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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 18.06.1999
Aktenzeichen: 1St RR 66/99
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 263 Abs. 1
StGB § 22
StGB § 265
StGB § 52
StGB § 263 Abs. 3 Nr. 5
StGB § 2 Abs. 3
StGB § 263
StGB § 265 Abs. 2
StGB § 23 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 30 Abs. 1
StGB § 52 Abs. 2
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 244 Abs. 4
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Urteil

1St RR 66/99

Der 1. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat in dem Strafverfahren gegen

R. O. wegen versuchten Betrugs u.a.

aufgrund der Hauptverhandlung in der öffentlichen Sitzung vom 18. Juni 1999, an der teilgenommen haben

1. als Richter die Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Sihler, Dr. Schmitz und Kasch,

2. als Beamtin der Staatsanwaltschaft Oberstaatsanwalt in Bottermann,

3. als Verteidiger Rechtsanwalt K. W. aus B.

4. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Amtsinspektor Trindl,

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 10. November 1998 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Mitaufgehoben werden auch die insoweit zugrunde liegenden Feststellungen und die Kostenentscheidung des genannten Urteils.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bamberg zurückverwiesen.

III. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 10. November 1998 wird als unbegründet verworfen.

IV. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

I.

Das Amtsgericht Bamberg hat den Angeklagten durch Urteil vom 31.7.1997 wegen Versicherungsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt; die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt. Das Landgericht Bamberg hat am 10.11.1998 das Urteil des Amtsgerichts Bamberg vom 31.7.1998 dahingehend abgeändert, daß der Angeklagte wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die weitergehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht verworfen. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Revision mit der Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Strafe zu Unrecht dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnommen hat.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß das Handeln des Angeklagten sich im Tatzeitpunkt nach §§ 263 Abs. 1, 22 StGB, § 265 StGB a.F., § 52 StGB beurteilt. Zuzustimmen ist dem Landgericht auch darin, daß nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26.1.1998 die Tat nunmehr nur unter § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. fällt und § 265 StGB n.F. als subsidiäre Bestimmung zurücktritt. Für die Frage, welcher Bestimmung im konkreten Fall der Strafrahmen zu entnehmen ist, kommt es gemäß § 2 Abs. 3 StGB auf das mildeste Gesetz an. Der zur Ermittlung des mildesten Gesetzes anzustellende Vergleich setzt voraus, daß das Wesen des in dem früheren Gesetz beschriebenen Delikts in seinem Kern von der Gesetzesänderung unberührt geblieben ist (BGHSt 26, 167/172). Gibt der Gesetzgeber dagegen durch die völlige Umgestaltung einer Vorschrift zu erkennen, daß er nicht mehr das bisher verpönte, sondern ein ganz anders geartetes Verhalten als Unrecht betrachtet, können die Straftatbestände des alten und des neuen Gesetzes nicht mehr zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Im vorliegenden Fall ist die Kontinuität des Unrechtstyps zu bejahen. Der bislang in § 265 StGB a.F. enthaltene Unrechtskern wurde vom Gesetzgeber in vollem Umfang als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betrugs in § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. übernommen. § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. ist die Nachfolgevorschrift des bisherigen § 265 StGB a.F. mit der Folge, daß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung kommt. Das mildeste Gesetz ist nicht dasjenige, das bei abstraktem Vergleich der Gesetze milder erscheint, sondern dasjenige, das bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die dem Täter günstigere Beurteilung zulässt (Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 2 Rn. 10 m.w.N.). Zwar ist § 265 StGB n.F. von einem Verbrechenstatbestand in einen gegenüber § 263 StGB subsidiären Vergehenstatbestand umgewandelt worden. Der Gesetzgeber hat aber in § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. das Vortäuschen eines Versicherungsfalls durch Inbrandsetzen als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betrugs mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ausgestaltet. Bei konkreter Betrachtung ist deshalb § 265 StGB n.F. i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. nicht das mildere Gesetz, wenn wie hier der Tatrichter den Tatbestand eines besonderes schweren Falles des Betrugs bejahen will (BGH NStZ-RR 1998, 235). Für das Ergebnis, daß vielmehr § 265 StGB a.F. gegenüber § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. das mildere Gesetz ist, spricht auch der Umstand, daß in § 265 Abs. 2 StGB a.F. dem Gericht die Möglichkeit einer Verurteilung in einem minder schweren Fall verbleibt, während eine solche Möglichkeit in § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. nicht mehr vorgesehen ist. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß es sich im vorliegenden Fall nur um einen versuchten Betrug in einem besonders schweren Fall handelt und an sich die Möglichkeit einer Strafmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB besteht. Ob der vertypte Milderungsgrund des § 49 Abs. 1 StGB im Einzelfall eingreift, ist im Rahmen des Vergleichs nach § 2 Abs. 3 StGB nicht zu berücksichtigen, vielmehr muß diese Frage dem Tatrichter überlassen bleiben (BGH vom 19.8.1998 3 StR 336/98). Zwar ist dies vom Bundesgerichtshof nur für den gesetzlich vertypten Milderungsgrund des § 49 Abs. 1 StGB i.V.m. § 30 Abs. 1 StGB entschieden worden, doch muß dies nach Auffassung des Senats in gleicher Weise für die Milderungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 StGB i.V.m. § 23 Abs. 2 StGB gelten.

