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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 5 ZB 02.2120
Rechtsgebiete: PassG, GG, BVFG


Vorschriften:

PassG § 12
GG Art. 116 Abs. 1
BVFG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 02.2120

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einziehung und Vernichtung eines Reisepasses;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Juli 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 25. August 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Einziehung und Vernichtung ihres Reisepasses durch das Passamt der Beklagten rechtswidrig gewesen ist, weil sie entgegen der behördlichen Auffassung deutsche Staatsangehörige sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung, mit dem sie im Wesentlichen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend macht.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund teils nicht ausreichend dargelegt ist, teils nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

An der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin keine deutsche Staatsangehörige ist, mithin die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1, § 11 Nr. 2, § 4 Abs. 1 PassG für die Einziehung und Vernichtung des Passes vorgelegen haben und dass den behördlichen Entscheidungen auch kein Ermessensfehler anhaftet. Die Einwände der Klägerin greifen nicht durch und zeigen keinen Klärungsbedarf auf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordert.

1. Keinen Bedenken begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin die deutschen Staatsangehörigkeit nicht erworben habe.

a) Die Klägerin kann dem nicht die Wirkung des Staatsangehörigkeitsausweises entgegen halten, der ihr vom Landratsamt Sächsische Schweiz am 21. August 1997 mit Gültigkeit bis zum 20. August 2007 ausgestellt worden ist. Der Senat hat bereits im Eilverfahren (B.v. 23.1.2002 - 5 ZE 01.2296) darauf hingewiesen, dass ein Staatsangehörigkeitsausweis weder rechtsbegründend wirkt, noch - in der Art eines feststellenden Verwaltungsaktes bis zu seiner Aufhebung - andere Behörden bindet. Er ist lediglich ein Beweismittel, das die tatsächliche Vermutung für das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Ausstellung erzeugt; liegen Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Staatsangehörigkeitsausweises vor, ist die Vermutung, dass der Ausweisinhaber im Zeitpunkt der Ausweisausstellung deutscher Staatsangehöriger war, entkräftet (BVerwG, U.v. 21.5.1985 - 1 C 52.82, BVerwGE 71, 309/316 f., und U.v. 3.11.1998 - 9 C 18.97, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 55 S. 17/18). Solche (eindeutigen) Anhaltspunkte für eine inhaltliche Unrichtigkeit bestehen hier schon deshalb, weil das Landratsamt Sächsische Schweiz zunächst irrtümlich davon ausgegangen war, dass die Mutter der Klägerin mit ihrer (ehelichen) Geburt am 14. August 1957 die deutsche Staatsangehörigkeit nach ihrer Mutter, der Großmutter der Klägerin, erworben habe; auf die Staatsangehörigkeit der Mutter kam es nach der damals geltenden Rechtslage jedoch nicht an. Dementsprechend hat das Landratsamt die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juli 1998 um Einzug des zu Unrecht, nämlich "unter Nichtbeachtung von § 4 Abs. 1 RuStAG (a.F.)" ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweises" gebeten.

Ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen, das die Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises bei der Klägerin ausgelöst haben mag, kann entgegen der Ausführungen in der Zulassungsbegründung nichts daran ändern, dass die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit im Pass der Klägerin unzutreffend war und dieser eingezogen werden durfte. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unmittelbar zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führen.

b) Unzureichend dargelegt ist die Rüge, das Verwaltungsgericht hätte nicht bei der (zutreffenden) Feststellung stehen bleiben dürfen, dass die Klägerin nicht zum Personenkreis der zwischen 1. April 1953 und 31. Dezember 1974 ehelich geborenen Kinder deutscher Mütter zähle, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 3 RuStAÄndG 1974 durch eine besondere Erklärung erwerben können; das Verwaltungsgericht hätte vielmehr prüfen müssen, "ob die Mutter (der Klägerin) zum erklärungsbedürftigen Personenkreis gehört und ob diese aufgrund der abgegebenen Erklärung, die bei der Antragstellung auf Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises abgegeben worden ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat", weil das wiederum der Klägerin den streitigen Status vermitteln würde.

Es fehlt an der erforderlichen substantiierten Darlegung, warum eine solche Prüfung veranlasst gewesen sein könnte oder sich dem Verwaltungsgericht gar hätte aufdrängen müssen. Der von der Klägerin pauschal vermutete Erklärungserwerb ihrer Mutter ist (vielmehr) unschlüssig: Abgesehen davon, dass in dem Antrag der Mutter vom 13. Januar 1997 auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises kaum eine Erklärung, die Staatsangehörigkeit erst noch erwerben zu wollen, gesehen werden kann, war zu diesem Zeitpunkt die Erklärungsfrist des Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG 1974 (Fristende: 31.12.1977) und die - wegen der fehlenden Freizügigkeit in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zu gewährende - Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG 1974 (Fristende: 31. Dezember 1992, vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2004 - 5 B 02.516) bereits abgelaufen. Ein individueller unverschuldeter Hinderungsgrund, auf den die Mutter der Klägerin sich 1997 noch hätte berufen können, ist noch nicht einmal ansatzweise vorgetragen; er liegt auch fern, weil die Mutter der Klägerin aus einer gemischt-nationalen Ehe stammt und deshalb Anlass gehabt hätte, ihre staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse rechtzeitig zu klären.

c) Es bestehen ferner keine Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Nr. 4a, § 40a Satz 1 StAG durch Überleitung als Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG - sog. Statusdeutsche - ausscheidet. Denn die Klägerin kann die Statusdeutscheneigenschaft weder aus eigenem Recht noch als Abkömmling nach ihrer Mutter oder Großmutter erworben haben.

