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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 5 BV 03.2841
Rechtsgebiete: BayVwVfG, BayStG, BGB


Vorschriften:

BayVwVfG Art. 48
BayStG Art. 5
BGB § 80 a.F.
BGB § 87
Die Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist auf die Genehmigung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts jedenfalls dann anwendbar, wenn der Stifter sie durch arglistige Täuschung erwirkt hat.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 BV 03.2841

Verkündet am 12. Oktober 2005

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rücknahme einer stiftungsaufsichtlichen Genehmigung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. August 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Oktober 2005

am 12. Oktober 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, wendet sich gegen die Rücknahme der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung.

1. Die Klägerin wurde von Herrn E. durch Stiftungsgeschäft vom 10. März 2000 mit dem Zweck errichtet, die Kinder- und Jugendhilfe sowie das öffentliche Gesundheitswesen zu fördern. Herr E. erklärte dabei, dass er die Klägerin mit einem Vermögen von 100.000 DM (51.129,19 Euro) in bar ausstatte. Dementsprechend heißt es in § 4 Nr. 1 der Stiftungssatzung vom 27. Juli 2001, dass das Stiftungsvermögen zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung aus DM 100.000 in bar bestehe. Nachdem Herr E. unter anderem die Kopie eines Kontoauszugs über eine Buchung in Höhe von 100.000 DM auf das Stiftungskonto vorgelegt hatte, erteilte die Regierung von Oberbayern (im folgenden: Regierung) mit Bescheid vom 9. August 2001 die stiftungsaufsichtliche Genehmigung.

Im September 2001 erhielt die Regierung Kenntnis davon, dass gegen Herrn E. ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges und Untreue unter anderem deshalb geführt werde, weil er Spenden Dritter an die damals noch nicht genehmigte Stiftung gesammelt und zur Deckung seiner privaten Lebenshaltungskosten verwendet habe. Ferner wurde bekannt, dass er bereits beim Regierungspräsidium Stuttgart einen Antrag auf stiftungsaufsichtliche Genehmigung gestellt hatte, der aber mangels ausreichenden Vermögens abgelehnt worden war; die Behörde hatte aufgrund polizeilicher Ermittlungen festgestellt, dass es sich bei dem dort ebenfalls vorgelegten Vermögensnachweis um eine "Luftbuchung" gehandelt habe, weil die auf das Stiftungskonto überwiesenen 100.000 DM noch am selben Tag zurückgebucht worden seien. Daraufhin forderte die Regierung Herrn E. auf, die Übertragung des im Stiftungsgeschäft zugesicherten Barvermögens nachzuweisen, und drohte für den Fall der Nichterfüllung an, die Genehmigung aufzuheben. Herr E. legte daraufhin bei einer Besprechung am 25. Oktober 2001 einen Beleg über eine Einzahlung von 20.000 DM auf das Stiftungskonto vor und kündigte eine Einzahlung von 30.000 DM und weiteren 50.000 DM bis zum Jahresende an. Zu letzterer kam es indes nicht; stattdessen hob Herr E. am 4. Dezember 2001 einen Betrag von 19.000 DM wieder ab. Zum 31. Dezember 2001 wurde das Stiftungskonto von der Bank gekündigt. Ferner wurde bekannt, dass Herr E. gegenüber dem Amtsgericht Stuttgart in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt hat, dass er außer 150 DM Bargeld keine Werte habe und seinen Lebensunterhalt mit Unterstützung der Eltern und Geschwister bestreite.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2002 nahm die Regierung - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - die stiftungsaufsichtliche Genehmigung zurück und verpflichtete Herrn E. zur Rückgabe der Genehmigungsurkunde bei Aushändigung des Rücknahmebescheides; für den Fall der Nichtrückgabe drohte die Regierung unmittelbaren Zwang an. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, dass die Genehmigung nach Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen werden könne. Sie sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil kein ausreichendes Stiftungsvermögen vorhanden sei. Schutzwürdiges Vertrauen stehe der Rücknahme nicht entgegen, weil Herr E. die Genehmigung durch arglistige Täuschung erwirkt habe. Die Rücknahme entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Die Stiftung müsse mit Blick auf Art. 5 BayStG so mit Vermögen ausgestattet sein, dass der Stiftungszweck auf Dauer wirkungsvoll erfüllt werden könne. Da das Stiftungsvermögen von 100.000 DM nur teilweise gebucht und dann teils wieder abgezogen und darüber hinaus für die Stiftung gewonnene Spenden für einen gemeinnützigen Zweck dann zur Deckung der Lebenshaltungskosten verwendet worden seien, erscheine die Rücknahme notwendig, insbesondere auch um nachteilige Wirkungen auf das gesamte Stiftungswesen zu vermeiden. Es sei außerdem nicht davon auszugehen, dass die nachhaltige Verwirklichung des Stiftungszwecks aus dem Ertrag des Stiftungsvermögens in Zukunft gesichert erscheine. Die Rücknahme sei das geeignete Mittel zur Herstellung der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Verhinderung weiteren Missbrauchs. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2002 als unbegründet zurück.

