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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.09.2008
Aktenzeichen: 5 B 07.460
Rechtsgebiete: GG, BVFG


Vorschriften:

GG Art. 116 Abs. 1
BVFG § 4 Abs. 3 Satz 2
BVFG § 5 Nr. 2 c
BVFG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 B 07.460

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Statusdeutscheneigenschaft;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Januar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat, durch

den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. September 2008

am 29. September 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Januar 2007 wird festgestellt, dass die Kläger Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen (Statusdeutsche). Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern entsprechende Ausweise auszustellen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 4. Dezember 1951 geborene Klägerin zu 1, ihr am 11. Januar 1976 geborener Sohn, der Kläger zu 2, sowie ihre am 3. Januar 1981 geborene Tochter, die Klägerin zu 3, erstreben die Feststellung, dass sie Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG sind, sowie die Verpflichtung der Beklagten, ihnen einen entsprechenden Ausweis auszustellen. Die Kläger stellten zunächst 1991 erfolglos einen Antrag auf Aufnahme im Bundesgebiet als Aussiedler. Die Klägerin zu 1 berief sich hierbei auf die deutsche Volkszugehörigkeit ihrer Eltern, die am 28. Mai 1993 ausgesiedelt und Inhaber von Spätaussiedlerbescheinigungen vom 5. September 1994 sind. Diese Anträge der Kläger blieben nach § 5 BVFG erfolglos, weil der Ehemann der Klägerin zu 1 als Sekretär der Sowchos-Parteiorganisation in der ehemaligen Sowjetunion eine Funktion ausgeübt hatte, die für die Erhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt (rechtskräftiges Urteil des VG Köln v. 28.6.2001 Az. 13 K 9566/96).

Mit Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 29. April 2002 wurden die Kläger gemäß § 27 Abs. 2 BVFG wegen eines Härtefalles in den Aufnahmebescheid der Eltern der Klägerin zu 1 einbezogen.

Die Anträge der am 24. August 2002 in das Bundesgebiet eingereisten Kläger zu 1 und 2 auf Ausstellung je einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG sowie den Antrag der Klägerin zu 3 auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG lehnte das Zentrale Ausgleichsamt mit Bescheiden vom 17. November 2003 ab, da Ausschlussgründe nach § 5 Nr. 2 c BVFG vorlägen. Die hiergegen gerichteten Klagen, mit denen die Kläger nur noch Ansprüche auf Erteilung von Bescheinigungen nach § 15 Abs. 2 BVFG weiterverfolgten, hatten letztlich keinen Erfolg (Urteil des BVerwG v. 11.August 2005 Az. 5 C 19.04). Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bescheinigung gehöre - negativ - auch das Fehlen eines Leistungsausschlusses, wie er bei sinngemäßer Geltung des § 5 BVFG i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 BVFG eintrete. Wer - wie die Kläger - die Voraussetzungen des § 5 BVFG erfülle, könne keine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG als Ehegatte oder Abkömmling erhalten. Auf den nach § 27 BVFG erteilten Aufnahmebescheid könnten sich die Kläger für ihr Begehren nicht berufen, da diese Entscheidung nur das Aufnahmeverfahren betreffe und nicht die Entscheidung über die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG präjudiziere.

Die Anträge der Kläger, ihnen einen Ausweis über ihre Rechtsstellung als Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG auszustellen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21. September 2006 ab.

Die dagegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Januar 2007 abgewiesen. Es führte in den Entscheidungsgründen aus, wer Statusdeutscher sei, bestimme sich nach den in Ausführung des Gesetzesvorbehalts des Art. 116 Abs. 1 GG ergangenen gesetzlichen Regelungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) und damit im vorliegenden Fall nach § 4 BVFG. Aufgrund der Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide des Zentralen Ausgleichsamtes vom 17. November 2003 (§ 15 Abs. 1 Satz 4 BVFG) stehe fest, dass die Kläger selbst keine Spätaussiedler und demnach auch nicht als solche Statusdeutsche i.S.v. Art 116 Abs. 1 GG seien. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2005 stehe aber auch bindend fest, dass die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG hätten. An diese negative Entscheidung sei das Gericht nach § 15 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 BVFG im Verfahren zur Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft gebunden.

