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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 7 CE 03.10019
Rechtsgebiete: Zulassungszahlsatzung, BayHSchG, HSchBekV, GG, LUFV, KapVO, HRG


Vorschriften:

Zulassungszahlsatzung 2002/03 (ZZS)
BayHSchG Art. 6 Abs. 2
HSchBekV § 2
HSchBekV § 4
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 1 Satz 2
LUFV § 4
LUFV § 7 Abs. 2
KapVO § 11
KapVO § 14
HRG § 57 a ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
7 CE 03.10018 7 CE 03.10019 7 CE 03.10020 7 CE 03.10022 M 3 E L 02.20341 M 3 E L 02.20378 M 3 E L 02.20364 M 3 E L 02.20338

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen

Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München im WS 2002/2003 (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerden der Antragstellerinnen gegen die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. Januar 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

ohne mündliche Verhandlung am 3. April 2003

folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die vorstehend unter ihren Aktenzeichen aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten der Beschwerdeverfahren.

IV. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird je Antragstellerin auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Wege einstweiligen Rechtsschutzes für das Wintersemester 2002/2003 die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin (Vorklinik) an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) im ersten Fachsemester. In der Zulassungszahlsatzung 2002/2003 der LMU vom 27. Juni 2002 (ZZS) ist die Kapazität der LMU im Wintersemester 2002/2003 im Studiengang Medizin/Vorklinik auf 409 Studienplätze festgesetzt. Nach der Zulassungsstatistik der LMU vom 8. Januar 2003 wurden im Wintersemester 2002/2003 bislang 420 Studienbewerber immatrikuliert. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass dies die Aufnahmekapazität der LMU nicht ausschöpft.

Das Verwaltungsgericht München lehnte die Anträge mit Beschlüssen vom 22. Januar 2003 ab, da der Antragsgegner die Kapazität im Studiengang Humanmedizin/Vorklinik zutreffend berechnet habe.

Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Antragstellerinnen mit ihren Beschwerden und verfolgen ihr ursprüngliches Begehren weiter. Zur Begründung bezweifeln sie insbesondere die Wirksamkeit der Zulassungszahlsatzung und die Rechtmäßigkeit des kapazitätsbegrenzenden räumlichen Engpasses in der Anatomie. Ferner rügen sie die hohe Zahl von 55 C1-Stellen mit einem Lehrdeputat von jeweils nur vier Semesterwochenstunden (SWS), Verlängerungsmöglichkeiten für befristete Arbeitsverträge nach der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes, die Deputatsermäßigung für den Studiendekan und die Höhe des Dienstleistungsexports zum Studiengang Zahnmedizin.

Der Antragsgegner trat den Beschwerden im Einzelnen mit detaillierten Stellungnahmen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Antragstellerinnen nicht glaubhaft gemacht haben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO), dass sie an der Universität im Fach Humanmedizin/Vorklinik die begehrten Studienplätze außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl beanspruchen können. Die von den Antragstellerinnen dargelegten und allein vom Senat geprüften Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Senat gibt hierzu im folgenden eine einheitliche Begründung und verzichtet auf die individuelle Kennzeichnung der Antragstellerinnen und auf die Hervorhebung der nur von einzelnen Antragstellerinnen vorgetragenen Erwägungen (vgl. auch OVG Hamburg vom 17.10.2002 Az. 3 NC 19/02).

1. Der Einwand, die Zulassungszahlsatzung 2002/2003 der LMU vom 27. Juni 2002 (ZZS) sei mangels ordnungsgemäßer Veröffentlichung unwirksam, dringt nicht durch.

Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG sind Satzungen der Hochschule bekannt zu machen; das Nähere bestimmt das Staatsministerium (für Wissenschaft, Forschung und Kunst) durch Rechtsverordnung. Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Bekanntmachung von Hochschulsatzungen (HSchBekV) vom 4. November 1993 (GVBl S. 848) werden Satzungen der Hochschule dadurch bekannt gemacht, dass sie in der Hochschule niedergelegt werden und die Niederlegung durch Anschlag in der Hochschule bekannt gegeben wird. Die Niederlegung der Satzung muss gemäß § 2 Abs. 2 HSchBekV eine Einsicht in eine mit Ausfertigungsvermerk versehene Ausfertigung der Satzung während der Dienstzeit bis zur Veröffentlichung im Amtsblatt nach § 4 HSchBekV ermöglichen. Der Anschlag soll erst nach Veröffentlichung der Satzung im Amtsblatt abgenommen werden (§ 2 Abs. 3 Satz 4 HSchBekV). Schließlich sind nach § 2 HSchBekV bekannt gemachte Satzungen alsbald im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu veröffentlichen (§ 4 HSchBekV). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner durch Vorlage einschlägiger Unterlagen dargetan, dass die Zulassungszahlsatzung am 27. Juni 2002 ausgefertigt und am 28. Juni 2002 an der LMU niedergelegt wurde. Am gleichen Tage wurde diese Niederlegung durch Anschlag bekannt gegeben unter Hinweis darauf, dass die niedergelegte Ausfertigung Montag bis Freitag von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr eingesehen werden kann. Damit wurde den genannten Anforderungen an die Bekanntmachung einer Hochschulsatzung genügt. Zwar folgt aus § 4 HSchBekV auch die Verpflichtung des Staatsministeriums zur alsbaldigen Veröffentlichung im Amtsblatt, eine konstitutive Wirkung für das Wirksamwerden der Satzung ist damit jedoch nicht verbunden. Zwar hat die Veröffentlichung nach § 4 HSchBekV zwingend der Bekanntmachung nach § 2 HSchBekV zu folgen, jedoch kommt allein letzterer nach der Systematik der genannten Vorschriften die für das Wirksamwerden von Satzungen erforderliche konstitutive Wirkung zu. Dies folgt auch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 HSchBekV, wonach der Tag der Bekanntmachung derjenige ist, an dem die Niederlegung durch Anschlag bekannt gegeben wird. Im Übrigen geht der Verordnungsgeber in § 5 Satz 2 HSchBekV selbst davon aus, dass eine Satzung nicht notwendig im Amtsblatt des Staatsministeriums veröffentlicht sein muss. Zudem hat die Universität selbst keinen Einfluss auf den genauen Zeitpunkt der Veröffentlichung im Amtsblatt des Ministeriums. Eine Verzögerung der Veröffentlichung ist daher letztlich eine unbeachtliche Verletzung der als Ordnungsvorschrift ausgestalteten Regelung des § 4 HSchBekV (vgl. auch Reich, BayHSchG, 4. Aufl. 1999, RdNr. 4 zu Art. 6). Die Verfahrensweise der LMU ist im Übrigen dem (bayerischen) Recht nicht fremd, wie sich beispielsweise aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GO ergibt (vgl. auch BayVGH vom 1.4.2003 - 7 CE 03.10003; BayVGH vom 10.3.2003 - 7 C 02.10086 u.a.).

2. Die Zulassungszahlverordnung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig.

Es mag dahingestellt bleiben, ob diese erstmals mit Schriftsatz vom 31. März 2003 vorgelegte Begründung der Beschwerde überhaupt den Zulässigkeitsanforderungen des Art. 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO entspricht, wonach die Beschwerde binnen eines Monats nach der Bekanntgabe der Entscheidung (hier am 30. Januar 2003) zu begründen ist. Jedenfalls hat dieser Einwand in der Sache keinen Erfolg.

Zwar gewährt das in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltene Teilhaberecht an Ausbildungseinrichtungen (i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip) ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium im Rahmen der vorhandenen Ausbildungskapazitäten, sofern die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerfGE 33, 303/331 f.; 85, 36/53). Bei den Zulassungsvorschriften handelt es sich um Regelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 85, 36/54) und damit nicht um Einschränkungen im Sinne des Zitiergebots des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 13, 97/122; 64, 72/79). Der Geltungsbereich des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG richtet sich allein danach, ob es sich um die konstitutive Einschränkung eines von der Verfassung selbst festgelegten Grundrechtsinhalts aufgrund eines Gesetzesvorbehalts handelt oder aber - wie im vorliegenden Fall - um eine andere grundrechtsrelevante Maßnahme wie Inhaltsbestimmungen und Regelungsaufträge, welche die Verfassung dem Gesetzgeber zur Konkretisierung des Grundrechtsschutzes zugewiesen hat (BVerfGE 64, 72/81). Die Zulassungsvorschriften im Hochschulzulassungsrecht unterliegen daher nicht dem Zitiergebot (BVerwGE 56, 31/55; vgl. auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002 RdNr. 4 zu Art. 19; Krebs in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000 RdNr. 16 zu Art. 19; Huber in von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz I, 4. Aufl. 1999 RdNr. 77 zu Art. 19 Abs. 1; kritisch vor allem Herzog in Maunz/Dürig, GG, RdNr. 54 f. zu Art. 19 Abs. 1; Dreier, GG, 1996, RdNr. 23 zu Art. 19).

