Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 8 BV 05.1918
Rechtsgebiete: GG, BV, BayStrWG, BauGB, KAG, AO, BGB, WEG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
BV Art. 11 Abs. 2
BV Art. 101
BayStrWG Art. 2 Nr. 2
BayStrWG Art. 18 Abs. 1
BayStrWG Art. 18 Abs. 2a
BayStrWG Art. 22
BayStrWG Art. 22a
BauGB § 134 Abs. 1 Satz 4
KAG Art. 2 Abs. 1
KAG Art. 5
KAG Art. 8
KAG Art. 10
KAG Art. 13
AO § 38
AO § 44
AO § 119
AO § 157
AO § 169 Abs. 2 Satz 1
BGB § 905
WEG § 5 Abs. 1
WEG § 5 Abs. 2
1. Im Recht der Sondernutzungsgebühren nach Art. 18 ff. BayStrWG ist die Heranziehung eines einzelnen Wohnungseigentümers als Gesamtschuldner für eine die Wohnanlage betreffende Sondernutzung unzulässig. Gebührenschuldner ist vielmehr im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (Beschluss vom 2.6.2005 - V ZB 32/05) die Gemeinschaft selbst.

2. Eine Satzungsbestimmung, die für nicht gesondert geregelte Sondernutzungstatbestände die entsprechende Anwendung solcher geregelter Tatbestände anordnet, welche den nicht geregelten Tatbeständen am ähnlichsten sind, verstößt gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabeschuld und ist nichtig.

3. Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren setzt nicht voraus, dass für die Sondernutzung eine Erlaubnis erteilt ist.

4. Bei Sondernutzungen für die Inanspruchnahme des Luftraums über öffentlichen Straßen außerhalb des Verkehrsraums (z.B. Balkon) ist die Gebührenschuld grundsätzlich nur nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gebührenschuldners zu bemessen. Dieses darf in entsprechender Anwendung von § 905 BGB nur bis zu der Grenze herangezogen werden, innerhalb der der Träger der Straßenbaulast noch ein Interesse am Ausschluss von Einwirkungen auf den Luftraum über der Straße hat. 5. Zur Anwendung des Grundsatzes der Verwirkung bei Sondernutzungsgebühren.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

8 BV 05.1918

Verkündet am 22. November

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sondernutzungsgebühren;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Graf zu Pappenheim

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2005 wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 1. Juli 2004 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid vom 15. Oktober 2003 über Sondernutzungsgebühren in Höhe von 8.655,67 Euro, die die Beklagte für die Jahre 1999 bis 2003 festgesetzt hat, und über künftige jährliche Sondernutzungsgebühren in Höhe von 1.727 Euro.

Der Kläger ist als Inhaber einer Wohnung Miteigentümer in der Wohnungseigentümergemeinschaft ********straße * und ** in München. Die Wohnanlage wurde mit Bescheid der Beklagten vom 23. April 1964 bauaufsichtlich genehmigt; danach ergingen noch einzelne Tekturgenehmigungen. Die Baugenehmigung selbst enthielt auch eine Befreiung nach Art. 88 der Bayerischen Bauordnung (BayBO, Fassung vom 1.8.1962, GVBl S. 179) "wegen Nichteinhaltung der nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsfläche zur Hofseite, geringfügige Überschreitung der Grundstücksgrenze und Überschreitung der Straßenmitte". Die Wohnanlage besteht aus einem Erdgeschoss, fünf Obergeschossen und einem Dachgeschoss. Sie weist zur Straße hin ein Vordach und fünf mal sechs Balkone auf, d.h. pro Obergeschoss ist für eine Wohnungseinheit ein Balkon zur Straße hin vorhanden. Diese 30 Balkone und das Vordach ragen in den öffentlichen Straßenraum hinein, und zwar die Balkone jeweils 1,2 m und das Vordach 0,4 m. Die Erteilung einer entsprechenden Sondernutzungserlaubnis im zeitlichen Zusammenhang mit der Baugenehmigung wurde offenbar übersehen. Der Kläger selbst ist nur Inhaber einer Wohnung ohne Balkon.

Die Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der **************** ******* (Sondernutzungsgebührensatzung - SGS) vom 5. Juni 1995 (MüABl. S. 104), zuletzt geändert durch Satzung vom 29. Juni 2004 (MüABl. S. 266), lautet auszugsweise:

"§ 4 Höhe der Gebühren

(1) Die Höhe der Gebühren wird bestimmt durch die Verkehrsbedeutung der Straßen, Wege und Plätze, in denen die Sondernutzung ausgeübt wird, durch den wirtschaftlichen Wert für den Benutzer, durch den Umfang, in dem der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann und durch die Dauer der Sondernutzung.

(2) Die Bedeutung der Straßen, Wege und Plätze ergibt sich aus dem der Satzung als Anlage II beigefügten Straßengruppenverzeichnis. Im Verzeichnis nicht aufgeführte Straßen, Wege und Plätze gehören zur Straßengruppe I.

(3) Der in Anspruch genommene Straßenraum wird nach der Größe der beanspruchten Straßenfläche sowie nach der Ausladung und Größe der Sondernutzungsanlagen bestimmt. Unter Ausladung ist dabei die Entfernung der äußersten Teile der Anlagen von der Straßenbegrenzungslinie zu verstehen. Bei ausladenden Sondernutzungen ist unter Größe die größte Fläche zu verstehen, die sich aus den seitlichen Begrenzungslinien ergibt.

(4) Die Gebühren ergeben sich aus dem der Satzung als Anlage I beigefügten Gebührenverzeichnis, wenn sie in diesem Verzeichnis aufgeführt sind. Die jeweilige Straßengruppe ist zu berücksichtigen.

(5) Für Sondernutzungen, die nicht in den Gebührenverzeichnissen aufgeführt sind, werden die Gebühren nach Maßgabe der Abs. 1 und 3 unter Berücksichtigung der jeweiligen Straßenklasse aus dem nach Abs. 2 maßgebenden Straßenklassenverzeichnis und in entsprechender Anwendung des nach Abs. 4 maßgebenden Gebührenverzeichnisses erhoben."

"§ 6 Schuldner

(1) Schuldner der Gebühr ist der Erlaubnisnehmer oder derjenige, der eine Sondernutzung ohne Erlaubnis ausübt. Ist die Sondernutzungserlaubnis mehreren Personen erteilt oder üben mehrere Personen eine Sondernutzung ohne Erlaubnis gemeinsam aus, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Übernimmt jemand eine bereits erlaubte oder unerlaubt ausgeübte Sondernutzung, so haftet er neben dem bisherigen Schuldner gesamtschuldnerisch für Gebührenrückstände."

§ 25 der Verwaltungsanordnung über die Sondernutzungen an den öffentlichen Straßen der **************** ******* vom 19. Februar 1964 lautet:

"§ 25

Bauliche Vorrichtungen an und über Straßen

(1) Für das Anbringen von Vordächern über Straßen, ferner für das Erstellen von Erkern, Balkonen, Vorkragdächern, Sockeln, Stufen, Schächten und ähnlichen in den Straßengrund ragenden Gebäudeteilen ist eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich. Bei Vorkragdächern soll diese Erlaubnis versagt werden, wenn die äußerste Ausladung des Daches näher als 0,75 m an die Randsteinflucht heranreichen und wenn das Dach in einer geringeren Höhe als 2,30 m über der Gehbahn angebracht würde.

(2) Soweit Baugenehmigungen für solche bauliche Vorrichtungen notwendig sind, macht die Lokalbaukommission die Vorlage einer wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis für die Erteilung der Baugenehmigung zur Bedingung. Die Lokalbaukommission setzt das Referat für Tiefbau und Wohnungswesen/Sondernutzungsbüro von allen Baugesuchen in Kenntnis, in denen das Bauvorhaben nach den in Abs. 1 genannten Grundsätzen auch einer Sondernutzungserlaubnis bedarf. Das Referat für Tiefbau und Wohnungswesen/Sondernutzungsbüro wirkt sodann beim Bauwerber auf Stellung eines Antrages auf Erteilung der wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis hin und übermittelt der Lokalbaukommission die ausgefertigte Sondernutzungserlaubnis, welche von der Lokalbaukommission als Beilage zur Baugenehmigung zugestellt wird. Wird die Sondernutzungserlaubnis versagt, so ist die Lokalbaukommission durch das Referat für Tiefbau und Wohnungswesen/Sondernutzungsbüro unverzüglich schriftlich hiervon zu verständigen.

