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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 8 B 05.1356
Rechtsgebiete: GG, BV, BayStrWG, BayBO, BauNVO, BGB


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BV Art. 160 Abs. 1
BayStrWG Art. 9 Abs. 1
BayStrWG Art. 9 Abs. 2
BayStrWG Art. 10 Abs. 1
BayStrWG Art. 17
BayBO Art. 4 Abs. 1 Nr. 2
BauNVO § 12
BGB § 670
BGB § 917
1. Im Bayerischen Straßen- und Wegerecht existiert auch weiterhin das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs als eine Form eines gesteigerten Gemeingebrauchs (Abgrenzung zu BVerwG vom 11.5.1999 NVwZ 1999, 1341).

2. Der Anliegergebrauch ist ein Rechtsinstitut des einfachen Rechts, das in der Rechtsordnung als bestehend vorausgesetzt wird.

3. Vor Einschränkungen oder Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeiten für ein innerörtliches Grundstück schützt der Anliegergebrauch regelmäßig nicht.

4. Zu einem Anspruch auf Gehsteigabsenkung vor einer Grundstückszufahrt, wenn die Zufahrten von Nachbargrundstücken ebenfalls abgesenkt sind (Selbstbindung der Verwaltung).


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

8 B 05.1356

Verkündet am 15. März 2006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anspruch auf Änderung einer Grundstückszufahrt;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Graf zu Pappenheim

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2005 verurteilt, nach ihrer Wahl entweder einer Gehsteigabsenkung durch die Klägerin auf der vollen Länge des Grundstücks Fl.Nr. 853/6 der Gemarkung G****** zuzustimmen oder die Gehsteigabsenkung gegen Kostenersatz durch die Klägerin herzustellen oder herstellen zu lassen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Absenkung von Randsteinen des Bürgersteigs an der A******straße in G****** vor dem Grundstück Fl.Nr. 853/6 der Gemarkung G******.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 853/1 der Gemarkung G******, das mit einem Wohnhaus mit Ferienwohnungen bebaut ist und über eine Zufahrt zur A******straße (Ortsstraße) verfügt. Aus dem Grundstück Fl.Nr. 853/1 ließ die Klägerin eine Teilfläche von 26 m² herausmessen; aus ihr wurde das Grundstück Fl.Nr. 853/6 gebildet. Dieses Grundstück, das mit Verbundsteinpflaster belegt ist, Raum für zwei Pkw-Stellplätze aufweist, von der Fl.Nr. 853/1 durch einen Jägerzaun abgetrennt ist und unmittelbar an die A******straße anliegt, verkaufte die Klägerin sodann durch notariellen Kaufvertrag vom 24. Oktober 2003 an eine Frau ***** ******. Im Kaufvertrag (Ziff. V. lit. b)) ist vereinbart, dass die Klägerin die Zufahrtsfrage von der A******straße zur Fl.Nr. 853/6 selbst klärt; falls dies (bis 30.6.2004) nicht gelingt, sind beide Vertragsparteien berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. An dem westlichen der beiden Stellplätze auf der Fl.Nr. 853/6 ließ sich die Klägerin eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten ihres Grundstücks Fl.Nr. 853/1 bestellen, nach der ausschließlich sie diesen Stellplatz nutzen darf. Hinsichtlich des östlichen Stellplatzes vereinbarten die Vertragsparteien schuldrechtlich, dass beide je nach Bedarf zu einer Nutzung als Stellplatz berechtigt sein sollen. Die Klägerin führt derzeit ferner einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit mit dem Freistaat Bayern, in dem es um die Genehmigung einer weiteren Wohnung im Dachgeschoss ihres Anwesens auf der Fl.Nr. 853/1 geht. Im Flächennutzungsplan der Beklagten ist der Bereich als allgemeines Wohngebiet dargestellt; er ist unbeplant.

Einen Antrag der Klägerin vom 8. März 2004, die Randsteine des Bürgersteigs im Bereich des neu gebildeten Grundstücks Fl.Nr. 853/6 für eine ungehinderte Zufahrt abzusenken, lehnte die Beklagte ab. § 15 Abs. 3 ihrer Gestaltungssatzung sehe pro Baugrundstück nur eine Zufahrt vor, die bereits vorhanden sei. Die beiden Buchgrundstücke Fl.Nr. 853/1 und 853/6 bildeten ein Baugrundstück (Gemeinderatsbeschlüsse vom 15.3. und 28.4.2004).

