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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: 9 N 03.389
Rechtsgebiete: VwGO, BVerfGG, BNotO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 47 Abs. 5
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 183
BVerfGG § 31 Abs. 1
BVerfGG § 79 Abs. 1
BNotO § 113
Abgabensatzungen der Notarkasse; Versorgungssatzung der Notarkasse
1. Der Normenkontrollantrag des nicht postulationsfähigen Antragstellers und der von seinem Prozessbevollmächtigten "wiederholte" Normenkontrollantrag sind rechtlich als ein einheitlicher Normenkontrollantrag anzusehen.

2. Der Formmangel der fehlenden Postulationsfähigkeit ist heilbar. Er ist nur mit Wirkung für die Zukunft, nicht mit Wirkung für die Vergangenheit heilbar.

3. Auf Normänderungsbegehren ist § 47 Abs. 1 VwGO weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

9 N 03.389

In der Normenkontrollsache

wegen Ungültigkeit von Vorschriften der Abgabensatzungen und der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Versorgungssatzung);

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Plathner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Mai 2006

am 10. Mai 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens sind die §§ 6 und 13 der Abgabensatzung der Notarkasse, Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in München, für das Rechnungsjahr 2001, die diesen Regelungen entsprechenden Bestimmungen in den Abgabesatzungen der Notarkasse für die Rechnungsjahre 1969 bis 2000, die Haushaltspläne der Notarkasse für die Rechnungsjahre 1969 bis 2001 und die Anlage 2001 zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Versorgungssatzung).

I.

Der am 17. August 1938 geborene Antragsteller wurde mit Wirkung vom 1. November 1965 zum Notarassessor und mit Wirkung zum 1. Februar 1969 zum Notar auf Lebenszeit bestellt. Zum 1. August 1972 wurde sein Amtssitz nach München verlegt. Ab 1. Januar 1974 hatte der Antragsteller seinen Beruf zusammen mit einem anderen Notar in einem Doppelnotariat ausgeübt.

Mit Verfügung vom 6. März 2001 kündigte das Staatsministerium der Justiz dem Antragsteller an, es sei beabsichtigt, ihn des Amtes zu entheben, weil er unter anderem durch die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtssuchenden gefährde.

Das Amtsgericht München - Insolvenzgericht - eröffnete mit Beschluss vom 18. Mai 2001 über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren und bestellte einen Insolvenzverwalter. Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 11. Juli 2002 eine Rechtsbeschwerde des Antragstellers. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg.

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts München enthob den Antragsteller mit Verfügung vom 23. Mai 2001 vorläufig seines Amtes und bestellte unter dem 25. Mai 2001 einen Verwalter für die Notarstelle des Antragstellers.

Nach Rechtskraft des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte der Antragsteller, ihn mit Ablauf des Monats Oktober 2002 aus dem Amt als Notar zu entlassen. Diesem Antrag kam die Präsidentin des Oberlandesgerichts München mit Entlassungsverfügung vom 23. September 2002 nach; die Entlassungsverfügung wurde dem Zustellungsbevollmächtigten am 31. Oktober 2002 ausgehändigt. Wegen Fehlens einer Entscheidung über eine Entschädigung oder einen Ausgleich "für die durch die Amtsbeendigung zu 95 % zugunsten der Notarkasse verfallenden Ruhegehaltanwartschaft" focht der Antragsteller die Entlassungsverfügung an. Dieses Rechtsmittel wies der Notarsenat des Oberlandesgerichts München mit Beschluss vom 12. Februar 2003 zurück. Die Beschwerde des Antragstellers zum Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg.

In der Zeit vom 1. Februar 1969 bis 31. Dezember 2000 leistete der Antragsteller eigenen Angaben zufolge Staffelabgaben nach der Abgabensatzung an die Notarkasse in Höhe von insgesamt nominell 17.305.551,- DM und im Jahre 2001 in Höhe von 156.415,- DM (Bescheid vom 6.3.2002 für den Abrechnungszeitraum vom Oktober 2000 bis Mai 2001).

Die Notarkasse setzte mit Bescheid vom 20. August 2003 das Ruhegehalt des Antragstellers ab dem 1. November 2002 fest. Die auf Aufhebung von Nr. II dieses Bescheides und Neuverbescheidung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. September 2003 (Az. M 3 K 02.3999) ab; der gegen diese Entscheidung gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2005 (Az. 9 ZB 04.371) abgelehnt.

II.

1. Mit einem am 3. Februar 2003 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schreiben vom 29. Januar 2003 teilte der Antragsteller mit, er habe mit Einschreibebrief vom 27. Juli 2002 eine Normenkontrollklage vom 25. Juli 2002 gegen die Notarkasse eingereicht. Er bat, ihm das Aktenzeichen bekannt zu geben. Die Geschäftsstelle des (damals zuständigen) 3. Senats teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. Februar 2003 mit, dass bei Gericht kein Normenkontrollantrag eingegangen sei. Hierauf übermittelte der Antragsteller am 8. Februar 2003 eine "Zweitschrift" eines Normenkontrollantrags. Am 11. Februar 2003 teilte die Geschäftsstelle dem Antragsteller mit, dass der am 8. Februar 2003 eingegangene Antrag unter dem Aktenzeichen 3 N 03.389 geführt werde. Die zugefaxten neun Seiten reichten zur Bearbeitung des Normenkontrollantrags nicht aus. Hierauf übersandte der Antragsteller am 17. Februar 2003 eine Abschrift einer Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht München vom 24. Juli 2002 mit einer Anlage "Normenkontrollantrag" vom "November 2001".

