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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 7 C 06.2410
Rechtsgebiete: VwGO, BayVwSG, BAT


Vorschriften:

VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1
BayVwSG Art. 1
BayVwSG Art. 2
BAT § 25
BAT § 25 Anlage 3
Für Streitigkeiten zwischen einem Verwaltungsangestellten einer Gemeinde und der Bayerischen Verwaltungsschule wegen des Bestehens der Fachprüfung II ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 C 06.2410

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Nichtbestehen der Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte 2005;

hier: Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. August 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 11. Oktober 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. August 2006 wird der Verwaltungsrechtsweg für gegeben erklärt.

II. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist als Verwaltungsangestellter bei der Gemeinde T********** beschäftigt. Auf Antrag der Gemeinde nahm er am Angestelltenlehrgang II bei der Bayerischen Verwaltungsschule teil. Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 teilte die beklagte Verwaltungsschule dem Kläger mit, dass er die Prüfung nicht bestanden habe. Seinen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2006 zurück.

Mit seiner beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage verlangt er, den Prüfungsbescheid i.d. Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und ihn zur Wiederholungsprüfung zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht stellte durch Beschluss vom 3. August 2006 fest, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei, und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München. Der Kläger sei auf der Grundlage eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses bei der Gemeinde beschäftigt. Die Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte sei nach den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags Voraussetzung für die Eingruppierung in bestimmte Vergütungsgruppen. Sie diene der Vorbereitung arbeitsrechtlicher Maßnahmen im Rahmen des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Gemeinde. Da hoheitliche Aufgaben nicht vorlägen, spiele es keine Rolle, dass die Beklagte eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei. Die das Prüfungsverfahren kennzeichnende dominierende Position des Prüfers erlaube nicht den Schluss auf die öffentlich-rechtliche Natur des Prüfungsverhältnisses. Dass die Fortbildung zur Bewältigung von Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung qualifiziere, verhelfe dem in Rede stehenden Prüfungsverhältnis nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Charakter; denn bei der Bestimmung des Rechtswegs könne nicht von der öffentlichen Aufgabe auf den öffentlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden. Da sich die Klage nicht auf die Aufhebung der fälschlich in die Form eines mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides gekleideten Mitteilung des negativen Prüfungsergebnisses beschränke, sondern die Zulassung zur Wiederholungsprüfung verlange, könne der Verwaltungsrechtsweg nicht bejaht werden.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat die beklagte Verwaltungsschule Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Verwaltungsschule sei nicht Arbeitgeber der Prüfungsteilnehmer. Sie stehe in einem vom Arbeitgeber völlig unabhängigen Rechtsverhältnis zum Kläger. Viele Prüfungsteilnehmer nähmen aus eigenem Antrieb an der Fachprüfung teil und bezahlten sie selbst. Das Bestehen der Fachprüfung führe nicht ohne weiteres zu einer Höhergruppierung; vielmehr hänge die Eingruppierung von der Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit ab; dies sei allein Sache des Arbeitgebers. Das Prüfungsverhältnis sei nicht mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft. Die Bayerische Verwaltungsschule führe die Fachprüfung nicht nur für Arbeitnehmer ihrer Träger, sondern auch für andere Organisationen durch. Zwischen der Bayerischen Verwaltungsschule und den Prüfungsteilnehmern bestehe ein eigenständiges Rechtsverhältnis, das durch Satzung ausgestaltet sei. Aufgrund der Satzung erlassene Entscheidungen seien ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur. Die Prüfung stelle eine hoheitliche Tätigkeit im Über-/Unterordnungsverhältnis dar.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit festzustellen.

Der Kläger verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Wesentlich sei, dass der Kläger durch das Bestehen der Fachprüfung seine tarifliche Eingruppierung verbessern könne. Bei dem mit der Beklagten bestehenden Prüfungsverhältnis handle es sich nicht um ein vom Arbeitsverhältnis losgelöstes Rechtsverhältnis. Vielmehr bediene sich die Gemeinde der Beklagten zur Ausbildung ihrer Angestellten und trage dafür die Kosten. Auch Prüfungsverhältnisse könnten privatrechtlich ausgestaltet werden.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

II.

Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor.