Die daraufhin erhobene Klage, entsprechend ihrem Antrag der Schaffung einer Zufahrt zum Grundstück Fl.Nr. 853/6 und der Absenkung der Randsteine des Bürgersteigs zuzustimmen, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. April 2005 abgewiesen. Das Grundstück Fl.Nr. 853/1 verfüge bereits über eine ausreichend breite Zufahrt, so dass die Absenkung nicht erforderlich sei. Die Teilung des Grundstücks Fl.Nr. 853/1 sei allein zum Zwecke der Anlage von zwei weiteren Stellplätzen erfolgt. Beide Grundstücke - Fl.Nr. 853/1 und 853/6 - würden als wirtschaftliche Einheit genutzt. Auch wenn zu Gunsten der Erwerberin eine Auflassungsvormerkung eingetragen sei, sei das Grundstückseigentum noch nicht übergegangen.

Mit ihrer zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Ein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin sei wegen der Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag, wonach dieser die Klärung der Zufahrtsfrage zukomme, zu bejahen. Entscheidend seien nicht die Motive beim Eigentumserwerb, sondern ausschließlich das Bestehen des dinglichen Anwartschaftsrechts. Für den zu Gunsten der Klägerin durch Grunddienstbarkeit gesicherten Stellplatz erhalte die Käuferin eine monatliche Stellplatzmiete, der mit dem Kaufvertrag verrechnet werde. Die dingliche Sicherung eines Stellplatzes auf einem Nachbargrundstück stelle einen typischen Lebenssachverhalt dar und berechtige nicht zum Schluss, es liege eine wirtschaftliche Einheit vor. Der Käuferin verbleibe für die Nutzung des Grundstücks eine eigenständige sinnvolle wirtschaftliche Nutzung. Wie auch durch die vorgelegten Fotos dokumentiert werde, könne die Fl.Nr. 853/6 von der Fl.Nr. 853/1 wegen der bestehenden Abtrennung nicht angefahren werden; vielmehr müsse die Zufahrt über die öffentliche Straße erfolgen. Da das Herausfahren an ein Grundstück zum Anliegergebrauch gehöre, bestehe vorliegend auch für die Fl.Nr. 853/6 dieser Anspruch. Dies ergebe sich auch aus Art. 17 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG). Der Anwendung der Vorschrift der Gestaltungssatzung der Beklagten (§ 15 Nr. 3), die die Schaffung einer weiteren Zufahrt auf dem "Baugrundstück" nicht zulasse, stehe entgegen, dass es sich vorliegend um zwei zivilrechtlich unabhängige Grundstücke handle. Unbeschadet dessen bestünden erhebliche rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der Gestaltungssatzung, insbesondere an der Vereinbarkeit mit der Ermächtigungsnorm. § 14 der Gestaltungssatzung über die Stellplatzregelung sei nichtig. Nach alldem bestehe ein Anspruch gegen die Beklagte, der Absenkung der Randsteine zuzustimmen oder die Absenkung selbst herzustellen oder herstellen zu lassen und der Klägerin insoweit die Kosten aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 12. April 2005 zu verpflichten, nach ihrer Wahl eine Gehwegabsenkung zum Grundstück Fl.Nr. 853/6 an der A******straße zuzustimmen oder diese auf Kosten der Klägerin selbst herzustellen bzw. herstellen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Erstgerichts sei nicht zu beanstanden. Der Klägerin gehe es lediglich darum, ihr Bauvorhaben auf der Fl.Nr. 853/1 zu realisieren. § 15 Nr. 3 der Gestaltungssatzung stehe der Anlage der weiteren Zufahrt entgegen, zumal sich beide Grundstücke in ihrem Eigentum befänden. Der Anliegergebrauch gewähre nur ein Anfahrtsrecht, nicht aber ein Recht auf Zufahrt auf das Grundstück. Die Bordsteinabsenkung sei überdies der Straßenbaulast zuzurechnen, die die Beklagte im öffentlichen, nicht aber im Interesse der Klägerin erfülle. Deshalb verfüge die Klägerin insoweit über keine Anspruchsposition. Der geltend gemachte Anspruch verstoße außerdem gegen § 14 Nr. 2 Satz 2 und § 15 Nr. 3 der Gestaltungssatzung, wonach pro Baugrundstück nur fünf Stellplätze und eine Zufahrt zugelassen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. März 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte nach ihrer Wahl entweder einer Gehsteigabsenkung durch die Klägerin auf der vollen Länge des Grundstücks Fl.Nr. 853/6 der Gemarkung G****** zustimmt oder diese Absenkung gegen Kostenersatz durch die Klägerin herstellt oder herstellen lässt. Die entsprechende Leistungsklage der Klägerin ist begründet. Das entgegenstehende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. April 2006 ist deshalb abzuändern.

