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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2009
Aktenzeichen: 7 ZB 09.1423
Rechtsgebiete: RaPO


Vorschriften:

RaPO § 21 Abs. 1
RaPO § 21 Abs. 4 Satz 1
RaPO § 21 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 ZB 09.1423

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Prüfungsrücktritt und Exmatrikulation;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. April 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch

den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Borgmann

ohne mündliche Verhandlung

am 26. November 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. April 2009 für beide Instanzen auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die bis 2006 an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg im Weiterbildungsstudiengang Internationale Betriebswirtschaft eingeschrieben war, erzielte in der am 31. Januar 2006 geschriebenen zweiten Wiederholungsprüfung im Fach "Internationale Rechnungslegung" die Note 5. Die Hochschule teilte ihr daraufhin mit Bescheid vom 26. Juni 2006 mit, sie habe die Masterprüfung endgültig nicht bestanden und werde zum Ende des Wintersemesters 2005/2006 exmatrikuliert.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Antrag,

den Bescheid vom 26. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2007 aufzuheben und die Fachhochschule zu verpflichten, die Klägerin weiterhin zum Weiterbildungsstudiengang Internationale Betriebswirtschaft sowie erneut zur zweiten Wiederholungsprüfung im Fach "Internationale Rechnungslegung" zuzulassen.

Zur Begründung trug sie unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste und eines psychiatrischen Gutachtens vom 24. September 2007 vor, sie sei aufgrund vielfältiger Belastungen und einer seit 2003 bestehenden depressiven Erkrankung bis 2006 latent prüfungsunfähig gewesen. Auch zum Prüfungszeitpunkt am 31. Januar 2006 sei sie, ohne dies selber erkennen zu können, prüfungsunfähig gewesen.

Mit Urteil vom 23. April 2009 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klagen ab. Die Klägerin habe entgegen der Vorschrift des § 21 Abs. 4 Satz 1 RaPO (a. F.) die Gründe für den Rücktritt von der Prüfung nicht unverzüglich geltend gemacht. Der Rücktritt sei erstmalig - und damit mit erheblicher Verspätung - mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 14. September 2006 erfolgt. Anhaltspunkte für eine Überprüfung ihres Gesundheitszustandes hätten sich der Klägerin bereits mit Erhalt des Prüfungsbescheids vom 26. Juni 2006 aufdrängen müssen. Spätestens mit den von ihr veranlassten ärztlichen Untersuchungen im September 2006 hätte sie auch Aufklärung darüber einholen müssen, ob sie die diagnostizierten gesundheitlichen Befunde zum Zeitpunkt der Prüfung möglicherweise nicht habe erkennen können. Dass es ihr erst später möglich gewesen sein solle, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und dazu das psychiatrische Gutachten vom 24. September 2007 vorzulegen, sei sachlich nicht nachvollziehbar. Für das Verwaltungsgericht bestünden darüber hinaus auch Zweifel, ob überhaupt von einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit im Wintersemester 2005/2006 ausgegangen werden könne. Hierauf und damit auch auf eine weitere Beweiserhebung im Sinne der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge komme es aber wegen der nicht rechtzeitig geltend gemachten Prüfungsunfähigkeit nicht an.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

Die Beklagten treten dem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. April 2009 hat keinen Erfolg, da die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

a) Es bestehen keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des klageabweisenden Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin die für den Prüfungstermin 31. Januar 2006 behauptete Prüfungsunfähigkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.

Nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Vorschrift des § 21 Abs. 4 Satz 1 der Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen vom 17. Oktober 2001 (GVBl S. 686 - RaPO a. F. -) mussten die Gründe für den Rücktritt von einer bereits angetretenen Prüfung (§ 21 Abs. 1 RaPO a. F.) dem Prüfungsamt unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden; bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit war ein ärztliches Zeugnis vorzulegen, das auf einer Untersuchung beruhen musste, die grundsätzlich am Tag der versäumten Prüfung erfolgt war (§ 21 Abs. 4 Satz 2 RaPO a. F.). Diese Bestimmungen sind ein Ausdruck des das gesamte Prüfungsverfahren beherrschenden Grundsatzes der Chancengleichheit. Danach muss der nachträgliche Rücktritt von einer Prüfung unverzüglich geltend gemacht werden, wobei an die Unverzüglichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (BVerwG vom 3.1.1994 Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 327 m.w.N.). Ein Prüfungsrücktritt ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Rücktrittserklärung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm zumutbarerweise hätte erwartet werden können (BVerwG vom 7.10.1988 BVerwGE 80, 282/285 f.). Im vorliegenden Fall war diese zeitliche Grenze bei Abgabe der Erklärung bereits überschritten.

Die Klägerin muss sich allerdings nicht entgegenhalten lassen, dass sie es versäumt habe, nach der ärztlichen Feststellung ihrer damaligen Prüfungsunfähigkeit auch unverzüglich die Nichterkennbarkeit dieses persönlichen Zustandes darzulegen und glaubhaft zu machen. Wie das Bundesverwaltungsgericht zu der - mit § 21 Abs. 4 Satz 1 RaPO a. F. vergleichbaren - Vorschrift des § 18 ÄApprO (a. F.) ausgeführt hat, erstreckt sich die prüfungsrechtliche Verpflichtung zur unverzüglichen Erklärung des Rücktritts und zur Mitteilung der Rücktrittsgründe nicht auch auf die Gründe, derentwegen der Rücktritt erst nach Prüfungsende erklärt werden konnte (BVerwG vom 22.10.1982 BVerwGE 66, 213/214 ff.). Der Prüfling muss daher der Prüfungsbehörde nicht bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt unaufgefordert mitteilen, warum er seine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit zunächst nicht erkannt hat (BVerwG a.a.O.).

