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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.01.2008
Aktenzeichen: 8 BV 05.2923
Rechtsgebiete: BayStrWG, GO, BGB


Vorschriften:

BayStrWG Art. 51 Abs. 1 Satz 1
BayStrWG Art. 51 Abs. 4
BayStrWG Art. 51 Abs. 5
GO Art. 31 Abs. 1 Nr. 1
GO Art. 61 Abs. 2 Satz 1
BGB § 134
BGB § 311b Abs. 1 Satz 2
1. Eine Gemeinde darf die Räum- und Streupflicht zugunsten eines Anliegers (Art. 51 Abs. 1, 5 BayStrWG) nur gegen eine adäquate Gegenleistung übernehmen.

2. Eine Nebenbestimmung eines Grundstückskaufvertrags mit einem Anlieger, in der eine Gemeinde die Räum- und Streupflicht zu dessen Gunsten dauerhaft übernimmt, ohne dass dies zusätzlich zur Grundabtretung fortlaufend vergütet wird, ist wegen Verstoßes gegen das Gebot sparsamer Haushaltsführung (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO) nichtig.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

8 BV 05.2923

Verkündet am 28. Januar 2008

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Räum- und Streupflicht;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. September 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Graf zu Pappenheim

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Gehweg vor seinem Anwesen zu räumen und zu streuen.

Er ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ** der Gemarkung W****** in der Stadt Bad Aibling. Das Grundstück grenzt im Osten an die Aiblinger Straße, auf der ein Gehweg (Fl.Nr. *****) verläuft. Im Zuge der Errichtung dieses Gehwegs hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die damals noch selbständige Gemeinde W******, etwa 1970/71 aus dem Grundstück des Klägers 50 m² überbaut, die der Vater des Klägers mit notarieller Urkunde vom 9. Mai 1972 an die Gemeinde verkaufte. Ziff. II.2. dieses Vertrags hat folgenden Wortlaut:

"Der Übergang von Besitz und Nutzungen ist bereits erfolgt. Die Lasten gehen von heute an auf den Erwerber über."

In der Folge wurde der Gehweg bis Ende 2002 von der Gemeinde W****** bzw. der Beklagten im Winter geräumt und gestreut. Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, mangels einer entsprechenden dinglichen Sicherung treffe sie keine Räum- und Streupflicht, und kündigte vorsorglich einen etwaigen Vertrag über die Durchführung der Räum- und Streuarbeiten zum 4. November 2004.

Der Kläger erhob Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, wie folgt zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf dem Gehweg (Fl.Nr. ***** der Gemarkung W******) östlich des Anwesens A******** Straße *, B** ******* (Fl.Nr. ** der Gemarkung W******), die Räum- und Streupflicht gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG zu erfüllen.

Mit Urteil vom 20. September 2005 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Beklagte sei weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet, die Räum- und Streupflicht auf dem in Rede stehenden Gehweg zu erfüllen. Die grundsätzlich den Gemeinden obliegende öffentlich-rechtliche Räum- und Streupflicht bezüglich der Gehwege habe die Beklagte auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke übertragen. Eine Räum- und Streupflicht der Beklagten ergebe sich auch nicht aus dem notariellen Vertrag vom 9. Mai 1972, insbesondere nicht aus dessen Ziff. II.2. Denn unter den hier gebrauchten Begriff der Lasten falle nicht die Räum- und Streupflicht. Eine Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde hätte vielmehr ausdrücklich vereinbart werden müssen. Dies gelte umso mehr bei der Veräußerung einer Straßenfläche, auf der eine Räum- und Streupflicht ohnehin nicht lasten könne. Eine Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde könne auch nicht im Wege der Vertragsauslegung ermittelt werden, denn ein derartiger Wille lasse sich weder der notariellen Urkunde noch dem ihr beigefügten Gemeinderatsbeschluss vom 16. August 1971 entnehmen. Dieser Beschluss enthalte keinerlei Aussagen zu einer Räum- und Streupflicht. Die Messungsanerkennung und Auflassung vom 25. November 1981 nehme nur auf die Urkunde vom 9. Mai 1972 und den Gemeinderatsbeschluss vom 16. August 1971 Bezug und enthalte keine vertragliche Regelung hinsichtlich der Räum- und Streupflicht. Der Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde W****** vom 20. September 1971, ab sofort bei den von der Gemeinde erbauten Gehsteigen im Gemeindebereich das Räumen und Streuen zu übernehmen, stehe dem nicht entgegen, denn mangels einer Übertragung auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke sei die Gemeinde auf diesen Gehsteigen ohnehin räum- und streupflichtig gewesen. Die Beklagte habe diesen Beschluss außerdem mit Beschluss vom 28. Juli 1994 aufgehoben, so dass spätestens seit diesem Zeitpunkt eine Räum- und Streupflicht der Beklagten nicht mehr bestehe. Dass die Beklagte gleichwohl über einen langen Zeitraum die Gehwege in W****** tatsächlich geräumt und gestreut habe, sei unbeachtlich, insbesondere habe sie ihr Recht, vom Kläger die Erfüllung der Räum- und Streupflicht des Gehwegs vor seinem Anwesen zu fordern, nicht verwirkt.