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist der so genannte Anliegergebrauch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV. Der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 853/6 hat Anspruch auf Absenkung des durch Randsteine eingefassten Gehsteigs in dem Bereich der auf dem Grundstück angelegten beiden Parkplätze, weil dies eine angemessene Nutzung seines Grundstücks darstellt, die die Beklagte den benachbarten Grundstückseigentümern in gleicher Weise gewährt.

1. Die Klägerin ist berechtigt, den Anspruch im eigenen Namen zu verfolgen, obwohl sie das Grundstück Fl.Nr. 853/6 an eine dritte Person verkauft hat. Nach Ziff. V.5 lit. b des notariellen Kaufvertrags vom 24. Oktober 2003 ist die Klägerin als Veräußerin ermächtigt, einen Genehmigungsnachweis für eine Ausfahrt vom Vertragsobjekt auf die öffentliche Straße selbst zu erbringen. Damit ist sie jedenfalls auf Grund einer Ermächtigung der Erwerberin berechtigt, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen (sog. gewillkürte Prozessstandschaft) und insoweit prozessführungsbefugt, ohne dass es noch auf den Stand der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch ankäme (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 24 zu Vorb § 40). Hinsichtlich der einen Stellfläche, für die zu Gunsten ihres Grundstücks Fl.Nr. 853/1 eine Grunddienstbarkeit bestellt wurde, ist sie überdies aus eigenem Recht prozessführungsbefugt.

2. Die Beklagte ist nicht berechtigt, der Klägerin eine - räumlich möglicherweise zum Teil vertretbare - wirtschaftliche Einheit der Grundstücke Fl.Nrn. 853/6 und 853/1 entgegenzuhalten. Es gilt vielmehr der Buchgrundstückbegriff.

Die "Satzung über besondere Anforderungen an bauliche Anlagen, Gärten und Einfriedungen in der Gemeinde G******" - Gestaltungssatzung - vom 10. März 2000, auf die sich die Beklagte beruft, ist materiell-rechtlich auf die Ermächtungsnorm des Art. 91 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) gestützt. Es handelt sich damit um eine der Materie des öffentlichen Baurechts zuzurechnende Satzung ("örtliche Bauvorschrift"). Im öffentlichen Baurecht gilt, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, der Buchgrundstücksbegriff des Bürgerlichen Rechts (vgl. etwa Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, Stand: 1. September 2005, RdNr. 49 zu § 9). Abweichende Bestimmungen vermag der Senat in der Gestaltungssatzung nicht zu erkennen. Insbesondere ist im Zusammenhang der Vorschriften der §§ 14 und 15 der Satzung, in denen der Begriff des "Baugrundstücks" verwendet wird, nicht ersichtlich, dass - etwa abweichend von Art. 4, Art. 5 oder Art. 6 BayBO - der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, nach ihrem Ermessen auch eine wirtschaftliche Einheit mehrerer Buchgrundstücke als Baugrundstück anzusehen. Ob insoweit das erforderliche Mindestmaß an rechtlicher Zusammengehörigkeit vorliegen würde, braucht daher nicht untersucht zu werden (vgl. auch OVG Münster vom 25.1.2005 NVwZ-RR 2006, 63/64).

Ebenso regelt das Bayerische Straßen- und Wegegesetz in seiner Vorschrift über Straßenanlieger (Art. 17) im Ausgangspunkt die Rechtsverhältnisse all derjenigen Buchgrundstücke, die an eine öffentliche Straße angrenzen. Dass darüber hinaus auch andere Grundstücke (z.B. Hinterliegergrundstücke) unter Umständen Anliegergrundstücke sein können (vgl. dazu Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand: 1. Februar 2005, RdNr. 2 zu Art. 17), ist hier ohne Belang. Dass im Rahmen der Rechtsverhältnisse aus Art. 17 BayStrWG - ohne oder gegen den Willen eines anliegenden Grundstückseigentümers - auf wirtschaftliche Einheiten abgestellt werden dürfte, erschließt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung.

Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht nicht weiter untersucht zu werden, ob vorliegend der Buchgrundstückbegriff der Gestaltungssatzung der Beklagten oder Art. 17 BayStrWG zu entnehmen ist.

3. Dem Anspruch der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, dass die bauliche Nutzung des Grundstücks Fl.Nr. 853/6, für das die Gehsteigabsenkung begehrt wird, offensichtlich unzulässig wäre. Der vorliegende Fall ist für die Entscheidung über eine solche baurechtliche Vorfrage denkbar ungeeignet. Damit kann der Klägerin ein Sachbescheidungsinteresse nicht abgesprochen werden.

Wie auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, liegen die Grundstücke Fl.Nrn. 853/1 und 853/6 in einem im Zusammenhang bebauten Gebiet, für das kein qualifizierter Bebauungsplan existiert und das nach der Umgebungsbebauung einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 der Baunutzungsordnung - BauNVO -) entspricht; so ist es im Übrigen auch im Flächennutzungsplan dargestellt. In einem solchen unbeplanten Innenbereich ist die Zulässigkeit von Vorhaben wie hier der Nutzung der Fl.Nr. 853/6 als selbstständiges Stellplatzgrundstück nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB i.V.m. §§ 4, 12 BauNVO zu beurteilen. Nach § 12 Abs. 1 BauNVO sind Stellplätze und Garagen in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus § 12 Abs. 2 bis 6 BauNVO nichts anderes ergibt. § 12 Abs. 2 BauNVO bestimmt hierzu, dass u.a. in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Nutzung eines Grundstücks ausschließlich als Garagengrundstück zulässig sein, wenn der Nutzungsumfang den durch § 12 Abs. 2 BauNVO gezogenen Rahmen nicht übersteigt (vgl. BVerwG vom 24.3.1993 Buchholz 406.12 § 12 BauNVO Nr. 5). Hierfür sind die Rechtsbeziehungen des Eigentümers des Garagengrundstücks zu den Nutzern der Garagen nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. BVerwG vom 24.3.1993 a.a.O.). Maßgeblich ist letztlich, ob die Nutzung der Stellplatzanlage noch dem Stellplatzbedarf des fraglichen Gebiets entspricht und ob die Stellplätze den unmittelbaren Anliegern in ihrer Nähe zumutbar sind (vgl. OVG Münster vom 18.5.2000 NVwZ-RR 2001, 646/647 f.). Bei einer Anlage mit zwei Stellplätzen wie hier dürften insoweit keine größeren Probleme aufgeworfen sein. Jedenfalls ist die Anlage danach nicht evident unzulässig. Für entsprechende bauordnungsrechtliche Anforderungen auf Grund von Art. 52 BayBO (insbesondere die Umgebungsverträglichkeit nach dessen Abs. 6) gilt nichts anderes.

Ein Verstoß gegen Vorschriften der Gestaltungssatzung - namentlich gegen § 14 über "Garagen und Stellplätze" und § 15 über "Gärten und Zufahrten" - scheidet bereits deshalb aus, weil das Grundstück Fl.Nr. 853/6 wie dargelegt ein eigenes Baugrundstück im Sinne der Satzung darstellt (siehe oben 2.). Ob die Gestaltungssatzung gültig ist, insbesondere ihrer Ermächtigungsgrundlage (Art. 91 BayBO) entspricht, braucht deshalb nicht erörtert zu werden.

Hinzu kommt, dass ein bauordnungsrechtliches Vorgehen gegen den Stellplatz nach Art. 82 Satz 1 BayBO (Beseitigungsanordnung) oder nach Art. 82 Satz 2 BayBO (Nutzungsuntersagung) im Ermessen der unteren Bauaufsichtsbehörde (Landratsamt) stünde. Bislang ist gegen den Stellplatz offenkundig nicht eingeschritten worden. Die Beklagte selbst vermag mangels Zuständigkeit insoweit nicht einzuschreiten (vgl. Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Art. 61 Abs. 1 BayBO). Solange aber eine materiell jedenfalls nicht evident unzulässige Nutzung von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde auf diese Weise geduldet wird, kann sie nicht wie eine eindeutig materiell illegale Nutzung behandelt werden. Damit darf sie auch bei Folgewirkungen wie hier den Anliegerrechten nicht schlechter gestellt werden als andere entsprechende Nutzungstatbestände von benachbarten Grundstücken. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn in einem baurechtlichen Verfahren bestands- oder rechtskräftig die materielle Illegalität der streitbefangenen baulichen Nutzung festgestellt wäre; das ist indes nicht der Fall.

