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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.12.2008
Aktenzeichen: 9 CE 08.3225
Rechtsgebiete: VwGO, GG, TierSchG


Vorschriften:

VwGO § 123
GG Art. 4
TierSchG § 4a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

9 CE 08.3225

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Tierschutz/Schächten (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. Dezember 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Breit

ohne mündliche Verhandlung am 5. Dezember 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 3. Dezember 2008 wird der Antragsgegner verpflichtet, für das diesjährige islamische Opferfest in der Zeit vom 8. bis 10. Dezember 2008 ausnahmsweise das Schlachten von insgesamt 100 Schafen ohne Betäubung zu dulden. Die Duldungspflicht steht unter der Bedingung, dass die "Auflagen" unter Nr. 1 Buchst. a bis k im Bescheid des Landratsamts Eichstätt vom 27. Dezember 2006 auch bei dieser Schlachtaktion eingehalten werden.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, 4, § 147 VwGO) ist teilweise begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO den Antragsgegner zur Duldung zu verpflichten, dass der Antragsteller in seinem Schlachtbetrieb für muslimische Gläubige zum Opferfest 2008 vom 8. bis zum 10. Dezember 2008 ca. 400 Schafe ohne Betäubung schlachtet, nur zum Teil zu Recht abgelehnt. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG vorliegen, wie sie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 (BVerfGE 104, 337) formuliert und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG vom 23.11.2006 BVerwGE 127, 183) auch für die Zeit nach Normierung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung (Art. 20 a GG) als weiter anwendbar bestätigt worden sind, kann unter dem gegebenen Zeitdruck bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Zum einen ist derzeit offen, ob die vom Antragsteller versorgte Abnehmergruppe eine konkrete Religionsgemeinschaft bildet, deren zwingende Vorschriften im Gegensatz zu anderen Glaubensrichtungen im Islam das Schächten gebieten. Der ablehnende Bescheid des Landratsamts Eichstätt vom 26. November 2008 wirft insoweit Zweifel von beachtlichem Gewicht auf. Zum andern ist bei der Zahl der beanspruchten Schlachttiere (etwa 100 bis 200 laut Antrag vom 17.11.2004 - richtig: 2008 -; erhöht auf ca. 400 im gerichtlichen Verfahren) unklar, ob die Beschränkung auf die Versorgung solcher Abnehmer gesichert ist, bei denen nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung der Verzehr des Fleischs von Tieren zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt. Aus den bisherigen Darlegungen des Antragstellers ist solches nicht ohne Zweifel nachvollziehbar. Die im Antrag bezeichnete Glaubensgemeinschaft "ehemalige Kaplangemeinschaft" und die vorgelegte Bestellerliste mit 88 Positionen (Bl. 36 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) sind insoweit wenig aussagekräftig und verlangen nach einer genaueren Sachaufklärung. Insbesondere der Verdacht, dass Fleisch von geschächteten Tieren in den allgemeinen Markt gelangt (vgl. z.B. Position 1 der genannten Liste mit dem dortigen Zusatz "Dönerimbiss"), stünde einem Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG entgegen. Entsprechende Unklarheiten bestehen auch insoweit, als die Zahl der beanspruchten Schlachttiere die Zahl der benannten Abnehmer erheblich übersteigt. All diese Zweifel können nicht durch schlichte Behauptungen des Antragstellers ausgeräumt werden.

Die angemessene Klärung dieser Fragen kann nur im Hauptsacheverfahren erfolgen. Im vorliegenden Eilverfahren bejaht der Senat trotz der offenen Erfolgsaussichten teilweise einen Anordnungsanspruch des Antragstellers im Wege der Interessenabwägung. Die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG fällt dabei besonders ins Gewicht. Ferner spricht für den Antragsteller, dass er bereits mehrfach (für die Opferfeste 2005, 2006 und 2007) Ausnahmegenehmigungen erhalten hatte und die Behörde nunmehr ihre Genehmigungspraxis änderte. Damit musste der Antragsteller wohl erst seit Ende Oktober 2008 (Schreiben des Landratsamts vom 29.10.2008) rechnen. Die Aufrechterhaltung des Status quo erscheint unter diesen Umständen auch in Anbetracht der Belange des Tierschutzes als vertretbar. Allerdings erachtet der Senat die Begrenzung der Anzahl der Schlachttiere auf 100 für geboten. Auf diese Zahl belief sich die zuletzt erteilte Ausnahmegenehmigung vom 27. Dezember 2006. Die Zahl der vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren konkret benannten Abnehmer liegt sogar noch darunter. Für die von ihm zuletzt beanspruchte Menge von ca. 400 Schafen bleibt der Bezug zu zwingenden religiösen Bedürfnissen der Abnehmer völlig unkonkret und unkontrollierbar. Insoweit konnte der Antragsteller auch nicht auf eine gleichbleibende Verwaltungspraxis vertrauen.

Kostenentscheidung: § 155 Abs. 1 VwGO; Streitwert: § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 47 GKG.

Ende der Entscheidung

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