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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.2006
Aktenzeichen: 6 B 04.1237
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 125 Abs. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

6 B 04.1237

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erschließungsbeitrags (*************** Strasse);

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. November 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Haas, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Juni 2006

am 2. Juni 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für Baumaßnahmen (Straßenentwässerung, Beleuchtung, westlicher Gehsteig) an der P******** Straße.

Diese Straße verläuft von der Kreisstraße ** * nach Süden zur früher selbständigen Gemeinde B******. Mit der Eintragung in das Bestandsverzeichnis für Gemeindeverbindungsstraßen (Anfangspunkt: Kreisstraße, Endpunkt Einmündung in die L*****straße, Fortsetzung Ortsstraße P******** Straße) übernahm die Beklagte die Straßenbaulast und stufte die Straße "nach und nach" zur Ortsstraße um.

Am 13. Dezember 1990 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplans (* **) "für das Gebiet nördlich und südlich des verlängerten B*******" Gemarkung B******. Die Geltungsbereichsgrenze nach Osten liegt in etwa auf der Mitte der Trasse der P******** Straße. Der Bebauungsplan * ** ist am 20. März 1996 in Kraft getreten. Nach Süden schließt sich der Bebauungsplan der Beklagten "für das Gebiet zwischen der Kreisstraße ** * und dem Ortsteil B****** (Am Südhang) Gem. B******" an. Sein Geltungsbereich endet an der Westseite der P******** Straße.

Die streitgegenständliche Baumaßnahme (Straßenentwässerung, westlicher Gehweg, Beleuchtung) wurde 1996/1997 durchgeführt. Letzte Rechnungen gingen 1998 bei der Beklagten ein.

Mit Beschluss vom 25. Februar 1999 stufte der Stadtrat die P******** Straße von der Einmündung L*****straße bis zur Einmündung des öffentlichen Feld- und Waldwegs auf FlNr. *** Gemarkung B****** von einer Gemeindeverbindungsstraße zur Ortsstraße um.

Durch Bescheid vom 12. April 1999 setzte die Beklagte gegenüber der Klagepartei als Eigentümerin des 1.131 m² großen Grundstücks FlNr. ***** Gemarkung B****** auf der Grundlage ihrer Erschließungsbeitragssatzung vom 25. September 1987 "für die erstmals endgültige Herstellung der Straßenentwässerung, Straßenbeleuchtung und des Gehsteiges an der Nordseite der Erschließungsanlage (Straße) "P******** Straße" im Abschnitt von der Einmündung in den Bergsteig bis zur Einmündung in die L*****straße" einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 16.003,65 DM fest.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerseite geltend, es sei zweifelhaft, ob die P******** Straße eine zum Anbau bestimmte Straße gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sei, zudem stehe der Geltendmachung von Erschließungsbeiträgen das erschließungsrechtliche Planerfordernis des § 125 BauGB entgegen. Im Bereich der Baumaßnahme sehe der Bebauungsplan weder Gehsteige noch Straßenbeleuchtungseinrichtungen vor. Außerdem beziehe er sich nur auf die Hälfte der P******** Straße. Soweit die Straße außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans verlaufe, sei von einem Abwägungsausfall auszugehen.

Das Landratsamt wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20. März 2001 zurück.

Am 20. April 2001 ließ die Klagepartei Klage zum Verwaltungsgericht erheben mit dem Antrag, den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 12. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2001 aufzuheben. Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und hob noch hervor, bei der P******** Straße handle es sich um eine schon vorhandene Erschließungsanlage, die als Gemeindeverbindungsstraße bereits endgültig hergestellt gewesen sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Zu dem Argument der Klägerseite, dass hinsichtlich der nicht überplanten Straßenteile ein Abwägungsausfall vorliege, verwies sie auf den Vermerk im Bebauungsplan * ** "Anschluss an bereits vorhandenen Gehweg L*****straße".

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. November 2003 ab. Der abgerechnete Teil der P******** Straße habe erst mit der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans * ** im März 1996 den Funktionswandel zur Anbaustraße erfahren. Damals und bis zum Abschluss der abgerechneten Baumaßnahmen habe sie objektiv den Verkehrsbedürfnissen nicht genügt. Gehweg sowie ausreichende Beleuchtungs- und Straßenentwässerungseinrichtungen hätten gefehlt.