Ist die Baugenehmigung durch die Lokalbaukommission aus Rechtsgründen (z.B. zur Fristwahrung) vor Eingang der Sondernutzungserlaubnis bzw. vor Eingang der Mitteilung über die Versagung der Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, so wird die Baugenehmigung von der Lokalbaukommission unter der Bedingung erteilt, dass nachträglich eine unanfechtbare Sondernutzungserlaubnis beigebracht wird."

Nr. 16 der Anlage I des Gebührenverzeichnisses zur Sondernutzungsgebührensatzung lautet:

"16. Stufen, Lichtschächte und Vordächer:

gebührenfrei bis 15 cm Ausladung

über 15 cm bis 30 cm Ausladung pro laufenden (auch angefangenen) Meter Länge jährlich 6,10 Euro

über 30 cm Ausladung pro laufenden (auch angefangenen) Meter Länge jährlich 12,20 Euro."

Nach Aufdeckung des Umstands, dass keine Sondernutzungsgebühren erhoben worden waren, erließ die Beklagte gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Gebührenbescheid vom 15. Oktober 2001, der vom Verwaltungsgericht wegen nicht hinreichender Bestimmtheit der Adressierung aufgehoben wurde.

Mit Gebührenbescheid vom 15. Oktober 2003 setzte die Beklagte erneut Sondernutzungsgebühren fest, und zwar für die noch nicht verjährten Jahre 1999 bis 2003 in Höhe von insgesamt 8.655,57 Euro. Zugleich setzte sie künftige Zahlungspflichten jeweils zum 15. Januar eines Jahres von 1.727 Euro fest. Der Bescheid ist adressiert an den Kläger "als Gesamtschuldner für die Wohnungseigentümer Brecherspitz ****".

Gegen den Gebührenbescheid ließ der Kläger durch die von ihm bevollmächtigte Verwalterfirma der Wohnungseigentumsanlage Widerspruch einlegen. Diesen Rechtsbehelf wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 als unbegründet zurück. Die Sondernutzungsgebühren seien auf Grund der gültigen Sondernutzungsgebührensatzung angefallen; der Kläger hafte als Gesamtschuldner.

Die danach erhobene Anfechtungsklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Mai 2005 abgewiesen. Der Gebührenbescheid sei hinreichend bestimmt. Der Kläger dürfe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS der Beklagten als Gesamtschuldner der Sondernutzungsgebühren in Anspruch genommen werden. Der Bescheid finde auch sonst in der Sondernutzungsgebührensatzung eine hinreichende Rechtsgrundlage. Die in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Balkone und das Vordach stellten eine Sondernutzung dar. Zwar sei der Gebührentatbestand in der Sondernutzungsgebührensatzung für Vordächer geregelt. Für Balkone finde diese Regelung jedoch entsprechende Anwendung, nachdem § 4 Abs. 5 SGS vorschreibe, dass für Sondernutzungen, die nicht in den Gebührenverzeichnissen aufgeführt seien, Gebühren in entsprechender Anwendung des Gebührenverzeichnisses und unter Berücksichtigung von Straßenklassen erhoben würden. Die Gebührenhöhe sei nicht zu beanstanden. Eine Gebührendegression bei den übereinander angeordneten Balkonen sei nicht geboten. Ein Vertrauen des Klägers, von den Gebühren verschont zu bleiben, bestehe nicht. Das jahrzehntelange Untätigbleiben der Beklagten führe nicht zur Gebührenfreiheit.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

Da die Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der Inanspruchnahme durch die Beklagte rechtsfähig sei, hätte diese und nicht der Kläger als Gesamtschuldner herangezogen werden müssen. § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS sei keine taugliche Rechtsgrundlage. Der Gebührenbescheid sei zu unbestimmt, weil die im Bescheid lediglich als "Balkon" und "Vordach" bezeichnete Position in Anspruch genommen werde. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass für einen Gebührenerhebungszeitraum von fünf Jahren bis 2003 als Begründung "baurechtlich" nicht genehmigte bzw. unerlaubte Sondernutzung angegeben sei. Das angefochtene Urteil verkenne den dem Kläger zustehenden Vertrauensschutz. Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. März 1993 (BayVBl 1993, 370 ff.) sei der Baugenehmigung Konzentrationswirkung zugekommen. Durch den rechtswirksamen Baugenehmigungsbescheid sei damit festgestellt worden, dass keine Sondernutzungserlaubnis für Balkone und Vordach erforderlich gewesen sei. Wegen des Untätigbleibens der Beklagten über mehr als 30 Jahre sei ferner Verwirkung eingetreten. Deshalb habe der Verwalter auch keine entsprechende Klausel über die Zahlungspflicht der Balkoneigentümer für eine Sondernutzungsgebühr in die Teilungserklärung oder die Gemeinschaftsordnung einbringen können. Nunmehr sei es so, dass die Sondernutzungsgebühren alle Wohnungseigentümer trügen, also auch solche, die keinen Balkon besäßen. Bei einer so großen Wohnungseigentümergemeinschaft wie der vorliegenden scheide eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels aus. Das Urteil sei hinsichtlich der Konkretisierung der Ermächtigungsnorm widersprüchlich. Auch eine Gemeingebrauchsbeeinträchtigung durch die Balkone - z.B. durch Abfallen von Schnee und Eis - werde nicht widerspruchsfrei dargelegt. Die Ausführungen des Ersturteils zum Hineinragen der Balkone in den Straßenraum und zur Gebührendegression seien unhaltbar. Sie ließen die Frage unbeantwortet, bis zu welcher Höhe eines Bauwerks das Hineinragen als Sondernutzung beurteilt werden könne. Tatsächlich könne der Luftraum über der Straße nur durch die unterste Balkonreihe beeinträchtigt werden; darüber sei eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht denkbar. Es liege damit ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vor. Durch die Gleichsetzung von Balkonen und Vorbauten beim Abgabetatbestand würde die Gleichbehandlung übereinander liegender Balkone verkannt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Mai 2005, den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2004 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Übersehen des Sondernutzungstatbestands anlässlich der Entscheidung über den Bauantrag gehe wohl darauf zurück, dass die Verwaltungsanordnung vom 19. Februar 1964 bei der Erteilung der Baugenehmigung im April 1964 noch ganz neu gewesen sei. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht entstanden; vielmehr hätten Architekt und Bauherr die einschlägigen Regeln kennen müssen. Die Befreiung wegen geringfügiger Überschreitung der Grundstücksgrenze ersetze die Sondernutzungserlaubnis nicht und hindere auch nicht die Gebührenerhebung. Auch umfasse die Baugenehmigung keine Sondernutzungserlaubnis. Die Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Möglichkeit, einen Eigentümer als Gesamtschuldner heranzuziehen, sei durch Gesetz eingeräumt. Änderungen in der zivilrechtlichen Rechtsprechung seien für die Beurteilung, wer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen sei, nicht relevant, insoweit sei auch auf Art. 5 Abs. 6 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und § 134 Abs. 1 Satz 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) zu verweisen. Der Gebührenbescheid sei hinreichend bestimmt. Wie die Balkone der Anlage unter den Wohnungseigentümern verteilt seien, sei nur privatrechtlich von Bedeutung und spiele für die Beurteilung der Sondernutzung keine Rolle. Die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs sei im Hinblick auf Art. 22 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) für die Gebührenbemessung unerheblich. Da Balkone und Vordächer den Gemeingebrauch an der Straße nur geringfügig beeinträchtigen könnten, sei keine Berücksichtigung einer Straßengruppe notwendig gewesen. Dass in der Sondernutzungsgebührensatzung nur Vordächer, nicht auch Balkone aufgeführt seien, stelle keinen Mangel der Gebührenfestsetzung dar. § 4 Abs. 5 SGS lege fest, dass für nicht im Gebührenverzeichnis enthaltene Sondernutzungen Gebühren nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 und 3 und in entsprechender Anwendung des nach § 4 Abs. 4 maßgebenden Gebührenverzeichnisses erhoben würden. Der Kläger halte auch den Sondernutzungstatbestand und das Sondernutzungsentgelt nicht hinreichend auseinander. Ebenso seien seine Ausführungen zur Notwendigkeit einer Gebührendegression unzutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. November 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten über Sondernutzungsgebühren vom 15. Oktober 2003 in Höhe von 8.655,57 Euro für die Jahre 1999 bis 2003 und über künftige jährliche Zahlungspflichten von 1.727 Euro ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er ist daher aufzuheben. Dasselbe gilt für den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 1. Juli 2004 und das ihn bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Mai 2005. Zwar können im vorliegenden Fall grundsätzlich Sondernutzungsgebühren erhoben werden, aber auf Grund der derzeit bestehenden Satzungsregelung nicht in der vorgenommenen Art und Weise. Insbesondere haftet der Kläger nicht als Gesamtschuldner.