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Unter Verletzung des Amtsermittlungs-grundsatzes habe das Verwaltungsgericht die vorgelegten Urkunden und Beweisangebote übergangen und den Vertrag vom 9. Mai 1972 entgegen dem unter Beweis gestellten Willen der Beteiligten ausgelegt. Aus diesem Vertrag i.V.m. der Auflassung vom 25. November 1981 habe der Kläger Anspruch auf Erfüllung der Räum- und Streupflicht durch die Beklagte. Denn die Vertragsparteien hätten eine Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur dauerhaften Übernahme der Räum- und Streupflicht gewollt und unter dem Begriff der Lasten im Sinn von Ziff. II.2. S. 2 des Vertrags das Räumen und Streuen der zu übertragenden Grundstücksfläche verstanden. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht den Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses vom 20. September 1971 verkannt, in dem die Gemeinde dauerhaft die Erfüllung der Räum- und Streupflicht als Gegenleistung für die Übertragung der privaten Gehsteigflächen habe zusichern wollen. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht sich nicht mit dem vom Kläger vorgelegten Schreiben des seinerzeitigen ersten Bürgermeisters von W****** zum Vertragsinhalt auseinandergesetzt und den unbedingten Beweisantrag zurückgewiesen, diesen als Zeugen für die vertragliche Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde zu vernehmen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend gewürdigt, dass die tatsächliche Erfüllung der Räum- und Streupflicht durch die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin letztlich nur in Anerkennung einer bestehenden Rechtspflicht geschehen sein könne. Letzteres werde belegt durch zwei Schreiben der Beklagten an den Kläger und einen anderen Grundstückseigentümer, der zur Herstellung des Gehwegs Grund abgetreten habe. Das Verwaltungsgericht, das den wirklichen Willen der Parteien des Vertrags vom 9. Mai 1972 ohne Rücksicht auf eine eventuelle falsa demonstratio nicht erforscht habe, setze sich mit seiner Vertragsauslegung in Widerspruch zu § 133 BGB. Im Übrigen bewirke nach Auflassung und Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch die Heilungsvorschrift des § 313 Satz 2 BGB a.F., dass selbst eine mündliche Vereinbarung dieselbe Bindungswirkung entfalte wie das schriftlich Vereinbarte. Der Kläger habe unter Beweis gestellt, die Gemeinde und der Vater des Klägers seien sich darin einig gewesen, dass die Beklagte die Räum- und Streupflicht erfüllen solle. Für die Beklagte bestehe insoweit auch keine Kündigungsmöglichkeit, weil gerade die dauerhafte und unkündbare Verpflichtung der Beklagten Vertragsinhalt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 20. September 2005 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf dem Gehweg (Fl.Nr. ***** der Gemarkung W******) östlich des Anwesens A******** Straße *, B** ******* (Fl.Nr. ** der Gemarkung W******), die Räum- und Streupflicht gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG zu erfüllen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Gemeinde W****** habe zwar am 20. September 1971 beschlossen, bei den von ihr errichteten Gehsteigen im Gemeindebereich das Räumen und Streuen zu übernehmen, sie habe aber nicht beschlossen, entsprechende vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Grundstückseigentümern einzugehen, die zur Herstellung Flächen übertragen hätten. Der seinerzeitige erste Bürgermeister habe auch keine Ermächtigung des Gemeinderats zu derartigen Vereinbarungen gehabt. Gegen die Behauptung des Klägers spreche, dass die Räum- und Streupflicht, obwohl angeblich wesentlicher Vertragsinhalt, nicht erwähnt sei. Zudem sei das Vorbringen des Klägers teilweise widersprüchlich und deshalb insgesamt unglaubwürdig. Während er den Vertrag vom 9. Mai 1972 zunächst als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen habe und die Verpflichtung der Beklagten letztlich aus Art. 51 Abs. 1 BayStrWG habe ableiten wollen - nur aus diesem Grund sei die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben -, stütze er seinen Anspruch nunmehr nur noch auf angebliche Nebenabreden zum zivilrechtlichen Vertrag vom 9. Mai 1972. Gegen die behaupteten vertraglichen Vereinbarungen spreche ferner, dass die Räum- und Streupflicht in dem die Vorverträge zur Grundabtretung betreffenden Gemeinderatsbeschluss vom 16. August 1971 nicht erwähnt sei, obwohl neben der reinen Grundabtretung verschiedene andere Details der Verträge dort Eingang gefunden hätten. Der Gemeinderatsbeschluss vom 20. September 1971 zur Räum- und Streupflicht enthalte demgegenüber keine Ermächtigung zum Abschluss vertraglicher Vereinbarungen. Auch nachfolgend sei eine derartige Vereinbarung weder von der Gemeinde W****** noch von der Beklagten jemals genehmigt worden. Vielmehr habe die Beklagte den Gemeinderatsbeschluss vom 20. September 1971 aufgehoben. Ob seitens der Gemeinde eine "gefühlte Verpflichtung" zur Erfüllung der Räum- und Streupflicht bestanden habe, sei rechtlich ohne Belang. Eine Gleichbehandlung mit seinem Nachbarn könne der Kläger nicht beanspruchen, weil dessen Fall rechtlich und tatsächlich anders zu beurteilen sei. Zumindest greife die von der Beklagten vorsorglich ausgesprochene Kündigung.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Berufungsverfahren beteiligt, stellt jedoch keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten, wegen der mündlichen Verhandlung auf deren Niederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Beklagte ist weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet, die Räum- und Streupflicht auf dem Gehweg vor dem Anwesen des Klägers zu erfüllen.

