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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.04.1999
Aktenzeichen: 1St RR 71/99
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 125 Abs. 1
StGB § 125 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 241
StGB § 56 Abs. 1 Satz 2
StPO § 267 Abs. 3 Satz 4
StPO § 473 Abs. 1 Sätze 1 und 2
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

1St RR 71/99

BESCHLUSS

Der 1. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Schmidt sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Sihler und Wannemacher in dem Strafverfahren

gegen

a) N D K b) M M c) S M

wegen

Landfriedensbruchs u. a.

auf Antrag und nach Anhörung der Staatsanwaltschaft

am 16. April 1999

einstimmig

beschlossen:

I. Die Revisionen der Angeklagten N und S gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Augsburg vom 17. Juli 1998 werden als unbegründet verworfen.

II. Auf die Revision des Angeklagten M wird das Urteil des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Augsburg vom 17. Juli 1998, soweit es ihn b trifft, im Rechtsfolgenausspruch und mit den dies zugrunde liegenden Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufgehoben.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an ein anderes (allgemeines) Schöffengericht bei dem Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen.

IV. Im übrigen wird auch die Revision des Angeklagten M als unbegründet verworfen.

V. Die Angeklagten N und S haben die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Das Jugendschöffengericht hat die Angeklagten je wegen Landfriedensbruchs, den Angeklagten M in Tateinheit mit Beleidigung, den Angeklagten S in Tateinheit mit Bedrohung schuldig gesprochen und sie zu Geldstrafen von 80 Tages Sätzen zu je 20 DM (N ), zur Freiheitsstrafe von sechs Monaten (M ) und zur Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 DM (S ) verurteilt.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 31.12.1997 fand in der Gaststätte Siedlerhof in Augsburg eine "Abschiedsparty" anläßlich der behördlicherseits angeordneten Einstellung des Diskothekenbetriebs im Siedlerhof statt. An der Veranstaltung nahmen etwa 500 Besucher teil. Für die Untersagung des Diskothekenbetriebes wurde von vielen Besuchern der in einem Nachbaranwesen mit seiner Mutter wohnende Nebenkläger wegen dessen Beschwerden verantwortlich gemacht, was zu einer "erheblichen Verärgerung" und dazu führte, daß schon Tage zuvor insbesondere in "Punkerkreisen" darüber gesprochen wurde, daß eine "Randale geplant sei wegen der Schließung des Siedlerhofs". Während der Veranstaltung war an einem Tisch, an dem auch die Angeklagten saßen, "Thema, daß an diesem Abend etwas abgehen solle und der Nachbar fertig gemacht werden solle". Nachdem gegen 24 Uhr der Großteil der etwa 500 Besucher sich ins Freie begeben hatte und aus dieser Menge leere Flaschen und Feuerwerkskörper flogen, "wobei sich die Zielrichtung immer mehr auf das Grundstück (der Mutter des Nebenklägers) konzentrierte", und der Nebenkläger mit seiner Mutter daraufhin das Haus, nachdem an einem Fenster ein Feuerwerkskörper "eingeschlagen" hatte, verließ, löste sich aus der Menge eine kleinere Gruppe, in der sich auch die Angeklagten befanden, und begab sich unmittelbar zum Zaun des Anwesens, wo es zu weiteren Ausschreitungen kam. Sämtliche Angeklagte beteiligten sich selbst unter anderem an Flaschenwürfen "gegen das Grundstück" bzw. "in Richtung des Nebenklägers und dessen Mutter".

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte S auch des formellen Rechts rügen.

II.

Die zulässigen (Sprung-)Revisionen haben nur im Fall des Angeklagten M einen (Teil-)Erfolg.