Die vom Senat zugelassene Berufung begründen die Kläger insbesondere damit, dass die rechtskräftige Ablehnung der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 BVFG vorliegend nicht dazu führe, dass die Kläger den Deutschen-Status nach Art. 116 Abs. 1 GG nicht mehr erwerben könnten. Die Kläger hätten vielmehr aufgrund der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Eltern der Klägerin zu 1 die Aussiedlungsgebiete "im Wege des Aufnahmeverfahrens" verlassen und hätten mit ihrer tatsächlichen Aufnahme in der Bundesrepublik gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG die Rechtsstellung als Deutsche i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG erworben. Das Bundesverwaltungsgericht halte die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG nicht für eine Status- sondern allein für eine Leistungsbescheinigung. Daher hindere das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 5 BVFG zwar die Erteilung einer solchen (Leistungs-)Bescheinigung, jedoch nicht den Erwerb der Rechtsstellung als Statusdeutscher.

An diesem Ergebnis änderten auch die zahlreichen - späteren - Änderungen des BVFG nichts. Zwar werde hier in der Begründung zur Änderung des § 5 BVFG ausgeführt, es handle sich um eine Klarstellung, jedoch ergebe sich dazu aus dem im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Schreiben des Vertreters des Bundesinteresses vom 11. April 2005 und den darin wiedergegebenen Plänen des Bundesinnenministeriums etwas anderes. Im Übrigen komme es für die Beurteilung der Statusdeutscheneigenschaft der Kläger auf den Zeitpunkt des Aufnahmefindens an, so dass spätere Gesetzesänderungen zu Ungunsten der Kläger unberücksichtigt bleiben müssten.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Januar 2007 und des Bescheides vom 21. September 2006 die Beklagte zu verpflichten, den Klägern einen Ausweis über die Rechtsstellung als Statusdeutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG auszustellen sowie festzustellen, dass die Kläger Statusdeutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG sind, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus, die Einbeziehung der Kläger in den Aufnahmebescheid der Eltern der Klägerin zu 1 und die Begründung ihres ständigen Aufenthaltes in Deutschland bedeute nicht ohne Weiteres auch die "Aufnahme" i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG. Andernfalls würde das zu dem mit der Zielsetzung des Vertriebenenrechts nicht zu vereinbarenden und gesetzgeberisch nicht gewollten Ergebnis führen, dass der Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft und damit auch des Status eines Deutschen in eigener Person eines Vertriebenen ausgeschlossen, ein hingegen nur abgeleiteter Erwerb des Status eines Deutschen für Abkömmlinge des Vertriebenen dagegen möglich sei.

Auch der Vertreter des öffentlichen Interesses beantragt,

Tatsächlich sei auf § 4 Abs. 3 BVFG i.d. Fassung zum Zeitpunkt der Wohnsitznahme der Kläger im Bundesgebiet abzustellen. Danach würden nichtdeutsche Abkömmlinge von Spätaussiedlern die Rechtstellung eines Deutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG mit ihrer "Aufnahme" im Geltungsbereich des Gesetzes erwerben. Es verbiete sich aber die Annahme, bereits durch den im Aufnahmeverfahren erteilten Aufnahmebescheid werde rechtsverbindlich über den Deutschen-Status i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG entschieden. Dieser sei nur ein "vorläufiges Steuerungsinstrument". Die Einbeziehung diene im Hinblick auf den Spätaussiedler lediglich der Wahrung der Familieneinheit durch Gewährung der Einreisemöglichkeit, beinhalte aber nicht den Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft durch Aufnahme i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG. Dies ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung zum Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21.12.1992, wo der Grundsatz herausgestellt werde, dass bei Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes "jetzt der Status des Spätaussiedlers nicht mehr erworben wird". Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers sollten Personen, die einen Ausschlusstatbestand erfüllen, grundsätzlich nicht in Deutschland aufgenommen werden. Der Erwerb der Rechtsstellung eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG für eine Person, die einen Ausschlussgrund nach § 5 BVFG erfülle, wäre nicht mit der Zielsetzung des BVFG vereinbar und stünde im Widerspruch zur gesetzgeberischen Wertentscheidung, dass derjenige, der das deutsche Volkszugehörige benachteiligende System gestützt habe, von allen Rechten ausgeschlossen sein solle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat Erfolg. Die zulässige Feststellungsklage (vgl. dazu BayVGH vom 17.4.1997 Az. 5 B 96.2196 m.w.N., vom 14.11.2007 Az. 5 ZB 05.2958 - juris - RdNr. 21) ist begründet. Die Kläger sind Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

Nach Art. 116 Abs. 1 GG ist Deutscher im Sinne des Grundgesetzes vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer, was vorliegend allein in Betracht kommt, als Abkömmling eines Flüchtlings oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Seit Inkrafttreten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) am 1. Januar 1993 ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen eine Person im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG als Abkömmling eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme gefunden hat. Personen die - wie die Kläger - nicht selbst Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit sind, können danach als Abkömmlinge eines Vertriebenen nur noch dann Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Abkömmlinge eines Spätaussiedlers im Sinne des § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG sind (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG). Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes stellen insoweit die in Art. 116 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber vorbehaltene gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschenstatus dar (vgl. BVerwG Urteil vom 19.6.2001, BVerwGE 114, 332 ff, vom 20.4.2004, BVerwGE 120, 292; BayVGH vom 11.2.2008, Az 5 ZB 07.1094).