1. Die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) ist zulässig.

a) Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt vor. Die vom Kläger behauptete Nebenbestimmung des notariellen Kaufvertrags vom 9. Mai 1972 über die Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde ist öffentlich-rechtlicher Natur, weil sie Fragen der gemeindlichen Räum- und Streupflicht und ihrer Abwälzbarkeit auf Anlieger nach Art. 51 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) regeln würde. Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 5 BayStrWG ordnet diese Belange der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu. Soweit der Kläger die Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde aus weiteren Gesichtspunkten herleitet, ändert dies an dem Ergebnis nichts. Die vom Kläger behauptete Vereinbarung ist daher auch dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie als Nebenbestimmung zu einem zivilrechtlichen Kaufvertrag geschlossen worden ist (vgl. BVerwG vom 20.3.2003 NVwZ-RR 2003, 874). Insoweit handelt es sich um einen zusammengesetzten Vertrag, der auch einen vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich betrifft (vgl. Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2005, RdNr. 400 zu § 40).

b) Maßgeblich für die Beurteilung der den Kläger treffenden, ihm als Straßenanlieger normativ auferlegten winterlichen Sicherungspflichten ist nunmehr die "Verordnung der Beklagten über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter" vom 2. Juni 2006 (in Kraft getreten am 20.6.2006, VGH-Akten Bl. 73 ff.), die während des gerichtlichen Verfahrens die entsprechende Verordnung vom 17. Februar 1977 (geändert mit Verordnung vom 27.12.1984, Verwaltungsakten Bl. 124, 125 ff.) abgelöst hat (vgl. Art. 50 Abs. 2 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes - LStVG -). Welche Verpflichtungen der Kläger künftig gegebenenfalls zu erfüllen hat, ergibt sich ausschließlich aus ihr. Daran ist sein Feststellungsbegehren auszurichten.

c) Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist gegeben. Ein solches liegt insbesondere vor, wenn eine Rechtsnorm einer Person Pflichten auferlegt, deren Erfüllung eine Behörde zu überwachen hat (vgl. BVerwG vom 8.12.1995 BVerwGE 100, 83/90). Das ist hinsichtlich der Räum- und Streupflicht auf der Grundlage der vorgenannten Verordnung unproblematisch zu bejahen.

d) Die Feststellungsklage ist hier auch nicht wegen ihrer Subsidiarität gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage ausgeschlossen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Art. 51 BayStrWG enthält keine Befugnis zum Erlass von Einzelanordnungen durch Verwaltungsakt. Auch die gemeindliche Verordnung sieht - ebenso wie ihre Vorgängerregelung - keine allgemeine Grundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts vor, mit dem der Umfang der sich aus der Rechtsnorm ergebenden Pflichten festgestellt werden könnte. Sie enthält insoweit lediglich in ihrem § 12 die Befugnis zu Teilbereichsregelungen, nämlich zu Befreiungen und abweichenden Regelungen im Einzelfall. Eines Rückgriffs auf diese Vorschrift bedarf es im vorliegenden Fall indes nicht, weil - soweit es um die streitbefangenen Pflichten des Klägers geht - sein Rechtsverhältnis zur Beklagten abschließend bereits durch die normativ bestehenden oder nicht bestehenden Pflichten ausgestaltet ist. Deshalb ist die Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 20. Januar 2004 (Verwaltungsakten Bl. 117), dass die Gemeinde keine Räum- und Streupflicht treffe, nicht als anfechtbarer Verwaltungsakt anzusehen, mit dem die Räum- und Streupflicht des Klägers geregelt worden wäre. Eine Regelung durch - anfechtbaren - Verwaltungsakt läge nur vor, wenn die Beklagte gegen den Kläger durch Einzelanordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG vorgegangen wäre, um ihn zur Erfüllung der - auch bußgeldbewehrten - Pflichten aus der Verordnung anzuhalten. Das ist jedoch nicht geschehen. Das Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 2004 hatte - ebenso wie das weitere Schreiben der Beklagten vom 5. Februar 2004 (Verwaltungsakten Bl. 122) - vielmehr offensichtlich nur Hinweischarakter; eine Regelungs- oder Anordnungsabsicht ist ihm nicht zu entnehmen.

e) Das berechtigte Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung liegt vor, weil die Reinigungs- und Sicherungspflichten bußgeldbewehrt sind und im Schadensfall Schadensersatzpflichten drohen.

2. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

a) Grundlage der gesetzlichen Räum- und Streupflicht auf den öffentlichen Gehwegen ist Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG. Danach sind die Gemeinden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verpflichtet, innerhalb der geschlossenen Ortslage nach ihrer Leistungsfähigkeit u.a. die öffentlichen Gehbahnen von Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, sofern dies dringend erforderlich ist und nicht andere aufgrund sonstiger Rechtsvorschriften (insbesondere der Verkehrssicherungspflicht) hierzu verpflichtet sind. Die öffentlich-rechtliche Räum- und Streupflicht obliegt damit zwar grundsätzlich den Gemeinden, sie ist jedoch subsidiär gegenüber entsprechenden anderen gesetzlichen Verpflichtungen (vgl. BayVGH vom 6.4.2004 NVwZ-RR 2005, 59/60). Ein Fall der vorrangigen gesetzlichen Verpflichtungen anderer liegt insbesondere auch dann vor, wenn die Gemeinde die Räum- und Streupflicht durch Rechtsverordnung gemäß Art. 51 Abs. 5 BayStrWG auf die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke übertragen (abgewälzt) hat (vgl. BayVGH vom 4.4.2007 BayVBl 2007, 558 ff.). Diese Rechtslage bestand auch bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 9. Mai 1972. Denn die jetzige Fassung des Art. 51 BayStrWG geht zurück auf das Zweite Gesetz zur Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes vom 24. April 1968 (GVBl S. 57, in Kraft getreten zum 1.5.1968).

b) Vorliegend hat die Beklagte die Räum- und Streupflicht durch §§ 9, 10 Abs. 1 der "Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter" vom 17. Februar 1977 (geändert mit Verordnung vom 27.12.1984 [Verwaltungsakten Bl. 124, 127 f.], nunmehr gültig in der Fassung vom 2.6.2006 [VGH-Akten Bl. 75]), auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke übertragen. Nach Aktenlage gab es jedoch bis zur Eingemeindung in die Stadt B** ******* im Jahre 1974 in der ehemaligen Gemeinde W****** keine entsprechende Verordnung. Die Räum- und Streupflicht auf den öffentlichen Gehwegen oblag demnach gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG sowohl zum Zeitpunkt der Grundabtretung durch den Vater des Klägers als auch nachfolgend zumindest bis zu deren Eingemeindung der Gemeinde W******, die dieser Verpflichtung bezüglich des Gehwegs vor dem Anwesen des Klägers unstreitig auch tatsächlich nachgekommen ist.

c) Eine bis heute fortbestehende gesetzliche Verpflichtung der Beklagten hierzu kann indessen daraus nicht abgeleitet werden. Denn wohl schon mit Inkrafttreten der Verordnung der Beklagten vom 17. Februar 1977 - zum damaligen Zeitpunkt war die Gemeinde W****** bereits in das Gebiet der Beklagten eingemeindet -, spätestens aber mit dem Vollzug des Stadtratsbeschlusses der Beklagten vom 28. Juli 1994 (Verwaltungsakten Bl. 90) wurde die Gültigkeit dieser Verordnung auch auf das Gebiet der ehemaligen Gemeinde W****** erstreckt. In dem Beschluss vom 28. Juli 1994 wurden die Eigentümer der Anliegergrundstücke in W****** für die Gehwege vor ihren Grundstücken für räum- und streupflichtig erklärt, was der Rechtslage entsprach (vgl. oben b)); gleichzeitig wurde angekündigt, dass das bisherige Räumen und Streuen der Gehbahnen im Winter durch den städtischen Bauhof entfalle. An dieser Rechtslage hat auch der Umstand nichts geändert, dass die Beklagte, ohne rechtlich verpflichtet zu sein, die Räum- und Streupflicht bis Ende 2002 zunächst weiterhin tatsächlich erfüllt hat.

d) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der Räum- und Streupflicht auf dem Gehweg vor dem Anwesen des Klägers kann nicht aus dem notariellen Grundabtretungsvertrag vom 9. Mai 1972 hergeleitet werden. Gemäß Ziff. II. 2. dieses Vertrags gingen die "Lasten" bezüglich der abgetretenen Grundstücksfläche "von heute an auf den Erwerber über". Unter diese Vertragsbestimmung kann die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Schneeräumen und Streuen bei Glätte auf dem Teil des öffentlichen Gehwegs, der vor dem heute im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück liegt, aus mehreren Gründen nicht subsumiert werden.

aa) Nachdem im vorliegenden Fall die ehemalige Gemeinde W****** diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht durch Verordnung gemäß Art. 51 Abs. 5 Satz 1 BayStrWG auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke abgewälzt hatte, existierte eine derartige Verpflichtung zum Zeitpunkt des Grunderwerbs nicht und konnte deshalb auch nicht mit Vertragsschluss auf die Gemeinde übergehen. Im Übrigen "lastet" diese Verpflichtung, sofern sie aufgrund einer entsprechenden Verordnung gemäß Art. 51 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 4 BayStrWG die Eigentümer der Anliegergrundstücke trifft, gerade nicht auf der zur Herstellung eben dieses Gehwegs verwendeten (hier veräußerten) Grundstücksfläche, sondern auf dem verbleibenden (Rest-)Anliegergrundstück. Ansonsten wäre die Überbürdung dieser Pflicht auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke sinnlos.

bb) Auch eine Auslegung des Grundstückskaufvertrags vom 9. Mai 1972 führt zu keinem anderen Ergebnis.

