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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 9 ZB 05.3209
Rechtsgebiete: VwGO, BayVwVfG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 48
BayVwVfG Art. 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

9 ZB 05.3209

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerruf und Beseitigungsanordnung (Außenbereichsgebäude);

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. September 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Krieger

ohne mündliche Verhandlung am 24. Oktober 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 und 5 VwGO) bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den mit Bescheid des Landratsamts Miltenberg vom 7. Oktober 2004 verfügten Widerruf einer dem Kläger am 20. August 2002 erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Kleintierstalls auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück der Gemarkung ********* ****** **** in eine Rücknahme umgedeutet und die gegen den Bescheid, mit dem darüber hinaus die Beseitigung des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes angeordnet wurde, gerichtete Klage abgewiesen. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts macht der Kläger allein den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Die Ausführungen im Antragsschriftsatz begründen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

Dem Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung den Gesichtspunkt des Bestandsschutzes für die bereits vorhandene Fasanerie, die er lediglich auf den jetzigen Standort verschoben und dann Wand für Wand erneuert habe, außer Acht gelassen, kann nicht gefolgt werden. Bestandschutz beschränkt sich auf die vorhandene Bausubstanz und gewährleistet das Recht, das Bauwerk weiterhin so zu nutzen und zu unterhalten, wie es seinerzeit im Einklang mit dem damals geltenden Recht errichtet wurde. Vom Bestandschutz erfasst sind auch Reparaturmaßnahmen, solange die Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk gewahrt bleibt, nicht aber darüber hinausgehende Maßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkommen (vgl. BVerwG vom 24.5.1993 Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nr. 63 m.w.N.). Auch wenn Mitarbeiter des Landratsamts zunächst eine andere Rechtsauffassung vertreten haben, ist das vom Kläger errichtete Vorhaben nicht mit der ursprünglich vorhandenen Fasanenaufzuchtstation im dargestellten Sinne identisch. Nachdem der Kläger das ursprüngliche, auf dem Nachbargrundstück errichtete Gebäude auf ein auf dem Baugrundstück vorbereitetes Fundament umgesetzt und später Wand für Wand erneuert hat, entsprechen sich die beiden Bauwerke allenfalls noch in ihren Außenmaßen. Identität besteht aber weder hinsichtlich des Standorts noch hinsichtlich der Bausubstanz. Ein etwaiger Bestandschutz der Fasanenaufzuchtstation kann sich daher nicht auf das streitgegenständliche Bauvorhaben erstrecken.

Nicht überzeugend ist auch das klägerische Vorbringen, wonach die erteilte Baugenehmigung rechtmäßig sei, so dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Verwaltungsakts nicht vorlägen. An der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ist nicht zu zweifeln. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese - wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat - u. a. bereits daraus ergibt, dass das Einvernehmen der unteren Naturschutzbehörde, das wegen der Lage des Baugrundstücks im Bereich der Schutzzone des Landschaftsschutzgebiets "Spessart" erforderlich ist (Art. 13 a Abs. 2 BayNatSchG), nicht vorliegt. Nach Art. 13 a Abs. 2 BayNatSchG wird eine auf Grund einer Schutzverordnung erforderliche behördliche Gestattung durch eine nach anderen Vorschriften erforderliche behördliche Gestattung ersetzt. Diese Gestattung darf aber nur dann erteilt werden, wenn neben dem erforderlichen Einvernehmen der nach Naturschutzrecht zuständigen Behörde auch die Voraussetzungen für die Erteilung der nach der Schutzverordnung erforderlichen Gestattung vorliegen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Bezirks Unterfranken über das Landschaftsschutzgebiet "Spessart" in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.12.2001 (Amtsblatt der Regierung von Unterfranken Nr. 23/2001, 321) bedarf der naturschutzrechtlichen Erlaubnis, wer beabsichtigt, im Landschaftsschutzgebiet bauliche Anlagen im Sinne der Bayerischen Bauordnung zu errichten, zu erweitern, oder ihre äußere Gestalt oder ihr Aussehen wesentlich zu ändern. Nach § 6 Abs. 2 der VO ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn das Vorhaben keine der in § 5 genannten Wirkungen hervorrufen kann oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können. Nach § 5 der VO ist es im Landschaftsschutzgebiet u. a. verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, den Naturgenuss zu beeinträchtigen. Dieser wird regelmäßig dann beeinträchtigt, wenn ein bislang naturbelassener oder nur landwirtschaftlich genutzter Bereich mit siedlungstypischen Gestaltungselementen, insbesondere mit Gebäuden und Verkehrswegen versehen wird (vgl. Engelhardt/Brenner, Naturschutzrecht in Bayern, RdNr. 31 zu Art. 6 BayNatSchG). Das hier auf einem bislang nicht bebauten Außenbereichsgrundstück genehmigte beheizbare Hauptgebäude mit einer Grundfläche von 8 m auf 9 m, das sowohl mit einem Sanitär- als auch einem Wirtschaftsraum einschließlich Arbeitsplatte und einem Spülbecken ausgestattet werden und einen Anbau mit einer Grundfläche von 2,6 m auf 3,6 m erhalten soll, erfüllt diese Kriterien. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach der Schutzverordnung nicht vorliegen. Die Baugenehmigung hätte daher nicht erteilt werden dürfen. Im Übrigen beeinträchtigt die Errichtung eines Gebäudes, das ausschließlich der Hobbytierhaltung dient und dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit daher nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, auch Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB.

