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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 7 CE 07.1151
Rechtsgebiete: VwZVG, VwGO


Vorschriften:

VwZVG Art. 19 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1
Hauptpunkte: Vollstreckung rückständiger Rundfunkgebühren; Übermittlung von Gebührenbescheiden mit einfachem Brief; Nachweis des Zugangs durch Anscheinsbeweis
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 07.1151

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rundfunkrecht; Vollstreckung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl

ohne mündliche Verhandlung am 6. Juli 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2007 wird der Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 17. April 2007 für beide Instanzen auf jeweils 302,74 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der seit 1997 bei der GEZ als Rundfunkteilnehmer geführt wird, wendet sich mit dem vorliegenden Eilantrag gegen die vom Antragsgegner betriebene Zwangsvollstreckung aus fünf Gebührenbescheiden für den Zeitraum Februar 2004 bis Juni 2005. Er macht geltend, der GEZ bereits mit Schreiben vom 28. Januar 2004 die Abmeldung seiner Rundfunkgeräte mitgeteilt zu haben; im Übrigen seien ihm für den fraglichen Zeitraum keine Gebührenbescheide zugegangen.

Der Antragsgegner trägt vor, ihm liege keine Abmeldung des Antragstellers vor, so dass die Gebührenpflicht fortbestehe. Es sei davon auszugehen, dass die an die richtige Adresse versandten Bescheide den Antragsteller erreicht hätten; zumindest sei es rechtsmissbräuchlich, dass sich dieser auf einen fehlenden Zugang berufe.

Mit Beschluss vom 17. April 2007 ordnete das Verwaltungsgericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Gebührenbescheiden vom 1. April und 5. Juli 2004 sowie vom 5. April, 3. Juni und 1. Juli 2005 bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung an. Für die Vollstreckung fehle es bereits an der Grundvoraussetzung des Art. 19 BayVwZVG, da der insoweit beweispflichtige Antragsgegner die Bekanntgabe der Gebührenbescheide an den Antragsteller mangels förmlicher Zustellung nicht nachweisen könne. Gegen den Zugang der Bescheide spreche sowohl die Tatsache, dass der Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund seiner Heirat den Familiennamen gewechselt habe, als auch der Umstand, dass der zuständige Gerichtsvollzieher den Antragsteller bei zwei Vollstreckungsversuchen am 26. August 2004 und am 19. Oktober 2005 unter der angegebenen Anschrift nicht habe ermitteln können. Von einer treuwidrigen Zugangsvereitelung könne keine Rede sein, da nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller mit seinem Verhalten den Zugang von Schreiben und Bescheiden des Antragsgegners vorsätzlich habe verhindern wollen.

Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsgegner im Wesentlichen geltend, von einem Zugang der - in einem Massenverwaltungsverfahren zulässigerweise - mit einfachem Brief versandten Bescheide sei auszugehen, wenn diese die richtige Adresse getragen hätten und nicht als unzustellbar zurückgekommen seien. Überdies müsse sich der Antragsteller treuwidriges Verhalten vorhalten lassen, da er zumindest grob fahrlässig gegen die aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag folgende Pflicht verstoßen habe, seine Erreichbarkeit auf dem Postweg sicherzustellen.

Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und trägt vor, für beide Seiten müsse hinsichtlich des Nachweises über den Zugang von Schriftstücken Gleiches gelten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet. Die vom Antragsgegner vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), müssen zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen. Nach den bisher erkennbaren Umständen fehlt es für die beantragte Einstellung der Zwangsvollstreckung an dem erforderlichen Anordnungsgrund.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts muss nach jetzigem Stand angenommen werden, dass dem Antragsteller die streitigen Gebührenbescheide vom 1. April und 5. Juli 2004 sowie vom 5. April, 3. Juni und 1. Juli 2005 zugegangen sind. Der Antragsgegner ist seiner insoweit bestehenden Beweispflicht zwar nicht schon mit der allgemeinen Berufung auf die Zulässigkeit einer (kostensparenden) formlosen Übermittlung von Rundfunkgebührenbescheiden nachgekommen; das mit dem Verzicht auf förmliche Zustellung verbundene Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs geht auch in den sog. Massenverwaltungsverfahren nicht auf den Adressaten über. Die Behörde kann aber ihrer Beweispflicht im Streitfall auch nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger das Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. VGH BW vom 29.4.1991 NVwZ-RR 1992, 339/340; NdsOVG vom 21.3.1997 Az. 11 L 1272/96; Kopp/Ramsauer, VwVfG, RdNr. 52 zu § 24). Solche für einen Zugang sprechenden Tatsachen sind hier ersichtlich gegeben.