4. Das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs - jedenfalls was das Bayerische Straßen- und Wegerecht betrifft - ist auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 1999 (NVwZ 1999, 1341) nicht obsolet geworden. Es kann lediglich nicht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden. Es handelt sich aber gleichwohl um eine Rechtsposition, die - über die Regelungen des Art. 17 BayStrWG hinaus - dem Anlieger einer öffentlichen Straße eine besondere Stellung und namentlich dem Grunde nach einen Anspruch auf Zugang zu dieser Straße vermittelt.

a) Dass das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs nicht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden kann, ist auf der Grundlage der so genannten "Nassauskiesungsrechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts selbstverständlich und zwingend. Danach ist es ausgeschlossen, in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und/oder Abs. 3 GG eine Anspruchsgrundlage für prinzipiell mögliche und wirtschaftlich vernünftige Nutzungen des Grundeigentums zu sehen (vgl. BVerfG vom 15.7.1981 BVerfGE 58, 300/335 f.). Vielmehr hat der - einfache - Gesetzgeber festzulegen, welche Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter bestehen, die als Eigentum im Sinne des Grundgesetzes zu verstehen sind (vgl. BVerfG vom 12.6.1979 BVerfGE 52, 1/27 f.; vom 15.7.1981 a.a.O. S. 335 f.; vom 30.11.1988 BVerfGE 79, 174/191 ff.). Dabei handelt es sich um die so genannte Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG vom 12.6.1979 a.a.O. S. 27; vom 30.11.1988 a.a.O. S. 192).

Auch dem Eigentumsbegriff im Sinne der Bayerischen Verfassung (Art. 103, Art. 158, Art. 159 BV) dürfte kein anderes Verständnis zu entnehmen sein (vgl. VerfGH vom 11.5.2004 VerfGH 57, 39/44). Letztlich braucht dies aber nicht vertieft zu werden.

b) Dementsprechend ist das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs aus dem einfachen Recht herzuleiten. In der Rechtsordnung wird dieses Institut als bestehend vorausgesetzt. Dadurch ist zugleich ein Bedürfnis für seine Existenz belegt. Wie weit danach ein Anliegergebrauch gewährleistet ist, richtet sich vor allem nach dem einschlägigen Straßen- und Wegerecht einschließlich seiner Bezüge zu verwandten Rechtsgebieten (vgl. BVerwG vom 11.9.1999 a.a.O. S. 1342; Sauthoff, Straße und Anlieger, NJW-Schriftenreihe, 2003, RdNr. 614). Insoweit handelt es sich um den Regelungsbereich des Nachbarschaftsverhältnisses zwischen Straße und angrenzenden Grundstücken (vgl. BVerwG vom 11.5.1999 a.a.O. S. 1342; BayVGH vom 24.11.2004 NVwZ-RR 2004, 886/887 = BayVBl 2004, 533/534).

aa) Mit der Lage eines Grundstücks an einer öffentlichen Straße werden landläufig Zugangsrechte zur Straße und entsprechende Nutzungsvorteile für das Grundstück als mehr oder minder selbstverständlich verbunden. In Art. 14 ff. BayStrWG kommt eine solche weitreichende Rechtsstellung des Anliegers indes nicht zum Ausdruck. Art. 14 BayStrWG normiert lediglich die Benutzung der Straßen im Rahmen ihrer Widmung - also den Gemeingebrauch -, der jedermann unentgeltlich gestattet ist; spezifische Anliegerrechte sind damit nicht verbunden. Art. 17 BayStrWG, der sich explizit mit dem Straßenanlieger befasst, regelt nur Teilbereiche der Anliegerstellung (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 a.a.O. S. 887 f.). Namentlich legt er fest, welche Rechte der Anlieger gerade nicht hat (insbes. Art. 17 Abs. 1 BayStrWG) und welche Ansprüche ein Anlieger bei einer Änderung von Zufahrten oder Zugängen allenfalls geltend machen kann (wobei es sich überwiegend um Entschädigungsansprüche handelt, vgl. Art. 17 Abs. 2-4 BayStrWG). Art. 17 BayStrWG lässt sich jedoch immerhin als Beleg dafür anführen, dass eine Rechtsstellung des Anliegers als eine Form eines gesteigerten Gemeingebrauches existiert, an die die dort normierten Einschränkungen und Entschädigungsansprüche anknüpfen (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 a.a.O. S. 887). Wenn es diese Rechtsstellung des Anliegers nicht gäbe, bräuchte ihre Einschränkung weder geregelt noch entschädigt zu werden.

