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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 7 B 03.1827
Rechtsgebiete: VwGO, BayVwVfG, VwGO


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35
VwGO § 44 a
VwGO § 155 Abs. 1
VwGO § 154 Abs. 2
VwGO § 155 Abs. 2
VwGO § 155 Abs. 4
VwGO § 161 Abs. 2
Ein vom Gesundheitsamt anlässlich eines Prüfungsrücktritts erstelltes Gesundheitszeugnis ist kein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 03.1827

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Fortsetzung des Verfahrens;

hier: Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Juni 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Januar 2004

am 26. Januar 2004

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Nach Rücknahme der gegen den Freistaat Bayern (Beklagter zu 2) gerichteten Klage wird das Verfahren insoweit eingestellt.

II. Das Verfahren wird ferner eingestellt, soweit mit der Klage gegen die Landeshauptstadt München (Beklagte zu 1) Akteneinsicht begehrt wurde. Insoweit ist der Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Juni 2003 gegenstandslos geworden.

III. Der Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2003 wird aufgehoben. Im übrigen wird die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

IV. Die Verfahrenskosten beider Rechtszüge tragen der Beklagte zu 2 zur Hälfte, der Kläger zu 3/8 und die Beklagte zu 1 zu 1/8. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig.

V. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsgläubiger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses und die Einsicht in seine Gesundheitsakte.

Am 3. März 2000 sollte der Kläger an der zweiten Wiederholungsprüfung des Zweiten Abschnitts der tierärztlichen Prüfung im Fach "Virologie" teilnehmen. Unter Bezugnahme auf ein privatärztliches Attest vom 3. März 2000, in dem Depression, Angstkrankheit, Panikattacke, tachykarde Krise diagnostiziert und Prüfungsunfähigkeit attestiert wurde, trat er von der Prüfung zurück. Er legte ferner ein Gesundheitszeugnis der Landeshauptstadt München - Referat für Gesundheit und Umwelt - vom 30. März 2000 vor, das auf einer Untersuchung vom 3. März 2000 beruht und mit der Feststellung endet, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung am 3. März 2000 gegen Mittag ein krankheitswertiger Befund aus psychiatrischer Sicht nicht festgestellt werden konnte.

Unter dem 6. April 2000 wurde dem Kläger unter Übersendung des Zeugnisses über das Ergebnis des Zweiten Abschnitts der tierärztlichen Prüfung mitgeteilt, dass er diesen Prüfungsabschnitt endgültig nicht bestanden habe; im Fach "Virologie" erhielt er die Note "nicht ausreichend". Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 5. Februar 2001 ab, da der Kläger einen triftigen Grund für den Rücktritt von der Prüfung nicht habe glaubhaft machen können. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2001 (7 ZB 01.1837) lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

Unter dem 9. Mai 2000 hat der Kläger auch gegen das Gesundheitszeugnis der Beklagten zu 1 vom 30. März 2000 Widerspruch einlegen und Akteneinsicht beantragen lassen. Nach Abschluss des mittlerweile geführten Prüfungsrechtsstreits wies die Regierung von Oberbayern diesen Widerspruch mit Bescheid vom 19. April 2002 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da das angefochtene Gesundheitszeugnis mangels Regelungsgehalt und Außenwirkung kein Verwaltungsakt sei. Die Frage der Akteneinsicht hätte als unselbstständige Verfahrenshandlung im Rahmen des Verfahrens gegen die Entscheidung über den Prüfungsrücktritt geklärt werden können.

Daraufhin erhob der Kläger Klage sowohl gegen die Landeshauptstadt München als auch gegen den Freistaat Bayern mit dem Ziel, das Gesundheitszeugnis vom 30. März 2000 aufzuheben und Akteneinsicht in die Gesundheitsakte zum amtsärztlichen Gutachten vom 30. März 2000 zu erlangen. Am 11. November 2002 nahm der Klägerbevollmächtigte bei Gericht Akteneinsicht in die Gerichtsakte und die mittlerweile vorgelegten Behördenakten. Das Verwaltungsgericht München stellte das Verfahren mit Beschluss vom 20. November 2002 (M 17 K 02.2611) ein und stellte fest, dass die Klage gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen gelte.

Nachdem der Klägerbevollmächtigte daraufhin die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatte, stellte das Verwaltungsgericht München mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2003 (M 17 K 02.5597) fest, dass das Verfahren beendet sei.

Die gegen diesen Gerichtsbescheid vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung begründet der Kläger eingehend unter anderem damit, dass das amtsärztliche Gesundheitszeugnis vom 30. März 2000 sowohl bezüglich seines verfahrenstechnischen Zustandekommens als auch bezüglich seiner medizinisch-fachlichen Qualität nicht haltbar und deshalb aufzuheben sei.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 16. Juni 2003 sowie das Gesundheitszeugnis der Landeshauptstadt München vom 30. März 2000 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Regierung von Oberbayern vom 19. April 2002 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2004 nahm der Kläger die Klage gegen den Beklagten zu 2 zurück. Bezüglich des Antrags auf Akteneinsicht erklärten die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004 sowie auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten - auch des Verfahrens 7 ZB 01.1837 - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Soweit die Klage - gegen den Beklagten zu 2 - zurückgenommen wurde und soweit darüber hinaus - bezüglich des Begehrens der Akteneinsicht gegenüber der Beklagten zu 1 - die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren einzustellen (vgl. § 92 Abs. 3 VwGO).