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. März 2003, den Normenkontrollantrag als unzulässig abzulehnen. Der Antragsteller sei nicht postulationsfähig. Die Antragsfrist von zwei Jahren sei nicht gewahrt.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2003 "wiederholte" der Bevollmächtigte des Antragstellers die vom Antragsteller persönlich eingereichte Normenkontrollklage.

Die Landesanwaltschaft Bayern legte am 1. Juli 2003 ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 24. Juni 2003 vor; in dem darauf hingewiesen wurde, dass sich der Normenkontrollantrag des Antragstellers gegen dieselben Regelungen richte, die Gegenstand der Verfassungsbeschwerde eines anderen bayerischen Notars seien. Deshalb komme in Betracht, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juli 2004 (BVerfGE 111, 191 = NJW 2005, 45) - unter anderem - entschieden, dass § 113 BNotO in der Fassung des Gesetzes vom 31. August 1998 (BGBl I S. 2585) nach Maßgabe der Gründe mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, jedoch weiter angewendet werden kann, und dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, bis Ende des Jahres 2006 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat auf die Popularklage des Antragstellers am 13. April 2005 (BayVBl 2006, 43) entschieden, dass die Popularklage unzulässig ist, soweit sie sich gegen die Abgabensatzung 1969 bis 2001 richtet, und dass sie hinsichtlich der §§ 1 und 2 der Abgabensatzung 2005 sowie § 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung (Versorgung der Notare) mit der Maßgabe begründet ist, dass diese Bestimmungen bis längstens 31. Dezember 2007 weiter angewendet werden können.

2. Mit seinem Normenkontrollantrag macht der Antragsteller geltend:

Die Regelung in der Versorgungssatzung sei unzulässig. Mit der Entlassung aus dem Amt werde ein Notar Kraft Satzung der Notarkasse ruhegehaltberechtigt mit einem jährlichen Ruhegehalt in Höhe von 52.182,26 Euro; hierin liege eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums unter anderem an der vom Notar aufgebauten Anwartschaft auf Ruhegehalt. Durch diese Inhalts- und Schrankenbestimmung verfalle die Versorgungsanwartschaft des Antragstellers im (heutigen) Wert in Höhe von über 35 Millionen DM abzüglich des gewährten Ruhegehalts (in Höhe eines Kapitalwerts von 1,0 bis 1,6 Millionen DM) und abzüglich eines Beitrags zu den kooperativen Lasten des Standes im Sinne eines Sozialbindungsabzuges. Insgesamt belaufe sich der Nachteil auf mehr als 95 vom Hundert des Wertes der Ruhegehaltsanwartschaft und stelle ein gleichheitswidriges Sonderopfer dar. Dass andere Kollegen aus der 10%igen Spitzengruppe großer Endämter ähnlich betroffen seien, sei ohne Bedeutung, weil die im Rahmen des Staffelabgabesatzes vorgenommene Differenzierung nach Personengruppen davon abhängig gemacht werde, dass die Unterschiede nach Art und Gewicht die ungleiche Behandlung rechtfertigen können, insbesondere, dass der Differenzierungsgrad im engeren Sinne verhältnismäßig, geeignet und erforderlich sowie nicht willkürlich sei.

Die Unzulässigkeit der Versagung eines angemessenen Ausgleichs werde verstärkt durch die Rechtswidrigkeit des bisherigen Systems der Abgabenerhebung nach § 6 und § 13 der Abgabensatzung und durch die Rechtswidrigkeit der Abgabensatzung und der Versorgungssatzung insgesamt. Die Belastung mit einem Staffelabgabensatz von mehr als 50 vom Hundert verstoße gegen das vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewendete Halbteilungsprinzip. Die Abgabenrechtssetzung der Notarkasse entspreche nicht der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Staffelabgaben seien nicht auf die wirtschaftliche Einheit des einzelnen Notariats bezogen und bildeten die Leistungsfähigkeit der Notare in ihrer Relation zueinander nicht sachgerecht ab. Die Regelung der Notariatsverfassung stehe unter dem Vorbehalt und Vorrang eines Bundesgesetzes. Die Entziehung der Rechtsposition durch die Erlöschenstatbestände des § 47 der Bundesnotarordnung bedeute bei Notaren, die namhaft in ihre berufliche Stellung investiert und Ruhegehaltsanwartschaften bei der Notarkasse in zweistelliger Millionenhöhe aufgebaut hätten, einen substanziellen Zugriff auf die Privatnützigkeit des konkreten Eigentums, wenn sie nur die Regelpension nach § 7 der Versorgungssatzung erhielten; dieser Zugriff könne nur bei Bestehen einer äquivalenten Ausgleichs- und Entschädigungsregelung verfassungsgemäß sein. Soweit die Umverteilung der Notareinkünfte durch Rückvergütung und Staffeldehnung nicht ausnahmsweise (wie z.B. zu Gunsten einiger weniger Kleinst- und Erstämter) gerechtfertigt sei, stelle sie sich als ermessensmissbräuchlich dar. Das Einheitsruhegehalt nach § 7 der Versorgungssatzung verstoße in der Mehrzahl der Fälle - bei der massiven Umverteilung zugunsten der großen Zahl der Mittel- und Durchschnittsämter - gegen das Äquivalenzprinzip, die Eigentumsgarantie, den Gleichheitssatz und hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Mit der Regelung der Staffelabgaben und der Versorgungsbezüge der Notare durch untergesetzliche Normen werde der Vorbehalt und der Vorrang des Gesetzes nicht eingehalten.