1. Der Tatbestand einer Sondernutzung des Straßenraums ist durch das Hineinragen der insgesamt 30 Balkone und des Vordaches in den Luftraum über der öffentlichen Straße erfüllt.

Allerdings erfüllt diese Nutzung des Luftraums über der Straße (Straßenbestandteil nach Art. 2 Nr. 2 BayStrWG) für straßenfremde Zwecke nicht den Sondernutzungstatbestand nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, weil das Hineinragen in den Luftraum über dem Gehweg einer Straße außerhalb des Verkehrsraums in einer Höhe von 3 m und mehr, wie hier, die Fußgänger und Kraftfahrzeuge nicht mehr behindert, den Gemeingebrauch (Art. 14 Abs. 1 BayStrWG) nicht beeinträchtigt. Vielmehr handelt es sich aus diesem Grund nur um eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht nach Art. 22 Abs. 1 BayStrWG. In Rechtsprechung und Literatur wird das Hineinragen von Vordächern und Balkonen in den Luftraum über der Straße außerhalb des Verkehrsraums als typischer Fall einer Sondernutzung nach bürgerlichem Recht angesehen (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand: 1. Februar 2006, RdNr. 30 zu Art. 22 m.w.N.). Die Beklagte durfte diese materiell bürgerlich-rechtliche Sondernutzung auf Grund der Ermächtigung des Art. 22a Satz 1 BayStrWG indes durch Satzung regeln und einem öffentlich-rechtlichen Regime unterwerfen, das u.a. auch die Ersetzung eines privatrechtlichen (vertraglichen) Entgelts durch einen Gebührenverwaltungsakt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einschließt (vgl. auch BayVGH vom 20.1.2004 BayVBl 2004, 336/337).

Eine Sondernutzungsgebühr ist die Gegenleistung für die Benutzung des öffentlichen Straßenraums. Diese Gebühr fällt deshalb bereits an, wenn der Benutzungstatbestand erfüllt ist und aus der Benutzung des Straßenraums ein Vorteil gezogen werden kann (vgl. BayVGH vom 9.11.1999 BayVBl 2000, 626). Darauf, ob die Sondernutzung von der Straßenbaubehörde auch erlaubt ist, kommt es mithin nicht an (vgl. BVerwG vom 21.10.1970 DVBl 1971, 183). Im Übrigen ist anzumerken, dass im vorliegenden Fall 31 Sondernutzungstatbestände gegeben sind, und zwar für die 30 Balkone und das Vordach. Insoweit sind auch 31 entsprechende Erlaubnisbescheide auszusprechen.

2. § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS, wonach mehrere eine Sondernutzung (mit oder ohne Erlaubnis) gemeinsam ausübende Personen als Gesamtschuldner haften, darf nicht auf Wohnungseigentümer in Wohnungseigentumsanlagen angewandt werden. Etwas anderes gilt nur, soweit eine Gesamtschuldnerschaft mehrerer Personen in Bezug auf ein und dieselbe Wohnung in Frage steht. Der Grund für die Unzulässigkeit der Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS in genanntem Umfang liegt darin, dass diese Regelung nicht von einer Ermächtigungsnorm in den Art. 18 ff. BayStrWG gedeckt ist. Insoweit ist der Inhalt des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS ermächtigungskonform auszulegen. Daneben wäre aber auch der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS nicht erfüllt.

a) Ermächtigungsgrundlage für die Sondernutzungs- und Sondernutzungsgebührensatzungen von Gemeinden sind Art. 18 Abs. 2a und Art. 22a BayStrWG. Soweit es um Sondernutzungsgebührensatzungen geht, ist - obwohl auch die Sondernutzungsgebühren Benutzungsgebühren darstellen - die Ermächtigungsnorm des Art. 8 KAG über Benutzungsgebühren nicht Grundtatbestand. Denn die Benutzungsgebühren nach Art. 8 KAG werden erhoben für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinden oder ihres Eigentums. Straßen, auch wenn sie gemeindliche Straßen sind, sind indes keine öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden. Das heutige Benutzungsregime der Sondernutzung geht nicht auf Art. 21 der Gemeindeordnung (GO) zurück, sondern hat ihre eigenständige wegerechtliche Grundlage in den Art. 18 ff. BayStrWG (vgl. auch Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 27 RdNr. 1; anders noch BayVGH vom 24.12.1924 VGH 25, 93 f. zur Rechtslage nach Art. 40 Abs. 1 des "Gesetzes, die Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des Rheins betr." vom 29.4.1869, Gesetzblatt für das Königreich Bayern S. 865). Ebenso wenig ist das Eigentum am Straßenkörper Ansatzpunkt der Vorschriften über die Sondernutzung, wie sich unmittelbar aus Art. 13 Abs. 1 BayStrWG ergibt. Maßgeblich ist danach allein, ob eine gewidmete öffentliche Verkehrsfläche (vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG) für straßenfremde Zwecke genutzt werden soll.

Das hat zur Folge, dass die Vorschriften über Sondernutzungsgebühren (Art. 18 Abs. 2a, Art. 22a BayStrWG) keine Vorschriften über Abgaben nach dem I. Abschnitt des Kommunalabgabengesetzes im Sinne von Art. 10 Nr. 1 KAG darstellen, sondern Abgaben betreffen, die auf Grund anderer Gesetze erhoben werden (vgl. Art. 10 Nr. 2 KAG). Damit gelten für Sondernutzungsgebühren nur die Art. 10 ff. KAG, nicht aber die Art. 1 bis Art. 9 KAG. Insbesondere gilt damit beispielsweise auch nicht Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG, der die Trennung zwischen Stamm- und Abgabesatzung vorschreibt.

Im Übrigen ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zugleich, dass die Erhebung von Sondernutzungsgebühren (im Volksmund mitunter als sog. "Luftsteuer" bezeichnet) schon lange Zeit vor Inkrafttreten des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes vom 11. Juli 1958 (GVBl S. 147, ber. S. 192 und 316) am 1. September 1958 in der Rechtsordnung vorgesehen war (vgl. BayVGH vom 24.12.1924 a.a.O.).

b) Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gibt den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen. Dieses Recht schließt auch die Befugnis ein, durch Satzungen örtliches Recht zu setzen, das - anders als bei Verordnungen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG oder Art. 55 Nr. 2 Satz 3 BV - nicht auf eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Ermächtigungsnorm zurückzuführen sein muss (vgl. BayVGH vom 20.1.2004 a.a.O. S. 337). Jedoch ist in der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung auch geklärt, dass die kommunale Satzungsgewalt begrenzt ist, wenn kommunale Satzungen Eingriffe in Freiheit und Eigentum vorsehen. Insoweit bedürfen sie einer besonderen Ermächtigungsgrundlage (vgl. BVerfG vom 9.5.1972 BVerfGE 33, 125/157; VerfGH vom 16.10.1969 VerfGH 22, 130/143; vom 15.12.1989 VerfGH 42, 174/181; BayVGH vom 20.1.2004 a.a.O. S. 337).

