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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: 7 BV 06.764
Rechtsgebiete: BayRG, RStV, BV, GG, WRV


Vorschriften:

BayRG Art. 4 Abs. 2 Nr. 2
BayRG Art. 4 Abs. 2 Nr. 3
BayRG Art. 4 Abs. 2 Nr. 4
RStV § 1 Abs. 2
RStV § 2 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1
RStV § 7 Abs. 8 Satz 1
RStV § 42
BV Art. 72 Abs. 2
BV Art. 143 Abs. 2 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 21
GG Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 7
WRV Art. 139
1. Der in Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG normierte Anspruch der anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf eigene Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist durch das seit 1991 geltende Verbot religiöser oder weltanschaulicher Werbung (§ 7 Abs. 8 Satz 1 RStV) nicht entfallen.

2. Der Anspruch auf Einräumung "angemessener" Sendezeiten bemisst sich nach der gesellschaftlichen Bedeutung der einzelnen Vereinigungen, wobei der aktuelle Mitgliederbestand die vorrangige Bezugsgröße darstellt. Bei der zeitlichen Platzierung der Beiträge innerhalb des Programms muss dem allgemeinen Charakter einer Wortsendung und den objektiven Bedürfnissen des Sendeberechtigten hinreichend Rechnung getragen werden.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

7 BV 06.764

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einräumung von Sendezeiten im Rundfunk;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 29. Januar 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Forderung des Klägers, im Radioprogramm des Beklagten häufiger als bisher und auf einem günstigeren Sendeplatz zu Wort zu kommen.

Der Kläger ist eine nach Art. 143 Abs. 2 Satz 2 BV als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannte, am weltlichen Humanismus orientierte Weltanschauungsgemeinschaft. Seine Mitgliederzahl in Bayern bewegte sich in den letzten Jahren zwischen 4000 und 5000; annähernd drei Viertel davon gehören zu den Ortsgruppen Nürnberg und Fürth.

Derzeit räumt der Beklagte dem Kläger für eigengestaltete Sendungen alle sechs Wochen eine Sendezeit von 15 Minuten in der sonntags zwischen 7:05 Uhr und 7:20 Uhr in Bayern2Radio ausgestrahlten Serie "Positionen - Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" ein. Insgesamt erhält der Kläger damit im Laufe eines Jahres die Gelegenheit zu acht oder neun viertelstündigen Beiträgen (Gesamtdauer 120 oder 135 Minuten); den Sendeplatz teilt er sich mit fünf kleineren Religionsgemeinschaften, die im sechswöchigen Turnus im gleichen Umfang Sendezeit erhalten. Der katholischen Kirche und der evangelisch-lutherischen Landeskirche (landesweit 7,89 bzw. 2,76 Millionen Mitglieder) steht demgegenüber im Programm Bayern 1 an ca. 50 Sonntagen im Jahr für die Übertragung von Morgenfeiern die Sendezeit von 10:05 Uhr bis 10:35 Uhr bzw. von 10:35 Uhr bis 11:00 Uhr zur Verfügung; zusammen mit weiteren Übertragungen von Gottesdiensten an hohen Feiertagen (ca. 180 bis 270 Minuten) ergeben sich danach für die katholische Kirche ca. 1770 und für die evangelisch-lutherische Landeskirche ca. 1520 Sendeminuten im Jahr. Den Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern (ca. 18.000 Mitglieder) wird eine eigene Sendezeit auf Bayern2Radio freitags von 14.45 Uhr bis 15.00 Uhr eingeräumt; der jährliche Umfang beträgt damit ca. 780 Sendeminuten.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2002 stellte der Kläger gegenüber dem Beklagten unter Bezugnahme auf frühere Schreiben den Antrag, "die rundfunkrechtlich-tatsächlich völlig unangemessene Position als Drittsendungsberechtigter merklich zu verbessern".