Die haushaltsrechtliche Doppelfinanzierung des Ruhegehalts der Notare sowohl durch Beiträge als auch durch Umlagen stelle außerdem eine nicht ordnungsgemäße Verwendung von Vermögen der Notarkasse dar. Jedenfalls könne die Frage der Äquivalenz des Ruhegehalts, seiner Unverhältnismäßigkeit und des gleichheitswidrigen Sonderopfers durch ein unterschiedsloses Einheitsruhegehalt nur Einzelfall bezogen beantwortet werden. Aufgrund der Entlassung aus dem Amt verliere ein Notar nicht das Recht, gegen zu hohe Abgaben in der Vergangenheit einerseits und ein zu niedriges Ruhegehalt andererseits vorzugehen. Aus Art. 14 GG folge unmittelbar ein Anspruch auf Zuerkennung eines Ausgleichs einer unverhältnismäßigen Belastung bzw. eines gleichheitswidrigen Sonderopfers.

Für die Entscheidung über die Rechmäßigkeit der Abgabenerhebung in den Jahren 1969 mit 2001 und der Fortwirkung seien gesetzliche Regelungen der Berufsausübung im Sinne von Art. 12 GG maßgeblich, wobei die Aufrechterhaltung der Integrität des Standes, das Äquivalenzverhältnis zwischen Beitragsleistung und Höhe des Versorgungsbezugs und die Gleichbehandlung maßgeblich seien. 10 % der Spitzennotare müssten für das gleiche Einheitsruhegehalt in ihrem Berufsleben das 16-fache dessen aufwenden, was ein Kollege in einem sog. Kleinamt zu erbringen habe. Trotz zulässiger Autonomiegewährung an das Versorgungswerk dürfe sich der Gesetzgeber seiner Rechtssetzungsautonomie nicht völlig entäußern; die wesentlichen und grundrechtsrelevanten Entscheidungen blieben dem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Auch Bestimmungen über Berufspflichten, die sich von Status bildenden Normen unterscheiden, aber die Berufsausübung in mehr oder minder starkem Maße einschränkten, bedürften einer gesetzlichen Grundlage.

Der Antragsteller legte außerdem (unter anderem) grafische Darstellungen der Umverteilung durch die Notarkasse mittels Staffeldehnung sowie weiteres statistisches Material vor. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass

a) § 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Amtliches Mitteilungsblatt der Landesnotarkammer Bayern und der Notarkasse Nr. 2/1965) in der Fassung vom 23.3. und 13.7.2001 (Amtliches Mitteilungsblatt der Landesnotarkammer und der Notarkasse Nr. 1/2001 vom 17.9.2001) - Versorgungssatzung -,

b) § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung,

- soweit für die Gewährung des Ersatzruhegehalts an die in Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Notare in den Fällen des Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 die Vollendung des 65. Lebensjahres gefordert wird (also in den Fällen, in denen ein Notar nach Vollendung des 62. Lebensjahres oder ein schwerbehinderter Notar nach Vollendung des 60. Lebensjahres gem. § 50 Abs. 1 BNotO des Amtes enthoben wird, sein Amt gemäß § 49 BNotO verloren hat oder gemäß § 97 BNotO durch disziplinarrechtliches Urteil aus dem Amt entfernt worden ist),

- soweit er keine salvatorische Entschädigungs- oder Ausgleichsregelung für ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums der Notare an der durch Eigenleistungen aufgebauten Ruhegehaltsanwartschaft in den Fällen der Nr. 2, 3 und 4 enthält, solange eine solche in § 50 BNotO nicht enthalten ist,

c) §§ 6 und 13 der Abgabensatzung der Notarkasse in der Fassung vom 14.7., 20.10. und 30.11.2000 (Amtliches Mitteilungsblatt der Landesnotarkammer Bayern und der Notarkasse Nr. 1/2001 vom 17.9.2001) nichtig sind.

2. Es wird festgestellt, dass die in den §§ 6 und 13 der Abgabensatzung 2001 entsprechenden Bestimmungen der Abgabensatzungen der Notarkasse für die in den Rechnungsjahren vom 1.1.1969 bis 31.12.2000 fällig gewesenen Abgaben sowie die Haushaltspläne der Notarkasse für die Rechnungsjahre 1969 mit 2001 nichtig waren.

3. Die Feststellung der Nichtigkeit von § 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Versorgungssatzung) erfolgt mit der Maßgabe, dass diese Vorschrift vorläufig bis zu ihrer Ersetzung durch eine rechtlich unbedenkliche Regelung weiter anzuwenden ist auf Notare, die bis zur Ersetzung durch eine rechtlich unbedenkliche Regelung aus dem Beruf ausgeschieden sind, und mit der weiteren Maßgabe, dass die ersetzende Neuregelung ab ihrem Inkrafttreten auch auf diese ausgeschiedenen Notare anzuwenden ist.