So ist es auch im vorliegenden Fall hinsichtlich der Heranziehung von Wohnungseigentümern als Gesamtschuldner bei einer Sondernutzung im Rahmen einer Wohnungseigentumsanlage. Die Heranziehung eines einzelnen Wohnungseigentümers als Gesamtschuldner von Sondernutzungsgebühren, die die gesamte Wohnanlage betreffen, hat - namentlich bei größeren Wohnungseigentumseinheiten wie hier -massive und gravierende Eingriffe in sein Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV) zur Folge. Dabei ergeben sich nicht nur rechtliche Verwerfungen daraus, dass der einzelne Wohnungseigentümer hinsichtlich der im Wesentlichen zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Balkone und Vordächer nicht Sondernutzungserlaubnisnehmer sein kann (dazu näher unten e)). Dadurch verlagert die Gemeinde als Satzungsgeberin hinsichtlich des notwendigen internen Ausgleichs zwischen den Wohnungseigentümern insbesondere auch das Risiko der Beitreibung, der mangelnden Zahlungsfähigkeit oder der Insolvenz voll auf den als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen einzelnen Wohnungseigentümer, der in aller Regel auch wirtschaftlich wesentlich schwächer als die entsprechende Gemeinde ist. Im Einzelfall kann dies zu einer erheblichen Belastung führen. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass in der streitbefangenen Wohnungseigentumsanlage eine Reihe von Wohnungen vorhanden ist, die keinen Balkon oder Vordachanteil zur öffentlichen Straße aufweist. Ob solche Wohnungseigentümer im Innenverhältnis für die Sondernutzungsgebühren mit herangezogen werden können, erscheint nicht von vorneherein eindeutig, so dass jedenfalls ein streitanfälliger Sachverhalt vorliegt. Auch dieses Ausgleichsrisiko verlagert die Beklagte in unangemessener Weise auf den Kläger. Den Bundesgesetzgeber haben solche Umstände im Erschließungsbeitragsrecht dazu bewogen, schon durch das Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 18. August 1976 (BGBl I S. 2221) in § 134 Abs. 1 Satz 4 BBauGB eine gesamtschuldnerische Haftung von Wohnungs- und Teileigentümern auszuschließen; dies wurde in § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB unverändert übernommen (vgl. Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. März 2006, RdNr. 7 zu § 134; Driehaus in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2002, Stand Juli 2004, RdNr. 7 zu § 134). Der Bundesrat hatte insoweit im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen, die gesamtschuldnerische Haftung wegen "in letzter Zeit bei der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum aufgetretener Erschwernisse zu beseitigen"; die Bundesregierung und der Bundestag hatten dem Vorschlag zugestimmt (vgl. BT-Drs. 7/2496 S. 81 und 83; BT-Drs. 7/4793 S. 45). Der Landesgesetzgeber hat - dem folgend - im Beitragsrecht des Art. 5 KAG einen inhaltsgleichen Ausschluss einer gesamtschuldnerischen Haftung von Wohnungseigentümern vorgesehen (vgl. Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG i.d.F. des § 5 Nr. 2 lit. b) des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen an die Abgabenordnung - AOAnpG - vom 23.12.1976, GVBl S. 566; dazu Nr. 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 15.4.1977, MABl S. 309). Zwar handelt es sich dabei jeweils um Beitrags-, nicht um Gebührenrecht. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung von Wohnungseigentümern für Sondernutzungsgebühren können jedoch - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - in großstädtischen Wohnungseigentumsanlagen, die häufig und typischerweise eine große Zahl von Wohnungen enthalten, ähnlich wie im Beitragsrecht erhebliche Haftungsbeträge für den einzelnen Wohnungseigentümer von unter Umständen vielen tausend Euro anfallen. Der wiederkehrende Anfall kommt dabei noch verschärfend hinzu. Insoweit steht die typische gesamtschuldnerische Haftung eines Wohnungseigentümers für Sondernutzungsgebühren in den Auswirkungen dem Beitragsrecht der §§ 127 ff. BauGB, Art. 5 KAG deutlich näher als dem typischen Gebührenrecht. Darüber hinaus ergibt sich anders als bei typischen Gebühren, die für den Betrieb einer Anlage anfallen (z.B. Müllgebühren), die Belastung einer Wohnungseigentumsanlage mit Sondernutzungsgebühren der in Rede stehenden Art bereits aus der besonderen, nämlich öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmenden Art der Errichtung. Damit zählen sie zu den Herstellungs-, nicht zu den Betriebskosten der Anlage. Wie etwa bei Erschließungs- oder Herstellungsbeiträgen besteht daher die in § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB, Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG zum Ausdruck kommende Zielrichtung auch hier, zu vermeiden, den potentiellen Erwerber von Wohnungseigentum wegen der die Herstellungskosten erhöhenden öffentlichen Lasten vom Eigentumserwerb abzuschrecken. Die sonst im Gebührenrecht grundsätzlich bestehende Anerkennung der gesamtschuldnerischen Haftung (vgl. etwa BayVGH vom 4.7.2006 Az. 4 ZB 05.2253; vom 26.7.2006 Az. 4 ZB 06.68) erachtet der erkennende Senat daher für das Sondernutzungsgebührenrecht mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte als nicht relevant.

Die sonach gravierenden Folgen einer gesamtschuldnerischen Haftung verlangen es, im Sondernutzungsgebührenrecht die Entscheidung darüber, inwieweit in diesem Zusammenhang in das Freiheitsgrundrecht der Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV eingegriffen werden darf, dem für das Straßen- und Wegerecht zuständigen Landesgesetzgeber zuzuweisen. Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 101 BV gewährleisten dem Einzelnen einen angemessenen Spielraum, sich wirtschaftlich frei zu entfalten; dieser Spielraum ist gegeben, soweit eine Abgabenbelastung verhältnismäßig bleibt. Insoweit schützen Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 101 BV vor der Auferlegung unverhältnismäßiger Abgaben, die insbesondere hinsichtlich des mit ihnen verbundenen Eingriffs außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen (vgl. BVerfG vom 31.5.1988 BVerfGE 78, 232/245 m.w.N.). Letztlich hat damit hier der förmliche Landesgesetzgeber eine Entscheidung im Sinne der so genannten Wesentlichkeitstheorie zu treffen, mit der er die Grenzen des betroffenen Freiheitsgrundrechts der Handlungsfreiheit abzustecken hat (vgl. BVerfG vom 27.11.1990 BVerfGE 83, 13/142, 152). Deshalb muss er die Frage der Zulässigkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung von Wohnungseigentümern in den Art. 18 ff. BayStrWG (entweder nach dem Vorbild der § 134 Abs. 1 Satz 4 BauGB, Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG, oder abweichend - ohne Schutz für Wohnungseigentümer - nach dem Vorbild des Art. 9 Abs. 2 KAG bei Grundstücksanschlüssen) selbst regeln und darf sie nicht den Gemeinden als Satzungsgebern überlassen. Deren Satzungsautonomie verleiht keine Kompetenz zu einer Regelung ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage.

Die Art. 18 ff. BayStrWG enthalten indes keine entsprechende Regelung zur Zulässigkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung. Infolgedessen war die Beklagte durch die Art. 18 ff. BayStrWG nicht zur Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS auf Wohnungseigentümer - mit den eingangs beschriebenen Ausnahmen - befugt.

c) Eine Ermächtigung zum Erlass des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS ergibt sich ferner nicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 44 AO.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt, dass Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuer-(Abgabe-)Verhältnis schulden oder für sie haften oder zusammen zu einer Steuer (Abgabe) zu veranlagen sind, Gesamtschuldner sind. Die Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO ist indes für das Entstehen einer Gesamtschuld nicht konstitutiv. In welchen Fällen eine Gesamtschuld entsteht, richtet sich vielmehr nach den Einzelsteuergesetzen (z.B. gemeinsame Veranlagung von Ehegatten nach Maßgabe des § 26 des Einkommensteuergesetzes - EStG -); diese bestimmen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 43 Satz 1 AO, wer Steuer-(Abgabe-)Schuldner ist (vgl. Brockmeyer in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, RdNr. 4 zu § 44; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, Stand: Lfg. 185 Juni 2005, RdNr. 9 zu § 44). Maßgebliches Einzelsteuergesetz wäre hier § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS. Dieser ist jedoch wie dargelegt bei ermächtigungskonformer Auslegung auf Wohnungseigentümer im beschriebenen Umfang nicht anwendbar. Deshalb scheidet eine Herleitung einer gesamtschuldnerischen Haftung des Klägers aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO aus.