Bei Grundstücken erfolgt der Besitzübergang auf den Käufer in aller Regel bereits mit Abschluss des notariellen Kaufvertrags und nicht erst mit dem Eigentumsübergang. Eine Vertragsbestimmung entsprechend §§ 436, 446 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., wonach die "Lasten" eines Grundstücks mit Abschluss des notariellen Kaufvertrags auf den Erwerber übergehen, gehörte seit jeher zu den formularmäßig verwendeten Standardvereinbarungen in Grundstückskaufverträgen. "Lasten" im Sinn dieser Bestimmung sind die auf dem Grundstück liegenden Leistungsverpflichtungen, die aus dem Grundstück zu entrichten sind und dessen Nutzungswert mindern; persönliche Verpflichtungen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur wie die Räum- und Streupflicht gehören jedoch nicht dazu (vgl. BGH vom 3.10.1989 NJW 1990, 111/112 m.w.N. aus der Rechtsprechung des RG und des BGH; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, RdNr. 1 zu § 103; Holch in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, RdNr. 7 zu § 103).

Die Ansicht des Klägers, diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, trifft nicht zu. Denn der Bundesgerichtshof hat seine Auslegung des Begriffs der Lasten im Sinn der genannten Vertragsbestimmung im konkret zu entscheidenden Fall nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme der Vorinstanz gestützt, sondern diesen Begriff "in den Bahnen rechtlich anerkannter Vertragsauslegung" gewürdigt. Vom - vorstehend dargelegten - herkömmlichen Begriffsverständnis ausgehend hätte es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs einer Klarstellung bedurft, wenn die formularmäßig verwendete Klausel im zu entscheidenden Fall die Anliegerstreupflicht hätte erfassen sollen (vgl. BGH vom 3.10.1989 a.a.O.).

In diesem Zusammenhang bestehen für das Vorliegen einer vertraglichen Regelung auch gravierende Bedenken im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GO, wonach Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, der Schriftform bedürfen. Auch wenn diese Norm als Formvorschrift für die ordnungsgemäße kommunale Vertretung angesehen wird (vgl. Widtmann/Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Oktober 2007, RdNr. 11 zu Art. 38 m.w.N.), hätte eine Erklärung der Gemeinde W******, sich zugunsten des Klägers zu einer dauerhaften Übernahme der Schneeräumung verpflichten zu wollen, wohl einer ausdrücklichen Regelung in dem notariellen Vertrag bedurft. Daran fehlt es hier jedoch, nachdem eine entsprechende Erklärung durch Auslegung nicht ermittelt werden kann.

Soweit der erste Bürgermeister der Gemeinde W****** bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags gleichwohl als vollmachtloser Vertreter (ohne Vertretungsmacht) gehandelt hätte, könnte einer solchen Verpflichtungserklärung keine bindende Wirkung zuerkannt werden, weil ansonsten die gemeinderechtlichen Formvorschriften für die ordnungsgemäße kommunale Vertretung umgangen würden (vgl. Widtmann/Grasser, RdNr. 5 zu Art. 38 GO m.w.N.). Dies bedarf hier aber keiner Vertiefung. Denn damit hätte der erste Bürgermeister unbeschadet der fehlenden Vertretungsmacht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, was zu einer Nichtigkeit der Vereinbarung geführt hätte (vgl. dazu unten cc)(3)).

cc) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, nach einer zwischen ihm und dem damaligen ersten Bürgermeister der Gemeinde W****** bestehenden Absprache sei die Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde auf dem fraglichen Teil des Gehwegs Vertragsbestandteil gewesen. Denn weder war der Bürgermeister innergemeindlich zum Abschluss einer solchen Vereinbarung befugt noch wäre eine solche Vereinbarung überhaupt zulässig gewesen.

(1) Zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags mit dem Vater des Klägers bedurfte der damalige erste Bürgermeister der Gemeinde W****** der Zustimmung bzw. Ermächtigung durch den Gemeinderat. Es handelte sich nicht um eine laufende Angelegenheit im Sinn von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, weil der Vertrag mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt im Hinblick auf den Gleichheitssatz erhebliche Tragweite gehabt hätte und zudem die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises nicht als unerhebliche Verpflichtung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz GO angesehen werden könnte. Im Übrigen belegt bereits die Tatsache, dass der Gemeinderat sich in seinem Beschluss vom 16. August 1971 mit den Kaufverträgen für die zur Herstellung des Gehwegs erforderlichen Grundflächen befasst hat, dass der Abschluss dieser Verträge zustimmungspflichtig war.

Mit dem Beschluss vom 16. August 1971 (Verwaltungsakten Bl. 82) billigte der Gemeinderat von W****** die vom ersten Bürgermeister mit den Grundstückseigentümern abgeschlossenen Vorverträge zum Erwerb der Flächen für die Herstellung des fraglichen Gehwegs, u.a. auch den Grunderwerb vom Vater des Klägers. Der Gemeinderatsbeschluss führt in erheblichem Umfang Einzelheiten der vertraglichen Absprachen auf (Kaufpreis pro Quadratmeter, Zeitpunkt der Auszahlung, Übernahme von Notar- und Grundbuchkosten durch die Gemeinde, Sondervereinbarungen mit zwei Grundstückseigentümern). Von einer Übernahme der Räum- und Streupflicht ist jedoch trotz dieser detaillierten Angaben nirgends die Rede. Aus diesem Beschluss, der die Grundlage für den Abschluss u. a. des Grundstückskaufvertrags mit dem Vater des Klägers bildete (vgl. die Bezugnahme im Vorspann der notariellen Urkunde ***** *** * vom 9.5.1972, Verwaltungsakten Bl. 83), kann somit nicht hergeleitet werden, der erste Bürgermeister der Gemeinde W****** habe unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsnorm des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO durch vertragliche Vereinbarung die Räum- und Streupflicht der Gemeinde auf dem Gehsteig vor dem verbleibenden Restgrundstück begründet.