2. Die Klägerin hat Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und geltend gemacht, dass die Regierung die Genehmigung nicht hätte zurücknehmen dürfen, sondern statt dessen von ihren stiftungsaufsichtsrechtlichen Befugnissen nach Art. 18 ff. BayStG hätte Gebrauch machen müssen. Es werde nicht bestritten, dass der ursprüngliche Zahlungsnachweis zum Nachweis eines für erforderlich gehaltenen Stiftungsvermögens von 100.000 DM nicht geeignet gewesen sei. Darauf komme es aber nicht an. Denn eines Vermögens in dieser Höhe hätte es zur Erfüllung der in Art. 5 BayStG genannten Voraussetzung gar nicht bedurft. Es sei von Herrn E. mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Stiftungskapital nur die Verwaltung der Stiftung sicherstellen solle, während Maßnahmen zur Verwirklichung des Stiftungszweck vollständig von dritter Seite im Rahmen von Spenden und Sponsoring erbracht werden sollten. Art. 5 BayStG verlange von der Behörde eine Einzelfallprüfung und Ermessensentscheidung, zu der es aber nicht gekommen sei. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme lägen aber auch deshalb nicht vor, weil die Genehmigung nicht rechtswidrig erteilt worden sei. Das erforderliche Stiftungskapital habe, wenn auch nicht in der angekündigten Form des Barvermögens, tatsächlich vorlegen. Von der Rechtmäßigkeit der Genehmigung sei die Regierung selbst ausgegangen, weil sie von Herrn E. zunächst nachträgliche Meldungen von Barüberweisungen verlangt habe. Schließlich habe im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids eine ausreichende Kapitaldeckung in Höhe von nachweislich eingezahlten 50.000 DM vorgelegen. Dass dieses Geld teilweise nachträglich unter Verstoß gegen materielles Stiftungsrecht wieder entzogen worden sei, sei für die Frage des Widerrufs der Genehmigung unschädlich. Die Regierung hätte vorrangig versuchen müssen, die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 5 BayStG mit aufsichtlichen Maßnahmen herbeizuführen. Im Übrigen habe sie, die Klägerin, eine ausreichende Ausstattung mit Stiftungskapital im Wert der zugesicherten 100.000 DM in Form eines 100%en Gesellschaftsanteils an der S.-GmbH erhalten. Diese Gesellschaft, die von Herrn E. parallel zur Stiftung gegründet und am 31. Januar 2002 in das Handelsregister eingetragen worden sei, werde im Geschäftsbereich der Gewinnspielanbietung im Internet tätig. Ihr Wert betrage jedenfalls 100.000 DM. Die Verwirklichung des Stiftungszwecks erscheine aus den Erträgen der S.-GmbH gesichert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 7. Februar 2002 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 5. Juli 2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. August 2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Nach Art. 48 BayVwVfG könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Auf ein Vertrauen könne sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt habe. In einem solchen Fall werde der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Erteilung der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung sei rechtswidrig gewesen und vom Stiftungsvorsitzenden, Herrn E., erschlichen worden. Dieser habe bei Antragstellung in einem Ausmaß Schulden gehabt, die es ausgeschlossen hätten, die erforderlichen 100.000 DM in kürzester Zeit aufzubringen. Der Einwand, das Stiftungsvermögen sei durch den Gesellschaftsanteil an der S. GmbH erbracht, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Klägerin müsse sich an ihre Satzung halten, nach der das Stiftungskapital in bar zu erbringen sei. Das sei indes auch nicht annähernd geschehen. Das Stiftungskapital betrage derzeit lediglich etwa 4.000 Euro. Damit könne offen bleiben, ob der Gesellschaftsanteil überhaupt den angeblichen Wert habe und ob die Klägerin diesen Umstand nicht bereits im Widerspruchsverfahren hätte vorbringen müssen. Bereits aus Rechtsgründen unbehelflich sei das Vorbringen, ein Stiftungsvermögen in Höhe von 100.000 DM sei gar nicht erforderlich gewesen, weil die Stiftungssatzung einen solchen Grundstock vorsehe. Denn es stehe nicht im Belieben des Stiftungsvorsitzenden, ob er sich an die Satzungsbestimmungen halte. Auch die Ermessenserwägungen in den angefochtenen Bescheiden seien nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es unschädlich, dass die Regierung zunächst im Verhandlungswege nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht habe, um auf anderem Wege als durch eine Rücknahme rechtmäßige Zustände herbeizuführen.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gegen sein Urteil zugelassen.

3. Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin das erstinstanzliche Vorbringen und führt ergänzend aus, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn E. wegen der angeblichen Verwendung von Spenden zugunsten der Stiftung für die private Lebensführung inzwischen eingestellt worden sei. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 7. Februar 2002 sowie den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 5. Juli 2002 aufzuheben.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Frage hingewiesen, ob und ggf. in welchem Umfang die verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG auf die Genehmigung einer Stiftung nach bürgerlichem Recht Anwendung finden kann. Der Beklagte vertritt dazu die Auffassung, dass die §§ 80 ff. BGB eine Rücknahme der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung unter den Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG (nur) mit Wirkung für die Zukunft zulassen. So sei der Rücknahmebescheid auch zu verstehen. Die Klägerin hat sich dazu nicht geäußert und ist zur Berufungsverhandlung nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Beklagten vorgelegte Aktenheftung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und können die Klägerin deshalb auch nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Rücknahme der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 5. Juli 2002 rechtmäßig.

a) Die Rücknahme findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 48 BayVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschrift über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist auf die Genehmigung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts mangels einer spezialgesetzlichen Regelung jedenfalls dann anwendbar, wenn der Stifter sie durch arglistige Täuschung erwirkt hat (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG).

Das Stiftungsrecht ist teils bundesrechtlicher, teils landesrechtlicher Natur. Die bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 80 bis 88 BGB, die hier noch in ihrer Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 15. Juli 2002 (BGBl I S. 2634) heranzuziehen sind, regeln in erster Linie die privatrechtliche Seite der Stiftung. Sie enthalten daneben aber auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die staatliche Genehmigung als Voraussetzung für das Entstehen der Stiftung (§ 80 Satz 1 BGB aF), nach der neuen gesetzlichen Terminologie "Anerkennung" (§ 80 Abs. 1 BGB nF), und über die Zweckänderung oder Aufhebung der Stiftung durch staatliche Behörden (§ 87 BGB). Diese bundesrechtlichen Bestimmungen sind allerdings nicht abschließend. Es steht den Ländern vielmehr frei, sie zu ergänzen (vgl. BVerwG, U.v. 12.2.1998 - 3 C 55.96 - BVerwGE 106, 177/179). Solche Ergänzungen enthält das Bayerische Stiftungsgesetz (in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 19.12.2001, GVBl 2002 S. 10). Das Bundesrecht und das Bayerische Stiftungsgesetz behandeln die Frage der Rücknehmbarkeit einer von Anfang an rechtswidrigen stiftungsaufsichtlichen Genehmigung nicht ausdrücklich. Ob auf die in den landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetzen niedergelegten Rücknahme- und Widerrufsregelungen zurückgegriffen werden darf, ist umstritten. In der Literatur wird das teilweise unter Hinweis auf die Vorschrift des § 87 Abs. 1 BGB und den Charakter der Genehmigung als privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der zur Entstehung einer mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten juristischen Person führt, verneint; § 87 Abs. 1 BGB, der die zuständige Behörde zur Aufhebung der Stiftung befugt, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder wenn sie das Gemeinwohl gefährdet, regele die Beseitigung einer Stiftung abschließend und schließe deshalb die Rücknahme oder den Widerruf einer bestandskräftigen stiftungsaufsichtlichen Genehmigung aus (so etwa Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 7 RdNr. 98 ff., wohl auch Seifart/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 7 RdNrn. 285 ff.; für eine Anwendbarkeit der Rücknahme- und Widerrufsregelungen mit Wirkung für die Zukunft hingegen Voll/Störle, Bayerisches Stiftungsgesetz, 3. Aufl. 1998, RdNr. 4 zu Art. 3). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. April 1968 - 7 C 103.66 (BVerwGE 29, 314 ff.) eine Anwendung der - damals noch nicht kodifizierten - Grundsätze über Rücknahme und Widderruf von Verwaltungsakten nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern (nur) entschieden, dass eine Stiftungsgenehmigung wegen ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung und des schutzwürdigen Vertrauens der Allgemeinheit auf die Rechtsfähigkeit der Stiftung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden darf.