Im Übrigen würde vorliegend für jeden Balkon (etc.) eine andere, also nicht dieselbe Leistung im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 AO geschuldet, weil es sich insoweit jeweils um einen eigenen Sondernutzungstatbestand handelt. Ebenso wenig würden hier die Wohnungseigentümer gemeinsam veranlagt, weil nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061) die Sondernutzung der insoweit rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuzuordnen ist (dazu näher unten e)).

d) Ein abweichendes Ergebnis kann auch nicht aus dem Nichtzulassungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2005 (NJW 2006, 791) hergeleitet werden. Danach hindert die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2061 ff.) die Geltung einer im kommunalen Abgabenrecht statuierten gesamtschuldnerischen Haftung der Wohnungseigentümer für Grundbesitzabgaben (konkret Abfall-, Entwässerungs- und Straßenreinigungsgebühren) nicht. Dem Fall lag nordrheinwestfälisches Kommunalabgabenrecht zu Grunde, das als Landesrecht nicht revisibel ist (vgl. BVerwG vom 11.11.2005 a.a.O. S. 792). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung demgemäß nur ausgesprochen, dass die von den nordrheinwestfälischen Verwaltungsgerichten nach dortigem Landeskommunalabgabenrecht angenommene gesamtschuldnerische Haftung mangels Revisibilität nicht zu beanstanden sei. Das für Sondernutzungsgebühren maßgebliche bayerische Landesrecht der Art. 18 ff. BayStrWG sieht aber eine gesamtschuldnerische Haftung gerade nicht vor, wie vorstehend dargelegt wurde. Die Entscheidung ist deshalb für Fälle der vorliegenden Art nicht relevant.

e) Ein sinnvolles und auch die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen berücksichtigendes Ergebnis kann vorliegend durch die Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft als solcher hergeleitet werden. Dies wird durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2061 ff.) problemlos ermöglicht. Die Beklagte wird dies bei einer Neuveranlagung der Wohnungseigentumsanlage zu beachten haben. Aber auch in Bezug auf den anhängigen Streitfall ist an sich der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS nicht erfüllt; letzteres könnte allerdings der Beklagten wegen der Grundsätze über den maßgeblichen Zeitpunkt bei der Entscheidung über die Anfechtungsklage wohl nur teilweise entgegengehalten werden.

Die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft hat Konsequenzen für das Haftungssystem. Schuldner der Forderung, hier der Abgabeschuld, kann die teilrechtsfähige Gemeinschaft selbst sein (vgl. BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2066). Eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer kommt daneben nicht von Gesetzes wegen, sondern nur dann in Betracht, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (vg. BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2066). Der Bundesgerichtshof hat dabei die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht umfassend anerkannt, sondern auf solche Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2068). Es steht außer Zweifel, dass auch die Abwehr von Abgabeforderungen einer Gemeinde, die an die Lage des Gebäudes der Wohnungseigentumsanlage anknüpfen wie die hier streitigen Sondernutzungsgebühren, dem Bereich zuzuordnen ist, in dem sich die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft konkretisiert. Denn die Sondernutzungsgebührenforderung betrifft - genauso wie die Ausübung der Sondernutzung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst - das Außenverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Beklagten als Straßenbaubehörde. Die konstruktiven Teile der Balkone und des Vordachs wie hier gehören zwingend zum gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht zum Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 des Wohnungseigentumsgesetzes -WEG-; BayObLG vom 30.3.1990 NJW-RR 1990, 784). Der einzelne Wohnungseigentümer könnte deshalb solche Balkone oder Vordächer nicht beseitigen, um sich der Sondernutzungsgebührenpflicht zu entziehen. Die Sondernutzung knüpft mithin an die Eigentümerstellung des Verbands der Wohnungseigentümer, nicht an die Stellung eines einzelnen Wohnungseigentümers als Nutzer eines Balkons (etc.) an. Diese sachenrechtliche Stellung des Verbands - auch das Sondernutzungsrecht ist Teil des Rechts der öffentlichen Sachen - erfordert es, die Sondernutzung und damit auch die Haftung für die Gebühren der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzurechnen. Die Teilnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft am Rechtsverkehr ergibt sich im Übrigen aus den Modalitäten der Errichtung des in ihrem Eigentum stehenden Gebäudes, das - entsprechend dem Bauantrag des Rechtsvorgängers - mit einzelnen Bauteilen über die Grundstücksgrenze in den Luftraum der öffentlichen Straße hineinragt (vgl. auch BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2068).

Damit liegt zugleich kein Sachverhalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS vor, dass mehrere Personen eine Sondernutzung ohne Erlaubnis gemeinsam ausüben würden; vielmehr wird die Sondernutzung allein von der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeübt. Der Kläger wird deshalb auch insoweit zu Unrecht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Allerdings existierte die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beim Erlass des Gebührenbescheids vom 15. Oktober 2003 und auch beim Erlass des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2004 noch nicht. Im Hinblick auf die Grundsätze über den maßgeblichen Zeitpunkt bei der Entscheidung über die Anfechtungsklage braucht sich die Beklagte diese Rechtsprechung für die innerhalb der Verjährungsfrist zurückwirkende Abgabenerhebung wohl nicht entgegenhalten zu lassen. Anderes wird man aber für die Verpflichtung zu künftigen (jährlichen) Leistungen anzunehmen haben. Denn insoweit liegt ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vor (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 27.10.1992 DVBl 1993, 781; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 43 ff. zu § 113 m.w.N.). Da indes die Heranziehung als Gesamtschuldner schon an der mangelnden Ermächtigungskonformität des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGS scheitert, brauchen diese Fragen hier nicht weiter vertieft zu werden.

Die Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft als insoweit rechtsfähiger Verband vereinfacht im Übrigen im Bereich des Verfahrensrechts erheblich die Parteibezeichnung sowie die Zustellung behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen (vgl. BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2064). Die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter (§§ 26, 27 WEG), kann danach Adressat von Verwaltungsakten sein und vor Gericht klagen oder verklagt werden (vgl. BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 265).

Aus diesen Gründen scheidet es im Recht der Sondernutzungen zukünftig auch aus, den praktischen Schwierigkeiten bei der Heranziehung von Wohnungseigentümern zu Gebühren durch Verwaltungsakt oder bei ihrer sonstigen Inanspruchnahme dadurch zu begegnen, dass versucht wird, stattdessen einen einzelnen Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner zu verpflichten (vgl. auch BGH vom 2.6.2005 a.a.O. S. 2064) - wie dies auch vorliegend durch die Heranziehung des Klägers geschehen ist. Soweit dabei die Beklagte durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts im Vorprozess zu dieser Vorgehensweise gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gedrängt worden ist, das die Adressierung des Gebührenbescheids "Wohnungseigentümergemeinschaft ********straße ****, Zustellungsbevollmächtigte die Verwalterfirma ..." mangels ausreichender Schuldnerbezeichnung beanstandet hatte, lässt der erkennende Senat offen, ob diese Auffassung des Verwaltungsgerichts zutreffend ist. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen daran jedenfalls erhebliche Zweifel (vgl. BVerwG vom 25.2.1994 NJW-RR 1995, 73/74, wo die Adressierung "Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße, z.Hd. des Verwalters" bei einem Müllabfuhrgebührenbescheid als ausreichend erachtet wurde). Dem ist aber schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil die Problematik infolge der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft im Falle einer Neuheranziehung der Wohnungseigentümer erledigt ist.

Soweit die Beklagte gegen die Heranziehung der Wohnungseigentümergemeinschaft eingewandt hat, dies führe zu Schwierigkeiten, wenn kein Verwalter bestellt oder der Behörde bekannt gegeben sei, liegt dies erkennbar neben der Sache. Der - ohnedies nicht gerade wahrscheinliche - Fall des Fehlens eines Verwalters ist in § 26 Abs. 3 WEG gesetzlich geregelt (gegebenenfalls Verwalterbestellung durch das Gericht). Im zweiten Fall hat die Behörde entsprechend dem Amtsermittlungsgrundsatz des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG i.V.m. § 88 AO entsprechende Ermittlungen anzustellen.

