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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 7 CE 09.1893
Rechtsgebiete: VwGO, APO


Vorschriften:

VwGO § 123
APO § 20 Abs. 2
APO § 35 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 09.1893

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Zwischenprüfung für den gehobenen Dienst (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juli 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch

den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Borgmann

ohne mündliche Verhandlung am 5. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der als Beamter auf Widerruf seit Oktober 2007 am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Hof studierte, nahm in der Zeit vom 2. bis 5. März 2009 an der Wiederholungsprüfung zur Zwischenprüfung 2008/2 für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst teil. Am Ende der ersten Klausur wollte er, nachdem die Prüfungsteilnehmer bereits auf den Ablauf der Schreibzeit hingewiesen worden waren, den gefertigten Aktenvermerk noch mit einer Schlussformel ("m. d. B. u. K.") vervollständigen. Der Aufsichtsführende bemerkte dies und wies ihn mit einer kurzen Äußerung ("oh") nochmals auf die Beendigung der Arbeitszeit hin. Der Antragsteller legte daraufhin den Füller nieder, nahm ihn aber danach wieder in die Hand, um die noch fehlenden Buchstaben "u. K." sowie die Seitenzahlen auf den Klausurblättern zu notieren. Im selben Augenblick kam der Aufsichtführende erneut an den Platz des Antragstellers und nahm die Klausur an sich.

Mit Schreiben des Prüfungsamtes vom 2. April 2009 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er die Zwischenprüfung aufgrund des erzielten Gesamtergebnisses "mangelhaft (4,00 Punkte)" endgültig nicht bestanden habe. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses habe im Wege einer Eilentscheidung am 23. März 2009 entschieden, dass die Bearbeitung der ersten Prüfungsaufgabe wegen Überschreitung der Arbeitszeit mit der Note "ungenügend (0 Punkte)" bewertet werde.

Gegen den am 11. Mai 2009 übergegebenen Bescheid ließ der Antragsteller am 6. Juni 2009 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, über die bisher noch nicht entschieden worden ist (Az. W 1 K 09.452).

Am 7. Juli 2009 beantragte der Antragsteller gemäß § 123 VwGO,

den Antragsgegner zu verpflichten, das Prüfungsverfahren unverzüglich fortzusetzen und über die Bewertung der 1. Aufgabe sowie über das Bestehen der Zwischenprüfung unverzüglich zu entscheiden.