Der Senat ist der Ansicht, dass eine von Anfang an rechtswidrige stiftungsaufsichtliche Genehmigung jedenfalls dann zurückgenommen werden kann, wenn der Stifter sie durch arglistige Täuschung im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG erwirkt hat; eine solche Rücknahme darf allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber mit § 87 BGB die Beseitigung einer vom Stifter arglistig "erschlichenen" Genehmigung ausschließen wollte. Denn diese Vorschrift verhält sich nicht zu den Folgen einer von Anfang an rechtswidrigen Genehmigung, sondern regelt lediglich die Aufhebung der Stiftung aufgrund nachträglicher eingetretener ("Stiftungszweck unmöglich geworden") oder jedenfalls gegenwärtiger Umstände ("gefährdet das Gemeinwohl"). Es gibt, worauf die Landesanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat, auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach Rücknahme und Widerruf von privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten zwingend ausgeschlossen seien (vgl. BVerwG, U.v. 12.8.1977 - IV C 20.76 - BVerwGE 54, 257/259 ff. zur baurechtlichen Auflassungsgenehmigung). Ob solchen behördlichen Entscheidungen besonderer Schutz vor einer Korrektur gegenüber sonstigen Verwaltungsakten zukommt, beurteilt sich danach, ob das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen und der Allgemeinheit in den (Fort-)Bestand das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns überwiegt. Der Senat misst letzterem jedenfalls im Falle einer arglistig erschlichenen stiftungsaufsichtlichen Genehmigung ein größeres Gewicht bei. Denn das Vertrauen des Stifters in die durch arglistige Täuschung erlangte Genehmigung und die daran anknüpfende Rechtsfähigkeit der Stiftung verdient keinen Schutz (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG). Den Interessen der Stiftung und betroffener Dritter, etwa solchen, die mit der Stiftung Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben, ist ebenso wie den Erwartungen der Allgemeinheit in den Bestand der als rechtsfähig genehmigten Stiftung dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass eine Rücknahme abweichend von der gesetzlichen Regelvermutung des Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG nicht in die Vergangenheit, sondern - ebenso wie bei einer Aufhebung nach § 87 BGB - lediglich ab Bekanntgabe in die Zukunft wirken darf.

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Regierung, die am 9. August 2001 erteilte Stiftungsgenehmigung zurückzunehmen, rechtmäßig.

aa) Die Rücknahme soll nur ab ihrer Bekanntgabe für die Zukunft wirken. Das ist zwar im Tenor der Verwaltungsentscheidung nicht ausdrücklich ausgesprochen. Ihrer Begründung lässt sich aber hinreichend deutlich entnehmen, dass die Genehmigung nicht rückwirkend beseitigt, sondern lediglich ab der Bekanntgabe des (Ausgangs-) Bescheides keine Wirkung mehr entfalten soll. Denn dort ist hervorgehoben, dass die Rücknahme das "geeignete Mittel zur Herstellung der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Verhinderung eines weiteren Missbrauchs" sei und dass Gründe für "eine Aufrechterhaltung der Stiftung" nicht vorgetragen seien.

bb) Die Stiftungsgenehmigung vom 9. August 2001 war von Anfang an rechtwidrig.

Die Genehmigung hätte nach Art. 5 BayStG (in der bis 31.8.2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 7.3.1996, GVBl S. 126) nur erteilt werden dürfen, wenn die nachhaltige Verwirklichung des Stiftungszwecks aus dem Ertrag des Stiftungsvermögens gesichert erschien. Daran fehlt es, wenn bereits im Zeitpunkt der Genehmigung erkennbar ist, dass der Übertragung des im Stiftungsgeschäft und in der Stiftungssatzung in Aussicht genommenen Vermögens auf die Stiftung rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen und der Stifter deshalb seiner Pflicht aus § 82 BGB zur Übertragung des zugesicherten Vermögens nicht erfüllen kann (Voll/Störle, a.a.O. RdNr. 3 zu Art. 5). Das war hier der Fall.