3. § 4 Abs. 5 SGS, der für nicht in den Gebührenverzeichnissen aufgeführte Sondernutzungen eine Gebührenerhebung in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 1 - 4 SGS vorsieht, ist nichtig. Er verstößt gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabeschuld nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 38 AO, der eine solche Analogie nicht zulässt.

a) Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabeschuld ergibt sich vorliegend nicht aus Art. 2 Abs. 1 KAG, weil diese Vorschrift im ersten Abschnitt des Kommunalabgabengesetzes auf Sondernutzungsgebühren nicht anwendbar ist, nachdem Art. 8 KAG nicht Grundtatbestand für Sondernutzungsgebühren ist (siehe oben 2.a); vgl. auch BayVGH vom 3.4.1998 BayVBl 1999, 308). Diese "Lücke" wird aber durch die Verweisung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG auf § 38 AO geschlossen.

b) Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabeschuld des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 38 AO ist ein elementarer Grundsatz des Steuer- und Abgabenrechts. Er leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und dem darin enthaltenen Gebot hinreichender Bestimmtheit von Gesetzen her. Gesetzliche Tatbestände sind so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können. Für Abgaben gilt dabei als allgemeiner Grundsatz, abgabebegründende Tatbestände müssen so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe - in gewissem Umfang - vorausberechnen kann (st.Rspr. des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfG vom 17.7.2003, BVerfGE 108, 186/234 f. m.w.N.). Dies erfordert eine hinreichend bestimmte Festlegung eines gesetzlichen Tatbestands als Voraussetzung für die Abgabeerhebung. Zwar sind bei der Auslegung von Abgabetatbeständen auch die gängigen Auslegungsregeln anzuwenden. Die Auslegung findet ihre Grenze aber am möglichen Wortsinn der jeweiligen Vorschrift. Die Schaffung neuer Abgabetatbestände durch Analogie ist im Steuer- und Abgabenrecht nicht zulässig (st.Rspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. BFH vom 9.2.1972 BStBl II 1972, 455/457; vom 26.4.1978 BStBl II 1978, 628/630; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenverordnung und Finanzgerichtsordnung, RdNr. 4 zu § 38 AO m.w.N.).

Es liegt auf der Hand, dass damit eine Regelung wie in § 4 Abs. 5 SGS nicht vereinbar ist. Sondernutzungen werden danach auch dann gebührenpflichtig, wenn sie im Gebührenverzeichnis der Sondernutzungsgebührensatzung nicht aufgeführt sind. Aus den Regelungen in § 4 Abs. 1 - 3 SGS, d.h. aus der Verkehrsbedeutung einer Straße, aus dem wirtschaftlichen Wert für den Benutzer sowie aus dem Umfang und der Dauer der Benutzung allein kann ein Abgabepflichtiger eine ihn treffende Abgabepflicht nicht ermitteln, wenn er die gebührenpflichtige Nutzungsart nicht kennt. Insoweit verweist § 4 Abs. 5 SGB jedoch lediglich auf die entsprechende Anwendung des maßgebenden Gebührenverzeichnisses in § 4 Abs. 4 SGS; in der Anlage I zu dieser Vorschrift regelt die Satzung die Gebühr nur für bestimmte Nutzungsarten. Der Abgabepflichtige kann daher nicht mehr sicher voraussehen, ob eine im Gebührenverzeichnis aufgeführte Nutzung des Straßenraums mit einer anderen, von ihm beabsichtigten, aber nicht geregelten Nutzung noch so ähnlich ist, dass die für die geregelte Nutzung geltenden Gebührensätze auch auf seinen Fall Anwendung finden. Dieser Zustand ist mit den letztlich verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheitsanforderungen bei der Festlegung eines gesetzlichen Abgabetatbestands nicht vereinbar. Er führt zur Nichtigkeit des § 4 Abs. 5 SGS, der den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit zu umgehen versucht, aber den erforderlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht Rechnung trägt.

Bei der Neuregelung ihrer Satzung in diesem Punkt wird sich die Beklagte daher darauf zu konzentrieren haben, durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe mehr Rechtssicherheit für den einzelnen Abgabepflichtigen zu schaffen. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe deckt dabei auch den Einsatz von Oberbegriffen oder Gattungsbezeichnungen, gegebenenfalls mit der Konkretisierung durch Regelbeispiele ("insbesondere"), solange die Grenze des möglichen Wortsinns eingehalten ist (vgl. BFH vom 26.4.1978 a.a.O. S. 630). So kann möglicherweise ein Begriff wie "vor die Außenwand vortretende Bauteile" im Einzelfall Vordächer und Balkone erfassen, zumal wenn der Satzungstatbestand auch Regelbeispiele anführt, wie es etwa in Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO der Fall ist. Für einen Abgabepflichtigen nicht vorhersehbar ist indes, dass analog zu einem Vordach nach Anlage I Nr. 16 des Gebührenverzeichnisses zu § 4 Abs. 4 SGS auch ein Balkon gebührenpflichtig sein soll, wenn er als solcher in dem Gebührenverzeichnis nicht aufgeführt ist.

4. Die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten begegnet ferner grundsätzlichen Bedenken, weil sie bei der Inanspruchnahme des Luftraums über der Straße keine Abstufung der Gebühren vornimmt. Allerdings kommt der Beklagten insoweit ein normativer Spielraum zu, so dass in diesem Punkt keine Spruchreife besteht.

a) Nach Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG, der auch im Rahmen des Art. 22a BayStrWG Anwendung findet (vgl. Art. 22a Satz 2 BayStrWG), sind für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Wenn durch eine Sondernutzung nur der Luftraum über der Straße in Anspruch genommen wird, hängen Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch ersichtlich von der Höhe ab, in der die Einwirkung vorgenommen wird (beispielsweise bei so genannten Nasenschildern oder in den Verkehrsraum hineinragenden Kästen verschiedener Art). Deshalb entspricht es grundsätzlich dem Äquivalenzprinzip, die Höhe der Sondernutzungsgebühr bei abnehmender Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch abzustufen und gegebenenfalls zu staffeln (vgl. auch BayVGH vom 9.11.1999 a.a.O. S. 627). Dies braucht im vorliegenden Fall allerdings nicht vertieft zu werden, weil es sich bei den Balkonen und dem Vordach, die den Verkehrsraum nicht beeinträchtigen, um eine materiell bürgerlich-rechtliche Sondernutzung handelt, für die die genannten Gebührenmaßstäbe nur eingeschränkt gelten.

b) aa) Bei einer Sondernutzung nach bürgerlichem Recht setzt schon das Gesetz selbst in Art. 22 Abs. 1 BayStrWG voraus, dass durch die Benutzung der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird. An diesem Umstand ändert sich nichts dadurch, dass eine Gemeinde entsprechend der Ermächtigung des Art. 22a Satz 1 BayStrWG die Sondernutzung öffentlich-rechtlich regelt und anstatt einer vertraglichen Vergütung eine satzungsmäßige Gebühr erhebt. Denn materiell handelt es sich weiterhin um eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht im Sinne des Art. 22 Abs. 1 BayStrWG, die nur in ein öffentlich-rechtliches Gewand gekleidet ist. Daraus folgt, dass insoweit Art und Ausmaß der Einwirkung auf den Gemeingebrauch mit Null anzusetzen sind.

bb) Im Ergebnis nicht anders ist es in Fällen wie hier, in denen nur in den Luftraum, nicht in den Verkehrsraum über der Straße eingegriffen wird, mit dem Tatbestandsmerkmal von Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße. Wegen der Höhe der Einwirkung im Luftraum - deutlich über Fußgängerhöhe - und dem relativ geringen Vorspringen in den Luftraum über der Straße - beim Vordach 0,4 m, bei den Balkonen 1,2 m - ist eine nennenswerte Einwirkung auf die Straße nicht messbar. Allenfalls das Aufstellen von Beleuchtungs- oder Straßenbahnoberleitungsmasten könnte theoretisch behindert werden; solche Masten werden aber üblicherweise nicht in so geringen Abständen zu Außenwänden aufgestellt. Das Anpflanzen von Bäumen in einem geringeren Abstand als 2 m verbietet Art. 47 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch und anderer Gesetze (AGBGB) ohnedies, zumal insoweit der Ausnahmetatbestand des Art. 50 Abs. 1 Satz 2 AGBGB unter dem Einfluss des Gleichheitssatzes rücksichtsvoll ausgelegt werden muss (vgl. BayVGH vom 15.12.2004 NJW 2005, 2569/2571). Damit ist das Tatbestandsmerkmal von Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße in Fällen wie dem vorliegenden ebenfalls mit Null anzusetzen.