Für die Beurteilung der Status-Deutscheneigenschaft der Kläger kommt es auf den Zeitpunkt der Wohnsitznahme an, so dass hier die im Jahr 2002 geltende Fassung des BVFG maßgeblich ist. Spätere Gesetzesänderungen zu Ungunsten der Kläger können keine Berücksichtigung finden, da die Feststellung der Status-Deutscheneigenschaft keine konstitutive Wirkung hat.

Nach der danach maßgeblichen einfachgesetzlichen Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG (in der Fassung v. 15.7.1999) erwarben Abkömmlinge eines Spätaussiedlers die Rechtsstellung eines Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG mit der Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes. Die Kläger sind Abkömmlinge von bestandskräftig anerkannten Spätaussiedlern. Dadurch, dass die Kläger mit Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 29. April 2002 gemäß § 27 Abs. 2 BVFG in den Aufnahmebescheid der Eltern der Klägerin zu 1 einbezogen worden sind, haben sie Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes gefunden (vgl. BVerwG Urteil vom 20.4.2004 a.a.O.). Damit sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG in der maßgeblichen Fassung erfüllt. Dem Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft durch die Kläger steht auch kein Hinderungsgrund entgegen.

1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führt die rechtskräftige Ablehnung der klägerischen Anträge auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG a.F. nicht zu einer Bindung des Gerichts auch im Verfahren zur Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft.

Im Gegensatz zur später geltenden Fassung dieser Vorschrift diente die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG in der für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Fassung dem Abkömmling - anders als nach heutiger Rechtslage - nicht zum Nachweis des Status nach § 116 Abs. 1 GG, sondern - nur - zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BVFG. Im damaligen Bescheinigungsverfahren wurde demnach nicht über den Status der Kläger nach Art. 116 Abs. 1 GG (mit-)entschieden, so dass sich aus der Entscheidung eine (negative) Bindung der Einbürgerungsbehörde und Gerichte bei der hier streitigen Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft der Kläger als Abkömmlinge von Spätaussiedlern gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG nicht ergeben kann (so auch BVerwG vom 20.4.2004 a.a.O.).

2. Die Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft der Kläger scheitert auch nicht an dem Umstand, dass in ihrer Person jeweils der Ausschlussgrund des § 5 Nr. 2 c BVFG erfüllt ist.

Das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 5 BVFG in der Person des Abkömmlings stand nach der Gesetzesfassung zum maßgeblichen Zeitpunkt zwar der Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 2 BVFG an den Abkömmling oder Ehegatten eines Spätaussiedlers entgegen, hinderte aber nicht den Erwerb der Rechtstellung als Deutscher (s. BVerwG vom 20.4.2004 a.a.O.). § 5 BVFG a.F. schloss nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich den Erwerb der Rechtstellung als Spätaussiedler aus. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme vor, der Gesetzgeber habe zum Zeitpunkt der Einführung dieser Regelung durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz den Erwerb der Rechtstellung als Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG für alle Personen (einschließlich der Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern) ausschließen wollen, die einen Ausschlussgrund nach § 5 BVFG erfüllen. Hätte der Gesetzgeber auch für Abkömmlinge von Spätaussiedlern diese Rechtsfolge einführen wollen, hätte es nahegelegen, dies in § 5 Abs. 1 BVFG a.F. ausdrücklich zu regeln - wie er es in der 7. Änderung des BVFG dann auch getan hat.

Es ist dem Beklagten zwar zuzugeben, dass die - mögliche - gesetzgeberische Absicht, Personen, die das deutsche Volkszugehörige benachteiligende System gestützt haben, von Rechten und Vergünstigungen auszuschließen, damit nicht konsequent verfolgt wurde. Dies führte zu dem auf den ersten Blick überraschenden Ergebnis, dass eine Person wegen des Erfüllens eines Ausschlussgrundes nach § 5 BVFG unmittelbar nicht die Rechtstellung als Spätaussiedler und damit als Deutscher erwerben, jedoch als Abkömmling ohne Ansehung des Ausschlussgrundes Statusdeutscher werden konnte. Das entspricht jedoch nach Auffassung des Senats, der sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20.4.2008 a.a.O.) anschließt, der Gesetzeslage zum hier maßgeblichen Zeitpunkt. Dem trägt auch die amtliche Begründung zum Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BT-Drs. 12/3212) Rechnung. Dort heißt es zu § 5:

