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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 6 ZB 08.2960
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
KAG Art. 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

6 ZB 08.2960

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Straßenausbaubeitrags (***********);

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. September 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann,

ohne mündliche Verhandlung am 5. März 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens je zur Hälfte.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 402 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Das Urteil stellt keine auf objektiver Willkür beruhende Entscheidung dar, denn es ist weder gar nicht noch mit einer gänzlich unzulänglichen Begründung versehen. Außerdem ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechthin nicht mehr nachvollziehbar, sachwidrig oder offensichtlich unhaltbar sein könnte (vgl. insoweit BVerfGE 29, 45/49; 71, 122/136; BVerfG vom 24.2.1993 - NJW 1993, 1909; BVerwG Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72; BayVerfGH vom 6.7.2006 - Vf 85-VI-04, juris; BayVerfGH VerfGHE 53,113/115).

Die Kläger rügen, dass die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die A****straße sei eine von mehreren Ost-West-Durchgängen im Gemeindegebiet, willkürlich sei; diese Straße sei vielmehr eine von lediglich zwei durch den gesamten Ortsteil durchgehenden Ost-West-Verbindungen. Dieses Vorbringen lässt nicht erkennbar werden, dass das Verwaltungsgericht eine willkürliche Feststellung getroffen hat. Das Verwaltungsgericht hebt auf die Ost-West-Verbindungen im Gemeindegebiet des Beklagten in seiner Gesamtheit ab, während sich der Einwand der Kläger auf die beiden Ost-West-Verbindungen im Ortsteil G******* des Beklagten bezieht.

Die Kläger rügen ferner, das Verwaltungsgericht habe ihrem Vortrag, die Tagesbelastung der A****straße betrage nach einer Verkehrszählung etwa 10.000 Fahrzeuge, willkürlich, d.h. ohne nachprüfbare Unterlagen oder Berechnungen, und überraschend, weil in der mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht vorgetragen, entgegengesetzt, dass zwischen dem Anliegerverkehr und dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr in der A****straße von einem "Gleichgewicht" auszugehen sei. Dieses vom Verwaltungsgericht behauptete Gleichgewicht zwischen Anlieger- und durchgehendem innerörtlichen Verkehr sei bei einem gezählten Verkehrsaufkommen von 10.000 Kraftfahrzeugen bei einer Einwohnerzahl von 26.351 unhaltbar.

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung auf die Zweckbestimmung abzustellen ist, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Verkehrszählungen kommt danach allenfalls die Bedeutung eines "Bestätigungsmerkmals" zu (vgl. BayVGH vom 9.6.2004 BayVBl 2005, 762 f = BayGT 2004, 382/384; vom 5.12.2007 Az. 6 BV 04.496 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist dieser vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung erkennbar gefolgt (vgl. UA S. 6), und brauchte nicht weiter auf das Ergebnis der Verkehrszählung abzustellen; auch bestand aus folgenden Gründen keine Notwendigkeit, das tatsächliche Verkehrsaufkommen näher zu untersuchen und etwa den Ziel- und Quellverkehr zu prüfen.

Die Annahme des Gerichts, es bestehe ein "Gleichgewicht" zwischen dem Anliegerverkehr und dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr erscheint nicht als willkürlich. In der durch das Gesetz (Art. 5 Abs. 3 KAG) vorgegebenen Abstufung der Straßenkategorien ist eine an einem Grobraster orientierte, die Vorteilsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt werden würde (vgl. BayVGH vom 9.6.2004 a.a.O.). Unter Zuhilfenahme der in der Satzung selbst angegebenen Begriffe und Funktionsmerkmale ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Merkmale eine Haupterschließungsstraße aufweisen muss. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 27. Februar 2008 Az. 6 ZB 05.3393 ausgeführt:

"Die Auslegung einer Satzungsbestimmung ist in der Hauptsache weder eine philologische noch - in Bezug auf das Verhältnis zur gemeindlichen Eigenbeteiligung - eine mathematische Übung. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, was die Bestimmung innerhalb des gegebenen Regelungszusammenhangs leisten soll. Die Ermächtigung zum Satzungserlass (Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KAG) verlangt von der Gemeinde, für Einrichtungen, die nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute kommen, eine Eigenbeteiligung am Erneuerungs- oder Verbesserungsaufwand vorzusehen, die die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigt. Aus dieser Vorgabe erwächst das Gebot, die Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend zu gliedern und zumindest nach den Straßenkategorien der Wohnstraße, der Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen zu differenzieren (BayVGH vom 29.10.1984 a.a.O. S. 144). Die Kategorien sollen also Straßentypen mit signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Das Verständnis der Einzelbestimmung kann sich somit von vorneherein nicht isoliert an deren Wortlaut, sondern muss sich am Verhältnis zu den anderen Straßenkategorien orientieren (BayVGH vom 9.6.2004 a.a.O.: Ausgehend "von den ... Definitionen in der Satzung)."