Schließlich vermögen auch die Argumente, die der Kläger gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Umdeutung des Widerrufs der von Anfang an rechtswidrigen Baugenehmigung in eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG vortragen lässt, keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Ein Verwaltungsakt, der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, kann auch vom Gericht umgedeutet werden (vgl. BVerwG vom 23.11.1999 BVerwGE 110, 111 m.w.N.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass hier die Voraussetzungen für die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes nach Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG erfüllt sind. Es liegen auch keine Gründe vor, die eine Umdeutung ausschließen (Art. 47 Abs. 2 BayVwVfG).

Obgleich die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erschienenen Vertreter des Landratsamts der Umdeutung ausdrücklich entgegengetreten sind, widerspricht sie nicht der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BayVwVfG). Denn abzustellen ist hierbei nicht auf die subjektiven Auffassungen und Erwartungen der für die Behörde handelnden Amtsträger, sondern auf die Zielsetzung des Verwaltungsakts, wie sie sich bei objektiver Betrachtungsweise nach Treu und Glauben aus dem Verwaltungsakt selbst, der damit verbundenen Begründung und nach den Umständen des Erlasses für den Betrachter darstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., RdNr. 24 zu § 47). Ziel des streitgegenständlichen Widerrufsbescheides war es aber, die Baugenehmigung aufzuheben. Mit dieser Zielsetzung stimmt die Rücknahme der Baugenehmigung überein, zumal auch der Widerspruchsbescheid zum Ausdruck bringt, dass ein Weitergelten der von Anfang an rechtswidrigen Baugenehmigung nicht in Betracht kommt.

Der Umdeutung des Bescheides vom 7. Oktober 2004 in einen Rücknahmebescheid steht auch nicht die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG entgegen. Nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur innerhalb der Frist eines Jahres ab dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, zulässig. Die Jahresfrist ist eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, sobald die für die Rücknahme zuständige Behörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für eine Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Hierzu gehören auch die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (BVerwG vom 19.12.1984 BVerwGE 70, 356). Die Frist beginnt somit erst zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Zu den Umständen, die im Rahmen einer sachgerechten Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind, gehört auch der Ausgang eines vom Betroffenen eingeleiteten Petitionsverfahrens (anders bei Einlegung einer Petition durch einen Dritten in einem vergleichbaren Fall, vgl. VGH BW vom 25.11.1991 NVwZ-RR 1993, 58). Dies ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Verwaltungspraxis im Freistaat Bayern, wonach eine Behörde in einem anhängigen Verwaltungsverfahren nicht entscheidet, solange der Landtag über die Eingabe noch nicht befunden hat (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, RdNr. 779 zu Art. 72 BayBO 1998). Entscheidend ist vielmehr, dass insbesondere ein vom zuständigen Ausschuss ausgesprochener Würdigungs- oder Berücksichtigungsbeschluss (§ 80 Nr. 3 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag - GeschOLT) einen Umstand darstellt, der bei der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen ist. Soweit die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ansonsten abgeschlossen ist, beginnt die Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG daher in dem Zeitpunkt, in dem die für die Rücknahmeentscheidung zuständige Behörde vom Ausgang des Petitionsverfahrens Kenntnis erhalten hat. Die Petition des Klägers ist in der Sitzung des Petitionsausschusses vom 11. November 2003 für erledigt erklärt worden. Der Bescheid vom 7. Oktober 2004 ist daher noch innerhalb der Jahresfrist ergangen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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