Hilfsweise

für den Fall, dass die Bestimmungen der § 4 Abs. 2 und § 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse nicht insgesamt für ungültig gehalten werden:

4. Es wird festgestellt, dass das Fehlen einer salvatorischen Entschädigungs- oder Ausgleichsregelung für ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums der Notare an der von ihnen durch Eigenleistungen aufgebauten Ruhegehaltsanwartschaft bei der Notarkasse für den Fall ihres Ausscheidens aus dem Amt (§ 47 BNotO) in Fällen unverhältnismäßiger Belastungen und gleichheitswidriger Sonderopfer zur Unwirksamkeit der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Versorgungssatzung) führen würde, dieser Mangel aber durch eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise behoben werden kann und muss, dass in Fällen unverhältnismäßiger Belastung oder gleichheitswidriger Sonderopfer des betroffenen Notars gleichzeitig mit seinem Ausscheiden eine angemessene Entschädigung (Ausgleich) zugesprochen wird.

5. Es wird festgestellt, dass eine Auslegung der §§ 4 und 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse (Versorgungssatzung), die dazu führt, dass dem ausgeschiedenen Berufsangehörigen nicht wenigstens 50 % der Summe der von ihm ab seiner Bestellung zum Notar bis zu seinem Ausscheiden als Notar an die Notarkasse geleisteten Staffelabgaben, vermehrt um eine Verzinsung zu einem landesüblichen Zinssatz ab der Leistung bis zum Stichtag seines Ausscheidens (Deckungskapital) als Ruhegehalt oder Ersatzruhegehalt belässt, und zwar durch Zahlung einer aus diesem Deckungskapital versicherungsmathematisch oder - vereinfacht - nach der Formel für sog. ewige Renten errechneten, lebenslänglichen zahlbaren Rente, mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar und daher unzulässig ist.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens seien unter anderem Vorschriften der Abgabensatzung und der Versorgungssatzung der Notarkasse aus dem Jahre 2001. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 13. Juli 2004 einerseits die Unvereinbarkeit des § 113 der Bundesnotarordnung mit Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt, andererseits jedoch erklärt, dass diese Bestimmung weiterhin (d.h. bis zum Erlass einer verfassungsgemäßen Regelung bis Ende 2006) anzuwenden sei. An diese Entscheidung sei der Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollverfahren gebunden. Die weitere Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die streitigen Haushaltsjahre für die Finanzierung der Notarkasse abgeschlossen seien, die dadurch getroffenen Finanzierungsentscheidungen bis in die Gegenwart hineinwirkten, eine Rückabwicklung nicht und eine Gesetzesänderung nur mit Wirkung für die Zukunft in Betracht kämen, führten dazu, dass der Antragsteller nicht (mehr) geltend machen könne, in seinen Rechten verletzt zu sein. Sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollverfahren bindend, so könne die vom Antragsteller begehrte Feststellung der Nichtigkeit von Vorschriften der Versorgungs- und der Abgabensatzung nicht mehr getroffen werden. Das Gericht könne lediglich prüfen, ob die fraglichen Satzungen gegen sonstiges höherrangiges Recht verstießen; hierfür sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Satzung über die in § 113 der Bundesnotarordnung enthaltenen Vorgaben hinausgingen. Die im Popularklageverfahren des Antragstellers ergangene Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 13. April 2005 rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Die Normenkontrollklage sei hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit des § 7 der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse unzulässig; gleichermaßen könne der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung keinen Erfolg haben. Unbeschadet dessen sei die Bestimmung des § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung auch sachlich nicht zu beanstanden. Mit ihr würden diejenigen Fälle erfasst, in denen ein Notar entweder freiwillig auf Antrag oder zwangsweise wegen selbstverantworteter Umstände mit Ausnahme des Vorliegens einer Dienstunfähigkeit aus dem Amt ausscheide. Diese Fälle beruhten auf der Überlegung, den betroffenen Notaren ein Ersatzruhegehalt nach Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren. Soweit die Feststellung der Nichtigkeit nicht mehr geltender Vorschriften der Abgabensatzung verlangt werde, sei der Antrag unzulässig, weil nur geltende Rechtsnormen Gegenstand einer Normenkontrolle sein könnten. Soweit die Feststellung der Nichtigkeit von Vorschriften der Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse beantragt werde, scheitere eine derartige Feststellung an den auch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bindenden Weitergeltungsanordnungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Soweit beantragt werde, festzustellen, dass Vorschriften der Versorgungssatzung in einer bestimmten Weise auszulegen seien, sei der Normenkontrollantrag unzulässig.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift und auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

Der vom Antragsteller am 8. Februar 2003 per Telefax beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Normenkontrollantrag und der vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit dem am 2. Mai 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. April 2003 "wiederholte" Normenkontrollantrag stellen rechtlich einen einheitlichen Antrag dar. Beide Anträge sind auf ein und dasselbe Ziel gerichtet.

Unerheblich ist, dass der Antrag am 8. Februar 2003 in formwidriger Weise erhoben worden ist, weil er von dem nicht postulationsfähigen Antragsteller selbst gestellt worden ist (§ 67 Abs. 1 Satz 1, § 173 VwGO, § 78 Abs. 6 ZPO). Der Mangel konnte nämlich mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden (vgl. BGH vom 7.6.1990 NJW 1990, 3085/3086; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 78 RdNr. 3 mit weiteren Nachweisen). Der Mangel ist geheilt worden, und zwar dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Antrag vom 8. Februar 2003 mit dem am 2. Mai 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. April 2003 unter Übernahme der fachlichen Verantwortung "wiederholt" und damit fortgeführt hat.