Unabhängig davon hat aber die Klägerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, schon die erforderliche Rücktrittserklärung verspätet abgegeben. Nach Zugang des Bescheids vom 26. Juni 2006 über das Nichtbestehen der zweiten Wiederholungsprüfung hätte sich die Klägerin, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt ihre vorangegangene Prüfungsunfähigkeit noch immer nicht selbst erkennen konnte, in Anbetracht der laufenden Widerspruchsfrist zumindest umgehend mit der Frage beschäftigen müssen, ob das negative Prüfungsergebnis auf von ihr nicht zu vertretenden, insbesondere gesundheitlichen Gründen beruhen konnte, so dass ein nachträglicher Rücktritt in Betracht kam. Dieser Obliegenheit zur unverzüglichen Aufklärung der in ihrer Sphäre liegenden Ursachen des Misserfolgs ist sie jedoch ersichtlich ohne zwingenden Grund nicht nachgekommen. Sie hat zwar mit Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten vom 19. Juli 2006 "zunächst zur Fristwahrung" Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Juni 2006 eingelegt. Es bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie in den Wochen davor oder danach zumindest versucht hätte, sich etwa durch Vorstellung bei einem Arzt näheren Aufschluss über mögliche medizinische Ursachen des negativen Prüfungsergebnisses zu verschaffen. Erst mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 14. September 2006 - also etwa acht Wochen nach Widerspruchseinlegung - hat die Klägerin erklären lassen, sie vertrete die Auffassung, dass sie aus privaten und gesundheitlichen Gründen die Prüfung nicht ordnungsgemäß habe ablegen können. Auch wenn darin eine (konkludente) Rücktrittserklärung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit lag, so war diese Erklärung jedenfalls nicht "unverzüglich" abgegeben, da nicht ersichtlich ist, welche objektiven Umstände die Klägerin an einer wesentlich früheren Geltendmachung des Rücktrittsgrundes gehindert haben könnten. Auch die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Gutachten enthalten hierzu keinerlei Hinweise.

Entgegen der in § 21 Abs. 4 Sätze 1 und 2 RaPO (a. F.) niedergelegten Verpflichtung hat es die Klägerin überdies versäumt, die angezeigten Rücktrittsgründe unverzüglich durch ein ärztliches Zeugnis glaubhaft zu machen. Aus dem (verspäteten) Rücktrittsschreiben ihres Bevollmächtigten vom 14. September 2006 geht hervor, dass bis dahin keine Bemühungen um medizinische Klärung erfolgt waren, sondern dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nur beabsichtigte, den geltend gemachten Sachverhalt durch ein ärztliches Gutachten zu dokumentieren. Tatsächlich hat sie sich erst eine weitere Woche später, am 26. September 2006, zur vertrauensärztlichen Untersuchung vorgestellt und das am 29. September 2006 ausgestellte Attest erst mit Telefax ihres Bevollmächtigten vom 10. Oktober 2006 und damit mehr als ein Vierteljahr nach Erhalt des Prüfungsbescheids an die Hochschule übermittelt. Zwingende Gründe dafür, weshalb ihr die genauere Aufklärung und Glaubhaftmachung der geltend gemachten Rücktrittsgründe zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein könnten, sind weder von ihr selbst vorgetragen worden noch aus den Umständen ersichtlich. Da ein Prüfling auch diesbezüglich die materielle Beweislast trägt (vgl. BVerwG vom 7.10.1988 BVerwGE 80, 282/289), muss hier von einer nicht mehr "unverzüglichen" Vorlage des ärztlichen Attestes ausgegangen werden.

Angesichts der verspäteten Geltendmachung und Glaubhaftmachung des Rücktrittsgrundes bedarf die Frage, ob die der Klägerin im Nachhinein attestierte jahrelange Prüfungsunfähigkeit angesichts der übrigen Umstände tatsächlich als nachgewiesen angesehen werden kann, keiner weiteren Klärung. Es kommt dementsprechend auch nicht darauf an, dass es sich bei einer - laut dem psychiatrischen Gutachten vom 24. September 2007 - schon seit 2003 bestehenden latenten Prüfungsunfähigkeit nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Maßstäben um ein sog. Dauerleiden handeln würde, das als persönlichkeitsbedingtes Merkmal im Unterschied zu sonstigen krankheitsbedingten Leistungsminderungen die normale Leistungsfähigkeit des Prüflings bestimmt und daher in das Prüfungsergebnis miteinfließen muss (vgl. BVerwG vom 13.12.1985 NVwZ 1986, 377 f. m.w.N.).

b) Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Ablehnung der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Beweisanträge, die jeweils den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der zweiten Wiederholungsprüfung betrafen, ist rechtlich nicht zu beanstanden, da es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen aus den angeführten Gründen nicht ankam.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG i. V. m. Nr. 18.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004.

Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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