Dem Antragsteller drohe durch das Versäumen der noch ausstehenden Fachstudienabschnitte ein unwiederbringlicher Zeitverlust und damit ein gravierender Nachteil. Der angegriffene Prüfungsbescheid sei rechtswidrig, da schon die Tatbestandsvoraussetzungen der vom Beklagten herangezogenen Sanktionsvorschrift des § 20 APO nicht vorlägen. Zudem verstoße die undifferenzierte Anwendung der darin vorgesehenen Rechtsfolge - Bewertung der Prüfungsarbeit mit "ungenügend" - gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Das Verwaltungsgericht Würzburg verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Juli 2009, die erste Aufgabe der Wiederholungsprüfung zur Zwischenprüfung 2008/2 des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts vorläufig neu zu bewerten. Der angegriffene Bescheid sei schon formell rechtswidrig, da über die Rechtsfolgen der nicht rechtzeitigen Ablieferung nicht vom zuständigen Prüfungsausschuss, sondern von dessen Vorsitzenden entschieden worden sei, obwohl die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung nicht vorgelegen hätten. Auch materiell sei die Entscheidung rechtswidrig, da kein verspätetes Abgeben der Arbeit im Sinne des § 20 APO vorliege. Im bloßen Verkünden des Endes der Arbeitszeit liege noch keine Aufforderung zur Abgabe der Prüfungsarbeit; es komme stattdessen auf das konkrete Übergabeverlangen des die Arbeit einsammelnden Personals an. Für diese restriktive Auslegung des § 20 APO sprächen gewichtige verfassungsrechtliche Gründe; die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 1981 (BayVBl 1981, 687 f.) sei insoweit als überholt anzusehen. Ein so schwerwiegender Eingriff wie die Bewertung der Arbeit mit "ungenügend" sei nur gerechtfertigt, wenn an den Prüfling zuvor ein konkretes und unmissverständliches Abgabeverlangen gerichtet worden sei. Ein solches Verlangen sei auch in der Äußerung der zweiten Aufsichtsperson nicht zu erkennen. Der vom Antragsteller zweifellos begangene Ordnungsverstoß müsse freilich nicht sanktionslos bleiben, da das Weiterschreiben nach Ende der Arbeitszeit als Unterschleif im Sinne des § 35 Abs. 1 APO zu bewerten sei. Die für die Anwendung dieser Norm erforderliche Abwägung habe der Prüfungsausschuss hier aber nicht vorgenommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der vorliegenden Beschwerde. Er beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juli 2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Über die Rechtsfolge der verspäteten Klausurabgabe habe wegen Unaufschiebbarkeit der Vorsitzende des Prüfungsausschusses entscheiden dürfen; selbst wenn hierin aber ein Verfahrensfehler gesehen werde, müsse dieser mittlerweile als geheilt und zudem als unerheblich angesehen werden. Der Antragsteller sei auch zweimal auf das Ende der Bearbeitungszeit hingewiesen und somit gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 APO wiederholt zur Abgabe aufgefordert worden. Die genannte Vorschrift sei weder zu unbestimmt noch unverhältnismäßig. Der Begriff des Abgebens sei zu verstehen als Bereithalten unter Einstellung der Bearbeitung. Die Überschreitung der Bearbeitungszeit sei kein Unterschleif im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 APO, da § 20 Abs. 2 APO insoweit als lex specialis gelten müsse. Mittlerweile sei der Antragsteller vom Beigeladenen wieder vorläufig der Hochschule zugewiesen worden, so dass er sein Studium einstweilen unbehindert fortsetzen könne; daher liege kein Anordnungsgrund mehr vor.

Der Antragsteller widersetzt sich der Beschwerde des Antragsgegners.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde gegen den stattgebenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juli 2009 ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Antragsgegner vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Frage.

a) Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 VwGO) im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der (vorläufigen) gerichtlichen Entscheidung ist nicht dadurch entfallen, dass der Antragsteller laut Schreiben des Landratsamts Würzburg vom 27. Juli 2009 vorläufig dem Fachstudienabschnitt 3 (04.5.09 - 28.08.09) der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege zugewiesen worden ist. Diese Zuweisung gilt, wie in dem angeführten Schreiben klargestellt wird, nur vorbehaltlich einer Entscheidung des (beigeladenen) Landkreises Würzburg betreffs einer Neuernennung des Antragstellers zum Beamten auf Widerruf. Im vorangegangenen Schreiben vom 15. Juli 2009 hat das Landratsamt dazu ausgeführt, es sehe vor einem rechtskräftigen Urteil zugunsten des Antragstellers keine Möglichkeit, diesen wieder in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu übernehmen. Dass eine solche Ernennung mittlerweile dennoch - etwa als Konsequenz aus der noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Eilentscheidung - vorgenommen worden wäre, ist weder von den Beteiligten substantiiert vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich. Der Antragsteller wird somit durch den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der Zwischenprüfung, der bereits vor Eintritt der Bestandskraft unmittelbar zur Beendigung des Beamtenverhältnisses geführt hat (§ 22 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 LbV; vgl. BayVGH vom 27.7.2009 Az. 3 CE 09.734), weiterhin an der Fortsetzung seines Studiums gehindert, da an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege nur Angehörige des öffentlichen Dienstes und insbesondere Widerrufsbeamte studieren können (Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern [BayFHVRG] i. d. F. der Bek. vom 9.10.2003, GVBl. S. 818, zuletzt geändert durch G. vom 7.7.2009, GVBl S. 256).

b) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch vorliegt. Der Bescheid vom 2. April 2009 über das Nichtbestehen der Zwischenprüfung ist nach gegenwärtigem Stand rechtswidrig, so dass die dagegen gerichtete Hauptsacheklage voraussichtlich Erfolg haben wird.