Die Rechtswegfrage beurteilt sich nach dem Streitgegenstand. Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten erlassenen Prüfungsbescheids sowie die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger zur Wiederholungsprüfung zuzulassen. Die geltend gemachten Ansprüche wurzeln in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Prüfungsverhältnis, nicht in dem zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber, der Gemeinde Taufkirchen, bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Klage ist nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen die Bayerische Verwaltungsschule gerichtet.

Das zwischen Kläger und Beklagter bestehende Prüfungsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art (§ 40 Abs. 1 VwGO) oder bürgerlich-rechtlicher Art (§ 13 GVG) ist, bestimmt sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Bei prüfungsrechtlichen Entscheidungen ist dabei entscheidend auf die Qualifikation der Rechtsnorm abzustellen, in der die prüfungsrechtlichen Beziehungen der am Prüfungsverfahren Beteiligten wurzeln (vgl. BVerwG vom 25.3.1981 DÖV 1981, 678/679). Die Beklagte hat nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Bayerische Verwaltungsschule (BayVwSG) die Aufgabe, Beamte des mittleren Dienstes und Angestellte ihrer Träger (Freistaat Bayern, die Gemeinden, die Landkreise und die Bezirke) und von juristischen Personen und sonstigen Organisationen des öffentlichen oder des privaten Rechts, an denen ihre Träger beteiligt sind, aus- und fortzubilden. Sie kann auch Personal von nichtträgerzugehörigen Organisationen aus- und fortbilden. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 1 Abs. 1 BayVwSG) mit dem Recht, durch Satzung Ausbildungs- und Prüfungsordnungen zu erlassen (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayVwSG). Auf dieser Ermächtigungsgrundlage hat die Beklagte eine Satzung über Lehrgänge und Prüfungen für Verwaltungsangestellte (Lehrgangs- und Prüfungssatzung für Angestellte - LPSAng -) erlassen, auf deren Grundlage die angefochtene Prüfung durchgeführt wurde. Die Satzung gilt für Lehrgänge und Prüfungen im Sinne des § 25 des Bundes-Angestelltentarifvertrags und der Anlage 3 hierzu. Über die Zulassung zu den Lehrgängen entscheidet die Bayerische Verwaltungsschule. Das Prüfungsverfahren ist nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausgestaltet: Prüfungen werden vom Prüfungsamt durchgeführt, das auch über die Zulassung entscheidet. Prüfungsteilnehmer, die die Prüfung nicht bestanden haben oder deren Prüfung als nicht bestanden gilt, erhalten darüber einen Bescheid, gegen den Widerspruch möglich ist. Die prüfungsrechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Beklagter wurzeln nach alledem in Regelungen, die insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Das macht die vorliegende Streitigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind (ebenso BayVGH vom 7.2.1985 Az. 3 B 84 A.1354).

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg selbst für Prüfungsrechtsstreitigkeiten gegen Gemeinde- und Sparkassenverwaltungsschulen bejaht, die als Gesellschaften des bürgerlichen Rechts organisiert waren (vgl. BVerwG vom 16.9.1969 Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 38; vom 28.9.1971 Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 47; vom 25.3.1981 DÖV 1981, 678/679). Auch Streitigkeiten wegen Nichtbestehens der Verwaltungsprüfung für Angestellte der Krankenkassen gehören vor die Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG vom 25.3.1981 DÖV 1981, 678).

