Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.02.2002
Aktenzeichen: 1Z AR 14/02
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, GVG


Vorschriften:

FGG § 46 Abs. 2
FGG § 199 Abs. 2
ZPO § 621 a Abs. 1
GVG 119 Abs. 1 Nr. 1 a
GVG § 133
Zur Frage, welches Gericht in Familiensachen über einen Abgabestreit entscheidet.
Gründe:

I.

Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 1.11.2000 beim Familiengericht Kempten die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Beteiligten zu 3 und 4 für deren damals 14 bzw. 13 Jahre alten Töchter beantragt, weil die Eltern nicht in der Lage seien, die Erfüllung der Schulpflicht ihrer Töchter sicherzustellen. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie in Sonthofen. Nach mehreren Anhörungsterminen - vor und nach dem Umzug der Familie nach Starnberg im April 2001 - entzog der Familienrichter mit Beschluss vom 19.7.2001 im Wege einer vorläufigen Anordnung den Eltern nach § 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezüglich beider Kinder, bestellte insoweit das Jugendamt Starnberg zum Pfleger und ordnete die Herausgabe der Kinder an den Pfleger an. Aufgrund dieses Beschlusses wurden die Kinder Ende Juli 2001 in Jugendhilfeeinrichtungen in Augsburg untergebracht. Der Familienrichter hörte am 12.9.2001 die beiden Kinder in den Heimen, in denen sie untergebracht sind, an, am 20.9.2001 die Eltern. Mit Beschluss vom 25.9.2001 gab er das Verfahren gemäß §§ 46, 64 FGG an das Amtsgericht - Familiengericht - Starnberg mit der Bitte um Übernahme ab, weil die erforderliche Hauptsacheentscheidung von dem - infolge des Umzugs der Familie - zuständigen Gericht getroffen werden solle. Das Amtsgericht Starnberg - Familiengericht - lehnte mit Beschluss vom 28.9.2001 die Übernahme ab.

Mit Beschluss vom 31.1.2002 hat das Amtsgericht Kempten das Verfahren zur Entscheidung über die Abgabe dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt, das es nach § 46 Abs. 2, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG für zuständig hält.

II.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des Abgabestreits der Amtsgerichte Kempten (Allgäu) und Starnberg nicht zuständig. Zuständig ist das Oberlandesgericht München.

1. Für Eingriffe in die elterliche Sorge sind nach § 1666 BGB die Familiengerichte zuständig; es handelt sich um Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Das Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht nach § 621a Abs. 1 Satz 2 ZPO an die Stelle einzelner Vorschriften des FGG die für das zivilprozessuale Verfahren maßgeblichen Vorschriften treten und soweit sich nicht aus der Zivilprozessordnung oder aus dem Gerichtsverfassungsgesetz etwas besonderes ergibt (§ 621a Abs. 1 ZPO). In § 621a Abs. 1 Satz 2 ZPO ist § 46 FGG nicht aufgeführt. Eine Ehesache ist nicht anhängig (vgl. § 621 Abs. 2 ZPO). Daher ist eine Abgabe des Verfahrens nach §§ 43, 46, 64 FGG möglich (BGH FamRZ 1987, 56; Zöller/Philippi ZPO 22. Aufl. § 621a Rn. 58; Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 46 Rn. 51).

2. Nach § 46 Abs. 2 FGG entscheidet über den Zuständigkeitsstreit das gemeinschaftliche obere Gericht. Das ist hier das Oberlandesgericht München.

Soweit die Oberlandesgerichte in Bayern mit Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht befasst sind - z.B. in Vormundschaftssachen -, ist zur Entscheidung eines Abgabestreits nach § 46 FGG das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, wenn die beteiligten Amtsgerichte wie hier - nicht im selben Landgerichtsbezirk, jedoch im selben Oberlandesgerichtsbezirk liegen, weil es für die Auslegung des Begriffes des "gemeinschaftlichen oberen Gerichts" (§ 46 Abs. 2 F,GG) nicht allein auf den allgemeinen Gerichtsaufbau ankommt, sondern maßgeblich auf den in der konkreten Verfahrensart tatsächlich gegebenen Rechtszug (BayObLGZ 1989, 1/3). Soweit der Rechtszug vom Landgericht als Beschwerdeinstanz (§ 19 Abs. 2 FGG) zum obersten Landesgericht als für die weitere Beschwerde zuständiger Instanz führt (§ 28 Abs. 1, § 199 Abs. 1 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG), ist auch für die Entscheidung des Abgabestreits nach § 46 Abs. 2, § 199 Abs. 2 FGG als "gemeinschaftliches oberes Gericht" zweier in verschiedenen Landgerichtsbezirken liegender bayerischer Amtsgerichte das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig. In Familiensachen ist der Instanzenzug aber durch § 119 Abs. 1 Nr. 1a, § 133 GVG abweichend von den Vorschriften des FGG (§ 19 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 199 Abs. 1 FGG) geregelt: Als Beschwerdeinstanz ist das Oberlandesgericht, als Rechtsbeschwerdeinstanz nur der Bundesgerichtshof zuständig; das Bayerische Oberste Landesgericht ist in Familiensachen, anders als in den allgemeinen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in den Rechtsmittelzug nicht eingebunden. Der Grundsatz, dass für die Bestimmung des "gemeinschaftlichen oberen Gerichts" auf den tatsächlich gegebenen Rechtszug abzustellen ist, führt daher in Familiensachen dazu, dass als "gemeinschaftliches oberes Gericht" zweier in verschiedenen Landgerichtsbezirken gelegener bayerischer Amtsgerichte entweder das gemeinsame Oberlandesgericht oder - anstelle des Bundesgerichtshofs - dasjenige Oberlandesgericht anzusehen ist, zu dessen Bezirk das Gericht gehört, an das die Familiensache abgegeben werden soll. Die Vorschriften des § 199 Abs. 2 FGG sind nicht anwendbar, da sie die Regelung des Instanzenzugs gemäß den Vorschriften des FGG, insbesondere auch gemäß § 199 Abs. 1 FGG voraussetzen, die in Familiensachen durch Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes außer Kraft gesetzt ist. Wegen der Unanwendbarkeit des § 199 FGG in Familiensachen ist auch, wenn ein außerbayerisches Familiengericht eine Familiensache nach (§ 46 FGG an ein bayerisches Familiengericht abgibt, für die Entscheidung des Abgabestreits gemäß § 46 Abs. 2 FGG das übergeordnete bayerische Oberlandesgericht, nicht das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, wie der Senat bereits früher (Beschluss vom 15.1.1997 Az.: 1Z AR 3/97) entschieden hat.

3. Der Senat hält es für angebracht, von einer Rückgabe an das Amtsgericht Kempten (Allgäu) abzusehen und die Sache unmittelbar dem Oberlandesgericht München zuzuleiten.

Ende der Entscheidung

Zurück