfranken der Beklagten mit, dass eine Einbürgerung nach § 8 StAG unter Abkürzung der Aufenthaltszeiten aufgrund der geänderten Situation in Jugoslawien nicht mehr möglich sei und regte an, das Einbürgerungsverfahren bis zum Erreichen eines achtjährigen Aufenthalts zurückzustellen. Am 8. April 2003 wurde der Klägerin von der Beklagten eine Einbürgerungszusicherung für den Fall erteilt, dass sie den Verlust der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit nachweise; diese Zusicherung gilt bis 7. April 2005 und wurde unter den Vorbehalt gestellt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- oder Rechtslage bis zum Ablauf der Frist nicht ändert.

Mit Schreiben vom 23. April 2003 ließ die Klägerin bei der Beklagten beantragen, sie unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern. Sie habe wegen ihrer Anerkennung als Asylberechtigte, die bisher nicht widerrufen sei, einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit.

Ihrer am 8. August 2003 erhobenen Untätigkeitsklage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Oktober 2003 statt und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin (unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit) einzubürgern. Die Klägerin sei politisch Verfolgte im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AuslG; denn der Widerrufsbescheid des Bundesamtes sei noch nicht bestandskräftig. Deshalb sei die Beklagte an die Feststellungswirkung des Anerkennungsbescheids gebunden. Darüber hinaus könne eine Behörde einen Rechtsanspruch durch fehlerhafte Antragsablehnung auch dann nicht vereiteln, wenn sich die Rechtslage mittlerweile zu Ungunsten des Betroffenen geändert habe. Die Behörde könne dann eine Folgenbeseitigungslast treffen, so dass ein ihr zustehendes Ermessen sich auf Null reduzieren könne. Der unrechtmäßigen Versagung stehe im Hinblick auf die Vereitelung eines Rechtsanspruchs eine verzögerte Verbescheidung ohne zureichenden Grund gleich.

Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung der Beklagten, die beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2003 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hätte wegen des Widerrufsbescheids des Bundesamtes vom 23. Juli 2003 das Verfahren aussetzen müssen; seit dem 31. Oktober 2003 sei der Widerrufsbescheid bestandskräftig. Dieser Umstand sei im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, da für die auf Einbürgerung gerichtete Verpflichtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sei. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit seien aber nicht gegeben und dem vom Verwaltungsgericht hilfsweise angestellten Überlegungen zur Folgenbeseitigungslast könne bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil die Beklagte für Ermessenseinbürgerungen nach § 8 StAG nicht zuständig sei.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 8. April 2004 hat der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und ihren Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Verhandlungsniederschrift sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet; denn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung hat die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit.

1. Die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs auf Einbürgerung richtet sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, auch wenn die Klägerin ihren Einbürgerungsantrag im April 2001 gestellt hat. Wird mit der Verpflichtungsklage der Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, darf die Behörde zu dessen Erlass nur verpflichtet werden, wenn sie dazu nach der geltenden Rechtslage verpflichtet bzw. befugt ist. Ändern sich die maßgeblichen Rechtsvorschriften, ist die neue Rechtslage vorbehaltlich abweichender Übergangsregelungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Kläger nachteilig ist (BVerwG, B.v. 19.8.1996 - 1 B 82.95, InfAuslR 1996, 399 m.w.N. zur Einbürgerung).

Während des Berufungsverfahrens ist das Staatsangehörigkeitsrecht mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes (Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) neu gefasst worden. Die für die Beurteilung des streitgegenständlichen Einbürgerungsanspruchs bisher maßgeblichen Regelungen der §§ 85 ff. AuslG finden sich nunmehr (leicht modifiziert) in §§ 10 ff. StAG. Eine besondere Übergangsregelung enthält das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber war sich aber, wie aus Art. 5 Nr. 18 Zuwanderungsgesetz (Einfügung von § 40c StAG für bis zum 16.3.1999 gestellte Einbürgerungsanträge) deutlich wird, des intertemporalen Regelungsbedarfs für anhängige Einbürgerungsanträge bewusst. Damit verbleibt es entsprechend der Grundregel bei der Maßgeblichkeit des nunmehr geltenden Rechts.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG bis auf den Fortfall ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) erfüllt. Die von der Klägerin geltend gemachten Ausnahmen, unter denen Mehrstaatigkeit hinzunehmen ist, greifen nicht durch.