Mit Blick auf die seit 1. Januar 1998 geltende Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB sei die Erschließungsbeitragspflicht entstanden, obwohl eine ca. 40 m lange Teilstrecke auf der Höhe der FlNrn. ***** und ***** außerhalb des Bebauungsplans * ** verlaufe. Auch diese 40 m seien in Übereinstimmung mit der Straßencharakteristik der vom räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans * ** erfassten Strecke der P******** Straße hergestellt worden.

Mit der durch Beschluss vom 26. April 2006 zugelassenen Berufung beantragt die Klagepartei, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts ******** vom 12. November 2003 den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 12. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2001 aufzuheben.

Zur Begründung nahm sie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich insbesondere auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Kläger schulden der Beklagten den mit Bescheid vom 12. April 1999 in Rechnung gestellten Betrag. Der Bau der Teileinrichtungen Gehsteig (zwischen den Einmündungen L*****straße und Bergsteig), Beleuchtung und Straßenentwässerung ist als erstmalige Herstellung nach Baugesetzbuch abzurechnen, die Teilbeitragspflicht ist mit dem Ausspruch der Kostenspaltung im angefochtenen Bescheid entstanden.

Nach Aktenlage ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Bebauungsplan * ** nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden und deshalb unwirksam ist. Bebauungspläne sind als Satzungen auszufertigen, bevor sie in Kraft gesetzt werden (BayVGH v. 4.4.2003 BayVBl 2004, 22 f. m.w.N.). Das vorgelegte Planexemplar trägt jedoch nur die am Tag nach der Schlussbekanntmachung geleistete Unterschrift der Oberbürgermeisterin. Da dies aber mit Blick auf § 125 Abs. 2 BauGB die Abwägung unberührt lässt, sind weitere Ermittlungen entbehrlich.

Die P******** Straße hat im maßgeblichen Bereich frühestens mit Inkraftsetzen des Bebauungsplans * ** am 20. März 1996 - zumindest einseitig - Erschließungsfunktion erlangt, da die anliegenden Grundstücke zu diesem Zeitpunkt noch unbebaut waren und im Außenbereich lagen. Im Bebauungsplan hat die Beklagte ihre Vorstellungen darüber niedergelegt, wie die Anbaustraßen im Geltungsbereich im Einzelnen auszugestalten sind. Für die P******** Straße, die als Gemeindeverbindungsstraße bereits vorhanden war, hat sie, deren neuer Funktion als Erschließungsstraße entsprechend, nunmehr einen Gehsteig (auf der Westseite) vorgesehen sowie Straßenbeleuchtung und -entwässerung in das Bauprogramm aufgenommen. Die technischen Arbeiten waren 1996/1997 abgeschlossen, die letzten Rechnungen gingen im Laufe des Jahres 1998 ein.

Die auch für das Entstehen einer sachlichen Erschließungsteilbeitragspflicht - Abrechnung im Wege der Kostenspaltung - erforderliche planungsrechtliche Grundlage (BVerwG vom 18.1.1991 BVerwGE 87, 288 = DVBl 1991, 449) war bei Bescheidserlass vorhanden, und zwar für den größten Teil des Gehsteiges in Gestalt des Bebauungsplans * **, sei es unmittelbar (§ 125 Abs. 1 BauGB), sei es als Dokument der Abwägung (§ 125 Abs. 2 BauGB). Die außerhalb des Geltungsbereichs gelegene südliche Reststrecke von ca. 40 m ist durch die gesetzliche Regelung in § 125 Abs. 2 BauGB in der seit 1. Januar 1998 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 46 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18.8.1997 BGBl I 2081/2094) abgedeckt.

Es spricht hier einiges dafür, dass die den Gehsteig betreffenden Angaben des Bebauungsplans nicht als Festsetzungen an dessen Rechtssatzqualität teilnehmen, sondern lediglich von nachrichtlicher Qualität sind und demgemäß als formloses Bauprogramm (BVerwG vom 18.1.1991 a.a.O.) gelten: Im Bebauungsplan schließt sich an die auf der Westseite der P******** Straße eingetragene Straßenbegrenzungslinie (Permanentgrün hell) nach Osten (im Bereich zwischen Bergsteig und südlicher Geltungsbereichsgrenze) eine etwa 6,00 m breite Fläche an, die sich in einen mit 1,50 m vermaßten Streifen in Goldocker (dunkler) und einen nicht vermaßten, ca. 4,50 m breiten Streifen in hellerem Goldocker gliedert. Ausweislich der "Zeichenerklärung Planinhalt gem. Planzeichenverordnung 1990, vom 18. Dez. 1990" handelt es sich bei dieser Ausgestaltung "4. Verkehrsflächen (§ 9 [1] Nr. 11 BauGB)" um eine "Straßenverkehrsfläche". Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte den westlichen Gehsteig entsprechend den geschilderten Vorgaben im Bebauungsplan errichtet hat.