Mit Bescheid vom 19. September 2002 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts besitze der Kläger zwar nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG grundsätzlich einen Anspruch auf Einräumung angemessener Sendezeiten. Da diese Norm in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Programmfreiheit eingreife, sei es aber primär Sache des Beklagten, den Umfang der Sendezeit und den Sendeplatz festzulegen; die gewährten Sendezeiten müssten dabei dem Mindestanspruch genügen und angemessen unter den einzelnen Berechtigten verteilt sein. Die bisher eingeräumte Sendezeit trage hinsichtlich des Umfangs und der Platzierung den berechtigten Belangen des Klägers hinreichend Rechnung. Mit jährlich ca. 130 Minuten werde ihm das 65-fache der Sendezeit gewährt, die einer zu Wahlen zugelassenen kleinen Partei nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRG im Jahr durchschnittlich zur Verfügung stehe. Für das Verhältnis zu anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften seien die jeweilige Größe und Bedeutung sowie der Organisationsgrad maßgebend. Bezogen auf die Mitgliederzahl erhalte der Kläger im Verhältnis zur katholischen Kirche die 110-fache und im Verhältnis zur evangelisch-lutherischen Landeskirche die 50-fache Sendezeit; allerdings seien mit dem Programm Bayern 1 größere Hörerzahlen erreichbar. Verglichen mit den Israelitischen Kultusgemeinden, deren Sendeplatz hinsichtlich der Reichweite vergleichbar sei, werde dem Kläger zwar im Verhältnis der Mitgliederzahlen nur etwa zwei Drittel der Sendezeit gewährt; im Unterschied zum Kläger erstrecke sich deren Organisation aber gleichmäßig über ganz Bayern, wobei überdies die Zahl der Gemeindemitglieder ständig stark ansteige. Da auch die besondere historische Verantwortung der deutschen Öffentlichkeit gegenüber den Juden angesichts der Ereignisse im Dritten Reich berücksichtigt werden müsse, sei die Gewährung von etwas mehr Sendezeit an die Israelitischen Kultusgemeinden gegenüber dem Kläger gerechtfertigt.

Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und trug im Wesentlichen vor, es sei unzulässig, die Angemessenheit der Sendezeit ausschlaggebend nach der Mitgliederzahl zu bestimmen, zumal nach religionssoziologischen Erhebungen bei einer großen Zahl von Kirchenmitgliedern nur noch eine formale Mitgliedschaft bestehe. Bei der Verteilung der Sendezeiten sei unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit von Bedeutung, dass der Kläger als einzige nicht-religiöse Organisation acht Religionsgemeinschaften gegenüberstehe. Die dem Kläger gewährte Sendezeit sonntags früh sei denkbar ungünstig. Nachdem das von ihm verkörperte weltanschauliche Spektrum des weltlichen Humanismus auch im übrigen Hörfunkprogramm des Beklagten entgegen dem gesetzlichen Auftrag ganz unzureichend vertreten sei, könne diesem Gedankengut angesichts seiner großen Bedeutung nicht in einer 15-minütigen Sendung acht- bis neunmal im Jahr zu sehr schlechter Sendezeit im Rahmen einer christlich dominierten Sendereihe Rechnung getragen werden. Gefordert würden für die Eigensendungen des Klägers eine deutlich bessere Sendezeit, eine höhere Sendefrequenz (etwa einmal monatlich) bei längerer Sendezeit und ein anderer Sendeplatz (nicht in einer Reihe mit christlichen Religionsgemeinschaften).

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2003 zurück. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf Berücksichtigung seiner Auffassungen im Rahmen des redaktionell gestalteten Programms bestehe nicht. Der dem Kläger für Eigen- bzw. Drittsendungen nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG zur Verfügung gestellte Sendeplatz sei angemessen, da dort nicht nur geringe Einschaltquoten erreicht werden könnten; die Höhe der Quoten hänge auch mit der Akzeptanz der jeweiligen Sendung und mit der Mitgliederstärke des Drittsendeberechtigten zusammen. Bei der Länge der zu vergebenden Sendezeit sei von der Zahl der Mitglieder auszugehen; die objektiv nicht überprüfbare "Qualität der Mitgliedschaft" könne keine Rolle spielen. Es sei nicht erkennbar, dass die Anhängerschaft des Klägers den Kreis seiner Mitglieder erheblich übersteige; er sei auch nicht der einzige Verfechter religiöser und weltanschaulicher Toleranz, da diese mehr oder weniger zum Allgemeingut der großen politischen Parteien gehöre. Die dem Kläger gegenüberstehenden acht Religionsgemeinschaften könnten bei der Vergabe der Sendezeiten in keiner Weise addiert werden, da jede religiöse oder weltanschauliche Gruppe nur für sich selbst sprechen könne. Die geringfügige Mindergewährung von Sendezeiten im Verhältnis zu den Israelitischen Kultusgemeinden sei neben den bereits genannten Gründen auch deshalb gerechtfertigt, weil diese in Art. 6 Abs. 3 Nr. 3 BayRG im Gegensatz zum Kläger als bedeutsame weltanschauliche Gruppierung gesetzlich anerkannt sei.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2003 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 19. September 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2003 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 22. Mai 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Es werde lediglich ein Verbescheidungsantrag gestellt, da dem Beklagten im Hinblick auf Sendeplatz und Zeitumfang ein Ermessensspielraum zustehe, bei dem die sich wandelnden gesellschaftlichen Zustände und Einstellungen zu beachten seien, insbesondere die schwindende religiöse Bindung der Bevölkerung. Bei der Bemessung der Sendezeit für den Kläger, der sich als Interessenvertretung aller Konfessionslosen und Atheisten verstehe, sei auch zu berücksichtigen, dass für die freigeistige Weltanschauung ein geringer Organisationsgrad geradezu typisch sei; die Anhängerschaft und Akzeptanz des Klägers sei demgemäß um einiges höher zu gewichten als die Mitgliederzahl vermuten lasse, wie sich auch durch demoskopische Umfragen belegen lasse. Die Sendezeit am Sonntagmorgen um 7.05 Uhr sei objektiv ungünstig, weil um diese Zeit der Großteil der Bevölkerung noch schlafe; nach einer vom Beklagten vorgelegten Medienanalyse betrage die Reichweite nur zwischen 0,4 und 0,8 %. Ein Vergleich mit den Einschaltquoten anderer Hörfunkprogramme könne zeigen, dass die Quote zu diesem Zeitpunkt generell deutlich unter dem Durchschnitt liege. Anders als die zu späterer Stunde sendenden Religionsgemeinschaften könne der Kläger an seinem Sendeplatz keine "Zufallshörer" erreichen. Da er den zugewiesenen Termin mit fünf Religionsgemeinschaften teilen müsse, würden die an seinen Sendungen interessierten Hörer angesichts des schwer vorhersehbaren Programms auf dem "Sekten-Sendeplatz" potentiell frustriert bzw. verschreckt.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen,