Der Normenkontrollantrag, der (der Sache nach) 67 Hauptanträge und eine Reihe von Hilfsanträgen umfasst, ist insgesamt unzulässig.

A.

Die gegen die Abgabensatzungen und gegen die Haushaltspläne der Notarkasse für die Rechnungsjahre 1969 bis 2001 gerichteten Anträge sind unzulässig.

I.

Der Antrag, festzustellen, dass §§ 6 und 13 der Abgabensatzung der Notarkasse für das Rechnungsjahr 2001 ungültig sind, ist unzulässig.

1. Der Antrag ist zwar statthaft.

Die Abgabensatzung ist eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO). Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften sind Rechtsvorschriften im Rang unter den förmlichen Gesetzen. Die Satzung der Notarkasse ist eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, weil die Notarkasse eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Sie untersteht der Aufsicht des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und damit der Aufsicht einer Landesbehörde (§ 113 Abs. 2 Satz 1 BNotO).

Unerheblich ist, dass die Rechtsstellung der Notarkasse und die Ermächtigung zum Erlass von Abgabensatzungen (§ 113 Abs. 8 Satz 2 BNotO) in der bundesrechtlichen Vorschrift des § 113 BNotO geregelt ist. Die Satzung ist dem Landesrecht zuzurechnen, weil der Normgeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die unter der Aufsicht einer Landesbehörde steht. Unerheblich ist auch, dass die Notarkasse ihre organisationsrechtliche Grundlage in den bundesrechtlichen Vorschriften des § 113 Abs. 1 und 2 BNotO hat. Unerheblich ist weiter, dass die Abgabensatzung auf der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 113 Abs. 8 Satz 2 BNotO beruht (vgl. BVerfG vom 23.3.1965 BVerfGE 18, 407/408, 413 f.; BayVerfGH vom 24.2.1984 BayVBl 1984, 398/399; vom 13.4.2005 BayVBl 2006, 43/44). Unerheblich ist schließlich, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2004 (BVerfGE 111, 191) festgestellt hat, dass § 113 BNotO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl I S. 2585) nach Maßgabe der Gründe mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich nämlich, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich die Regelungen über die Zusammensetzung und Kreation des satzungsgebenden Organs, über die Ermittlung und Bestellung des Präsidenten und über die Beteiligung der Notare beanstanden hat, nicht aber die Bestimmungen über die Notarkasse als Institution und ihre Zuordnung zum Freistaat Bayern (ebenso BayVerfG vom 13.4.2005 BayVBl 2006, 43/44). Damit verbleibt es dabei, dass die Abgabesatzung von einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaats Bayern erlassen worden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Sie ist deshalb eine Rechtsvorschrift im Rang unter dem Landesgesetz.

2. Dem Antragsteller fehlt jedoch die Antragsbefugnis.

Der Antragsteller kann nicht geltend machen, durch die Bestimmungen in § 6 und § 13 der Abgabensatzung für das Rechnungsjahr 2001 oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO).

Für den Antragsteller ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob diese Bestimmungen gültig sind oder nicht. Sie sind nämlich durch den Abgabenbescheid für das Rechnungsjahr 2001 vollzogen. Der Bescheid ist bestandskräftig und behält auch bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags seine Bestandskraft (§ 47 Abs. 5 Satz 3, § 183 Satz 1 VwGO). Die Abgaben sind nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in der durch den Abgabenbescheid festgesetzten Höhe geleistet worden. Damit kommt bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags auch ein Vollstreckungsschutz gemäß § 47 Abs. 5 Satz 3, § 183 Satz 2 VwGO nicht in Betracht. Der Antragsteller könnte deshalb seine Rechtsstellung auch dann nicht verbessern, wenn sein Antrag Erfolg hätte.

3. Für den Antrag fehlt auch das Rechtsschutzbedürfnis.

Der Antragsteller will, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, keine Ansprüche auf Erstattung der geleisteten (Staffel-)Abgaben keine Rückforderungen erheben. Damit geht auch er von einer rechtlich abgeschlossenen Sachlage aus. Ein schutzwürdiges Interesse für die begehrte Feststellung ist nicht zu erkennen.

II.

Die Anträge, festzustellen, dass die den §§ 6 und 13 der Abgabensatzung für das Rechnungsjahr 2001 entsprechenden Bestimmungen der Abgabensatzungen für die Rechnungsjahr 1969 bis 2000 ungültig waren, sind gleichfalls unzulässig.

1. Die erst am 2. Mai 2003 durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers formwirksam gestellten Anträge wahren die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von zwei Jahren nach Bekanntgabe der angefochtenen Satzungen nicht. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGOÄndG begann die Antragsfrist in Bezug auf Rechtsvorschriften, die vor dem 1. Januar 1997 bekannt gemacht worden sind, am 1. Januar 1997 zu laufen. Sie endete damit, sofern sie nicht bereits nach anderen Vorschriften abgelaufen war, mit Ablauf des 31. Dezember 1998.

2. Dem Antragsteller fehlt insoweit auch die Antragsbefugnis. Die Abgabenbescheide für die Rechnungsjahre 1969 bis 2000 sind bestandskräftig. Die durch sie festgesetzten Abgaben sind geleistet. Der Antragsteller könnte deshalb seine Rechtsstellung auch dann nicht verbessern, wenn seine Anträge Erfolg hätten.

