Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 1 ObOWi 208/02
Rechtsgebiete: GG, OWiG


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 2
OWiG § 80 Abs. 2 Nr. 1
Wurde der Einspruch des Betroffenen zu Unrecht wegen Abwesenheit in der Hauptverhandlung verworfen, so kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausgeschlossen werden, wenn er seine Fahrereigenschaft eingeräumt, im übrigen aber von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hätte.
Tatbestand:

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat mit Bescheid vom 30.5.2001 gegen den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 100 DM festgesetzt.

Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Urteil vom 16.10.2001 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden worden sei.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

Gründe:

a) In der vom Verteidiger mit der Rechtsbeschwerde vorgelegten Ladung zur Hauptverhandlung vom 16.10.2001 heißt es ausdrücklich, dass das persönliche Erscheinen des Betroffenen - der von der Verpflichtung zum Erscheinen in der ausgesetzten Hauptverhandlung vom 11.9.2001 auf seinen Antrag hin entbunden worden war - "nicht angeordnet" worden sei. Danach durften zum einen sowohl der Verteidiger als auch der Betroffene davon ausgehen, dass die Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG in ihrer Abwesenheit durchgeführt werde; zum anderen durfte aber das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verwerfen, weil er trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne (genügende) Entschuldigung ausgeblieben sei.

b) Allerdings liegt in der unzulässigen Einspruchsverwerfung allein nicht in jedem Fall eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wenn sich aber - wie hier - der Betroffene zur Sache geäußert hat und sein Verteidigungsvorbringen nicht von vornherein völlig unerheblich ist, verbietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dass sein Vorbringen aufgrund einer vom Gesetz nicht gedeckten Verfahrensweise unberücksichtigt bleibt (vgl. u.a. OLG Köln NStZ 1988, 31). Denn der Anspruch des Betroffenen auf sachliche Würdigung seines Vorbringens darf nicht durch eine unzulässige Einspruchsverwerfung seines Inhalts beraubt werden. Vielmehr gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, dass das Gericht wesentliche der Verteidigung dienende Tatsachen zur Kenntnis nimmt bzw. sich mit ihnen in den Gründen der Entscheidung auseinandersetzt (BVerfG VRS 81, 1/2; NJW 1982, 30).

Vorliegend hat der Betroffene in der Begründung seines Rechtsmittels dargelegt, dass sein Verteidiger zur Begründung des Antrags, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, vorgetragen hat:

"Der Betroffene erklärt, dass er das im Bußgeldbescheid genannte Fahrzeug zur Tatzeit geführt hat, so dass die Anwesenheit des Betroffenen zu Identifizierungszwecken in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist. Darüber hinaus macht der Betroffene von seinem Schweigerecht Gebrauch."

Dieser im Zulassungsverfahren wiederholte Vortrag genügt zum einen den formalen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, da ihm der Senat entnehmen kann, welches Vorbringen des Betroffenen in der Sache durch die unzulässige Verwerfung des Einspruchs unberücksichtigt geblieben ist (vgl. hierzu BayObLG DAR 1998, 480 m. w. N.; OLG Hamm NZV 1999, 220; KK/Senge OWiG 2. Aufl. § 74 Rn. 54 und 57).

Er zeigt aber auch in der Sache auf, dass der Betroffene über das bloße Einräumen der Fahrereigenschaft hinaus - ausdrücklich - von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht und durch diese Art der Verteidigung den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf im übrigen bestritten hat. Da dieses Verteidigungsvorbringen durch die unzulässige Verwerfung des Einspruchs ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG unberücksichtigt geblieben ist, ist dem Betroffenen das rechtliche Gehör versagt worden.

Ende der Entscheidung

Zurück