und trug ergänzend vor, die dem Kläger sonntags eingeräumte Sendezeit beginne erst seit der Programmreform am 1. Juli 2003 bereits um 7:05 Uhr; davor habe sie um 7:15 Uhr begonnen, vor mehreren Jahren sogar erst um 7:45 Uhr. Beim Vergleich der Hörerquoten an bestimmten Tageszeiten sei zu beachten, dass die Akzeptanz von Musik- und Magazinsendungen wesentlich höher sei als von reinen Wortsendungen. Aus einer von einem unabhängigen Institut vorgenommenen Hörerbefragung ergebe sich, dass Bayern2Radio sonntags in der Stunde zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr mehr Hörer erreiche als zu jeder anderen Stunde; bezogen auf die übrigen Sendetage sei dies die zweithöchste Reichweite. Der den Israelitischen Kultusgemeinden zugewiesene besondere Sendeplatz am Freitag sei insoweit nicht günstiger; dieser Termin beruhe im Übrigen darauf, dass nach den Regeln des orthodoxen Judentums die religiöse Feierstunde vor dem Beginn des Schabbats stattfinden müsse. Hinsichtlich des Sendezeitumfangs könne auf die Grundsätze zu Wahlwerbesendungen politischer Parteien verwiesen werden, bei denen als Untergrenze die Gewährung von zwei Sendeterminen von je 1:30 Minuten pro Wahl gelte.

Mit Urteil vom 25. November 2005 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er beantragt,

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. November 2005 aufzuheben,

2. den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19. September 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 28. April 2003 aufzuheben und