2. Als Konsequenz des Beschlusses des Senats über die Zulassung der Berufung vom 20. Oktober 2003 war das Verfahren fortzusetzen und der angefochtene Gerichtsbescheid aufzuheben. Im übrigen ist die zulässige Berufung jedoch nicht begründet, da das Begehren des Klägers in der Sache keinen Erfolg hat. Seine Klage war deshalb abzuweisen; der Urteilstenor wurde insoweit gegenüber der am 26. Januar 2004 der Geschäftsstelle übergebenen Urteilsformel gemäß § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt.

Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO auf Aufhebung des Gesundheitszeugnisses ist nicht statthaft und damit unzulässig, weil das Gesundheitszeugnis vom 30. März 2000 keinen Verwaltungsakt darstellt. Entgegen den Anforderungen des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG wurde mit diesem Gesundheitszeugnis weder eine Regelung getroffen noch war es auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Es handelt sich vielmehr um eine gutachtliche Äußerung zur Vorbereitung der dann vom zuständigen Prüfungsausschuss getroffenen Entscheidung über die Zulässigkeit des Prüfungsrücktritts des Klägers und des Prüfungsergebnisses. Ein derartiges Gutachten ist kein Verwaltungsakt (vgl. Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, RdNr. 66 zu § 35 m.w.N.). Die eigentliche Entscheidung mit Regelungsgehalt und unmittelbarer Außenwirkung im Sinne des Art. 35 BayVwVfG trifft vielmehr allein die Verwaltung, die an das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung auch nicht gebunden ist. Mithin handelt es sich bei dem Gesundheitszeugnis um eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a Satz 1 VwGO, die nicht selbständig anfechtbar ist (vgl. BVerwG vom 27.8.1992, NVwZ-RR 1993, 252). Rechtsbehelfe gegen eine solche Verfahrenshandlung können vielmehr nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden - hier also im Rahmen des Prüfungsrechtsstreits, der für den Kläger erfolglos blieb (vgl. BayVGH vom 26.10.2001 7 ZB 01.1837). Da der Kläger somit im Prüfungsrechtsstreit - auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG - Gelegenheit hatte, das streitgegenständliche Gesundheitszeugnis als unselbständige Verfahrenshandlung gerichtlich überprüfen zu lassen, besteht auch weder Anlass noch Möglichkeit, eine allgemeine Leistungsklage gegen das Gesundheitszeugnis ausnahmsweise für zulässig zu halten (vgl. dazu BVerfG vom 24.10.1990 NJW 1991, 415/416; BayVGH vom 5.9.1989 NVwZ 1990, 775/777).

Da es an einer zulässigen Klage gegen das Gesundheitszeugnis vom 30. März 2000 fehlt, musste die Berufung des Klägers erfolglos bleiben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog. Soweit die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen wird, fallen die Verfahrenskosten dem Kläger gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO zur Last. Im Hinblick auf die Klagerücknahme gegen den Beklagten zu 2 werden die Kosten entgegen dem Regelfall in § 155 Abs. 2 VwGO dem Beklagten zu 2 gemäß § 155 Abs. 4 VwGO auferlegt, da der Beklagte zu 2 durch sein Verschulden die Ursache für die gegen ihn gerichtete Klage gesetzt hat. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 19. April 2002 sollte die zu erhebende Klage nämlich u.a. "den Beklagten (Freistaat Bayern)" bezeichnen. Aufgrund dieser falschen Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Kläger zu der entsprechenden Klage veranlasst.

Bezüglich des in der Hauptsache erledigten Teils der Klage betreffend die Akteneinsicht in die Gesundheitsakten tragen Kläger und Beklagte zu 1 gemäß § 161 Abs. 2 VwGO die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen je zur Hälfte, da der Senat die Erfolgsaussichten des Verfahrens nach bisherigem Sach- und Streitstand noch für offen hält. Zur Frage, ob ein Anspruch auf Akteneinsicht in Akten des Gesundheitsamtes besteht (vgl. dazu z.B. BayVGH vom 8.12.1987 BayVBl 1988, 209), wären noch einige schwierige Rechtsfragen zu klären gewesen, beispielsweise nach der Anwendbarkeit des § 44 a VwGO (vgl. BayVGH vom 18.5.1995 BayVBl 1995, 631) und zur Frage, ob es sich hier um eine Akteneinsicht innerhalb oder außerhalb eines Verwaltungsverfahrens handelt und ob auch für letzteren Fall ein Anspruch in Frage kommt (vgl. dazu z.B. BayVGH vom 17.2.1998 NVwZ 1999, 889).

Insgesamt folgt daraus die im Tenor ausgesprochene verhältnismäßige Teilung der Kosten unter den Beteiligten.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) zur ausreichenden Wahrung der Rechte des Klägers gegenüber der Verwaltung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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