III.

Die Anträge, festzustellen, dass die Haushaltspläne der Notarkasse für die Rechnungsjahre 1969 bis 2001 ungültig sind, sind ebenfalls unzulässig.

1. Die Anträge sind schon unstatthaft. Es ist weder vorgetragen noch zu ersehen, dass die Haushaltspläne jeweils durch eine Haushaltssatzung festgesetzt worden sind (vgl. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GO zu Haushaltssatzungen der Gemeinde und Art. 64 GO zu Haushaltsplänen der Gemeinde).

Unabhängig davon sind durch Haushaltssatzung festgesetzte Haushaltspläne keine materiell-rechtlichen Rechtsvorschriften. Der Haushaltsplan ist lediglich für die Haushaltsführung der Verwaltung verbindlich (vgl. Art. 64 Abs. 3 Satz 2 GO). Er ermächtigt die Verwaltung, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen (vgl. § 3 Abs. 1 HGrG). Ansprüche und Verbindlichkeiten Dritter werden durch den Haushaltsplan weder begründet noch aufgehoben (vgl. § 3 Abs. 2 HGrG, Art. 64 Abs. 3 Satz 3 GO). Damit handelt es sich bei einem Haushaltsplan selbst dann nicht um eine Rechtsvorschrift im Sinn des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO, wenn er durch eine Haushaltssatzung festgesetzt worden ist.

2. Außerdem fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO). Da Haushaltspläne nicht außenverbindlich sind, ist es nicht denkbar und möglich, dass der Antragsteller durch die angegriffenen Haushaltspläne in seinen Rechten verletzt ist.

B.

Auch die gegen die Versorgungssatzung (Anlage zu Art. 20 der Satzung der Notarkasse in der Fassung vom 23. März 2001 und 13. Juni (richtig wohl: Juli) 2001 gerichteten Anträge sind unzulässig.

I.

Die Anträge, festzustellen, dass § 7 Abs. 1 der Versorgungssatzung in den Fassungen vom 23. März 2001 und 13. Juli 2001 ungültig ist, dies jedoch mit der Maßgabe, dass die Vorschrift vorläufig bis zu ihrer Ersetzung durch eine rechtlich unbedenkliche Regelung weiter anzuwenden ist auf Notare, die bis zur Ersetzung durch eine rechtlich unbedenkliche Regelung aus dem Beruf ausgeschieden sind, und mit der weiteren Maßgabe, dass die ersetzende Neuregelung ab ihrem Inkrafttreten auch auf diese ausgeschiedenen Notare anzuwenden ist, sind unzulässig.

§ 7 Abs. 1 der Versorgungssatzung lautet in der am 23. März 2001 beschlossenen, am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung wie folgt: "Das monatliche Ruhegehalt beträgt für jedes vollendete Dienstjahr 261,69 DM, bis das Höchstruhegehalt von monatlich 7.850,74 DM nach 30 vollendeten Dienstjahren erreicht ist."

Die Vorschrift lautet in der am 13. Juli 2001 beschlossenen, am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Fassung wie folgt: "Das monatliche Ruhegehalt beträgt für jedes vollendete Dienstjahr 133,80 Euro, bis das Höchstruhegehalt von monatlich 4.014,02 Euro nach 30 vollendeten Dienstjahren erreicht ist".

1. Die Anträge sind als Normenkontrollanträge unstatthaft.

Die Fassung der Anträge ist nicht sachdienlich. Dem Antragsteller geht es mit diesen Anträgen in Wahrheit nicht um eine Normverwerfung, sondern um eine Normänderung. Das Rechtsschutzziel des Antragstellers ist darauf gerichtet, dass die ihn - nach seiner Auffassung - nicht ausreichend begünstigenden Versorgungsregelungen durch Vorschriften ersetzt werden, die ihn finanziell (deutlich) besser stellen.

Das ergibt sich nicht nur aus den Einschränkungen des Antrags über die vorläufige Weitergeltung der angegriffenen Regelungen, sondern auch aus der Rüge des Antragstellers, dass die Begrenzung des Ruhegehalts der Notare auf einen einheitlichen Höchstbetrag nach 30 Dienstjahren, der unabhängig von der Höhe der vom einzelnen Notar während der Dienstzeit geleisteten (Staffel-)Abgaben gewährt wird, verfassungswidrig sei. Das Ruhegehalt müsse in Relation zu den geleisteten Staffelabgaben deutlich erhöht werden. Ihm müsste mindestens das 16-fache des Höchstruhegehalts zugesprochen werden. Zumindest sei ein angemessener finanzieller Ausgleich für die tatsächlich erbrachten, "übermäßig hohen" Aufwendungen für die Altersversorgung geboten ("Unzulässigkeit der Versagung eines angemessenen Ausgleichs").

Richtige Rechtsschutzform für dieses Begehren ist nicht der Normenkontrollantrag, sondern die Normänderungsklage (Normerlassklage).

Eine Umdeutung des Antrags auf Feststellung der Ungültigkeit der Rechtsvorschrift (Normenkontrollantrag) in einen Antrag, die Antragsgegnerin zu verurteilen, die angegriffenen Ruhegehaltsregelungen durch Regelungen zu ersetzen, die für die Betroffenen günstiger sind (Normänderungsklage), kommt nicht in Betracht, da der Antragsteller einer solchen Umdeutung, die zu einer Verweisung des Antrags an das Verwaltungsgericht München führen würde (§ 83 Satz 1 VwGO, § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG, §§ 45, 52 Nr. 5 VwGO), in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich widersprochen hat.