3. den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 22. Mai 2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung komme den zu Körperschaften des öffentlichen Rechts erklärten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eine bevorzugte Rechtsstellung zu, die bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG zu beachten sei. Der Rechtsanspruch auf angemessene Sendezeit könne nicht dem Auswahlermessen des Beklagten untergeordnet werden. Vom Grundsatz her habe der Kläger die alleinige Entscheidungsfreiheit über Sendezeit, -ort und -umfang, die allerdings mit dem Rundfunkgestaltungsrecht des Beklagten in einem Spannungsverhältnis stehe, das in einem offenen Diskurs auf verfassungskonforme Weise aufzulösen sei. Hierbei müsse insbesondere dem Abgrenzungswunsch des Klägers gegenüber den in der gleichen Sendereihe präsentierten sektenähnlichen Religionsgemeinschaften Rechnung getragen werden. Auch bei der Vergabe des Sendetermins komme es nicht vorrangig auf die Beurteilung des Beklagten, sondern auf das Zielpublikum an, das der Kläger nach seinem Selbstdefinitionsrecht vorrangig ansprechen wolle. Bei dem geforderten Diskurs um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" seien das Programmschema des Beklagten und seine Senderstruktur zwar zu berücksichtigen, jedoch nicht dergestalt, dass nur die in das Programmschema hineinpassenden Wünsche des Klägers zu berücksichtigen seien. Zumindest müsse diesem die Auswahl zwischen verschiedenen Sendeterminen und Sendezeiten angeboten werden. Auch beim zeitlichen Umfang der Sendungen müsse zwischen den Parteien in einem offenen Diskurs um die Angemessenheit gerungen werden. Selbst wenn man diesem Grundmodell nicht folge, sei das angefochtene Urteil unrichtig, da das Gericht den im Begriff "angemessen" enthaltenen Beurteilungsspielraum verkannt habe. Dies betreffe das gesetzliche Mindestmaß der Sendezeiten, bei dem es über die bloße Mitgliederzahl hinaus auch auf die inhaltlichen Überzeugungen der bayerischen Bevölkerung in religiös-weltanschaulichen Fragen ankomme. Hinsichtlich des Sendeplatzes sonntags früh sei zu berücksichtigen, dass jedenfalls kurz nach 7:00 Uhr noch eine sehr geringe Hörerakzeptanz vorliege. Im Übrigen verbleibe dem Beklagten selbst dann, wenn mit den bisherigen Sendezeiten die Minimalanforderungen erfüllt wären, noch ein Ermessensspielraum im Hinblick auf eine weitergehende Gewährung, zu dessen Ablehnung bisher keine hinreichenden Gründe vorlägen. Insoweit bestehe auch ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den anderen Religionsgemeinschaften. Vorsorglich werde eine Beweiserhebung beantragt zu dem Vorbringen des Klägers, dass der Prozentsatz der bayerischen erwachsenen Bevölkerung, der die wesentlichen inhaltlichen Überzeugungen und Ziele des Klägers und seiner Ortsgemeinschaften teile, den Prozentanteil der Mitglieder des Klägers bei weitem übersteige.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Einen unmittelbaren Rechtsanspruch aus Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG besitze der Kläger schon deshalb nicht, weil eine Anwendung dieser Vorschrift durch § 7 Abs. 8 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) ausgeschlossen sei, der Werbung politischer, weltanschaulicher und religiöser Art für unzulässig erkläre und auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelte; aus Art. 42 Abs. 1 RStV ergebe sich nichts Gegenteiliges. Da auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Drittsenderechte bestehe, handle es sich bei den bisher eingeräumten Sendezeiten um freiwillig gewährte Leistungen des Beklagten, bei denen lediglich ein Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe. Dass der Kläger sich als atheistische bzw. agnostische Gemeinschaft verstehe, verpflichte nicht dazu, ihn anders zu behandeln als die kleinen Religionsgemeinschaften, denen der gleiche Sendeplatz eingeräumt worden sei. Dem Kläger werde nicht zugemutet, sich zusammen mit den genannten Religionsgemeinschaften in einer Sendung darstellen zu müssen. Da Drittsenderechte einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit darstellten und daher gegen diese abzuwägen seien, unterlägen die betreffenden Sendungen zwar hinsichtlich ihres Inhalts keiner Kontrolle des Beklagten; dieser könne jedoch hinsichtlich des Programms, in dem sie auszustrahlen seien, sowie ihres genauen Sendetermins und ihrer Länge von seiner Programmfreiheit Gebrauch machen. Ein "offener Diskurs" um Sendeort, -zeit und -umfang verkenne den Umstand, dass der Beklagte die angemessenen Sendezeiten hoheitlich zuteile.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, mit der nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel (§ 88 VwGO) über das bloß formelle Recht auf (Neu-) Bescheidung hinaus auch ein möglichst weitgehender materieller Anspruch auf Verbesserung der bisherigen Gesamtposition des Klägers als Drittsendeberechtigter durchgesetzt werden soll, ist unbegründet. Die derzeit bestehende Regelung, wonach dem Kläger an jedem sechsten Sonntag von 7:05 Uhr bis 7:20 Uhr im Rahmen der in Bayern2Radio ausgestrahlten Serie "Positionen - Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" ein fünfzehnminütiges Zeitfenster für eigengestaltete Sendungen zur Verfügung steht, genügt den rundfunkrechtlichen Vorgaben. Der Kläger kann daher weder eine unmittelbare Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung eines günstigeren Sendeplatzes sowie häufigerer und längerer Sendezeiten verlangen noch eine erneute Entscheidung über seinen diesbezüglichen Antrag vom 22. Mai 2002; der ablehnende Bescheid vom 19. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2003 ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Maßgebend für die Beurteilung des Klagebegehrens ist Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 des Bayerischen Rundfunkgesetzes (i.d.F. der Bek. vom 22. Oktober 2003, GVBl. 2003, 792, zuletzt geändert mit Gesetz v. 11. 12. 2006, GVBl 2006, 1008 - BayRG), wonach neben den Vertretern der anerkannten Religionsgemeinschaften auch den in Art. 143 Abs. 2 Satz 2 BV angesprochenen Körperschaften des öffentlichen Rechts "auf ihren Wunsch angemessene Sendezeiten einzuräumen" sind. Auf diese gesetzliche Verpflichtung des Beklagten kann sich der Kläger unmittelbar berufen, da er zu den weltanschaulichen Gemeinschaften gehört, denen vom zuständigen Kultusministerium nach Art. 143 Abs. 2 Satz 2 BV bzw. nach der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden ist (s. Bek. vom 25. 2. 1991 KWMBl I S. 103, geändert durch Bek. vom 17. 2. 2002 KWMBl I S. 67).