(2) Ebenso wenig kann eine solche Ermächtigung aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 20. September 1971 entnommen werden. Dort ist zwar unter "Beschlussgegenstand" angeführt: "Haftung für den neuerbauten Gehsteig". Der Inhalt des Beschlusses besagt aber lediglich, dass der Gemeinderat beschließt, "ab sofort bei den von der Gemeinde erbauten Gehsteigen im Gemeindebereich W****** das Räumen und Streuen zu übernehmen". Irgendeinen Bezug zu einem oder mehreren der mit den Grundeigentümern abzuschließenden Kaufverträge für den Grunderwerb zur Herstellung des Gehwegs lässt dieser Beschluss nicht erkennen. Der Beschluss bezieht sich vielmehr allgemein auf die von der Gemeinde erbauten Gehsteige im Gemeindebereich. Er gibt zudem die damalige Rechtslage gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG wieder, wonach die Gemeinde - mangels Abwälzung dieser Verpflichtung auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke - auf den öffentlichen Gehwegen im Gemeindebereich räum- und streupflichtig war. Angesichts der Rechtslage nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG hätte es auch keiner besonderen Vereinbarung bedurft, um eine Räum- und Streupflicht der Gemeinde W****** für den fraglichen Abschnitt des Gehwegs zu begründen.

(3) Soweit der Kläger geltend macht, der notarielle Vertrag vom 9. Mai 1972 enthalte eine Vereinbarung über die dauerhafte Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten - z.B. weil der Begriff der Lasten im Sinn der Ziff. II.2 S. 2 des Vertrags entsprechend auszulegen sei etc. - vermag er damit insbesondere auch deshalb nicht durchzudringen, weil eine Vereinbarung mit diesem Inhalt nach § 134 BGB analog wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unzulässig gewesen wäre; sie hätte zumindest diesen Vertragsteil nichtig gemacht.

Der streitbefangene notarielle Vertrag datiert vom 9. Mai 1972, also aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze (am 1.1.1977). Die Art. 54 ff. BayVwVfG kommen daher nicht zur Anwendung. Jedoch war der öffentlich-rechtliche (verwaltungsrechtliche) Vertrag auch zu dieser Zeit schon ein anerkanntes Rechtsinstitut. Insbesondere galt für dieses Recht bereits der Grundsatz, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig ist, wenn sich diese Rechtsfolge aus einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 44, IIe1; differenzierend Forsthoff, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1973, § 14, 1., S. 281).

Soweit im Zusammenhang mit den Entwürfen zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen Streit aufgekommen war, inwieweit § 134 BGB auf den subordinationsrechtlichen Vertrag anwendbar ist, ändert dies nichts daran, dass die entsprechende Anwendung des § 134 BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge nach altem Recht der herrschenden Meinung entsprach (vgl. Wolff/Bachof a.a.O.). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diese Streitfrage nunmehr dahin gelöst, dass die Anwendung des § 134 BGB nur qualifizierte Fälle der Rechtswidrigkeit erfasst (vgl. BVerwG vom 23.8.1991 BVerwGE 89, 7/10; vom 3.3.1995 BVerwGE 98, 58/63 f.). Selbst wenn man dieses Ergebnis einschränkend für die entsprechende Anwendung des § 134 BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge nach altem Recht heranziehen wollte, begegnete dessen Anwendung vorliegend keinen Bedenken. Denn ein derart qualifizierter Rechtsverstoß bei der dauerhaften Übernahme der Räum- und Streupflicht, wie sie der Kläger behauptet, läge hier in der Verletzung zwingender Grundsätze des Haushaltsrechts der Bayerischen Gemeindeordnung. Die Vertragsparteien hätten mit der Nebenabrede gegen Art. 51 Abs. 5 BayStrWG im Zusammenwirken mit der Verpflichtung der Gemeinde zu einer sparsamen Haushaltsführung gemäß Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßen. Der Gemeinde steht zwar hinsichtlich der Erfüllung von Aufgaben, die keine ihr gesetzlich auferlegten Pflichtaufgaben sind, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum wird indessen nicht nur durch ihre finanziellen Möglichkeiten, sondern auch durch die haushaltsrechtlichen Einschränkungen, insbesondere durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit begrenzt (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayer. Kommunalgesetze, Stand: August 2007, RdNr. 10 zu Art. 61 GO; Widtmann/Grasser, RdNr. 5 zu Art. 61 GO). Dieser Grundsatz gebietet, die gemeindlichen Aufgaben mit dem geringstmöglichen finanziellen Aufwand zu erfüllen (Minimierungsgebot). Vorrangig ist nicht das Einsparen von Mitteln, sondern die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, a.a.O., RdNr. 14 zu Art. 61 GO).