Die rd. 40 m lange südliche Teilstrecke außerhalb des Bebauungsplans ist mit Blick auf das erschließungsrechtliche Planerfordernis an der Bestimmung des § 125 Abs. 2 BauGB in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung zu messen. Danach dürfen Anlagen, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt, nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 bezeichneten Anforderungen entsprechen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 26. November 2003 (NVwZ 2004, 483 = DVBl 2004, 391) mit der neuen Rechtslage nach Wegfall des Zustimmungserfordernisses seitens der höheren Verwaltungsbehörde befasst und ausgeführt, schon nach der früheren Rechtslage seien diese Anforderungen an die Bauleitplanung einschließlich der ihnen vorgegebenen planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gemeindlichen Entscheidung über die Ausgestaltung einer Anbaustraße im unbeplanten Innenbereich gewesen. Die Neufassung des § 125 Abs. 2 BauGB habe an diesem materiell-rechtlichen Maßstab nichts geändert, sondern nur das Prüfungsverfahren vor der höheren Verwaltungsbehörde entfallen lassen. Die wichtigste materiell-rechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede planende Gemeinde bei Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit und damit auch bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten müsse, sei das in § 1 Abs. 6 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot beziehe sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfinde und dass bei dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt würden, als auch auf das Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang "herauskomme". Ein Mangel im Abwägungsvorgang sei nur dann erheblich und könne zur Rechtswidrigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage führen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die Planungsentscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre.

Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Zwar beinhalten die beigezogenen Akten keine Nachweise über das Sammeln des Abwägungsmaterials und den Abwägungsvorgang als solchen, jedoch lässt sich anhand des Bebauungsplans * ** und seiner Begründung nachweisen, dass diese Vorgänge stattgefunden haben. Das hieraus resultierende Ergebnis - die planerische Entscheidung der Beklagten, wie der Gehsteig auf dem ausgebauten, nicht überplanten Zwischenstück auszusehen habe - ist eindeutig niedergelegt und hält sich innerhalb der durch das Abwägungsgebot gesetzten Grenzen. Der, wie bereits geschildert, im Bebauungsplan * ** in Goldocker (dunkel) kolorierte Gehsteig setzt sich südlich des Geltungsbereichs als Doppellinie fort; über einem Markierungsstrich ist vermerkt: "Anschluss an bereits vorhandenen Gehweg L*****straße". In Übereinstimmung hiermit, aber noch klarer formuliert, haben sich die Planungsvorstellungen der Beklagten in der Begründung zum Bebauungsplan * ** niedergeschlagen.

Unter "L. Angaben zur Erschließung und der Ver- und Entsorgung" heißt es:

"1. Erschließung: Die verkehrsmäßige Erschließung erfolgt über die Straße "Bergsteig", durch deren Verlängerung. Die Anbindung an die P******** Straße ist somit geschaffen.

Eine Zusammenführung des geplanten Gehsteiges "Bergsteig" mit dem Gehsteig "L*****straße" ist vorgesehen."

Beide Aussagen belegen dasselbe Abwägungsergebnis. Die Passage in der Begründung des Bebauungsplans hebt zusätzlich ein von der Planung in Rechnung gestelltes öffentliches Interesse hervor, nämlich das Zusammenführen der von Westen in die P******** Straße einmündenden Gehsteige entlang der L*****straße bzw. des B******* mittels des entlang der Westseite der P******** Straße verlaufenden streitgegenständlichen Gehsteiges. Damit ist der von Klägerseite geltend gemachte Abwägungsausfall entkräftet. Anhaltspunkte für eine Verfehlung der Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB sind weder den vorgelegten Akten noch dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.182,54 Euro (entspricht 16.003,65 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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