bb) Eine zentrale Vorschrift, die die Existenz eines Anliegergebrauchs belegt, ist die Vorschrift über das Notwegerecht in § 917 BGB. Tatbestand für ein Notwegerecht ist nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Die Verbindung zu einem öffentlichen Weg gehört damit wesensmäßig zu denjenigen Faktoren, die für die ordnungsgemäße Nutzbarkeit von Grund und Boden prägend sind. Sie fließt in die Rechtsstellung des Grundstückseigentümers ein, weil davon ausgegangen wird, dass mit dem Zugangsrecht zum öffentlichen Weg wesentliche Schranken für die Erreichbarkeit und Nutzbarkeit des Grundstücks ausgeräumt sind. Ohne diese Verbindung befindet sich das Grundstück in einer "Notlage" (vgl. Säcker in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 2004, Band 6, RdNr. 6 zu § 917).

cc) Eine insoweit nicht weniger bedeutsame Vorschrift findet sich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO. Danach dürfen auf einem Grundstück Gebäude unter anderem nur dann errichtet werden, wenn es in einer angemessenen Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass die Lage an der öffentlichen Verkehrsfläche Zugangsrechte vermittelt und darin die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße bauliche Nutzung liegen.

dd) Aus Art. 160 Abs. 1 BV ergibt sich, dass das Eigentum - unter anderem - an der Allgemeinheit dienenden Verkehrswegen in der Regel Körperschaften oder Genossenschaften des öffentlichen Rechts zustehen soll. Sinn dieses Programmsatzes der Bayerischen Verfassung ist auch, auf diese Weise die allgemeine Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Verkehrswegen frei von privaten Rechten zu gewährleisten. Dies stärkt wiederum die Rechtsstellung des Anliegers.

ee) Auf der anderen Seite ist der Anlieger einer öffentlichen Straße in ein Geflecht von Pflichten eingebettet, die an seine Anliegerstellung anknüpfen. Als besonders wichtige Pflichten sind in diesem Zusammenhang anzuführen seine Zahlungspflichten in Bezug auf Anliegerbeiträge (Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff. BauGB, Ausbaubeiträge nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes -KAG-), Reinigungs-, Räum- und Streupflichten nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG (nach Überbürdung durch eine gemeindliche Rechtsverordnung) oder Pflichten zur Duldung von Grundstücksbepflanzungen durch den Straßenbaulastträger, wenn das Grundstück an eine öffentliche Straße angrenzt, nach Art. 47, Art. 48, Art. 50 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze (AGBGB). Auch der Fall der so genannten Mehrkostenvergütung, in dem der Straßenbaulastträger wegen der Notwendigkeit des aufwendigeren Ausbaus der Straße Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten hat, trifft in erster Linie - wenn auch nicht nur - Straßenanlieger (vgl. dazu im Einzelnen BayVGH vom 23.4.1996 BayVBl 1996, 228). Tieferer Grund, weshalb der Anlieger in solchen Fällen "pflichtig" ist, ist letztlich der Grundsatz der Vorteilsausgleichung; der Anlieger soll als Ausgleich für die Vorteile, die ihm der gesteigerte Gemeingebrauch vermittelt, auch Lasten übernehmen (vgl. VerfGH vom 29.4.1983 VerfGH 36, 56/66 = BayVBl 1983, 494/497 bezüglich der Reinigungspflicht nach Art. 51 Abs. 4 BayStrWG).

ff) Aus all diesen Vorschriften ist herzuleiten, dass der Gesetzgeber die Existenz des Anliegergebrauchs als ein dem Grunde nach bestehendes Recht voraussetzt, von einem Grundstück Zugang auf die anliegende Straße zu nehmen. Zwar dient eine Straße regelmäßig nicht in erster Linie den Anliegern, sondern vornehmlich dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichsten Ausgestaltungen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber auf die Belange der Anlieger in spezifischer Weise Rücksicht zu nehmen, weil dieser Personenkreis in besonderem Maße auf den Gebrauch der Straße angewiesen ist (vgl. Sauthoff a.a.O. RdNr. 614 m.w.N.). Umgekehrt könnte auch eine größere Zahl von Straßen innerhalb einer geschlossenen Ortslage die ihnen zugedachte Funktion nicht erfüllen, wenn es diese Rücksichtnahme auf Anlieger und dementsprechend die Kommunikation zwischen Straße und Anliegergrundstücken verschiedenster Art - etwa Geschäfts-, Wohn- und Gewerbegrundstücken - nicht gäbe. Die Konsequenz kann nur die Anerkennung des Anliegergebrauchs als einfachrechtliches Rechtsinstitut mit einer entsprechenden Anspruchsposition sein.