Der Stifter, Herr E., war im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 9. August 2001 auf absehbare Zeit nicht in der Lage, das von ihm im Stiftungsgeschäft zugesicherte Stiftungsvermögen von 100.000 DM in bar aufzubringen. Er war, wie er nunmehr selbst der Sache nach einräumt, mit etwa 66.000 DM verschuldet. Angesicht einer Reihe von Vollstreckungsversuchen seiner Gläubiger hatte er wenige Monate vorher am 2. Februar 2001 in einer eidesstattlichen Versicherung nach § 900 Abs. 2 ZPO erklärt, dass er über 150 DM Bargeld, keine nennenswerten Vermögensgegenstände sowie kein Einkommen verfüge und von seiner Familie unterstützt werde (Bl. 60 bis 65 der Behördenakte). Der Beleg über eine Überweisung von 100.000 DM vom Privatkonto auf das Stiftungskonto, den Herr E. der Regierung als Vermögensnachweis vorgelegt hat, stammt vom 13. Dezember 2000. Dieses Geld ist entsprechend dem bei den Behördenakten (Bl. 6) befindlichen Auftrag des Herrn E. vom 7. Dezember 2000 an die Kreissparkasse E. wenige Tage später wieder auf das Privatkonto zurückgebucht und dann - wohl - anderweitig verwendet worden. Zur Barausstattung der Stiftung war dieses Geld von vornherein nicht vorgesehen und stand im August 2001 auch nicht mehr zur Verfügung.

cc) Herr E. hat die von Anfang an rechtswidrige Genehmigung durch arglistige Täuschung erwirkt (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG). Er hat der Genehmigungsbehörde ausreichendes Vermögen in der Absicht vorgespiegelt, in Widerspruch zur Rechtslage eine stiftungsaufsichtliche Genehmigung zu erhalten.

Herr E. hat der Regierung den Überweisungsträger über die "Luftbuchung" auf das Stiftungskonto vorgelegt und bei dieser damit den Eindruck erweckt, die Vermögensausstattung der Stiftung sei gesichert. Seine tatsächlichen finanziellen Verhältnisse hat er hingegen ebenso verschwiegen wie den Umstand, dass er bereits im August 2000 beim Regierungspräsidium Stuttgart einen entsprechenden Antrag auf stiftungsaufsichtliche Genehmigung gestellt hatte, dass das Genehmigungsverfahren dort aber nicht weiter geführt wurde, nachdem die Rückbuchung des zugesicherten Stiftungsvermögens und ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges bekannt geworden waren. Bereits mit Schreiben vom 21. Februar 2001 (Bl. 20 der Behördenakte) hatte das Regierungspräsidium Herrn E. unter Hinweis auf die laufenden Vollstreckungsmaßnahmen und eine etwaige Anfechtbarkeit des Stiftungsgeschäftes mitgeteilt, dass es fraglich erscheine, ob die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheine. Unter dem 25. Juli 2001 (Bl. 41 der Behördenakte) hat das Regierungspräsidium Stuttgart Herrn E. schließlich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Kontoauszug vom 13. Dezember 2000 nach den polizeilichen Ermittlungen um eine "Luftbuchung" handele und die Stiftungserrichtung nicht genehmigungsfähig sei.

Vor diesem Hintergrund steht außer Frage, dass Herr E. unter Verschleierung seiner finanziellen Verhältnisse in einem gerade zu diesem Zweck bei einer gutgläubigen Behörde durchgeführten "Parallelverfahren" die Regierung arglistig über seine Fähigkeit, das zugesicherte Stiftungsvermögen aufzubringen, getäuscht hat. Ohne diese Täuschung wäre die rechtsfehlerhafte Genehmigung nicht erteilt worden. Mit Blick auf Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG kann sich Herr E. demnach nicht auf Vertrauen in den Fortbestand der Stiftungsgenehmigung berufen.

dd) Die Regierung hat das durch Art. 48 BayVwVfG eröffnete Rücknahmeermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).