Die Satzung des Beklagten (§ 6 Abs. 6 Buchst. b SBS) definiert Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen, soweit sie nicht Hauptverkehrsstraßen nach Buchst. c sind, als Haupterschließungsstraßen. Die Haupterschließungsstraße erfüllt somit "gleichzeitig" die beiden Funktionen, zum einen weder ganz noch überwiegend der Erschließung der Grundstücke (im Sinne von § 6 Abs. 6 Buchst. a SBS), noch zum anderen ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder dem überörtlichen Durchgangsverkehr (im Sinne von § 6 Abs. 6 Buchst. c SBS) zu dienen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei nicht auf den Anliegerverkehr im ausgebauten Abschnitt der A****straße, sondern auf den Anliegerverkehr in der gesamten Anlage einschließlich ihrer Fortsetzung in der P***straße abzustellen, so dass auch der dadurch ausgelöste Verkehr (zum Kongresshaus und zum Informationszentrum) wie auch der Verkehr zu den beiden Parkplätzen am W************ P*** als Anliegerverkehr einzustufen sei, wird von den Klägern nicht (substanziiert) im Zulassungsantrag in Frage gestellt.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es liege ein Gleichgewicht zwischen Anlieger- und durchgehendem innerörtlichen Verkehr vor, steht ausweislich der Entscheidungsgründe im Kontext mit der auf § 117 Abs. 5 VwGO gestützten Bezugnahme auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts G******* ************* vom 13. Dezember 2007, die sich das Verwaltungsgericht zu eigen gemacht hat. Die Widerspruchsbehörde führt die Verkehrsbelastung mit Kraftfahrzeugen zu einem beträchtlichen Teil auf die Parkanlage/den Parkplatz zurück und stellt sodann auf die Einzelheiten der Verkehrsplanung des Beklagten und die Über- und Unterordnungen der einzelnen Straßenzüge ab. Die Lagepläne und die Beschilderung des Verkehrsleitsystems machten deutlich, dass die A****straße keine überwiegend dem Durchgangsverkehr dienende Straße sei; denn sie habe nicht die Aufgabe, durchgehende Verkehrsströme aufzunehmen, zu bündeln und durch den Ort oder zu untergeordneten Verkehrsanlagen zu leiten. Die Funktion als Hauptverkehrsstraße für den überörtlichen Durchgangsverkehr werde durch verkehrsleitende Schilder vor Ort widerlegt. Aus dem Widerspruchsbescheid geht des Weiteren hervor, dass Anzahl und Gewicht der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer nach Aktenlage nicht ermittelt worden seien. Für eine Hauptverkehrsstraße sei die Fahrbahnbreite von ca. 6 m nicht ausreichend. Der durchgehende innerörtliche Verkehr betrage bestimmt mehr als 50 vom Hundert, gleichzeitig nicht mehr als 75 vom Hundert und der durchgehende überörtliche Durchgangsverkehr fehle fast gänzlich. Gegen diese Feststellungen im Widerspruchsbescheid, auf die das angegriffene Urteil gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug nimmt, machen die Kläger im Zulassungsantrag keine substanziierten Einwendungen geltend.

Weil Hauptverkehrsstraßen satzungsgemäß "ganz überwiegend" dem Durchgangsverkehr dienen, drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr der Bedeutung nach ungefähr das Gleichgewicht halten. Daraus folgt auch mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, dass die Begriffswahl "ganz überwiegend" keine Quantitätsverschiebung bewirken, sondern lediglich verdeutlichen soll, dass es sich nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll. Diesem Ergebnis hat das Verwaltungsgericht mit seiner Verweisung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids Rechnung getragen.

Das Verwaltungsgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung auch nicht gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen verstoßen. Dieser Grundsatz ist Ausfluss der Verwirklichung des Rechts der Beteiligten auf Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Das Verbot zielt darauf ab, dass eine Entscheidung nicht auf Gründe gestützt werden darf, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Prozess erörtert wurden und mit deren Erheblichkeit für die Entscheidung nach dem bisherigen Prozessverlauf auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste. Aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Verwaltungsgerichts am 30. September 2008 geht hervor, dass der Vertreter des Beklagten sich zu den Verkehrskonzepten unter Bezug auf Akten und vorliegende Bilder geäußert hat. Es hätte daher für die Kläger in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit bestanden, diese Darstellungen durch Gegenargumente zu widerlegen und gegebenenfalls Beweisanträge zu stellen oder eine Schriftsatzfrist zu beantragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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