1. Revisionen der Angeklagten N und S :

Die Nachprüfung des Urteils hat im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Anzumerken ist lediglich:

Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinn des § 125 Abs. 1 StGB ist durch die Tathandlungen unbeschadet dessen eingetreten, daß sie sich allein oder jedenfalls ganz überwiegend nur gegen den Nebenkläger und seine Mutter richteten Denn diese sollten, wie die Feststellungen zweifelsfrei ergeben, nicht als individuelle Personen, sondern lediglich als diejenigen, die für die Untersagung des Diskothekenbetriebs verantwortlich gemacht wurden, getroffen werden. Sie waren daher Ziel der Angriffe allein wegen ihrer Eigenschaft als Beschwerdeführer und somit allgemein als Vertreter derjenigen, die ihre Bürgerrechte gegenüber Behörden und Störern aktiv durchzusetzen versuchen. Das genügt, um die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und einer Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls unbestimmt vieler Menschen zu rechtfertigen (vgl. BayObLG, Beschluß vom 22.2.1982 - RReg 3St 22/82; OLG Karlsruhe NJW 1979, 2415/2416; LK/von Bubnoff StGB 11. Aufl. § 125 Rn. 3, 44; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 125 Rn. 4; je m. w. N.). Im übrigen hat das Jugendschöffengericht festgestellt, daß auch eine Gefährdung weiterer Personen gegeben war.

Nicht zu beanstanden ist auch die Verurteilung des Angeklagten S wegen tateinheitlich zusammentreffender Bedrohung. Abgesehen davon, daß Landfriedensbruch einerseits und Bedrohung andererseits unterschiedliche Rechtsgüter schützen, decken sich beide Tatbestände objektiv insoweit nicht völlig, als § 125 Abs. 1 Nr. 2 StGB keine Bedrohung mit einem Verbrechen, wie § 241 StGB, voraussetzt (im Ergebnis ebenso LK/von Bubnoff aaO § 125 Rn. 75; Schönke/Schröder/Lenckner StGB 25. Aufl. § 125 Rn. 32; Tröndle/Fischer aaO § 125 Rn. 12). Hier hat der Angeklagte S beide Tatbestände erfüllt.

Daß das Jugendschöffengericht als wahr unterstellt hat, der Nebenkläger habe sich "provozierend" verhalten - was angesichts der zum Geschehensablauf getroffenen Feststellungen als völlig abwegig erscheint -, anstatt dessen Verhalten allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Notwehr und der Nothilfe (zugunsten seiner Mutter) zu würdigen, beschwert die Angeklagten jedenfalls nicht.

2. Revision des Angeklagten M

Zum Schuldspruch hat die Revision auch hier im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.

Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Das Jugendschöffengericht hat die Versagung von Strafaussetzung lediglich damit begründet, "eine Strafaussetzung zur Bewährung (komme) angesichts der Bewährungsbrüchigkeit und der schnellen Rückfallgeschwindigkeit nicht mehr in Betracht".

Im Hinblick auf die Kriterien des § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genügt das nicht, um die Nachprüfung zu ermöglichen, ob das Jugendschöffengericht eine Strafaussetzung ohne Rechtsfehler versagt hat. Das gilt unabhängig davon, ob in der Hauptverhandlung Strafaussetzung beantragt worden war (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO), weil hier der Umstand, daß infolge des Bewährungswiderrufs der Angeklagte nach der Tat erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßen mußte, zur Erörterung der hiervon möglicherweise zu erwartenden Wirkungen drängen mußte (vgl. BGH NStZ 1986, 374).

Wegen der hier nicht auszuschließenden Wechselbeziehung zwischen der Strafaussetzungsentscheidung und der Strafzumessung selbst betrifft der Rechtsfehler den Rechtsfolgenausspruch insgesamt.

III.

Die Revisionen der Angeklagten N und S gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Augsburg vom 17.7.1998 sind daher als unbegründet mit der sich aus § 473 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

Auf die Revision des Angeklagten M ist das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an ein anderes (allgemeines) Schöffengericht bei dem Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO). Für eine Zurückverweisung an ein anderes Jugendschöffengericht besteht bei dem zur Tatzeit 24jährigen Angeklagten kein Anlaß (vgl. BGHSt 35, 267; BGH StV 1994, 415).

Die Entscheidung ergeht nach § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO durch einstimmigen Beschluß.

Ende der Entscheidung

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