Entgegen dem Einwand des Beklagten ist Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG nicht deshalb außer Kraft getreten, weil § 7 Abs. 8 Satz 1 des geltenden Rundfunkstaatsvertrags (Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. 8. 1991 i.d.F. des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 8. 10. bis 14. 10. 2004 - RStV) "Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art" generell für unzulässig erklärt. Die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags, der durch Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags nach Art. 72 Ab. 2 BV in bayerisches Landesrecht transformiert worden ist (GVBl 1991, 451) und damit im Rang eines Landesgesetzes steht, gehen zwar nach der Kollisionsregel des § 1 Abs. 2 RStV wie auch nach dem lex posterior-Grundsatz grundsätzlich allen anderslautenden und älteren rundfunkrechtlichen Bestimmungen vor. Zwischen dem Werbeverbot des § 7 Abs. 8 Satz 1 RStV und den Drittsenderechten nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG besteht jedoch in der Sache kein Regelungskonflikt.

Der in § 7 Abs. 8 Satz 1 RStV zugrunde gelegte Begriff der "Werbung" geht über die auf europarechtlichen Vorgaben beruhende allgemeine Definition des § 2 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 RStV allerdings insoweit hinaus, als er neben der Wirtschaftswerbung auch die Werbung für ideelle Zwecke und neben "angemieteten" wohl auch unentgeltlich überlassene Werbezeiten erfasst. Nur so lässt sich nämlich der mit der Vorschrift verfolgte Zweck erreichen, den Rundfunk im Interesse einer "freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung" (Präambel des RStV) vor einer einseitigen Ausrichtung oder Instrumentalisierung durch mächtige gesellschaftliche Interessengruppen zu schützen (vgl. BVerfG vom 16. 6. 1981, BVerfGE 57, 295/322; NdsOVG vom 7. 5. 1998 NJW 1999, 515/516; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, RdNr. 6 zu § 7). Dieser Zweck entfällt jedoch, wenn Sendezeiten nicht aufgrund freier Entscheidung des Rundfunkveranstalters, sondern aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Dritten zur Verbreitung ihrer politischen, weltanschaulichen oder religiösen Botschaften überlassen werden. Auf eine solche Indienstnahme des Rundfunks ist die allgemeine Werbebeschränkung des § 7 Abs. 8 Satz 1 RStV nicht anwendbar, da hier bereits der Gesetzgeber für die verfassungsrechtlich geforderte Ausgewogenheit und Zugangsgleichheit zu sorgen hat.

Dass die seit langem in den Landesrundfunkgesetzen enthaltenen sog. Drittsendungsrechte bestimmter Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (z. B. Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG), politischer Vereinigungen im Vorfeld von Wahlen (z. B. Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRG) und weiterer gesellschaftlicher Gruppen (z. B. Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 BayRG) von dem 1991 staatsvertraglich eingeführten generellen Verbot politischer, weltanschaulicher und religiöser Werbung "unberührt" bleiben sollen, wird auch in der amtlichen Begründung zur damaligen Vorschrift des § 6 Abs. 7 RStV 1991 ausdrücklich vermerkt (abgedruckt in: Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Anm. S. 3 und 5 zu § 7). Die zur gleichen Zeit für den privaten Rundfunk geschaffene Vorschrift des § 42 RStV, die bestimmten Religionsgemeinschaften eigene Sendezeiten garantiert, beruht erkennbar ebenfalls auf der Vorstellung, dass das allgemeine Verbot ideeller Werbung hinter den speziellen Vorschriften über Drittsenderechte zurückzutreten hat (ebenso Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, RdNr.2 zu § 42; a. A. Weihrauch, VA 85 [1994], 399/418 ff.). Dass auch der bayerische Rundfunkgesetzgeber diesen Rechtsstandpunkt teilt, lässt sich daran erkennen, dass er trotz wiederholter Anpassungen des Art. 4 BayRG an die Regelungen des § 7 RStV (vgl. Art. 4 Abs. 3 Satz 4 BayRG) niemals einen Anlass gesehen hat, in Abs. 3 die Nummern 2 bis 4 zu streichen.

2. Der Kläger hat auf die beantragte Verbesserung seiner Position als Drittsendeberechtigter keinen Rechtsanspruch, da der Beklagte ihm bereits bisher nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG angemessene Sendezeiten einräumt.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der "angemessenen Sendezeiten", der den Organen der Beklagten mangels gesetzlicher Anhaltspunkte keinen rundfunkspezifischen Beurteilungsspielraum eröffnet und daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Link/Pahlke, AöR 108 [1983], 248/275 f.; OVG Bremen vom 2. 10. 1991 DVBl 1991, 1270/1271; BVerwG vom 3. 7. 2003 BVerwGE 118, 289/291), bedarf beim Gesetzesvollzug einer Konkretisierung unter zwei Gesichtspunkten. In quantitativer Hinsicht sind die Dauer und Anzahl der Sendungen festzulegen, in qualitativer Hinsicht die zeitliche Platzierung der Beiträge und ihre Einbindung in den Programmablauf (Link/Pahlke, a.a.O., 276). Zu beiden Aspekten können mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend gesicherte Aussagen getroffen werden.