Zu Recht macht der Antragsgegner geltend, dass nach der im Beschwerdeverfahren vorgelegten sog. History-Aufstellung des Teilnehmerkontos alle fünf streitgegenständlichen Bescheide nachweislich an die vom Antragsteller als zutreffend bestätigte Adresse versandt worden sind, ohne dass auch nur einer der Briefe als unzustellbar zurückgekommen wäre. Schon angesichts der Vielzahl der Schreiben erscheint es lebensfremd, dass sämtliche Sendungen im Postbetrieb verlorengegangen sein könnten. Ein solch vollständiger Verlust wird unter den gegebenen Umständen auch nicht dadurch plausibler, dass der Kläger nach seiner Heirat im Mai 2004 einen neuen Familiennamen angenommen hat. Auf den Zugang des ersten Bescheids vom 5. April 2004 kann sich diese Namensänderung bereits aus zeitlichen Gründen nicht ausgewirkt haben. Für die danach erlassenen vier Bescheide ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zusammen mit seiner damaligen Verlobten und späteren Ehefrau nach eigenem Bekunden schon seit August 2003 dieselbe Postanschrift wie in den Jahren 2004 und 2005 besaß. Angesichts dieser Kontinuität der Lebensverhältnisse ist es kaum vorstellbar, dass der für den weniger als 100 Einwohner zählenden Ortsteil Möschenfeld (http://www.grasbrunn.de/grasbrunner_fakten/einwohner.php) zuständige Postbote in dem gesamten Zeitraum zwischen Juli 2004 und Juli 2005 nicht dazu in der Lage gewesen sein sollte, die an diese Adresse unter dem früheren Nachnamen des Antragstellers (bei gleichem Vornamen) versandten Schreiben der richtigen Person zuzuordnen und ordnungsgemäß zuzustellen. Dass der am Amtsgericht ******* tätige Gerichtsvollzieher bei zwei Vollstreckungsversuchen im August 2004 und Oktober 2005 wegen des unzutreffenden Nachnamens den Antragsteller nicht unter der angegebenen Anschrift an Ort und Stelle ermitteln konnte, stellt insoweit kein Gegenindiz dar, da es im Vollstreckungsverfahren auf die Identifizierung der Person und nicht lediglich der gültigen Postadresse ankommt.

Nicht unberücksichtigt bleiben darf hier auch der Umstand, dass der Antragsteller auf der ersten Seite seines am 30. Januar 2007 beim Verwaltungsgericht eingereichten Klageschriftsatzes ausdrücklich bekundet hat, nach der Anfang 2004 vorgenommenen Abmeldung seiner Rundfunkgeräte "in der Folge... immer wieder Rechnungen/Zahlungsaufforderungen der GEZ" erhalten zu haben. Seine im nachfolgenden Schriftsatz vom 19. Februar 2007 getroffene Aussage, bis heute lägen ihm die vom Antragsgegner angeführten Gebührenbescheide nicht vor, muss danach zumindest als unschlüssig gelten. Die vom Antragsteller geschilderten Gesamtumstände - insbesondere der Verbleib von Empfangsgeräten bei einer früheren Lebensgefährtin und die längere Abwesenheit aus Deutschland - lassen es bei lebensnaher Betrachtung als durchaus möglich erscheinen, dass der Antragsteller oder eine für ihn tätige Person die von der GEZ stammenden Schreiben in der Annahme, dass keine Gebührenpflicht mehr bestehe, unbeachtet gelassen haben. Da ein solcher Kausalverlauf insgesamt als sehr viel wahrscheinlicher anzusehen ist als der Verlust sämtlicher fünf Briefe beim Versand oder während einer möglichen Rücksendung, muss nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zugunsten des Antragsgegners von einer wirksamen Bekanntgabe der Bescheide ausgegangen werden. Da diese infolgedessen nicht nur als rechtswirksam, sondern aufgrund des Zeitablaufs mittlerweile auch bereits als bestandskräftig gelten müssen, könnten gegen ihre Vollstreckung selbst dann keine durchgreifenden rechtlichen Einwände erhoben werden, wenn die vom Antragsteller behauptete frühere Abmeldung der Empfangsgeräte dem Antragsgegner tatsächlich zugegangen wäre, was der Antragsteller bisher aber nicht zu belegen vermocht hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus der Summe der mit den streitgegenständlichen Bescheiden geltend gemachten rückständigen Rundfunkgebühren zuzüglich der jeweiligen Säumniszuschläge, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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