cc) Mithin verbleibt bei Sondernutzungen der vorliegenden Art als Gebührenmaßstab des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG nur das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners. Dieses ist grundsätzlich über die gesamte Höhe der Wohnungseigentumsanlage mindestens als gleich anzusetzen, denn die Nutzung des Luftraums über der Straße vermittelt auch in oberen Geschossen eines Gebäudekomplexes einer Wohnanlage wie hier (mindestens) den unveränderten wirtschaftlichen Vorteil der optimalen Ausnutzung von Grund und Boden. Dadurch kann beispielsweise auch auf dem eigenen Grundstück in allen Geschossen mehr Wohnraum untergebracht werden. Nicht unvertretbar erschiene es insoweit sogar, bei weiter oben liegenden Wohnungen von einem höheren wirtschaftlichen Interesse auszugehen; denn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr wird Wohnungen in oberen Stockwerken mitunter ein höherer Verkehrswert (§ 194 BauGB) zugemessen. Dies braucht aber hier nicht vertieft zu werden. Welche allgemeinen Maßstäbe für die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Gebührenschuldners vom Satzungsgeber im Rahmen des Äquivalenzprinzips in Ansatz gebracht werden dürfen, bedarf nach den Umständen des vorliegenden Falles keiner Entscheidung.

Allerdings gibt es auch für das Tatbestandsmerkmal des wirtschaftlichen Interesses des Gebührenschuldners eine Grenze, jenseits der eine Gemeinde bei der Bemessung der Sondernutzungsgebühren nicht mehr darauf zurückgreifen darf. Diese Grenze wird durch § 905 BGB genauso interessenbezogen markiert wie im Zivilrecht. § 905 Satz 2 BGB bestimmt, dass der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse haben kann. Dieser Regelungsinhalt ist auf Sondernutzungen im Luftraum der Straße (Art. 2 Nr. 2 BayStrWG) entsprechend anzuwenden (vgl. BayVGH vom 19.2.1997 FStBay 1997 RdNr. 203 = S. 463/464; Wiget in Zeitler, a.a.O., RdNr. 10 zu Art. 22; vgl. auch BayVGH vom 27.5.1958 BayVBl 1958, 281/283 ff.). Das bedeutet, dass die Gemeinde als Straßenbaubehörde Einwirkungen auf den Luftraum der Straße, die in so großer Höhe vorgenommen werden, dass sie an der Ausschließung kein Interesse haben kann, weder von einer Sondernutzungserlaubnis abhängig machen darf noch dafür Sondernutzungsgebühren erheben kann. Wo diese Grenze genau verläuft, hat die Gemeinde als Normgeber im Rahmen ihres normativen Ermessens zu entscheiden. Anhaltspunkte dafür können die Höhe sein, die Anlagen auf öffentlichen Straßen wie Masten von Straßenlampen, Oberleitungsmasten von Straßenbahnen oder Alleebäume maximal aufweisen. Dabei kann sie auch noch deutliche Sicherheitszuschläge machen, um sich auf der sicheren Seite zu befinden. Wesentlich über dem so ermittelten Höhenmaß wird sich aber ein Interesse einer Gemeinde an der Regelung des Luftraums einer Straße nicht mehr rechtfertigen lassen.

Ob die oberen Geschosse der streitbefangenen Wohnungseigentumsanlage danach noch veranlagt werden dürfen, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Diese Frage ist nicht spruchreif, solange die Beklagte ihr normatives Ermessen nicht ausgeübt hat.

5. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 kann auch nicht insoweit - teilweise - aufrechterhalten bleiben, als er die Sondernutzungsgebühr für einen der Wohnung des Klägers fiktiv zuzuordnenden Balkon- und Vordachanteil und dementsprechenden Gebührenanteil beträfe.

Dies scheidet bereits deshalb aus, weil sich aus dem Bescheid eine solche Zuordnung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit der Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 119 Abs. 1 AO und Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) aa) KAG i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO entnehmen ließe.

Darüber hinaus stünde wie dargelegt die Heranziehung eines einzelnen Wohnungseigentümers mit einem fiktiven Anteil an der gesamten Gebührenforderung auch mit dem Umstand nicht in Einklang, dass die Balkone und das Vordach jeweils hinsichtlich ihrer konstruktiven Teile nicht zum Sonder-, sondern zum gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft gehören (vgl. BayObLG vom 30.3.1990 a.a.O S. 784). Sie sind insoweit Teile der Gesamtkonzeption des Gebäudekomplexes, so wie dieser insgesamt geplant und ausgeführt wurde. Der einzelne Wohnungseigentümer kann sie in dieser Funktion auch nicht einseitig verändern. Die Ausübung der jeweiligen Sondernutzung erfolgt daher durch den Verband der Wohnungseigentümer, nicht aber durch den einzelnen Wohnungseigentümer, die auf diesen auch nicht separierbar ist. Als Gebührenschuldner kommt damit nur der insoweit rechtsfähige Verband in Betracht.

6. Die übrigen Einwendungen des Klägers zeigen keine Rechtsverletzung auf.

a) Der grundsätzliche Anspruch der Beklagten auf Sondernutzungsgebühren ist nicht verwirkt.

Es mag zutreffen, dass - über die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO hinaus - auch Sondernutzungsgebührenansprüche der Verwirkung unterliegen können. Voraussetzung einer Verwirkung ist indes, dass neben dem Verstreichen eines längeren Zeitraums (Zeitelement) der Gebührenschuldner auf Grund des vom Rechtsinhaber gezeigten Verhaltens unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben die berechtigte Erwartung hegen darf, dieser werde von seinem Anspruch keinen Gebrauch mehr machen (sog. Umstandselement; - st.Rspr.; vgl. BVerfG vom 26.1.1972, BVerfGE 32, 305/308 f.; BayVGH vom 30.3.1982, 726/727 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Zwar hat die Beklagte seit Erteilung der Baugenehmigung am 23. April 1964 und der anschließenden Errichtung der Wohnungseigentumsanlage bis hin zum Jahr 2001, in dem der erste Versuch der Erhebung der Sondernutzungsgebühren, soweit sie noch nicht verjährt waren, unternommen wurde, keine solchen Gebühren festgesetzt. Dies liegt aber lediglich daran, dass die Beklagte den Umstand der Sondernutzung offensichtlich übersehen hatte. Dies ist insbesondere dadurch erklärlich, dass sich innerhalb der Organisationen der Beklagten die Handhabung des damals etwa zwei Monate alten § 25 Abs. 2 der Verwaltungsanordnung vom 19. Februar 1964, der entsprechende Mitteilungspflichten der "Lokalbaukommission" an das für Sondernutzungen einschließlich der Gebührenerhebung zuständige "Referat für Tiefbau und Wohnungswesen/Sondernutzungsbüro" vorsah, noch nicht genügend eingespielt hatte. Dieses Übersehen der Mitteilungspflicht stellt zweifelsfrei ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten dar. Eine Willensäußerung von Dienststellen der Beklagten, selbst auch nur konkludenter Art, auf die Sondernutzungsgebühren in irgendeiner Form verzichten oder diese nicht erheben zu wollen, ist in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten indes nirgends ersichtlich. Da es sich vorliegend um eine auf unbestimmte (künftige) Zeit ausgeübte Sondernutzung durch die in den Luftraum der Straße vortretenden Gebäudeteile handelt, fallen die Sondernutzungsgebühren jährlich neu an. Die Anforderungen an Umstände, die die berechtigte Erwartung nähren könnten, auf solche insbesondere auch künftige Abgabeforderungen werde ein für allemal in irgendeiner Form verzichtet, müssen bei dieser Sachlage als streng angesehen werden. Der bloße Zeitablauf, auch über einen Zeitraum von etwa 36 Jahren, reicht dafür nicht aus. Vielmehr ist die Wohnungseigentümergemeinschaft durch das Verjährungsrecht des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO, das eine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist vorsieht, insoweit ausreichend und angemessen geschützt. Das Übersehen der genannten Mitteilungspflicht mit der Folge der langjährigen Nichterhebung der Sondernutzungsgebühren kann daher nur dem Zeitmoment, nicht dem Umstandsmoment der Verwirkungsvoraussetzungen zugeordnet werden.