Die Zuordnung des vorliegenden Prüfungsverhältnisses zum öffentlichen Recht wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vom Kläger abgelegte Fachprüfung II Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis des Klägers mit der Gemeinde T********** haben kann. Nach § 25 BAT und der Anlage 3 hierzu ist für die von diesen Vorschriften erfassten Angestellten im kommunalen Verwaltungsdienst neben der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale das Bestehen einer weiteren Prüfung Voraussetzung für die Eingruppierung in die genannten Vergütungsgruppen. Die Lehrgänge und Prüfungen werden nach der Protokollerklärung zu § 1 der Anlage 3 bei den durch die Länder oder durch die kommunalen Spitzenverbände anerkannten Verwaltungsschulen durchgeführt. Die im Streit befindliche Fachprüfung II ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 LPSAng die zweite Prüfung i.S. des § 25 BAT und der Anlage 3 hierzu. Ihr Bestehen ist - neben der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale - Voraussetzung für die Eingruppierung in bestimmte Vergütungsgruppen. Sie trägt sonach zur rechtlichen Ausgestaltung des zweifelsfrei dem bürgerlichen Recht zuzuordnenden Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei. Daraus lässt sich jedoch die bürgerlich-rechtliche Natur der in Rede stehenden Prüfung nicht herleiten. Das ergibt sich schon daraus, dass auch Hoheitsakte privatrechtsgestaltende Wirkung äußern können, ohne dass deshalb ihr Herkommen aus dem öffentlichen Recht in Frage zu stellen wäre (vgl. BVerwG vom 25.3.1981 DÖV 1981, 678). Die Fachprüfung dient der allgemein gültigen Feststellung, ob der Prüfungsteilnehmer als Angestellter für Tätigkeiten der betreffenden tariflichen Vergütungsgruppe befähigt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 LPSAng). Sie ist jedoch kein Geschehensablauf innerhalb des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses. Zwar kann den Zulassungsantrag zu den Lehrgängen und zur Prüfung nur der Arbeitgeber stellen (§ 3 Abs. 3 LPS Ang). Die Ausbildung und Prüfung findet jedoch gänzlich unabhängig vom Dienstbetrieb bei der Beklagten statt (vgl. BayVGH vom 7.2.1985 Az. 3 B 84 A.1354).

Die vom Verwaltungsgericht für seine Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Januar 1993 (NVwZ-RR 1993, 251) trägt das von ihm gefundene Ergebnis nicht; sie betrifft zwar die von einer Gemeindeverwaltungsschule durchgeführte Angestelltenprüfung II; die Aufgabenübertragung auf die Schule wie die Regelungen über die Lehrgänge und Prüfungen hatten ihren Geltungsgrund jedoch ausschließlich in einem zwischen dem Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften geschlossenen Tarifvertrag; die prüfungsrechtlichen Beziehungen der am Prüfungsverfahren Beteiligten waren gerade nicht durch Vorschriften des öffentlichen Rechts bestimmt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof für den Rechtsstreit eines Angestellten der Arbeitsverwaltung und das Bestehen einer Aufstiegsfortbildung den Verwaltungsrechtsweg verneint hat, beruht dies darauf, dass es sich um eine betriebsinterne Fortbildungsmaßnahme der Arbeitsverwaltung gehandelt hat, deren Einzelheiten in betriebsinternen Richtlinien geregelt waren (vgl. BayVGH vom 14.6.2002 NVwZ 2002, 1392).

Der hoheitliche Charakter der Lehrgangs- und Prüfungstätigkeit der Beklagten im Rahmen der Fachprüfungen für Angestellte wird nicht deswegen in Frage gestellt, weil die Verwaltungsschule nach Art. 2 Abs. 1 BayVwSG Angestellte ihrer Träger und von juristischen Personen und sonstigen Organisationen des öffentlichen oder des privaten Rechts, an denen ihre Träger beteiligt sind, aus- und fortbildet. Abgesehen davon, dass die Verwaltungsschule durch Satzungsregelung den Kreis der Aus- und Fortzubildenden auf Organisationen ausdehnen kann, die nicht Träger der Verwaltungsschule sind, und abgesehen davon, dass bei Angestellten des Freistaats Bayern oder sonstiger nicht dem kommunalen Bereich angehörender Organisationen tarifvertragliche Auswirkungen nach § 25 BAT und der Anlage 3 hierzu nicht gegeben sind, besteht kein rechtliches Hindernis, Maßnahmen der Aus- und Fortbildung für Bedienstete des Freistaats Bayern und der Gebietskörperschaften auf die als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestaltete Verwaltungsschule zu übertragen und dort einer hoheitlichen Regelung zu unterstellen. Ein Widerspruch zu den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags besteht nicht. § 1 Abs. 1 der Anlage 3 zum BAT verlangt nicht, dass die von den anerkannten Verwaltungs- und Sparkassenschulen durchgeführten Lehrgänge und Prüfungen als innerbetriebliche Veranstaltungen organisiert werden.

Nach alledem ist für den vorliegenden Rechtsstreit der vom Kläger eingeschlagene Verwaltungsrechtsweg gegeben. Dies ist gemäß § 17 a Abs. 3 GVG auszusprechen. Der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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