Vor diesem Hintergrund war es der Gemeinde W****** verwehrt, Verpflichtungen, von denen sie sich nach den gesetzlichen Vorgaben - hier durch Abwälzung nach Art. 51 Abs. 5 BayStrWG - befreien konnte, unter endgültigem Verzicht auf diese Befreiungsmöglichkeit einzugehen und sich damit ohne adäquate Gegenleistung dauerhaft Lasten aufzuerlegen. Eine adäquate Gegenleistung konnte die übertragene Grundstücksfläche schon deshalb nicht darstellen, weil die angeblich übernommene Verpflichtung sich rechnerisch auf Dauer zu einem Wert aufaddieren würde, der in einem gravierenden Missverhältnis zum Wert der übertragenen Grundstücksfläche stünde, abgesehen davon, dass nach dem Vertrag für diese Fläche ohnehin ein angemessener Kaufpreis zu entrichten war. Im Ergebnis hätte die behauptete Vereinbarung deshalb zu einer unentgeltlichen Zuwendung an den Kläger bzw. seinen Vater geführt. Im Übrigen hatte der Gemeinderat dem vereinbarten Kaufpreis ausdrücklich zugestimmt, sich aber zum Wert weiterer Leistungen der Gemeinde - so sie denn hätten übernommen werden sollen - nicht verhalten. Im Hinblick auf dieses grobe Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist davon auszugehen, dass der gemeindliche Entscheidungsspielraum in nicht mehr zu vertretender Weise überschritten gewesen wäre (vgl. Widtmann/Grasser, RdNr. 5 zu Art. 61 GO). Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO missbilligt solche Rechtsgeschäfte, weil die Gemeinde auf diese Weise mit fortschreitender Zeit zunehmend erhebliche Vermögenswerte verschenken würde; insoweit gilt der Rechtsgedanke der Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 75 Abs. 3 Satz 1 GO, die ein solches Verschenken verbieten. Im Staats- und Verwaltungsrecht haben demgemäß öffentlich-rechtliche Rechtsträger kein Recht zu "Geschenken" (vgl. BayObLG vom 5.3.2001 BayObLGZ n.F. 51 [2001], 54/59 m.w.N.). Infolgedessen wiegt der Verstoß gegen das Haushaltsrecht so schwer, dass es die Schutzfunktion des Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO erfordert, solche Vermögensentäußerungen im Interesse des Wohls der Allgemeinheit zu untersagen (zur Anwendbarkeit von § 134 BGB bei der Veräußerung von Gemeindevermögen unter Wert vgl. auch BayObLG vom 22.6.1995 BayObLGZ n.F. 45 [1995], 225/226 f.; vom 5.3.2001 BayObLGZ n.F. 51 [2001], 54/59).

Die behauptete Nebenabrede wäre darüber hinaus auch nicht aus enteignungsrechtlicher Sicht zur Abwendung einer Enteignung (vgl. Art. 29 des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung - BayEG -) zulässig gewesen. Denn auch eine Einigung im Enteignungsverfahren oder außerhalb dieses Verfahrens hätte den rechtlichen Rahmen solcher Vereinbarungen gemäß Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO beachten müssen. Auch hier findet die Dispositionsbefugnis der Beteiligten ihre Grenzen da, wo die Einigung im Enteignungsverfahren einen Missbrauch der gesetzlichen Möglichkeiten darstellen würde (vgl. Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Stand: 1.6.2007, RdNr. 5.2.2. zu Art. 29 BayEG) oder zu einer Umgehung gesetzlicher Verbote führen würde.

Ob in Fällen der vorliegenden Art nur Teilnichtigkeit analog § 139 BGB eintritt oder der gesamte Vertrag als nichtig anzusehen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Dafür besteht u.a. schon deshalb keine Veranlassung, weil dem Kläger der Nachweis einer ausdrücklichen Vereinbarung dieses Inhalts ohnehin nicht geglückt ist.

(4) Ein Vertrag mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt hätte überdies von der Beklagten gekündigt werden können.

Der Grundstückskaufvertrag vom 9. Mai 1972 wäre - wie dargelegt - insoweit ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gewesen, als er die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Räumen und Streuen gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG durch die Gemeinde zum Inhalt gehabt hätte. Derartige Verträge (Vertragsteile) können bei wesentlicher Veränderung der bei Vertragsschluss maßgebenden Verhältnisse oder zur Verhütung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl von der Behörde gekündigt werden. Auch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze stehen unter dem Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse (clausula rebus sic stantibus), so dass auch für sie eine entsprechendes Kündigungsrecht gilt (vgl. BVerfG vom 30.1.1973 BVerfGE 34, 216/230 f.). Eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse ist jedenfalls dadurch eingetreten, dass inzwischen im Gemeindebereich der Beklagten die Räum- und Streupflicht durch Verordnung auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke übertragen worden ist. Damit hatte die Beklagte auch das Recht, eine Vereinbarung im Sinn des klägerischen Vortrags - hätte sie denn jemals bestanden - zu kündigen. Diese Kündigung hat die Beklagte vorsorglich auch mit ihrem Schreiben vom 20. Januar 2004 in formgültiger Weise ausgesprochen.