Der Senat hat zu den im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen, wie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt, mit Urteilen vom 29. Juli 2004 (Az. 5 B 02.516 und 1224) entschieden, dass seit dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes zum 1. Januar 1993 die vertriebenenrechtlichen Vorschriften zur Aufnahme von Spätaussiedlern und ihren Angehörigen (§§ 4, 26 ff. BVFG) - anders als noch in ihrer Fassung des Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28. Juni 1990 - die in Art. 116 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber vorbehaltene, auch in intertemporaler Hinsicht abschließende gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status darstellen. Seitdem können Personen, die - wie die Klägerin und ihre Familie - die im Bundesvertriebenengesetz genannten Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 verlassen haben, nur noch dann als Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG sind (BVerwG, U.v. 19.6.2001 - 1 C 26.00, BVerwGE 114, 332/334). Als (nichtdeutscher) Ehegatte oder Abkömmling eines Vertriebenen können nur noch solche Personen Aufnahme finden, deren Bezugsperson Spätaussiedler ist (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG; BVerwG, U.v. 20.4.2004 - 1 C 3.03, UA S. 4). Nach der mithin maßgeblichen Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 BVFG kann Spätaussiedler nur sein, wer die deutsche Volkszugehörigkeit im Sinne von § 6 BVFG besitzt und (u.a.) die näher bezeichneten Aussiedlungsgebiete - nach dem 31. Dezember 1992 - im Wege des Aufnahmeverfahrens (§§ 26 ff. BVFG) verlassen hat.

Gemessen an diesem Maßstab scheidet ein Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft für die Klägerin aus eigenem wie aus abgeleitetem Recht aus: Sie selbst, wie auch ihre Mutter und Großmutter als die in Betracht kommenden Bezugspersonen, sind nach dem Ergebnis der vertriebenenrechtlichen Verfahren jedenfalls keine Spätaussiedler; ob die Großmutter zum Personenkreis der Vertriebenen im Sinne von § 1 BVFG zählt und diesen Status nach § 7 BVFG a.F. an ihre Kinder, möglicherweise auch Enkelkinder, weitergeleitet hat, ist auch mit Blick auf die Übergangsregelungen des § 100 BVFG unerheblich. Zudem haben weder die Klägerin noch die Bezugspersonen die in § 4 BVFG näher bezeichneten Gebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens (§§ 26 ff. BVFG) verlassen. Einen vertriebenenrechtlichen Aufnahmebescheid bzw. die Einbeziehung als Abkömmling in einen solchen haben sie nicht erhalten. Dass über ihren Antrag auf nachträgliche Erteilung eines Aufnahmebescheids nach § 27 Abs. 2 BVFG bislang (wohl) noch nicht entschieden ist, muss außer Betracht bleiben. Zum einen ist nämlich nicht zu erkennen, dass dieser Antrag Erfolg haben könnte; zum anderen würde eine später ergehende Aufnahmeentscheidung den Status der Klägerin als Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit nur "ex nunc" begründen und nichts daran ändern können, dass der Pass der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Vernichtung wegen der unzutreffenden Eintragung der deutsche Staatsangehörigkeit ungültig war.

Weder mit Blick auf den rechtlichen Maßstab zur Beurteilung des Aufnahmefindens im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG noch hinsichtlich seiner Anwendung auf den Fall der Klägerin stellen sich Fragen, die als besonders schwierig oder grundsätzlich bedeutsam in einem Berufungsverfahren geklärt werden müssten.

2. Keinen Bedenken begegnet die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Einziehung des Reisepasses frei von Ermessensfehlern war.

Das der Passbehörde in § 12 Abs. 1 PassG eingeräumte Ermessen ist entgegen der Auffassung der Klägerin in dem Sinne intendiert, dass im Falle der unzutreffenden Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit der Pass wegen des erheblichen öffentlichen Interesses an seiner Richtigkeit im Regelfall eingezogen werden soll. Eine solche Ermessenslenkung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, weil § 12 Abs. 3 als Ausnahme von dem Grundsatz des Absatzes 1 bestimmt, dass von der Einziehung abgesehen werden kann, wenn der Mangel, der sie rechtfertigt, geheilt oder fortgefallen ist. Dementsprechend heißt es in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes, dass ein ungültiger Pass zur Vermeidung seines Missbrauchs in der Regel eingezogen werden soll (12.1 Satz 1 PassVwV). Eine Ausnahme von dieser Regel kann nicht daraus hergeleitet werden, dass der Klägerin ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden ist; denn dieser Ausweis stellt - wie oben (unter 1a) dargelegt - keinen Verwaltungsakt dar, zu dem die Beklagte sich nicht in Widerspruch setzen darf. Die gegenteilige Sichtweise der Klägerin vermag auch mit Blick auf die Ermessenskontrolle weder besondere Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch eine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) aufzuzeigen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 3 GKG in der bis 30. Juni 2004 geltenden Fassung.

Ende der Entscheidung

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