"Im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen des Bundesvertriebenengesetzes, die den Ausschluss von der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen vorsehen, wird jetzt der Status des Spätaussiedlers nicht mehr erworben, wenn ein Ausschlusstatbestand vorliegt. "

In der Begründung zu § 7 wird ausgeführt:

"Der Ehegatte und die Abkömmlinge des Spätaussiedlers können in ihrer Person die Voraussetzungen des § 4 des Entwurfs erfüllen. Sie sind dann selbst Spätaussiedler mit den aus dieser Rechtstellung folgenden Ansprüchen. Es müssen aber auch Angehörige von Spätaussiedler aufgenommen werden, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Blieben diese ohne jede Hilfe, würden sie die Eingliederung des Spätaussiedler über Gebühr erschweren. Absatz 2 sieht deswegen für den Ehegatten und die Abkömmlinge, soweit sie nicht selbst Spätaussiedler sind, Eingliederungsleistungen vor. Dies erfordert aber, dass die Betroffenen im Aufnahmeverfahren nach § 26 die Aussiedlungsgebiete verlassen haben. Liegen in der Person des Ehegatten oder des Abkömmlings Ausschlussgründe im Sinne des § 5 vor, ist eine Förderung nicht möglich."

Dieser Begründung ist das Anliegen des damaligen Gesetzgebers zu entnehmen, im Kriegsfolgenbereinigungsgesetz die Anerkennungsvoraussetzungen für die Spätaussiedler selbst, also die Stammberechtigten, gegenüber der früheren Rechtslage zu verschärfen, sie für deren Abkömmlinge aber teilweise zu erleichtern. Dementsprechend hat das Gesetz geregelt, dass die Ausschlussgründe in § 5 BVFG in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes zwar den Statuserwerb bei Spätaussiedlern ausschließen, bei Abkömmlingen aber nur zum Wegfall der Rechte und Vergünstigungen nach § 7 Abs. 2 BVFG führen (so auch BVerwG vom 20.4.2004 a.a.O.).

Die 2007 im 7. Gesetz zur Änderung des BVFG vorgenommene Änderung des § 5 BVFG führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um eine bloße Klarstellung einer gesetzlichen Regelung, sondern um eine materiell-rechtliche Änderung einer Regelung, die so nicht mehr gewollt ist. Daran ändert auch die amtliche Begründung nichts, die die Aufnahme von § 4 Abs. 3 Satz 2 in § 5 BVFG als "Klarstellung" bezeichnet. Abgesehen davon, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im zitierten Urteil vom 20.4.2004 zum Inhalt des § 5 BVFG in der hier maßgeblichen Fassung geäußert hat, ergibt sich das auch aus der ausdrücklichen, oben dargestellten Zielsetzung des Gesetzgebers bei Erlass des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes. Der dem damaligen Gesetzgeber unterstellte Wille, alle Personen, die einen Ausschlusstatbestand erfüllten, grundsätzlich nicht in Deutschland aufzunehmen, ist der oben zitierten Begründung zum Kriegsfolgenbereinigungsgesetz gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr entsprach es dem Willen des damaligen Gesetzgebers, nur diejenigen Stammberechtigten, die ein deutsche Volkszugehörige benachteiligende System gestützt haben, von allen Rechten, so auch vom Statuserwerb, auszuschließen. Das ist vor allem vor dem Hintergrund verständlich, dass Spätaussiedler ein deutscher Volkszugehöriger ist, der bestimmte Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen hat und glaubhaft macht, dass er aufgrund seiner deutschen Volkszugehörigkeit im Aussiedlungsgebiet Benachteiligungen unterlag. Bei seinem Abkömmling ist das nicht erforderlich, da der Grund für die Regelung des Statuserwerbs für Ehegatten und Abkömmlinge die Familienzusammenführung war, nicht aber das Erfahren von Benachteiligungen. Dass der Gesetzgeber des 7. Gesetzes zur Änderung des BVFG nunmehr auch diejenigen Ehegatten und Abkömmlinge vom Erwerb des Deutschenstatus ausschließt, die in ihrer Person einen Ausschlussgrund erfüllen, beruht auf einer anderen - neuen - Bewertung und stellt somit keine Klarstellung, sondern vielmehr die Korrektur einer Regelung dar, die seiner Wertentscheidung nicht (mehr) entspricht.

Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils war daher festzustellen, dass die Kläger Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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