Die Ausnahmeregelung für politisch Verfolgte kommt nicht (mehr) in Betracht. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG stellt - anders als § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AuslG - nicht auf den Status eines politisch Verfolgten oder Flüchtlings, sondern auf den Besitz u.a. eines Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention ab. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Modifikation die Regelung nicht inhaltlich ändern, sondern nur an die Systematik des Aufenthaltsgesetzes anpassen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz, BR-Drs. 22/03 S. 282). Mit dem Übergang der tatbestandlichen Anknüpfung vom Status des politisch Verfolgten zum Besitz des (durch den Status erlangten) Ausweises ist entgegen der Auffassung der Klägerseite keine Abstraktion von der Frage der Rechtmäßigkeit des Besitzes eines Reiseausweises verbunden. Dafür spricht auch, dass die gesetzliche Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe des Reiseausweises nach Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Asylanerkennung bzw. der Feststellung politisch motivierten Abschiebungsschutzes als "Bringschuld" ausgestaltet ist (§ 73 Abs. 6 i.V.m. § 72 Abs. 2 AsylVfG). Eine Konkretisierung durch Bescheid wirkt nicht konstitutiv, sondern dient nur der Eröffnung der Verwaltungsvollstreckung. Demzufolge vermag der Umstand, dass die Klägerin tatsächlich noch im Besitz des Reiseausweises ist und sie ihrer seit 31. Oktober 2003 bestehenden Abgabepflicht (Eintritt der Rechtskraft des die Klage gegen den Widerruf abweisenden Urteils) nicht nachgekommen ist, den Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG n.F. nicht zu erfüllen.

Außer Betracht muss bleiben, dass die Klägerin früher den Status einer anerkannten Asylberechtigten innegehabt und damit den Reiseausweis rechtmäßig besessen hat. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG erfüllt sind, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof; denn den gesetzlichen Regelungen ist kein anderer zeitlicher Anknüpfungspunkt zu entnehmen. Die Überlegungen der Klägerseite, die im Aufenthaltsrecht bei Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Minderjährigkeit im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 AuslG für eine Vorverlagerung des Beurteilungszeitpunktes auf die Antragstellung sprechen (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.1998 - 1 C 12.96, NVwZ-RR 1998, 677), lassen sich auf die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG mangels vergleichbarer Schutzbedürftigkeit der Betroffenen nicht übertragen. Während sich für einen die Aufenthaltserlaubnis beantragenden Minderjährigen der Zeitablauf infolge eines behördlichen und ggf. gerichtlichen Prüfungsverfahrens nur zu seinen Lasten auswirken kann, besteht eine solche Zwangsläufigkeit für den politisch Verfolgten oder Flüchtling im Einbürgerungsverfahren keineswegs. Zudem enthält § 12 Abs. 1 StAG Hinderungsgründe für eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit als Ausnahmen von der gewichtigen gesetzlichen Regel der Vermeidung von Mehrstaatigkeit, die bei systematischer und teleologischer Auslegung nur greifen, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung (noch) vorliegen. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass dem Einbürgerungsbewerber die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 StAG).

Der von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachte Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit wegen unzumutbarer Entlassungsbedingungen ist nicht erfüllt. Das pauschale Vorbringen, für Kosovo-Albaner sei die Durchführung des Entlassungsverfahrens aus der serbisch-montenegrinischen Staatsbürgerschaft generell unzumutbar, reicht hierfür nicht aus. Die mangelnde Bereitschaft albanischer Volkszugehöriger, die früheren Verfolger in Form von Entlassungsgebühren finanziell unterstützen zu wollen, begründet keine generelle Unzumutbarkeit, die Staatsangehörigkeit gerade des früheren Verfolgerstaates aufzugeben. Ob die Entlassung im Einzelfall von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht wird, könnte erst beurteilt werden, wenn ein Entlassungsverfahren überhaupt betrieben würde; das ist indes nicht geschehen. Da auch die übrigen Ausnahmetatbestände des § 12 StAG ausscheiden, hat die Klägerin keinen Einbürgerungsanspruch aus § 10 StAG.