Das Normenkontrollverfahren ist gemäß § 47 Abs. 1 VwGO darauf gerichtet, die Ungültigkeit der angegriffenen Satzung oder Verordnung festzustellen. Kommt das Normenkontrollgericht zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Auf Rechtsschutzbegehren, mit denen geltend gemacht wird, ein Satzungsgeber habe es unter Verstoß gegen höherrangiges Recht unterlassen, Satzungsregeln so zu ändern, dass sie den Rechtsschutzsuchenden in höherem Maße begünstigen (Normänderungsklagen), sind die Bestimmungen des § 47 Abs. 1 VwGO weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (BVerwG vom 3.11.1988 BVerwGE 80, 355/363; vom 7.9.1989 NVwZ 1990, 162/163). Eine entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 1 VwGO auf Normänderungsbegehren ist ausgeschlossen, weil es insoweit eine vom Gesetzgeber nicht bedachte (systemwidrige) Regelungslücke nicht besteht. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es nicht geboten, § 47 VwGO auf Normerlass-, Normergänzungs- oder Normänderungsbegehren entsprechend anzuwenden. Das ergibt sich daraus, dass die Einführung des Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO als solches schon nicht durch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG geboten ist (BVerfG vom 27.7.1971 BVerfGE 31, 364/369 f.; BVerwG vom 17.2.1984 BVerwGE 69, 31/33). Normerlass-, Normergänzungs- oder Normänderungsklagen gehören damit vor die Verwaltungsgerichte (§ 45 VwGO).

2. Unabhängig davon fehlt dem Antragsteller für diesen Normverwerfungsantrag auch die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO).

Der Antragsteller bezieht nach Maßgabe der Festsetzung im Bescheid vom 20. August 2003 Ruhegehalt. Der Bescheid beruht auf der Versorgungssatzung. Hätte sein Antrag Erfolg, entfiele die Rechtsgrundlage für den Versorgungsbescheid. Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), die nach Art. 21 der Satzung der Notarkasse auch für die Besoldung und die Versorgung der Notare gelten, ist es ausgeschlossen, einem Beamten Besoldungsleistungen zuzusprechen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Bei verfassungswidrigen Bestimmungen des geltenden Beamtenrechts wird dem Beamten grundsätzlich zugemutet, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und eine danach etwa gebotene Neuregelung des Besoldungsanspruchs durch den Gesetzgeber abzuwarten (vgl. BVerwG vom 20.6.1996 NVwZ 1998, 76 = DVBl 1997, 353 mit weiteren Nachweisen).

II.

Auch der Antrag, festzustellen, dass § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung ungültig ist, soweit für die Gewährung des Ersatzruhegehalts an die in Abs. 1 Nrn. 1 und 2 bezeichneten Notaren in den Fällen des Abs. 2 Nrn. 2, 3 und 4 die Vollendung des 65. Lebensjahres gefordert wird, ist als Normenkontrollantrag unstatthaft, weil er in Wahrheit ebenfalls auf eine Normänderung gerichtet ist.

Nach § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung hat ein Notar, der keinen Anspruch auf Altersruhegehalt gemäß Abs. 1 hat, und der gemäß § 50 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 und Nrn. 8 bis 10, Abs. 2 BNotO des Amtes enthoben worden ist oder sein Amt gemäß § 49 BNotO verloren hat oder durch disziplinargerichtliches Urteil aus dem Amt entfernt worden ist (§ 97 BNotO), und die Voraussetzungen des § 3 erfüllt, als Ersatz Anspruch auf Ruhegehalt nach Vollendung des 65. Lebensjahres. § 8 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 sowie § 8 Abs. 2 finden in diesem Fall keine Anwendung.

Die Vorschrift knüpft ausweislich ihres Wortlauts an die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen an, denen zufolge dem Notar aus den in Nrn. 1 bis 4 des Abs. 2 der Vorschrift enumerativ aufgezählten Gründen keinen Anspruch auf Altersruhegehalt zusteht. Sie ist anspruchsbegründende Grundlage für die Gewährung von Ersatzleistungen in Gestalt des Anspruchs auf Ruhegehalt und bestimmt den Kreis der Begünstigten. Mit der vom Antragsteller begehrten Absenkung der Altersgrenze soll eine Versorgungslücke geschlossen werden, die auftreten kann, wenn ein Notar seines Amtes vor Vollendung des 65. Lebensjahres verlustig ging.

Das Begehren des Antragstellers zielt der Sache nach nicht auf die Verwerfung einer belastenden Regelung, sondern auf die Erweiterung einer begünstigenden Regelung. Dem Antragsteller geht es darum, den Kreis der ersatzruhegehaltsberechtigten Notare zu vergrößern. Für dieses Begehren wäre, wenn der Antragsteller einen sachdienlichen Antrag stellen würde, gleichsfalls nur die Normänderungsklage zum Verwaltungsgericht gegeben.

III.

