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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 1 ObOWi 540/03
Rechtsgebiete: StPO, OWiG


Vorschriften:

StPO § 154 Abs. 2
OWiG § 21 Abs. 2
OWiG § 33 Abs. 3 Satz 2
OWiG § 33 Abs. 3 Satz 3
1. Sieht das Gericht von der Verfolgung einer Straftat nach § 154 Abs. 2 StPO ab, so hindert dies die Ahndung der Handlung als Ordnungswidrigkeit nicht.

2. In einem solchen Fall richtet sich die Frist für die absolute Verjährung, vor deren Ablauf ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen sein muss, nach der für die Straftat geltenden Verjährungsfrist.

3. Gleichwohl muss die Verjährung jedoch jeweils rechtzeitig vor Ablauf der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit geltenden (kürzeren) Verjährungsfrist unterbrochen worden sein.


Tatbestand:

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat gegen den Betroffenen wegen einer am 22.12.2000 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung mit Bußgeldbescheid vom 26.3.2001 eine Geldbuße von 1.000 DM festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Gegen den am 28.3.2001 zugestellten Bußgeldbescheid hat der Betroffene am 30.3.2001 Einspruch eingelegt.

Nachdem festgestellt worden war, dass gegen den Betroffenen zur Zeit des Geschwindigkeitsverstoßes am 22.12.2000 ein Fahrverbot bestand, hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen am 22.10.2001 einen Strafbefehl wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots erlassen, gegen den der Betroffene ebenfalls rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Beide Verfahren sind am 13.11.2001 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

In der Hauptverhandlung vom 25.6.2003 ist das Strafverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden. Wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht den Betroffenen am 28.7.2003 zur Geldbuße von 500 EUR verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet.

Mit seiner gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts; er wandte sich gegen die Verhängung des Fahrverbots. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der zulässigen - ausweislich ihrer Begründung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten - Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Gründe:

1. Die unbeschadet der Beschränkung des Rechtsmittels von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob Verfahrenshindernisse bestehen oder Verfahrensvoraussetzungen fehlen, hat ergeben, dass dies nicht der Fall ist.

a) Dass das Strafverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots in der Hauptverhandlung vom 25.6.2003 im Hinblick auf die Verurteilung vom 10.7.2001 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden ist, hindert die Ahndung der Handlung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht, § 21 Abs. 2 OWiG (vgl. BGHSt 41, 385; LR/Beulke StPO 25. Aufl. § 154 Rn. 6; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 154 Rn. 15; Göhler OWiG 13. Aufl. § 21 Rn. 27).

b) Bis zum Erlass des angegriffenen Urteils vom 28.7.2003 (vgl. § 32 Abs. 2 OWiG) ist die Verfolgung der am 22.12.2000 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nicht verjährt. Die Frist für die absolute Verjährung betrug, wie der Tatrichter zutreffend dargelegt hat, nicht zwei Jahre (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Sie richtete sich vielmehr nach der Frist, die sich aus der Strafdrohung ergibt, § 33 Abs. 3 Satz 3 OWiG, und betrug daher vorliegend sechs Jahre, da dem Betroffenen in dem beim Amtsgericht München anhängigen Verfahren gleichzeitig eine Straftat des vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG angelastet wurde und diese Straftat nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 EGStGB in drei Jahren verjährt (vgl. BGH NJW 1992, 921/924; KK/Weller OWiG 2. Aufl. § 33 Rn. 117).

§ 33 Abs. 3 Satz 3 OWiG gilt allerdings nur für die absolute Verjährung. Die Frist für die Unterbrechung der Verjährung bei der Ordnungswidrigkeit nach § 26 Abs. 3 StVG betrug daher bis zum Erlass des Bußgeldbescheids vom 26.3.2001 zunächst drei Monate und danach - der Bußgeldbescheid wurde binnen zwei Wochen zugestellt (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) - sechs Monate. Die Verjährung ist insoweit zunächst am 22.1.2001 (gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) unterbrochen worden und sodann nach Erlass des Bußgeldbescheids bis zum Erlass des Urteils vom 28.7.2003 jeweils rechtzeitig vor Ablauf von sechs Monaten durch Maßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2, 10 und 11 OWiG (vgl. hierzu OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1980, 169/179; OLG Köln VRS 70, 27; Göhler § 33 Rn. 57; ferner Nr. 274 RiStBV).

2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter die Geldbuße angesichts der Höhe der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - um mindestens 112 km/h trotz eines sogenannten Geschwindigkeitstrichters vor der Messstelle - auf das für eine fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit höchstmögliche Maß von 500 EUR festgesetzt hat. Ebenso begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass der Tatrichter trotz des Zeitablaufs von zwei Jahren sieben Monaten zwischen der zu ahndenden Tat und dem Erlass des Urteils nicht gänzlich von der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots abgesehen hat, sondern der langen Verfahrensdauer dadurch Rechnung getragen hat, dass er das an sich verwirkte Regelfahrverbot von drei Monaten (Nr. 11.3.10 der Tabelle 1c des Anhangs zu Nr. 11 des Bußgeldkatalogs) auf einen Monat reduziert hat (vgl. hierzu BayObLG DAR 2003, 569). Dass die Anordnung des Fahrverbots - für die Dauer eines Monats - im Übrigen unverhältnismäßig wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Kosten: § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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