5. Die Voraussetzungen, unter denen ein Recht auf Anliegergebrauch angenommen werden kann, regelt das Bayerische Straßen- und Wegerecht nicht im Einzelnen. Sie sind jedoch in Rechtsprechung und Literatur weitgehend geklärt. Hierauf kann zurückgegriffen werden.

Im Wesentlichen trägt der gesteigerte, über die Rechtsstellung sonstiger Straßenbenutzer hinausgehende Schutzanspruch der Tatsache Rechnung, dass der Anlieger einer Straße auf den Gemeingebrauch in einer spezifisch gesteigerten Weise angewiesen ist. Der Schutz reicht so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 a.a.O. S. 887; vom 27.10.1998 BayVBl 1999, 561/563). Er wird nur innerhalb der geschlossenen Ortslage gewährt; Zufahrten außerhalb derselben gelten als Sondernutzung (vgl. Art. 19 Abs. 1 BayStrWG). Zu Eingriffen in den Gemeingebrauch, die diesen dauernd ausschließen oder erheblich beeinträchtigen, ermächtigt der Anliegergebrauch nicht (vgl. Sauthoff a.a.O. RdNrn. 613 und 621 m.w.N.).

6. Im vorliegenden Fall trägt der Anliegergebrauch allein den Klageanspruch nicht. Nur im Zusammenwirken mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) kommt der Klägerin auf Grund der Selbstbindung der Verwaltung der geltend gemachte Anspruch zu.

a) Im Ergebnis nicht relevant ist, dass mit der Absenkung der Randsteine einschließlich des angrenzenden Gehsteigbereichs ein Eingriff in die Substanz des Gehsteigs verbunden ist, der Bestandteil der öffentlichen Straße ist (vgl. Art. 2 Nr. 1 lit. b BayStrWG). Der Eingriff als solcher ist im Ergebnis kaum messbar, tangiert den Gemeingebrauch nicht und ist schon deshalb unbedenklich. Soweit die Absenkung eine Straßenbaumaßnahme darstellt und von Beklagtenseite darauf hingewiesen wird, dass auf Baumaßnahmen zur Erfüllung der Straßenbaulast des Art. 9 BayStrWG kein Anspruch besteht (vgl. Zeitler, BayStrWG, RdNr. 4 zu Art. 9), handelt es sich nicht um den richtigen rechtlichen Ansatz. Die Klägerin macht keinen Anspruch aus Art. 9 BayStrWG geltend, sondern aus dem Anliegergebrauch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz.

b) Allerdings sichert der Anliegergebrauch nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Erreichbarkeit eines (Innerorts-)Grundstücks nicht uneingeschränkt, sondern nur in seinem Kern. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht nur so weit, wie eine angemessene Nutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Beispielsweise gehört die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit potenziellen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 a.a.O. S. 887; vom 27.10.1998 a.a.O. S. 563). Der Schutz, den der Anliegergebrauch vermittelt, erstreckt sich daher in aller Regel nur auf den notwendigen Zugang. Vor Einschränkungen oder Erschwernissen bei den Zufahrtsmöglichkeiten etwa auf Grund der besonderen örtlichen Lage des Grundstücks vermag er deshalb keinen Schutz zu gewähren, solange die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann mithin aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs kein Anspruch auf eine optimale Zufahrt zu einem Stellplatz- oder Garagengrundstück oder auf die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zugangs zu einem solchen Grundstück hergeleitet werden (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 a.a.O. S. 887; vom 27.10.1998 a.a.O. S. 563 m.w.N.).

c) Der vorliegende Fall ist jedoch dadurch geprägt, dass - wie die dem Senat übergebenen Fotos des streitbefangenen Straßenbereichs einschließlich seiner innerörtlichen Umgebung belegen - vor Grundstückszufahrten die Randsteine mit dem entsprechenden Gehweganteil durchwegs abgesenkt sind. Nur vor dem Grundstück Fl.Nr. 853/6 fehlt eine solche Absenkung.

Aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) kann sich eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Hat die Verwaltung ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt oder ist sie bei der Auslegung einer Norm einer bestimmten Praxis gefolgt, kann sie davon in einem weiteren Einzelfall ohne besondere sachliche Rechtfertigung nicht abweichen. Aus dieser Selbstbindung folgt regelmäßig eine Bindung an eine ausgeübte Verwaltungspraxis, da davon ausgegangen wird, dass sich die Verwaltung an sie hält. Das gilt namentlich, wenn diese Praxis wie hier im Ansatz in einer gemeindlichen Rechtsvorschrift (Gestaltungssatzung) angelegt ist (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 13.9.1973 BVerwGE 44, 72/74 f.; vom 21.10.1993 NVwZ 1994, 581 f.). Eine Abweichung kommt nur in Betracht, wenn eine wesentliche Besonderheit des Einzelfalls die Abweichung rechtfertigt (vgl. BVerwG vom 13.9.1973 a.a.O. S. 75). Ferner verbietet es sich aus sich heraus, aus dem Gleichheitssatz einen Anspruch auf Fehlerwiederholung (Gleichheit im Unrecht) herzuleiten (vgl. BVerwG vom 21.10.1993 a.a.O. S. 582).

Bereits oben wurde dargelegt, dass die bauliche Nutzung des Grundstücks Fl.Nr. 583/6 als selbstständiges Stellplatzgrundstück jedenfalls nicht evident baurechtswidrig ist und deshalb dem Anspruch auf Gehsteigabsenkung der Gesichtspunkt der Fehlerwiederholung nicht entgegengehalten werden kann. Ebenfalls oben wurde bereits im Einzelnen erläutert, dass für die Beurteilung des Anspruchs auf Gehsteigabsenkung vom Buchgrundstückbegriff auszugehen ist und deshalb das Grundstück Fl.Nr. 583/6 als Baugrundstück im Sinne des § 15 Nr. 3 der gemeindlichen Gestaltungssatzung und im Sinne des Rechtsinstituts des Anliegergebrauchs anzusehen ist. Eine wesentliche Besonderheit, die eine abweichende Behandlung des streitbefangenen Grundstücks rechtfertigte, ist damit nicht ersichtlich. Auch sonstige Differenzierungsgründe - insbesondere aus dem Bereich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs - hat die Beklagte weder geltend gemacht noch sind solche erkennbar. Die Gehsteigabsenkung erweist sich sonach als reine Folgemaßnahme im Verhältnis zu der auf dem streitbefangenen Grundstück zugelassenen baulichen Nutzung.

d) Ob die Beklagte es zulässt, dass die Klägerin die geforderte Gehsteigabsenkung selbst vornimmt und damit selbst in die Substanz der Straße eingreift, steht in ihrem Ermessen als Trägerin der Straßenbaulast (vgl. Art. 9 Abs. 1 und 2, Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG). Da die Beklagte die Verantwortung trägt, dass beim Bau und bei der Änderung von Straßen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden (Art. 10 Abs. 1 BayStrWG), kann sie sich die verlangte Änderung auch selbst vorbehalten. Desgleichen kann sie für eine Änderung durch die Klägerin technische Vorgaben machen.

Wenn die Beklagte die geforderte Absenkung selbst vornimmt, steht ihr in entsprechender Anwendung des Auftragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Kostenerstattungsanspruch zu (§ 670 BGB analog). Desgleichen kann sie in entsprechender Anwendung von § 669 BGB Vorschussleistung verlangen.

Die Klägerin wiederum hat Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte unverzüglich mitteilt, ob sie selbst absenkt oder der Klägerin die Absenkung gestattet. Ohne positive Mitteilung der Gestattung ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1, 2, Art. 10 Abs. 1 BayStrWG nur der Weg über die Absenkung durch die Beklagte in Betracht kommt und gegebenenfalls der Vollstreckung unterliegt.

7. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte - sollte sich in einem baurechtlichen Verfahren die Nutzung der Fl.Nr. 853/6 als selbstständiges Stellplatzgrundstück bestands- oder rechtskräftig als rechtswidrig erweisen - berechtigt wäre, sich gegen die vorliegende Verurteilung mit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 167 Abs. 1 VwGO, § 767 ZPO zur Wehr zu setzen.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. April 2005 für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf je 7.500 Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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