Der Antrag, festzustellen, dass § 7 Abs. 2 mit 4 der Versorgungssatzung ungültig ist, und der Antrag, festzustellen, dass § 4 Abs. 2 der Versorgungssatzung ungültig ist, soweit er keine salvatorische Entschädigungs- oder Ausgleichsregelung für ausgleichspflichtige Inhalts- oder Schrankenbestimmungen des Eigentums der Notare an der durch Eigenleistungen aufgebauten Ruhegehaltsanwartschaft in den Fällen der Nrn. 2, 3 und 4 enthält, solange eine solche in § 50 BNotO nicht enthalten ist, sind aus den gleichen Gründen unstatthaft.

Dem Antragsteller geht es mit diesen Anträgen im Ergebnis darum, eine Regelungslücke festzustellen mit dem Ziel, den Satzungsgeber zu veranlassen, eine Regelung des Inhalts zu treffen, dass einem des Amtes enthobenen Notar dasjenige erstattet wird, was er über das zum Aufbau seiner eigenen Altersversorgung Erforderliche hinaus geleistet hat. Seine Rüge, die gegenwärtige Regelung führe bei einem ungewöhnlich großen Äquivalenzdefizit dazu, dass ein hoher Mehrbetrag entschädigungslos zugunsten der Notarkasse "konfisziert" werde, zielt auf die Feststellung einer Verpflichtung zur Normergänzung. Ein solcher Antrag ist unstatthaft.

IV.

Die hilfsweise gestellten Anträge, festzustellen, dass die Versorgungssatzung in einer bestimmten Weise auszulegen ist, sind gleichfalls unstatthaft.

1.

Der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass die Versorgungssatzung im Hinblick auf das Fehlen einer salvatorischen Entschädigungs- oder Ausgleichsregelung für ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums der Notare nach näherer Maßgabe der vom Antragsteller vorgegebenen Merkmale verfassungskonform auszulegen ist, ist unstatthaft.

Der Antrag zielt nicht auf eine (allgemeinverbindliche) Normverwerfung, sondern auf eine (allgemeinverbindliche) Normbestätigung für eine bestimmte Normauslegung. Für ein solches Begehren ist das Normenkontrollverfahren nicht ergeben. Das Normenkontrollverfahren des § 47 VwGO ist ein Normbeanstandungsverfahren, kein Normauslegungsverfahren. Das ergibt sich nicht nur aus der Bestimmung des § 47 Abs. 1 VwGO über den Gegenstand des Normenkontrollverfahrens, sondern auch aus der Bestimmung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 VwGO über die Entscheidungsformel für einen erfolgreichen Antrag und aus den Bestimmungen des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 und Satz 3 in Verbindung mit § 183 VwGO über die Entscheidungswirkungen.

Zwar kann im verfassungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nrn. 2 und 2 a GG, § 13 Nr. 6 und 6 a BVerfGG) eine gesetzeskräftige Feststellung des Bundesverfassungsgerichts erreicht werden, dass eine bestimmte Auslegung einer Norm mit dem Grundgesetz unvereinbar ist (vgl. § 79 Abs. 1 Alt. 3, § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Das gilt jedoch nicht für das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren. § 47 VwGO enthält keine dem § 79 Abs. 1 Alt. 3 BVerfGG entsprechende Regelung. Der Vergleich der Bestimmungen in § 79 Abs. 1 Alt. 3 in Verbindung mit Abs. 2 BVerfGG über die Wirkungen einer Entscheidung, durch die das Bundesverfassungsgericht die Auslegung einer Norm für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat, mit den Regelungen in § 47 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 in Verbindung mit § 183 VwGO über die Wirkungen einer Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren bestätigt das (Gerhardt/Bier in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 RdNr. 115).

2.

Auch der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass die im Einzelnen näher dargestellte Auslegung der §§ 4 und 7 der Versorgungssatzung mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar ist, ist unstatthaft. Auch für ein solches Begehren ist das Normenkontrollverfahren, wie sich aus § 47 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 VwGO ohne weiteres ergibt, nicht eröffnet.

Die Feststellung, dass eine bestimmte Normauslegung unzulässig sei, würde mittelbar zu einer Normbestätigung mit Allgemeinverbindlichkeit führen (Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 RdNr. 115).

C.

Die vorsorglich gestellten Beweisanträge des Antragstellers sind abzulehnen. Sie sind nicht entscheidungserheblich, da alle hauptsächlich oder hilfsweise gestellten Sachanträge unzulässig sind. Eine Sachaufklärung unter Berücksichtigung der unter Beweis gestellten Tatsachen kommt daher nicht in Betracht (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog). Soweit sich die Beweisanträge auf Rechtsfragen beziehen, sind sie außerdem unstatthaft (§ 98 VwGO, §§ 373, 402 ZPO).

D.

Der Normenkontrollantrag ist daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 136.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf der Übergangsregelung des § 72 Nr. 1 Halbs. 1 GKG n. F. und auf § 13 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 GKG a. F. sowie auf einer entsprechenden Anwendung des § 5 Halbs. 1 ZPO. Der Wert der gegen die 33 Abgabesatzungen einschließlich der Haushaltspläne 1969 bis 2001 gerichteten Anträge wurde jeweils mit dem Auffangstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F. von 4.000 Euro bemessen. Der Wert der gegen die Versorgungssatzung gerichteten Anträge wurde mit dem Wert von insgesamt 4.000 Euro bemessen. Das ergibt einen Gesamtstreitwert von (33 x 4.000 Euro plus 1 x 4.000 Euro =) 136.000 Euro.

Ende der Entscheidung

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