2. Ein Anspruch auf Einbürgerung unter Hinnahme der bisherigen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der Ermessensvorschrift des § 8 StAG in Verbindung mit dem Gedanken der Folgenbeseitigungslast, wie ihn das Verwaltungsgericht hilfsweise erwogen hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Wenn der Ausländer seinen Einbürgerungsantrag nicht auf bestimmte Anspruchsgrundlagen beschränkt hat, ist allerdings Gegenstand des Verwaltungsverfahrens die Einbürgerung sowohl im Anspruchs- als auch im Ermessenswege (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2004 - 1 C 16.03, NVwZ 2004, 1368/1369). Im Freistaat Bayern sind jedoch nach der Verordnung über die Zuständigkeit der Staatsangehörigkeitsbehörden vom 2. Januar 2000 (GVBl. S. 6; geändert durch VO vom 31.1.2005, GVBl. S. 24) für Einbürgerungen nach § 8 StAG die Regierungen zuständig (§ 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a), während die Anspruchseinbürgerungen den Kreisverwaltungsbehörden obliegen (§ 1) und demzufolge gem. Art. 9 Abs. 1 der Gemeindeordnung (GO) in die Kompetenz der kreisfreien Gemeinden fallen. In der Verwaltungspraxis kann diese gespaltene Kompetenzregelung dadurch abgemildert werden, dass die Vorgänge - je nach der für einschlägig erachteten Rechtsgrundlage - zwischen den Behörden formlos abgegeben werden, um so dem interessenorientierten Verständnis eines umfassenden, sich grundsätzlich auf alle denkbaren Rechtsgrundlagen erstreckenden Antragsgegenstands Rechnung zu tragen.

Im Verwaltungsprozess hingegen sind einer pragmatischen Überwindung der gespaltenen Kompetenzen Grenzen gesetzt, wenn - wie hier - ein in einer kreisfreien Gemeinde ansässiger Einbürgerungsbewerber klagt. Eine Gemeinde ist eine selbständige juristische Person des öffentlichen Rechts (Art. 1 Satz 1 GO), während Träger der Regierungen der Freistaat Bayern ist. Will der Kläger alle Rechtsgrundlagen für eine Einbürgerung zur gerichtlichen Prüfung stellen, muss er, nachdem eine hilfsweise Parteiänderung oder -erweiterung unzulässig ist (Rennert in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl. 1998, § 91 Rdnr. 26), seine Klage gegen zwei Beklagte richten. Das mag schon wegen des damit verbundenen Kostenrisikos eine gewisse Erschwerung des Rechtsschutzes bedeuten, ist aber als zwingende Folge der im bayerischen Landesrecht gewählten Kompetenzspaltung hinzunehmen (vgl. Berlit in: GK-StAR, IV-3 § 85 AuslG Rdnr. 47.1). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung hält sich im Rahmen der Organisationshoheit des Freistaats Bayern bei der Ausführung von Bundesrecht als eigener Angelegenheit (Art. 84 Abs. 1 GG) und widerspricht auch nicht dem bundesrechtlich vorgegebenen Begriff des Einbürgerungsantrags, weil dieser auf bestimmte Rechtsgrundlagen beschränkbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.2004 a.a.O.; Berlit a.a.O.). Denkbar wäre indes auch, dem gesteigerten Einwirkungsinteresse des Freistaats im Rahmen einer Ermessenseinbürgerung - de lege ferenda - bei einer Zuständigkeitsübertragung auf kreisfreie Gemeinden auch im Wege eines Einvernehmens- oder Zustimmungsvorbehalts Rechnung zu tragen.

Die - anwaltlich vertretene - Klägerin hat ihre Klage ausdrücklich (nur) gegen die Stadt Nürnberg mit dem Ziel einer Anspruchseinbürgerung nach § 85 ff. AuslG (nunmehr §§ 10 ff. StAG) gerichtet. Entsprechend eingeschränkt ist der vom Gericht zu beurteilende Streitgegenstand; denn der Streitgegenstandsbegriff als Kern des Prozessrechtsverhältnisses enthält mit Blick auf den ausgewählten Beklagten auch ein personales Element (vgl. Rennert a.a.O. § 91 Rdnr. 20). Deshalb führt die Disposition der Klägerseite, nur die Stadt Nürnberg zu verklagen, in der Sache konsequenterweise zu einem auf die Grundlagen der Anspruchseinbürgerung beschränkten Streitgegenstand. Da ein Einbürgerungsantrag in dieser Weise teilbar ist, verbietet sich auch die Annahme einer aus materiellrechtlichen Gründen notwendigen Streitgenossenschaft auf der Beklagtenseite, zumal im Verhältnis von Stadt (Anspruchseinbürgerung) und Freistaat (Ermessenseinbürgerung) keine gleichsam gesamthänderische, sondern lediglich eine gestufte alternative Kompetenz besteht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 Euro festgesetzt (§ 14, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung).



Ende der Entscheidung

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