Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 12/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 21
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
Zur Frage des Gerichtsstandes der Niederlassung, wenn aus einem Briefbeförderungsvertrag geklagt wird.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Schadensersatz von der Beklagten. Sie trägt vor, die Zedentin habe die Beklagte in einem Postamt in München mit der Express-Zustellung eines Brief es beauftragt. Der Brief habe Bargeld im Wert von 2300 DM enthalten, sei aber ohne das Geld beim Empfänger angekommen. Bei Einlieferung des Schreibens sei die Zedentin vom Mitarbeiter der Beklagten dahingehend beraten worden, dass die Express-Briefsendung automatisch bis zu einem Betrag von 5000 DM versichert und der Abschluss einer besonderen Versicherung deshalb nicht erforderlich sei.

Die Klägerin erhob Klage zum Amtsgericht München. Die Beklagte bat, das Rubrum dahin zu fassen, dass die durch bestimmte Vorstandsmitglieder vertretene Beklagte durch Frau K., "Service Niederlassung Schadenmanagement" in Düsseldorf vertreten werde. Sodann rügte die Beklagte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts; die Beklagte habe ihren Sitz in Düsseldorf, und die Annahmestellen der Beklagten seien nicht als Niederlassungen anzusehen. Die Klägerin verwies auf vorprozessual geführte Korrespondenz; diese war auf Seiten der Beklagten durch deren "Niederlassung Filialen," in München geführt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht München wies der Amtsrichter darauf hin, dass er das Amtsgericht Düsseldorf für zuständig halte. Der äußere Schein einer gewerblichen Niederlassung reiche für die Begründung des Gerichtsstandes nicht aus. Auf den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag verwies das Gericht den Rechtsstreit an das Amtsgericht Düsseldorf. Dieses hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung zuständig, weil die beteiligten Gerichte zu einem bayerischen (München) und einem außerbayerischen (Düsseldorf) Oberlandesgerichtsbezirk gehören (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Zuerst mit der Sache befasst war das Amtsgericht München.

2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. 3. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht München zu bestimmen.

a) Das Amtsgericht München ist für die Klage als Gericht des Ortes, an dem ein besonderer Gerichtsstand der Niederlassung begründet ist (§ 21 ZPO), örtlich zuständig.

Nach § 21 Abs. 1 ZPO ist ein besonderer Gerichtsstand der Niederlassung an dem Ort begründet, wo sich eine Niederlassung der Beklagtenpartei befindet, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden und auf deren Geschäftsbetrieb die Klage Bezug hat. Das setzt die Selbständigkeit der Niederlassung voraus; entscheidend ist jedoch nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt wird (ganz herrschende, wenn nicht einhellige Meinung, vgl. BayObLG MDR 1989, 459 m. w. N.; Wieczorek/Schütze/Hausmann ZPO 3. Aufl. § 21 Rn. 11; Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. §.21 Rn. 13, 14; MünchKommZPO/Patzina 2. Aufl. § 21 Rn. 8, 11; Zöller/ Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 21 Rn. 8; Musielak/Smid ZPO 2. Aufl. § 21 Rn. 2, 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 21 Rn. 8; Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 21 Rn. 3; vorgenannte Literatur teilweise m. w. N. aus der Rechtsprechung, eine Gegenmeinung wird nirgends zitiert). Für die von § 21 Abs. 1 ZPO weiterhin geforderte Beziehung der Klage zum Geschäftsbetrieb der Niederlassung ist nicht erforderlich, dass der Klageanspruch unmittelbar aus dem Geschäftsbetrieb der Niederlassung hervorgegangen ist; der Zusammenhang ist etwa auch gegeben bei Klagen gegen die Niederlassung aus vertraglichem Verschulden einer unselbständigen Zweigstelle (vgl. Zöller/Vollkommer § 21 Rn. 11).

Gewerbliche Niederlassungen in diesem Sinn können auch Postämter sein (vgl. MünchKommZPO/Patzina § 21 Rn. 5; ebenso zur früheren Bundespost Wieczorek/Schütze/Hausmann § 21 Rn. 45). Ob das bei dem hier konkret in Frage stehenden Postamt in München der Fall ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls hat die Beklagte den äußeren Anschein gesetzt, dass ihr in München befindlicher Geschäftsbetrieb, der sich in vorprozessualer Korrespondenz mit dem hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch auseinandergesetzt hat, und zwar mittels Geschäftsbriefen, die den Aufdruck "Niederlassung Filialen" tragen, eine - für derartige Angelegenheiten der Filialen (Postämter) zuständige - selbständige Niederlassung ist. Damit ist auch der Bezug dieser Niederlassung zur Klage gegeben.

Der Vortrag der Beklagten - einer Aktiengesellschaft, die gesetzlich durch ihren Vorstand vertreten wird -, sie werde von Frau K., Niederlassung Düsseldorf, vertreten, ist gänzlich ungeeignet, den nach § 21 ZPO zugunsten der Klagepartei in München begründeten Gerichtsstand in Frage zu stellen.

b) Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf folgt auch nicht aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 (jetzt. Satz.4) ZPO. Diese Bindungswirkung gilt nicht, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher willkürlich ist (vgl. BGH NJW 1993, 1273; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger § 281 Rn. 17, 17a).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage, weil die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt und weder dem Beschluss noch dem zu Protokoll gegebenen Hinweis des Amtsrichters eine Begründung dafür zu entnehmen ist, warum das Gericht von der ganz herrschenden, wenn nicht einhelligen Meinung zu § 21 ZPO, die hier zur Zuständigkeit des Amtsgerichts München führt, abweicht.

Ferner lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass die Beklagte - wie das Amtsgericht München offenbar annimmt - ihren Sitz in Düsseldorf hat oder zumindest zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte. Die Beklagte wurde 1994 mit Sitz in Bonn gegründet (§ 1 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, Anhang zu § 11 Abs. 2 PostumwG, BGBl 1994 1 S. 2339, 2350). In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ", Stand 1.741999 - ist Bonn als Sitz angegeben, ebenso auf allen in den Akten befindlichen Geschäftsbriefen der Beklagten aus neuerer Zeit vor und nach Klageerhebung.

Ende der Entscheidung

Zurück