Auch wenn Herr E. die Genehmigung durch bewusste Täuschung erlangt hat und ihm kein schutzwürdiges Vertrauen zur Seite steht, ist das Ermessen gleichwohl nicht "auf Null" reduziert und eine Rücknahme deshalb zwingend geboten. Auch bei einer erschlichenen Stiftungsgenehmigung müssen vielmehr die betroffenen öffentlichen und privaten Belange einander gegenübergestellt werden, wobei dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger stiftungsrechtlicher Verhältnisse einerseits und an dem Interesse am Fortbestand der gleichwohl wirksam entstandenen juristischen Person Stiftung andererseits besonderes Gewicht zukommt. Die Regierung hat ihren Entscheidungsspielraum erkannt und die betroffenen Belange in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Die entsprechenden Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

Insbesondere waren im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Erlass des Widerspruchsbescheids am 5. Juli 2002) die Genehmigungsvoraussetzungen nach wie vor nicht erfüllt. Denn entgegen Art. 5 Satz 2 Nr. 2 BayStG (in der seit 1.9.2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 19.12.2001, GVBl 2002, S. 10; vgl. nunmehr § 80 Abs. 2 BGB nF) war die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks aus den Erträgen des Stiftungsvermögens - weiterhin - offenkundig nicht gesichert. Zwar hatte Herr E. noch im Jahr 2001 zunächst 50.000 DM auf das Konto der Stiftung überwiesen. Davon waren indes bereits am 4. Dezember 2001 wieder 19.000 DM abgehoben und anderweitig (wohl zur Deckung des Stammkapitals der S. GmbH) verwendet worden; das Stiftungskonto wurde zum Jahresende 2001 aufgelöst. Es waren daher keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die finanzielle Situation von Herrn E. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides so verbessert haben könnte, dass er auch nur annähernd in der Lage - und willens - gewesen wäre, das von ihm im Stiftungsgeschäft zugesicherte Stiftungsvermögen von 100.000 DM in bar entsprechend seiner Verpflichtung aus § 82 BGB in absehbarer Zeit auf die Stiftung zu übertragen. Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es nicht darauf an, ob der Stiftungszweck, die Kinder- und Jugendhilfe sowie das öffentliche Gesundheitswesen zu fördern, auch mit einem geringeren Stiftungsvermögen und im übrigen mit Spenden oder über Sponsoring hätte erreicht werden können. Denn maßgebend zur Beurteilung der erforderlichen Vermögensausstattung ist jedenfalls im Ausgangspunkt das zur Genehmigung gestellte Stiftungsgeschäft. In diesem aber hat Herr E. selbst ausdrücklich 100.000 DM in bar als Stiftungsvermögen zugesichert. Schon mit Blick auf diesen Maßstab geht auch der weitere Einwand fehl, der Stiftung seien sämtliche Gesellschaftsanteile an der S. GmbH im Wert von mindestens 100.000 DM übertragen worden. Dieser Umstand ist von Seiten der Klägerin zudem erst im gerichtlichen Verfahren vorgetragen worden, so dass er von der Regierung bei ihren Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt werden konnte. Im übrigen hat die Klägerin keinerlei Unterlagen vorgelegt, die die behauptete Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die Stiftung belegen noch gar den angeblichen Wert im maßgeblichen Zeitpunkt zumindest ansatzweise erkennen ließen. Entgegen einer Ankündigung (Bl. 39 der VG-Akte) wurden das Protokoll der Gründerversammlung und der Gesellschaftsvertrag bis heute nicht vorgelegt; zu einer Aufklärung von Amts besteht kein Anlass.

Vor diesem Hintergrund einer auch noch im Jahre 2002 fortdauernden Überschuldung des Stifters ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht näher erläutert, mit welchen milderen stiftungsaufsichtlichen Mitteln die Regierung die Genehmigungsvoraussetzung einer ausreichenden Vermögensausstattung hätte sicherstellen sollen.

ee) Die Regierung war schließlich nicht durch Zeitablauf gehindert, die Genehmigung zurückzunehmen. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG findet bei arglistiger Täuschung nach Satz 2 dieser Vorschrift keine Anwendung und wäre im Übrigen eingehalten.

2. Auch hinsichtlich der Nebenentscheidungen im Bescheid vom 7. Februar 2002 bleibt die Klage ohne Erfolg. Die Rückforderung der Genehmigungsurkunde findet ihre Rechtgrundlage in Art. 52 BayVwVfG. Da die Regierung die sofortige Vollziehung der Rücknahmeentscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hatte, war es nicht erforderlich, deren Unanfechtbarkeit abzuwarten. Die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe entspricht Art. 34, 36 VwZVG. Damit kann dahinstehen, ob die Klägerin durch die gegen Herrn E. gerichtete Rückforderung und Zwangsmittelandrohung überhaupt in ihren Rechten verletzt sein kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt (§ 14, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung).

Ende der Entscheidung

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