a) Die Verpflichtung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG zur Gewährung "angemessener" Sendezeiten lässt schon dem Wortlaut nach erkennen, dass die einzelnen Zeitanteile nicht streng paritätisch zugeteilt werden dürfen, sondern der Bedeutung des jeweiligen Anspruchsberechtigten entsprechen müssen. Das Gesetz fordert insoweit eine sachgerechte Differenzierung und erlaubt keine Nivellierung, wie sich im Umkehrschluss aus der nachfolgenden Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 4 BayRG ergibt, die den Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen angemessene Sendezeiten "gleichen Umfangs" garantiert. Dass alle von Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG erfassten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den selben Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben und daher - verglichen mit privatrechtlichen Vereinigungen - eine "bevorzugte Rechtsstellung" besitzen (BVerfG vom 19. 12. 2000 BVerfGE 102, 370/393), stellt aus der Sicht des Gesetzgebers keinen ausreichenden Grund dar, um ihnen untereinander trotz beträchtlicher (insbesondere Größen-) Unterschiede die gleichen Sendeanteile zu gewähren.

Ein Anspruch auf strikte bzw. formale Gleichbehandlung lässt sich auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG begründen. Auf die in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV verlangte Gleichstellung der weltanschaulichen Vereinigungen mit den Religionsgemeinschaften kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen. Selbst wenn dieses Verfassungsgebot entgegen herrschendem Verständnis nicht nur die in das Grundgesetz inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung beträfe (so aber v. Campenhausen in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl., RdNr. 300 zu Art. 137 WRV; noch enger Magen in: Clemens/Umbach, GG-Mitarbeiterkommentar, Bd. II, RdN. 122 zu Art. 137 WRV m.w.N.), sondern auch für die Auslegung einfach-gesetzlicher Religionsgesellschafts-Klauseln maßgebend wäre (so Morlok in: Dreier, GG, Bd. III, RdNr. 123 zu Art. 137 WRV), führte dies lediglich - wie in Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BayRG bereits geschehen - zu einem erweiterten Kreis von Anspruchsberechtigten. Inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung der einfach-gesetzlichen Rechtspositionen sind hingegen aus Art. 137 Abs. 7 WRV nicht abzuleiten, da nach dieser Norm lediglich Ungleichbehandlungen von weltanschaulichen Vereinigungen gegenüber Religionsgesellschaften unzulässig sind, nicht jedoch sachlich begründete Unterscheidungen innerhalb eines gemeinsamen Regelungsbereichs (vgl. v. Campenhausen, a.a.O., RdNr. 297).

Der Begriff der "Angemessenheit" in Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG ist auch nicht in dem selben engen Sinne zu verstehen wie die gleichlautende Formulierung in Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayRG, die sich auf die Drittsenderechte der politischen Parteien und Wählergruppen bezieht. Dass bei der Vergabe von Sendezeiten zum Zwecke der Wahlwerbung alle Vereinigungen, die einen gültigen Wahlvorschlag eingereicht haben, im Grundsatz gleich behandelt werden und Abstufungen nach der jeweiligen Bedeutung nur in ganz engen Grenzen zulässig sind, ergibt sich aus dem Demokratieprinzip und dem in Art. 21 Abs. 1 GG enthaltenen Grundsatz der Wettbewerbs- und Chancengleichheit der Parteien, der hinsichtlich der Gewährung öffentlicher Leistungen in § 5 PartG auf verfassungskonforme Weise konkretisiert wird (BVerwG vom 17. 10. 1986 BVerwGE 75, 67/75 ff. m.w.N.). Für die Sendezeitgewährung gegenüber Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die der grundrechtlichen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnet (vgl. Link in: HdbStKirchR, 2. Aufl., Bd. 2, 274 ff.), haben die auf den demokratischen Willensbildungsprozess abzielenden Verfassungsgrundsätze dagegen keine unmittelbare Geltung (vgl. Stock, ZevKR 45 [2000], 380/392).

Wie viel Sendezeit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG "angemessen" ist, hängt vielmehr davon ab, welche gesellschaftliche Bedeutung der einzelnen Gemeinschaft bei objektiver Betrachtung zukommt. Diese Bedeutung lässt sich freilich nur mit Hilfe formaler und wertneutraler Kriterien und nicht im umfassenden Sinne ermitteln, da es Hoheitsträgern aufgrund ihrer Neutralitätspflicht generell verwehrt ist, religiöse oder weltanschauliche Positionen inhaltlich zu bewerten (vgl. BVerfG vom 19. 12. 2000 BVerfGE 102, 370/394). Als maßgebende Bezugsgröße für die quantitative Bestimmung der Sendezeiten kommt demzufolge vorrangig der aktuelle Mitgliederbestand in Betracht, der auch für die Verleihung des Körperschaftsstatus konstitutive Bedeutung besitzt (BVerfG a.a.O. 384).