Die formell-rechtliche Frage, ob die Entscheidung über das Nichtbestehen der Zwischenprüfung unter den gegebenen Umständen unaufschiebbar war, so dass sie vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses allein getroffen werden durfte, kann ebenso wie die daran anknüpfende Frage, ob ein möglicher Verstoß durch die nachträgliche Befassung des Ausschusses nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG geheilt oder wegen rechtlicher Alternativlosigkeit nach Art. 46 BayVwVfG unerheblich wäre, im vorliegenden Beschwerdeverfahren offen bleiben. Der angegriffene Prüfungsbescheid kann jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben, da die verspätet abgegebene Klausur unter den gegebenen Umständen nicht mit der Sanktionsnote "ungenügend" (0 Punkte) bewertet werden durfte.

Nach der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 1984 (GVBl S. 76, BayRS 2030-2-10-F), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. April 2009 (GVBl S. 79), die für alle Prüfungen im Sinne des Bayerischen Beamtengesetzes und demgemäß auch für die hier streitige Zwischenprüfung gilt (§ 1 Abs. 1, Abs. 3 APO), wird eine Arbeit mit "ungenügend" bewertet, wenn sie trotz wiederholter Aufforderung nicht rechtzeitig abgegeben wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 APO). Diese zwingend vorgeschriebene Rechtsfolge in bestimmten Fällen einer verspäteten Abgabe von Prüfungsaufgaben ist zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der am 2. März 2009 geschriebenen Zwischenprüfungsklausur fehlte es aber ersichtlich an den Tatbestandsvoraussetzungen für eine Bewertung mit der Sanktionsnote.

Mit der Bestimmung des § 20 Abs. 2 Satz 2 APO verfolgt der Verordnungsgeber den Zweck, dem Grundsatz der Chancengleichheit, der im Prüfungsrecht besondere Bedeutung besitzt, tatsächliche Geltung zu verschaffen (vgl. BayVGH vom 19.2.1981 BayVBl 1981, 687/688; VGH BW vom 12.5.1992 NVwZ-RR 1992, 630). Gleiche Prüfungsbedingungen liegen nur vor, wenn allen Prüfungsteilnehmern für die Erstellung der schriftlichen Arbeiten die gleiche Bearbeitungszeit zur Verfügung steht. Schon eine kurzzeitige Überschreitung der vorgegebenen Arbeitszeit durch einzelne Kandidaten verletzt den Anspruch der übrigen Prüfungsteilnehmer auf Chancengleichheit und rechtfertigt daher eine prüfungsrechtliche Sanktion (BayVGH a.a.O.). Da sich nach verspäteter Abgabe einer Prüfungsarbeit der äußere Umfang und das inhaltliche Gewicht des nach dem Bearbeitungsende Geschriebenen - und somit das genaue Ausmaß des gleichheitswidrig erlangten Vorteils - in der Regel nicht eindeutig feststellen, sondern allenfalls vermuten lässt, muss der Normgeber dafür nicht unbedingt eine gestufte oder flexibel zu handhabende Regelung treffen. Er kann vielmehr für solche Pflichtverstöße grundsätzlich auch die Sanktionsnote "ungenügend" als zwingende Rechtsfolge vorsehen, ohne damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verstoßen (vgl. BayVGH a.a.O.; VG Karlsruhe vom 3.5.2006 Az. 7 K 1243/05 < juris > ).

Die Verhängung einer so strengen Sanktion setzt allerdings voraus, dass von dem betroffenen Prüfungsteilnehmer über die bloße Mitteilung des Ablaufs der Prüfungszeit hinaus auch ausdrücklich verlangt wird, das Weiterschreiben sofort einzustellen oder die Arbeit dem Aufsichtsführenden zu übergeben (vgl. BayVGH a.a.O.; VGH BW a.a.O.; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2, Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, RdNr. 404). Diesem Erfordernis wird in § 20 Abs. 2 APO dadurch Rechnung getragen, dass die Prüfungsaufsicht verpflichtet wird, die Aufgabenbearbeitungen den Teilnehmern nach Ablauf der Arbeitszeit "abzufordern" (Satz 1); die Sanktionsregelung greift danach erst ein, wenn ein Prüfungsteilnehmer die Arbeit trotz "wiederholter Aufforderung", also auch nach zweimaligem Verlangen, nicht rechtzeitig abgibt (Satz 2).

Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Prüfungsteilnehmer zunächst - im Anschluss an die Bekanntgabe des Endes der Bearbeitungszeit - entsprechend den vorher ausgeteilten Prüfungshinweisen über Mikrofon kollektiv aufgefordert wurden, von dem genannten Zeitpunkt an das Weiterschreiben einzustellen und die Arbeiten zur Abgabe bereitzuhalten. Dafür spricht das vom Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Muster für "Hinweise zum/am Ende der Bearbeitungszeit" (Stand Februar 2008), das einen entsprechenden Formulierungsvorschlag enthält ("Die Bearbeitungszeit ist jetzt zu Ende. Bitte stellen Sie das Schreiben sofort ein und halten Sie ihre Arbeiten zur Abgabe bereit."). Dass der Aufsichtsführende bei der damaligen Klausur die in dem zweiten Satz enthaltene Aufforderung unterlassen haben könnte, ist weder vom Antragsteller vorgetragen worden noch erscheint dies nach den gegebenen Umständen naheliegend.

Auch wenn man das Verlangen nach (passivem) "Bereithalten zur Abgabe" bereits als erste Abgabeaufforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 APO ansehen kann, weil das von den Prüfungsteilnehmern geforderte Verhalten das Einsammeln der Arbeiten ermöglicht und damit den ersten Schritt zur Abgabe darstellt, so fehlt es im vorliegenden Fall doch jedenfalls an einer unmissverständlichen zweiten ("wiederholten") Aufforderung. Der Aufsichtsführende hat, obwohl der Antragsteller entgegen der ersten Aufforderung mit dem Schreiben fortfuhr und daher die Arbeit erkennbar (noch) nicht zur Abgabe bereit hielt, keineswegs die sofortige Herausgabe verlangt, sondern auf den Verstoß nur mit einem mehrdeutigen "oh" reagiert. Diesen Ausruf hat der Antragsteller, wie sein Schreiben vom 7. März 2009 zeigt, nur als einen warnenden Hinweis auf das Ende der Bearbeitungszeit verstanden und nicht zugleich als Aufforderung zur unverzüglichen Übergabe der geschriebenen Klausur. Auch der Aufsichtführende gibt in seiner dienstlichen Erklärung vom 14. Juli 2009 nur an, er habe "akustisch und mittels Blickkontakt nochmals auf die Beendigung der Arbeitszeit hingewiesen". Eine solche bloße Ermahnung ohne eindeutiges Verlangen nach sofortiger Abgabe erfüllt noch nicht den Tatbestand einer Aufforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 APO, so dass die nachfolgende Wiederaufnahme des Schreibens durch den Antragsteller unter den gegebenen Umständen nicht ausreicht, um die Sanktionsnote "ungenügend" zu vergeben.

Das unstreitig vorliegende Fehlverhalten des Antragstellers kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 APO ("Unterschleif, Beeinflussungsversuch und Ordnungsverstoß") sanktioniert werden. Das bloße Überschreiten der Bearbeitungszeit dürfte schon tatbestandlich keinen "Unterschleif" darstellen, da mit diesem prüfungsspezifischen Terminus gemeinhin nur Fälle erfasst werden, in denen sich der Prüfungsteilnehmer unerlaubter Hilfe bedient oder zu bedienen versucht (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 APO, § 88 Abs. 1 Satz 1 GSO). Die genaue Reichweite des Begriffs "Unterschleif" kann hier aber ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der in dem kurzzeitigen Weiterschreiben liegende Ordnungsverstoß im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 APO als "erheblich" angesehen werden kann. Eine Anwendung der genannten Vorschrift scheitert bereits am Vorrang des § 20 APO, der die Rechtsfolgen des Nichtablieferns der Prüfungsarbeiten nach Ablauf der vorgesehenen Bearbeitungszeit abschließend regelt, wobei die strenge prüfungsrechtliche Sanktion nicht von der Dauer der Zeitüberschreitung abhängig gemacht wird, sondern vom Nichtbefolgen der wiederholten ausdrücklichen Abgabeaufforderung.

2. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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