(5) Dass sich der festzustellende Anspruch des Klägers auch nicht aus der Messungsanerkennung und Auflassung vom 25. November 1981 (VG-Akten Bl. 150 ff.) herleiten lässt, ergibt sich daraus, dass dort keine den fraglichen Punkt betreffenden Vereinbarungen getroffen wurden und es deshalb gemäß Ziff. V dieser Urkunde "bei dem Inhalt der Haupturkunde" verbleibt (vgl. VG-Akten Bl. 153). Soweit der Kläger dieser Urkunde im Zusammenhang mit der Grundbucheintragung eine heilende Wirkung bezüglich einer nicht ausdrücklich verbrieften Nebenabsprache über die Räum- und Streupflicht beimessen will, verkennt er den Anwendungsbereich von § 313 Satz 2 BGB a.F. (= § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Heilung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Formmangel der alleinige Ungültigkeitsgrund ist. Andere Mängel - hier der materielle Mangel des Verstoßes gegen Art. 51 Abs. 5 BayStrWG i.V.m. Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO - werden von der Heilung nicht erfasst (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl. 2008, RdNr. 46 zu § 311b; Kanzleiter in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, RdNr. 84 zu § 311b).

e) Der Kläger kann schließlich auch nicht verlangen, mit anderen Grundstückseigentümern, die ebenfalls Grund zur Gehwegherstellung abgetreten hatten, gleichbehandelt zu werden.

Zwar hat die Beklagte im Unterschied zu ihrem Verhalten im Fall des Klägers einem anderen Grundstückseigentümer, der ebenfalls Grund zur Gehwegherstellung abgetreten hatte, bereits mit Schreiben vom 9. Januar 2002 (Verwaltungsakten Bl. 101) mitgeteilt, dass dieser aufgrund einer notariellen Verpflichtung freigestellt sei, den Gehweg zu räumen. Hintergrund dieses Verhaltens war die von diesem Grundeigentümer vorgelegte notarielle Urkunde über die Abtretung der Fläche zur Herstellung des Gehwegs im Wege eines Flächenaustauschs vom 9. Mai 1972 ***** *** * (Verwaltungsakten Bl. 91 ff./99). Ebenso wie im Kaufvertrag mit dem Vater des Klägers wird auch im Vorspann dieser Urkunde Bezug genommen auf "den Beschluss des Gemeinderates W******, von welchem ein beglaubigter Auszug dieser Urkunde beigefügt ist." Augenscheinlich war dieser notariellen Urkunde aber nicht nur - wie im Fall des Vaters des Klägers - der Gemeinderatsbeschluss vom 16. August 1971, sondern auch der Gemeinderatsbeschluss vom 20. September 1971 beigefügt und durch notarielles Siegel und Schnur mit dem Vertrag fest verbunden. Hierdurch konnte der Eindruck entstehen, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 20. September 1971, ab sofort bei den von der Gemeinde erbauten Gehsteigen im Gemeindebereich W****** das Räumen und Streuen zu übernehmen, im konkreten Fall gesondert zum Vertragsinhalt geworden wäre. Hierauf hat die Beklagte ersichtlich ihre im Schreiben vom 9. Januar 2002 geäußerte Rechtsansicht gestützt. Ob diese Beurteilung zutrifft, erscheint indessen höchst zweifelhaft. Die Beifügung des Gemeinderatsbeschlusses vom 20. September 1971 zu der notariellen Urkunde beruht höchstwahrscheinlich auf einem Versehen der Notariatskanzlei, wofür schon der Gesichtspunkt spricht, dass im Text der Urkunde nur auf einen Gemeinderatsbeschluss Bezug genommen wird und der Beschluss vom 20. September 1971 - im Unterschied zum Gemeinderatsbeschluss vom 16. August 1971 - den Vertrag in keiner Weise erwähnt. Dies kann jedoch offen bleiben, weil eine dauerhafte Übernahme der Räum- und Streupflicht ohne Kündigungsmöglichkeit auch in diesem Fall gegen Art. 51 Abs. 5 BayStrWG i.V.m. der Verpflichtung der Gemeinde zu einer sparsamen Haushaltsführung gemäß Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßen hätte.

f) Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass, den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers nachzugehen.

Ob der Vater des Klägers und der damalige erste Bürgermeister von W****** sich bei Abschluss des Vertrags vom 9. Mai 1972 darüber einig waren, dass die Räum- und Streupflicht für den übertragenen Grundstücksteil dauerhaft von der Gemeinde zu erfüllen sei, und beide unter dem Begriff der "Lasten" in Ziff. II.2. des Vertrags die Räum- und Streupflicht verstanden, ist nach dem Vorgesagten für die Entscheidung des Rechtsstreits irrelevant. Gleiches gilt für die behauptete entsprechende Bevollmächtigung des ersten Bürgermeisters durch den Gemeinderat. Ebenso kann offen bleiben, ob die Gemeinde W****** beim Vertragsschluss den Willen hatte, den Vater des Klägers gleich zu behandeln wie andere Grundstückseigentümer, die Grund für diesen Gehweg abtraten. Der Vernehmung der benannten Zeugen bedurfte es deshalb nicht. Hinsichtlich der Beschlussbücher der ehemaligen Gemeinde W****** aus den Jahren 1971 und 1972, deren Beiziehung zu Beweiszwecken beantragt wurde, hat der Kläger nicht einmal schlüssig vorgetragen, dass über die beiden im Verfahren thematisierten Gemeinderatsbeschlüsse (vom 16.8.1971 und vom 20.9.1971) hinaus ein weiterer Gemeinderatsbeschluss existiere, der die behauptete Bevollmächtigung des ersten Bürgermeisters oder eine nachträgliche Genehmigung der behaupteten vertraglichen Vereinbarungen über die Räum- und Streupflicht enthielte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 2, § 72 Nr. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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