Ebenso wenig liegt in der Erteilung einer Befreiung nach dem damaligen Art. 88 BayBO 1962 wegen "geringfügiger Überschreitung der Grundstücksgrenze" ein Um-standselement in diesem Sinne. Das ergibt sich schon daraus, dass dieser Teil der behördlichen Entscheidung im Rahmen der Baugenehmigung vom 23. April 1964 nur in dem rein bauordnungsrechtlichen Zusammenhang zu sehen ist. Eine Willensäußerung von Dienststellen der Beklagten in Richtung Sondernutzungserlaubnis und Sondernutzungsgebühren ist damit selbst dann nicht verbunden, wenn man davon ausgeht, dass ein ordentlich handelnder Bediensteter in der "Lokalbaukommission" der Beklagten den auch unter dem Gesichtspunkt der Sondernutzung relevanten Sachverhalt hätte erkennen können. Für die Beteiligung von Dienststellen der Beklagten im Verfahren der Teilungserklärung (vgl. § 7 Abs. 4 WEG) gilt nichts anderes. Auch dieses Verfahren hat weder rechtliche Bezugspunkte zum Recht der Sondernutzungen noch stehen in diese Richtung deutende Willensäußerungen der Beklagten im Raum.

Darüber hinaus treten weitere Umstände hinzu, die es ausschließen, die späte Geltendmachung der Sondernutzungsgebühren als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen. Diese liegen darin, dass der Rechtsvorgänger der Wohnungseigentümergemeinschaft, das ist der Bauherr, und der von ihm beauftragte Architekt die Überschreitung der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Straßengrund bewusst geplant und im Baugenehmigungsverfahren durch die Einreichung entsprechender Bauvorlagen beantragt haben. Dementsprechend wurde in der Baugenehmigung gemäß dem damaligen Art. 88 BayBO 1962 die genannte Befreiung wegen "geringfügiger Überschreitung der Grundstücksgrenze" gewährt. Zumindest dem Architekten musste bewusst sein, dass eine - wenn auch geringfügige - Überschreitung der Grundstücksgrenze finanzielle Folgen haben kann. Dies folgt unmittelbar aus dem Überbaurecht des § 912 BGB, der in § 912 Abs. 2 BGB die Zahlung einer Überbaurente vorsieht. Denn Sondernutzungsgebühren stellen nur das öffentlich-rechtliche Pendant zur Überbaurente dar. Wenn der Architekt den Bauherrn nicht auf die daraus herzuleitende, auch finanzielle Tragweite einer Grenzüberschreitung zum Straßengrund hingewiesen haben sollte, stellt dies ein schwerwiegendes Verschulden des Architekten dar, das sich der Bauherr nach § 278 BGB zurechnen lassen musste, und für das heute die Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtsnachfolgerin einzustehen hat. Wenn der Architekt dagegen seinen Hinweispflichten nachgekommen sein und der Bauherr demgemäß den Überbau in Kenntnis der Folgen betrieben haben sollte, würden diese Erwägungen erst recht gelten. Auch wenn heute entsprechende Ersatzansprüche längst verjährt sind (vgl. §§ 195, 852 Abs. 1 BGB a.F.), bleibt das Verhalten des Rechtsvorgängers der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Prüfung des Umstandsmoments der Verwirkungsvoraussetzungen zu werten. Denn die Verwirkung ist nur ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung des § 242 BGB (vgl. BGH vom 21.10.2005 UPR 2006, 109). Diese Prüfung führt daher erst recht zu dem Ergebnis, das Vorliegen des erforderlichen Umstandselements zu verneinen.

b) Anhaltspunkte für eine andere Herleitung des vom Kläger geltend gemachten Vertrauensschutzes sind nicht ersichtlich. Eine derartige Vertrauensschutzprüfung könnte immer nur in eine Untersuchung münden, ob der Beklagten mit ihrer Gebührenforderung ein gegenüber ihrem früheren Verwaltungshandeln unredliches, also treuewidriges Verhalten vorzuhalten wäre (vgl. BGH vom 21.10.2005 a.a.O.). Aus den Ausführungen oben a) ist jedoch ersichtlich, dass die Beklagte durch ihr Verwaltungshandeln ein solches Vertrauen des Klägers nicht aktiv gestärkt hat und daneben bei dem - hinsichtlich der finanziellen Tragweite - ersichtlich nicht durchdachten Grenzüberbau ein grobes Architektenverschulden vorliegt, das sich letztlich auch der Kläger zurechnen lassen muss.

c) Inwiefern die Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Schlusspunkttheorie vom 18. März 1993 (BayVBl 1993, 370 ff.) für den vorliegenden Fall Bedeutung haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dort entschieden, dass eine Baugenehmigung auch erteilt werden darf, selbst wenn noch offen ist, ob eine andere öffentlich-rechtliche Gestattung erteilt werden kann, die für das Bauvorhaben neben der Baugenehmigung erforderlich ist. Das schließt die vom Kläger befürwortete Konzentrationswirkung gerade aus. Soweit er die Konzentrationswirkung aus § 25 der Verwaltungsanordnung der Beklagten vom 19. Februar 1964 herleiten möchte, ist dies offensichtlich fehlerhaft; eine Verwaltungsvorschrift ist nicht geeignet, die gesetzlich gegebene Rechtslage zu ändern. Die Kollisionsvorschrift des Art. 104 BayBO 1962 sah indes das Ersetzen einer Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 ff. BayStrWG durch die Baugenehmigung gerade nicht vor.

Abgesehen davon würde es dem Kläger nicht zugute kommen, wenn der Bauherr oder die Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtsnachfolgerin von Anfang an über eine Sondernutzungserlaubnis oder auch über eine in einer Baugenehmigung enthaltene Sondernutzungserlaubnis verfügt hätte. Abgabetatbestand der Sondernutzungsgebühr ist nicht das Innehaben oder Nichtinnehaben einer Sondernutzungserlaubnis, sondern das tatsächliche Inanspruchnehmen des Straßenraums einschließlich des Luftraums über der Straße für widmungsfremde Zwecke (vgl. Art. 18 Abs. 2a Satz 1 BayStrWG; BVerwG vom 21.10.1970 a.a.O.; Wiget in Zeitler, a.a.O., RdNr. 32 zu Art. 18). Diese Nutzung des Straßenraums dauert indes seit der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage an und wird - soweit ersichtlich - auf unbestimmte Zeit fortgesetzt.

d) Ebenfalls unerheblich ist der Einwand des Klägers, ein Vertrauensschutz folge daraus, dass die Wohnungseigentümer mangels entsprechender Kenntnis in ihre Teilungserklärung im Jahre 1976 keine Regelung über die Verteilung von Sondernutzungsgebühren aufgenommen hätten. Nach welchen Maßstäben die Wohnungseigentümer diese Kosten unter sich verteilen, betrifft lediglich ihr Innenverhältnis zueinander. Ein Vertrauensschutz gegenüber der Beklagten könnte sich aber nur aus dem Außenverhältnis der Wohnungseigentümer zur Beklagten ergeben, denn nur auf dieses vermag die Beklagte gestaltend einzuwirken. Im Übrigen wurde bereits oben a) darauf hingewiesen, dass sich die Wohnungseigentümer das grobe Architektenverschulden bei dem Überbau in den Luftraum der Straße zurechnen lassen müssen.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf 14.700,17 Euro festgesetzt. Der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2005 wird insoweit geändert.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 GKG. Das Verwaltungsgericht hat übersehen, dass der Abgabebescheid vom 15. Oktober 2003 auch künftige, jährliche jeweils zum 15. Januar fällig werdende Zahlungspflichten von jeweils 1.727 Euro festsetzt. Diese sind nach dem Vorschlag des Streitwertkatalogs, Fassung Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327), mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag anzusetzen (vgl. Tz. II. 3.1 Streitwertkatalog).



Ende der Entscheidung

Zurück