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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 118/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 32
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Zur Frage des zuständigen Gerichts, wenn für die Klage gegen alle Streitgenossen der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben ist und auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben wäre.
Gründe:

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Streitgenossen vor dem Landgericht München I Klage auf Schadensersatz erhoben. Er trägt vor, er habe im Frühjahr 1999 für 12000 DM ein Anteilsrecht am Aktienkapital der A-AG (Beklagte zu 2) im Nennwert von 8000 DM erworben. Die A-AG, eine Projektgesellschaft der B-AG, ist eine Publikumsgesellschaft, die von Anlegern stille Beteiligungen und Aktienkapital einwarb. Sie wurde am 29.7.1998 mit Sitz im Landgerichtsbezirk München I gegründet und im Handelsregister beim AG München eingetragen.

Gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 14.12.1999 wurde der Sitz der Gesellschaft in dem Landgerichtsbezirk Cottbus verlegt; die Gesellschaft wurde am 20.6.2000 in das Handelsregister beim AG Cottbus eingetragen. Am 8.11.2000 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, die sich seitdem in Abwicklung befindet. Der Beklagte zu 1 war Vorstandsmitglied der Gesellschaft. Die Beklagte zu 3 war kontoführendes Geldinstitut der Beklagten zu 2.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, des Betrugs und des Kapitalanlagebetrugs geltend. Er behauptet, durch unrichtige Angaben im Prospekt der A-AG zur Geldanlage verleitet worden zu sein. Die A-AG sei durch gezielten Kapitaltransfer auf andere Gesellschaften, der gegenüber den Anlegern verschleiert worden sei, ausgehöhlt worden. Es habe sich um einen breit angelegten Betrug zum Nachteil der Anleger gehandelt, an dem die Beklagte zu 3 als Mittäterin oder Gehilfin beteiligt gewesen sei.

Der Kläger beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts, da die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken haben (Beklagter zu 1: Traunstein; Beklagte zu 2: Cottbus; Beklagte zu 3: München I). Als gemeinsames zuständiges Gericht schlägt er das Landgericht München I vor, bei den zumindest für die Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 und gegen die Beklagte zu 3 der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben sei. Die Beklagte zu 3 hat gegen die beantragte Zuständigkeitsbestimmung keine Einwände; die übrigen Beklagten haben sich nicht geäußert.

II.

1. Da die allgemeinen Gerichtsstände der Beklagten in den Bezirken eines bayerischen und eines außerbayerischen Oberlandesgerichts liegen, ein bayerisches Gericht aber bereits mit der Sache befasst wurde, ist das Bayerische Oberste Landesgericht nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für die Bestimmung zuständig.

2. Dem Antrag kann nicht entsprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, da für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand begründet ist. Der Kläger kann alle Beklagten vor dem Landgericht München I im besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) verklagen. Dort besteht für etwaige vertragliche Ansprüche gegen die Beklagten zu l und/oder 2 auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO). Die Beklagte zu 3 hat dort ohnehin ihren allgemeinen Gerichtsstand. Damit ist eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat ausgeschlossen (vgl. BGH NJW 1986, 935; BayObLG NJW-RR 1997, 699; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 36 Rn. 15).

Für das Bestimmungsverfahren ist vom Sachvortrag des Klägers auszugehen. Dieser stützt die Klage auf vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Betrug und Kapitalanlagebetrug (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB, §§ 826, 830, 840 BGB). Die dem Beklagten zu 1 vorgeworfenen unerlaubten Handlungen sollen von diesem in den Jahren, in denen die Beklagte zu 2 ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I hatte und hier ihre Aktivitäten entfaltete, in diesem Bezirk begangen worden sein. Das begründet, wie der Kläger zutreffend annimmt, für die Klage gegen den Beklagten zu 1 den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 31 ZPO). Die gegen die Beklagte zu 2 erhobene Klage stützt der Kläger auf deren Haftung nach § 31 BGB für die von ihrem Vorstand, dem Beklagten zu 1, begangenen unerlaubten Handlungen. Das begründet auch für diese Klage den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung beim Landgericht München I (vgl. Wieczorek/Schütze/Hausmann ZPO 3. Aufl. § 32 Rn. 29; Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. § 32 Rn. 28; Zöller/Vollkommer § 32 Rn. 12). Für die der Beklagten zu 3 vorgeworfenen Handlungen - Ausstellung von Bankbescheinigungen, mit deren Hilfe der Beklagte zu 1 seinen nach Behauptung des Klägers betrügerischen Geschäften nachgehen konnte - liegt der Begehungsort ebenfalls im Bezirk des Landgerichts München I. Auch hiervon geht der Kläger selbst aus. Somit ist für die beim Landgericht München I erhobene Klage gegen alle drei Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) beim Landgericht München I gegeben. Dieser gilt zwar nicht für konkurrierende vertragliche Ansprüche (vgl. BGHZ 132, 105/111; anders noch BayObLGZ 1995, 304). Soweit sich aus dem Tatsachenvortrag der Klageschrift vertragliche oder vertragsähnliche Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 und/oder 2 ergeben können, ist jedoch ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) ebenfalls beim Landgericht München I gegeben, in dessen Bezirk die Beklagte zu 2 zum Zeitpunkt der hier inmitten stehenden Vorgänge ihren Sitz hatte und ihr Vorstand den Schwerpunkt seiner ihm zur Last gelegten Aktivitäten entfaltete; denn für einen Schadensersatzanspruch für Verletzung von Vertragspflichten ist Erfüllungsort derjenige der verletzten Vertragspflicht (vgl. Zöller-Vollkommer § 29 Rn. 25 "Schadensersatz").

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1987, 757).

4. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird gemäß § 3 ZPO entsprechend dem Interesse des Klägers, die Beklagten bei demselben Gericht zu verklagen, auf ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache festgesetzt; der Senat hält rund ein Viertel des Hauptsachewertes für angemessen (vgl. BayObLGZ 2002, 151/152).

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