2. Damit hat das Landgericht zwar zu Recht abgelehnt, die Strafe dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB n.F. zu entnehmen. Dessen ungeachtet ist die Rechtsfolgenentscheidung des Landgerichts dennoch unzutreffend. Unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 3 StGB ist für den Strafrahmen die rechtliche Beurteilung der Tat des Angeklagten nach § 265 StGB a.F., §§ 263 Abs. 1, 22, 52 StGB maßgeblich. Im Hinblick auf die vom Landgericht bejahte Tateinheit zwischen § 265 Abs. 1 StGB a.F. und §§ 263 Abs. 1, 22 StGB durfte das Landgericht die Strafe nicht dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnehmen (§ 52 Abs. 2 StGB). Vielmehr hätte das Landgericht auf den Strafrahmen des § 265 StGB a.F. abstellen müssen. Es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei Zugrundelegung des richtigen Strafrahmens zur Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe gelangt wäre. Daher mußte das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben werden.

III.

Die zulässige Revision des Angeklagten ist nicht begründet.

1. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Soweit der Angeklagte die unzulässige Ablehnung seines in der Hauptverhandlung wiederholten Beweisantrags aus dem Schriftsatz vom 5.11.1998 auf Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens rügt, wird diese Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gerecht. Wird die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags gerügt, müssen außer dem Inhalt des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) auch der Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses und die die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergebenden Tatsachen mitgeteilt werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 244 Rn. 85 m.w.N.). Es bestehen schon erhebliche Bedenken, ob der Beschwerdeführer seiner Darlegungspflicht hinsichtlich des Beweisantrags gerecht wird, wenn er lediglich auf seinen Schriftsatz vom 5.11.1998 und auf das Protokoll vom 9.11.1998 verweist. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer es versäumt, mitzuteilen, mit welcher Begründung das Landgericht den Beweisantrag abgelehnt hat. Die Revisionsbegründung erschöpft sich in der Bewertung der - ihrer Meinung nach fehlerhaften - Ablehnung des Beweisantrags, ohne die Begründung, die dem Ablehnungsbeschluß zugrundeliegt, wiederzugeben. Bei dieser Sachlage ist das Revisionsgericht nicht in der Lage, allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Die gleichzeitig erhobene Sachrüge und die damit stillschweigende Bezugnahme auf die Urteilsgründe vermag im vorliegenden Fall den aufgezeigten Mangel nicht zu beseitigen, da der Inhalt des Ablehnungsbeschlusses im Urteil nicht wiedergegeben ist.

b) Auch die Rüge des § 244 Abs. 4 StPO wird den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gerecht. Der Beschwerdeführer rügt, daß dem Sachverständigen Dr. P. zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden habe und das Gericht über einen "entsprechenden Beweisantrag" in diese Richtung nicht entschieden habe. Zum notwendigen Revisionsvorbringen gehört bei der Rüge der Nichtverbescheidung eines Beweisantrags die inhaltliche Mitteilung des Antrags (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 244 Rn. 85). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der bloße Hinweis auf den Antrag im Schriftsatz vom 5.11.1998 kann nicht als ausreichend angesehen werden, da dort nur von der Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens die Rede ist. Die nunmehr in der Revisionsschrift angesprochenen Umstände, der Sachverständige habe zu wenig Zeit zur Verfügung gehabt, kommt in diesem Antrag nicht zum Ausdruck.

c) Die nach § 244 Abs. 2 StPO erhobene Aufklärungsrüge wird den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ebenfalls nicht gerecht. Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt voraus, daß die Revision die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner muß angegeben werden, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 244 Rn. 81 m.w.N.). Der Beschwerdeführer nennt nur bestimmte Umstände, die nach seiner Meinung aufklärungsbedürftig waren. Eine bestimmte Beweisbehauptung selbst wird nicht angeführt. Ebenso fehlt die genaue Bezeichnung des Beweismittels, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Schließlich versäumt es der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen, warum sich das Gericht zu der - ohnehin nicht näher bezeichneten - Beweisaufnahme gedrängt sehen mußte.

d) Soweit die Revision rügt, daß der Zeuge M. zu Unrecht als Sachverständiger vernommen worden sei, findet diese Behauptung im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze. Vielmehr wurde M. eindeutig als Zeuge vernommen (Bl. 236 d.A.), was damit korrespondiert, daß seine Aussage im Urteil auch als die eines sachverständigen Zeugen gewürdigt wurde. Demgegenüber erstattete allein Dr. P. als Sachverständiger sein Gutachten (Bl. 237 d.A.) mit der Konsequenz, daß seine Ausführungen auch im Urteil als Gutachten bewertet wurden.

2. Soweit der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

IV.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Mitaufgehoben werden die insoweit zugrundeliegenden Feststellungen und die Kostenentscheidung (§ 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bamberg zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO). Die Revision des Angeklagten war als unbegründet zu verwerfen mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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