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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 8 A 02.40063
Rechtsgebiete: VwGO, GKG, BayVwVfG


Vorschriften:

VwGO § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8
VwGO § 48 Abs. 1 Satz 2
GKG § 17 a Abs. 2 Satz 1
BayVwVfG Art. 49
BayVwVfG Art. 51
Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet nicht in erstinstanzlicher Zuständigkeit über Klagen auf Widerruf von fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen oder Plangenehmigungen.
8 A 02.40063

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Planfeststellung A 7 (Nesselwang-Füssen)

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder

ohne mündliche Verhandlung am 30. Oktober 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg.

II. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen den Neubau der Bundesautobahn (BAB) A 7 auf der Teilstrecke Nesselwang/Seeg bis zur Bundesgrenze bei Füssen. Mit ihrer Klage begehren sie einerseits die Aufhebung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses (PFB) der Regierung von Schwaben vom 25. April 2002, mit dem über Vorbehalte aus dem PFB vom 19. Mai 1993 entschieden wurde. Andererseits fordern sie die Verpflichtung des Beklagten, das Planfeststellungsverfahren für die BAB A 7 insoweit wieder aufzugreifen, als durch den bestandskräftigen PFB vom 14. März 1985 in der Fassung der Beschlüsse vom 19. Mai 1993 und 31. Januar 1995 eine Enteignung der Grundstücke FlNrn. 642 und 645 der Gemarkung E*********** ermöglicht wird, hilfsweise die genannten Planfeststellungsbeschlüsse insoweit zu widerrufen. Die Regierung von Schwaben hat ihre diesbezüglichen Anträge mit Bescheid vom 23. August 2002 abgelehnt bzw. zurückgewiesen. Der Beklagte spricht sich insoweit für eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht aus, während die Kläger dem widersprechen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2002 das Verfahren, soweit die Kläger die Aufhebung des PFB vom 25. April 2002 begehren, abgetrennt und unter dem Az. 8 A 02.40094 gesondert fortgeführt.

II.

Nach § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Rechtsstreit von Amts wegen an das gemäß § 52 Nr. 1 VwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht Augsburg zu verweisen, weil keine erstinstanzliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO vorliegt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist sachlich (funktionell) unzuständig.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen betreffen. Dies gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Der Zweck dieser Zuständigkeitsvorschrift besteht darin, durch eine Verkürzung des Verwaltungsgerichtsverfahrens auf eine Tatsacheninstanz den Neubau und Ausbau der Verkehrswege zu beschleunigen. Dieser Gesetzeszweck verlangt eine weite Auslegung der Vorschrift dahin, dass sie alle Verwaltungsstreitsachen erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO haben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgehen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens dienen oder einen Ausschnitt der in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösenden Probleme darstellen, oder wenn darum gestritten wird, ob bestimmten Baumaßnahmen an dem Verkehrsweg ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren hätte vorausgehen müssen (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 48 RdNr. 1 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 48 RdNr. 2; BVerwG vom 18.5.2000 NVwZ 2000, 1168 zu § 5 Abs. 1 VerkBPG). Dieser unmittelbare Bezug zu einem konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren ist im Fall des ergänzenden PFB der Regierung von Schwaben vom 25. April 2002 noch gegeben. Dieser dient der Ausfüllung eines Vorbehalts gemäß Art. 74 Abs. 3 BayVwVfG aus dem vorhergehenden PFB vom 19. Mai 1993. Das Planvorhaben steht im hier betroffenen Teilabschnitt noch vor seiner Verwirklichung. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der ergänzende PFB die Zulassungsentscheidung für den Bau der Straße selbst enthält. Denn entscheidend ist, dass durch den PFB vom 25. April 2002 ein weiterer und wohl letzter Schritt zur Verwirklichung des Planvorhabens getan wird. Es entspricht daher dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Beschleunigungsgedanken, insoweit die Zuständigkeit beim Verwaltungsgerichtshof anzunehmen (vgl. BayVGH vom 30.7.2002 - 8 AS 02.40062).

Demgegenüber fehlt der unmittelbare Bezug zu einem konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für ein Vorhaben nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO, soweit die Kläger begehren, den PFB vom 14. März 1985 in der Fassung der Beschlüsse vom 19. Mai 1993 und 31. Januar 1995 wieder aufzugreifen bzw. die genannten Planfeststellungsbeschlüsse zu widerrufen. Die Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG, dessen Anwendbarkeit bereits durch Art. 72 Abs. 1 Hs. 2 BayVwVfG ausgeschlossen wird, oder einen Widerruf der genannten Planfeststellungsbeschlüsse nach Art. 49 BayVwVfG ergeht nicht in Form eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung, sondern durch einfachen Bescheid. Dies versteht sich hinsichtlich der Vorschrift des Art. 51 BayVwVfG von selbst, da über eine Anwendung dieser Vorschrift die Planfeststellungsbehörde durch einen Dritten gerade nicht in ein erneutes Planfeststellungsverfahren gezwungen werden soll (vgl. BVerwGE 105, 6/13). Entsprechendes gilt für die Entscheidung über den beantragten Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach Art. 49 BayVwVfG. Denn anders als bei wesentlichen Änderungen eines Planfeststellungsbeschlusses geht es bei der Entscheidung über seinen Widerruf nicht um eine planerisch-gestaltende Aufgabe, sondern um die Rückführung auf den ursprünglichen, vorplanerischen Rechtszustand, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG gegeben sind (vgl. BVerwGE 105, 6/11). Insoweit ist eine noch weitere Auslegung der Zuständigkeitsregelung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und Satz 2 VwGO nicht geboten. Denn es stehen hier nicht nachfolgende Schritte zur Ermöglichung des Planvorhabens inmitten, sondern es sollen bereits bestandskräftige Teile einer Planfeststellung wieder in Frage gestellt werden. Für derartige Verfahren besteht ersichtlich kein Bedürfnis für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VGH BW vom 13.9.1993 NVwZ 1995, 179/180; Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 1997, § 48 RdNr. 9 - S. 6; Kopp/Schenke, a.a.O., § 48 RdNr. 3; a.A. noch 11. Aufl.; Eyermann/Jörg Schmidt, a.a.O., § 48 RdNr. 4; VGH BW vom 12.9.1996 NVwZ-RR 1997, 682).

Eine andere Sichtweise drängt sich auch nicht deshalb auf, weil es in beiden Verfahren teilweise um denselben Sachverhalt geht. Denn im Verfahren um den ergänzenden PFB vom 25. April 2002 müssen die Kläger nicht zunächst die restriktiven Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG überwinden. Dagegen stehen in Bezug auf diesen andere Probleme inmitten (vgl. BayVGH vom 30.7.2002 a.a.O.), die sich in dieser Weise beim Angriff der Kläger auf die Beschlüsse vom 14. März 1985, 19. Mai 1993 und 31. Januar 1995 nicht stellen. Durchgreifende Gesichtspunkte für die erstinstanzliche Befassung des Verwaltungsgerichtshofs auch mit dem zweiten Rechtsschutzbegehren der Kläger sind daher nicht ersichtlich.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 17b Abs. 2 GVG.

Ende der Entscheidung

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