Weder die vorliegende Zulassungszahlsatzung noch das ihr zu Grunde liegende Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrags für die Vergabe von Studienplätzen und die Hochschulvergabeverordnung verstoßen daher gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.

3. Was die Kapazitätseinschränkungen in der Vorklinik durch den räumlichen Engpass in der makroskopischen Anatomie (Präparierkurs) angeht, teilt der Senat nach wie vor die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Der Engpass (maximale Raumbelegung durch 790 Studenten) wirkt gemäß § 14 Abs. 1, 3 Nrn. 1 und 2 KapVO kapazitätsmindernd. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Darstellung dieser Problematik im Beschluss des Verwaltungsgerichts (S. 13 f.), das auch zutreffend darauf hinweist, dass kein Anspruch auf Beseitigung des Engpasses in Anatomie durch Ausbaumaßnahmen besteht. All dies entspricht der - vom Verwaltungsgericht zitierten - langjährigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BayVGH vom 17.9.2002 - 7 CE 02.10015).

4. Was die Kritik der Antragstellerin zu 4 an der hohen Zahl C 1-Stellen mit einer Lehrverpflichtung von (nur) vier Semesterwochenstunden (SWS) angeht, ist diese nach der überzeugenden Darstellung der LMU im Schriftsatz vom 14. März 2003 zum Verfahren 7 CE 03.10022 entkräftet. Darin hat die LMU nachvollziehbar dargelegt, dass ihre medizinische Fakultät auf eine große Zahl wissenschaftlicher Assistenten angewiesen ist, um ihr anerkannt hohes Niveau der medizinischen Forschung aufrecht erhalten zu können. Zudem ist es nicht zweifelhaft, dass wissenschaftliche Assistenten an einer Universitätsklinik - auch - wissenschaftlich tätig sind, selbst wenn ein erheblicher Teil der Assistenten langfristig die Stelle eines Universitätsprofessors weder anstrebt noch erreichen wird.

Anhaltspunkte für einen Verstoß der Regellehrverpflichtung von vier SWS für wissenschaftliche Assistenten in § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV) gegen das aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Kapazitätserschöpfungsgebot sind nicht ersichtlich. Bei der Festlegung der Lehrverpflichtung ist berücksichtigt, dass die wissenschaftlichen Assistenten ausreichend Zeit für ihre eigene wissenschaftliche Qualifikation benötigen.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Lehrverpflichtungsverordnung sind auch nicht mit Blick auf die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes erkennbar. In §§ 57 a ff. HRG wurden insbesondere die Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträgen geändert. Zum einen ist jedoch weder von Antragstellerseite dargelegt noch sonst ersichtlich, wie sich dies auf die vorliegende Kapazitätsberechnung ausgewirkt haben soll. Zum anderen ergeben sich für den Senat nach summarischer Prüfung durch die Reformierung des Hochschulrechts und die Neuordnung befristeter Arbeitsverhältnisse (vgl. dazu Knopp/Gutheil, NJW 2002, 2828) keine stichhaltigen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Lehrverpflichtungsverordnung.

5. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Verminderung der Lehrverpflichtung für den Studiendekan der medizinischen Fakultät um zwei SWS rechtlich unbedenklich ist. Aufgrund der dem Studiendekan (vgl. Art. 39 a BayHSchG) obliegenden Aufgaben und im Hinblick auf die Größe der medizinischen Fakultät der LMU erscheint diese vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gemäß § 7 Abs. 2 LUFV gewährte Deputatsminderung gerechtfertigt.

6. Was die Höhe des Dienstleistungsexports zur Lehreinheit Zahnmedizin angeht, ist nicht ersichtlich, dass die Berechnung der Aufnahmekapazität gegen Vorgaben des Kapazitätsrechts (siehe insbesondere § 11 KapVO) verstoßen würde. Die LMU hat hierzu auch darauf hingewiesen, dass bei der Kapazitätsberechnung durchaus berücksichtigt werde, dass etwa Vorlesungen von Studenten der Human- und der Zahnmedizin gemeinsam besucht werden könnten. Allerdings gebe es innerhalb der medizinischen Studiengänge zahlreiche Übungen in Kleingruppen, bei welchen zwischen den Studenten der beiden Studiengänge zu differenzieren sei.

7. Die Beschwerden konnten daher nicht zum Erfolg führen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1, § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.



Ende der Entscheidung

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