Der Umfang des Drittsendungsrechts hängt dagegen nicht (zusätzlich) davon ab, zu welchem Prozentsatz und bis zu welchem Grad sich die Mitglieder einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft mit ihrer Organisation tatsächlich identifizieren und ihre Lehren befolgen oder - umgekehrt - inwieweit die von einer Gemeinschaft propagierten Grundvorstellungen auch außerhalb der eigenen Mitgliederschaft Anhänger finden. Für solche ohnehin kaum quantifizierbaren Akzeptanzkriterien bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte; es macht die Vergabe der Sendezeiten erkennbar allein vom rechtlichen Organisationsgrad einer Vereinigung abhängig und nicht von deren geistigem Einfluss. Die korporierten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften werden auch nicht etwa kraft ihrer staatlichen Anerkennung zu Repräsentanten oder Sachwaltern all jener nicht-organisierten Bürger, die sich (bei Befragungen) zu den gleichen Glaubens- oder Wertvorstellungen bekennen. Dem im Berufungsverfahren von der Klägerseite gestellten Beweisantrag, der auf eine demoskopische Ermittlung bestimmter weltanschaulicher Präferenzen innerhalb der bayerischen Bevölkerung abzielt, war daher wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit nicht zu folgen. Keiner weiteren Aufklärung bedarf auch die Behauptung des Klägers, das von ihm vertretene weltlich-humanistische Gedankengut werde im redaktionellen Programm des Beklagten vernachlässigt. Die von den religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen gemäß Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG autonom zu gestaltenden Sendungen haben nicht die Funktion, Lücken in der eigenen Programmgestaltung des Beklagten zu schließen, sondern bilden einen davon gänzlich unabhängigen Programmbestandteil.

Nach den vorstehend skizzierten Maßstäben bleibt die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger auf einem seiner Rundfunkkanäle eine jährliche Gesamtzeit von mindestens 120 Sendeminuten einzuräumen, nicht hinter dem zurück, was als "angemessen" gefordert werden kann. Dabei ist maßgebend zu berücksichtigen, dass der Kläger mit weniger als 5.000 Mitgliedern nur für etwa 0,04 % der bayerischen Gesamtbevölkerung sprechen kann. In Anbetracht dieses Zahlenverhältnisses wird eine Gesamtdauer der Drittsendungen von zwei Stunden im Jahr seiner gesellschaftlichen Bedeutung in jedem Falle gerecht. Gleiches gilt für die vorgenommene Aufteilung der Sendezeit in jährlich acht oder neun jeweils viertelstündige Beiträge. Sie erlaubt dem Kläger, sich über das Jahr hinweg regelmäßig mit eigenen Beiträgen an die Öffentlichkeit zu wenden und dabei auch auf aktuelle Entwicklungen oder Debatten kurzfristig zu reagieren. Andererseits reicht die Länge der Einzelsendungen auch zur Behandlung komplexerer Themen aus; dies wäre nicht mehr der Fall, wenn das Jahreskontingent von 120 Sendeminuten auf eine größere Anzahl von Terminen verteilt wäre, an denen dementsprechend nur kürzere Beiträge gesendet werden könnten.

b) In qualitativer Hinsicht bestehen gegen die eingeräumten Sendezeiten ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Auch insoweit muss der Beklagte, wie der Gesetzeswortlaut zeigt, nicht etwa den Wünschen der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nach maximaler Außenwirkung und einem bestmöglichen Sendeplatz im Rahmen seiner Programmplanung nachzukommen versuchen; die Drittsendungen müssen vielmehr nur in einem insgesamt "angemessenen" Umfeld liegen. Dies ist dann der Fall, wenn die zeitliche Platzierung der Beiträge und ihre Einbindung in den übrigen Programmablauf dem allgemeinen Charakter einer Wortsendung sowie den objektiven Bedürfnissen des jeweiligen Sendeberechtigten hinreichend Rechnung tragen.

Diese rechtlichen Anforderungen werden bei den Sendungen des Klägers eingehalten. Er kann angesichts seiner geringen Mitgliederzahl nicht verlangen, dass der Beklagte ihm Sendezeiten in dem Programm mit den höchsten Einschaltquoten (Bayern 1) einräumt; auch ein Zeitfenster in dem als Kulturkanal für Wortsendungen besonders geeigneten, allerdings von weniger Hörern genutzten Programm von Bayern2radio ist als angemessen anzusehen. Die Beiträge des Klägers sind hier, obwohl sie aufgrund der geringen Gesamtsendezeit nicht wöchentlich ausgestrahlt werden können, dauerhaft in das auf einem Wochenrhythmus beruhende Programmschema des Senders integriert und besetzen damit einen festen Sendeplatz; interessierte Hörer können sich somit langfristig auf die Drittsendungen einstellen.

Dass der Sendeplatz mit fünf kleineren Religionsgemeinschaften geteilt werden muss, steht seiner Angemessenheit nicht entgegen. Das Recht auf Einräumung von Sendezeiten nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG begründet keinen Anspruch auf einen eigenen Sendeplatz oder darauf, den zugewiesenen Sendeplatz nicht mit anderen religiösen oder weltanschaulichen Vereinigungen teilen zu müssen. Insoweit kann es auch keine Rolle spielen, wie der jeweils Sendeberechtigte sein Verhältnis zu anderen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nach seinem Selbstverständnis definiert und wie entschieden er deren Grundvorstellungen ablehnt oder gar bekämpft. Käme es darauf an, so könnten gerade die am wenigsten toleranten Vereinigungen exklusive Sendeplätze beanspruchen; dies wäre jedoch mit den für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geltenden Grundsätzen der religiös-weltanschaulichen Neutralität und Gleichbehandlung nicht vereinbar.

Wegen dieser Grundsätze musste der Beklagte bei der Besetzung des Sendeplatzes auch nicht darauf Rücksicht nehmen, dass sich der Kläger als einziger Vertreter einer atheistischen Grundüberzeugung einer zahlenmäßigen "Übermacht" von Vereinigungen aus dem christlichen Spektrum gegenübersieht. In diesem Ungleichgewicht kommt nur der tatsächlich bestehende Schwerpunkt unter den beteiligten Vereinigungen zum Ausdruck, den der Beklagte nach dem Regelungskonzept des Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayRG hinzunehmen und nicht etwa auszugleichen hat. Er muss freilich, wie im vorliegenden Fall geschehen, bei der Wahl des Titels der gemeinsamen Sendereihe darauf achten, dass auf die in der Minderheit befindliche Gruppierung oder auf die von ihr vertretene Richtung deutlich hingewiesen wird ("Positionen - Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften").

Angemessen ist auch der konkret zugewiesene Termin am Sonntag früh zwischen 7:05 Uhr und 7:20 Uhr. Mit der Wahl des Wochentags, der außerhalb der regulären Arbeitszeiten liegt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV; Art. 2 FTG), hat der Beklagte sichergestellt, dass es dem größten Teil der Bevölkerung faktisch möglich ist, die Sendungen des Klägers zu verfolgen. Der Sendetermin liegt zudem außerhalb der Stunden, die üblicherweise der Nachtruhe vorbehalten sind oder an denen die Hörerschaft nicht mit längeren Wortbeiträgen rechnet. Ob das gleichwohl nur geringe Zuhörerinteresse eher auf die frühe Uhrzeit oder auf die gesendeten Inhalte zurückzuführen ist, kann hier offenbleiben. Selbst wenn ersteres nachweisbar wäre, könnte der Kläger keine Verlegung verlangen. Der bloße Umstand, dass nach heutigem Freizeitverhalten ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung an Sonntagen nach 7:00 Uhr noch schläft oder zumindest kein Radio hört, lässt den gewählten Termin noch nicht als unangemessen erscheinen. Der Kläger hat auch im Hinblick auf die zeitliche Platzierung seiner Beiträge keinen Anspruch auf optimale Verbreitungsbedingungen oder auf Nutzung der Kernsendezeiten. Eine zentrale Positionierung innerhalb des Programms würde seine nach der Mitgliederzahl eher beschränkte gesellschaftliche Bedeutung deutlich übersteigen und die gebotene Differenzierung insbesondere im Verhältnis zu den erheblich mitgliederstärkeren Volkskirchen aufheben. Im Unterschied zu diesen und zu den Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ist der Kläger auch nicht auf ein bestimmtes Zeitfenster zur Übertragung von regelmäßig wiederkehrenden eigenen Veranstaltungen angewiesen, so dass er sich über seinen bloßen Wunsch nach günstigen Sendezeiten hinaus nicht auf ein spezifisches Interesse an einem anderen Termin berufen kann.

c) Auch im Vergleich zu den anerkannten Religionsgemeinschaften ist die gegenüber dem Kläger ergangene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Wie in den angegriffenen Bescheiden und in den während des Gerichtsverfahrens vorgelegten Schriftsätzen des Beklagten nachvollziehbar dargelegt wird, bestehen angesichts des derzeit geringen Mitgliederbestands des Klägers keine Gründe für eine Besserstellung, zumal die bisher zugewiesenen Sendezeiten nach dem Maßstab der Mitgliederzahlen schon jetzt im Verhältnis zu den Großkirchen als überproportional anzusehen sind. Für die relativ geringfügige Privilegierung der Israelitischen Kultusgemeinden gegenüber dem Kläger hat der Beklagte zutreffend auf die besondere historische Verantwortung Deutschlands hingewiesen, so dass seine Entscheidung auch insoweit unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht beanstandet werden kann.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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