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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 10/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2065
FGG § 19
Zur Frage der Testamentsauslegung.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Kenklies, Rojahn und Seifried

am 23. Mai 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 28. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben der Beteiligten zu 4 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 663049,30 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die im Alter von 84 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Sie stand seit 5.10.1999 unter Betreuung. Die Beteiligte zu 1 ist ihre Schwester, die Beteiligte zu 2 ihre Nichte. Die Beteiligte zu 5 ist Nachlasspflegerin. Die Erblasserin verfaßte ein auf den 30.12.1982 datiertes privatschriftliches Testament, das in dem von ihr seit 1994 angemieteten Banksafe aufgefunden wurde. Das Testament lautet auszugsweise:

Ich... vererbe mein ganzes Vermögen... den Diakonissen in S.

Die andere Seite des Schriftstücks enthält mit "Mein Testament" überschriebene privatschriftliche Erklärungen der Erblasserin ohne Datumsangabe, die ebenfalls die Erbeinsetzung der Diakonissen in S. enthalten und im übrigen nur unwesentlich von der letztwilligen Verfügung vom 30.12.1982 abweichen. Der Reinnachlass beträgt DM 663049,30.

Die Erblasserin besuchte im Alter von 3 bis 6 Jahren (also etwa von 1918 bis 1921) den von Diakonissen geführten evangelischen Kindergarten in S. Eigentümer des 1897 erbauten Hauses und Träger des Kindergartens war bis Ende 1993 der Evangelische Diakonieverein S. e.V.; 1994 wurde die Trägerschaft an die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde S. (Beteiligte zu 3) übergeben. Der Kindergarten wurde seit der Gründung von Diakonissen geführt, die von ihrem Mutterhaus, der Evangelischen Diakonissenanstalt, Anstalt des öffentlichen Rechts in Augsburg (Beteiligte zu 4), entsandt worden waren. Der Kindergarten wurde in S. deshalb als "Diakonissenhaus" bezeichnet; die Kinder, die ihn besuchten, gingen "zu den Diakonissen". Die Diakonissen wurden 1974 aus S. abgezogen. Die Evangelische Diakonissenanstalt Augsburg (Beteiligte zu 4) betreibt heute einen Kindergarten, eine Fachakademie für Sozialpädagogik sowie eine Altenpflegeschule, ein Krankenhaus und ein Alten- und Altenpflegeheim.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, einen Erbschein entsprechend der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen; nachdem es in S. keine Diakonissen mehr gebe, sei das Testament gegenstandslos. Die Beteiligte zu 2 ist ebenfalls der Auffassung, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Sie hat darauf verwiesen, dass die Erblasserin vor nahezu 60 Jahren jede Verbindung zu ihrer Heimatstadt S. abgebrochen habe und auch von der evangelischen Kirche enttäuscht gewesen sei. Die Beteiligte zu 3 meint hingegen, das Testament sei dahin auszulegen, dass das Erbe an den Kindergarten gehen solle.

Das Nachlassgericht hat mit Vorbescheid vom 26.7.2000 die Erteilung eines Erbscheins entsprechend der gesetzlichen Erbfolge angekündigt: Im Testament sei die juristische Person als Erbe eingesetzt, die Träger des Kindergartens sei. Die Erbeinsetzung sei jedoch eine bedingte und mit der Auflage erfolgt, den Diakonissen in S. den Nachlass zukommen zu lassen. Diese Bedingung könne nicht mehr erfüllt werden.

Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Erblasserin habe den Kindergarten unterstützen wollen. Die Beteiligte zu 4 ist der Auffassung, die Erblasserin habe die Gesamtheit der in der Evangelischen Diakonissenanstalt zusammengefassten Diakonissen gemeint. Die Beteiligte zu 1 und 2 sind der Beschwerde entgegengetreten. Die Beteiligte zu 2 hat vorsorglich die Anfechtung des Testaments erklärt, da von einer unlauteren Fremdbestimmung der Erblasserin bei Abfassung des Testaments auszugehen sei.

Mit Beschluss vom 28.12.2000 hat das Landgericht den Vorbescheid des Nachlassgerichts aufgehoben. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit der weiteren Beschwerde.

II.

1. Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO); sie ist insbesondere formgerecht erhoben worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die Beteiligten zu 1 und 2 sind beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht die zu ihren Gunsten ergangene Entscheidung des Nachlassgerichts aufgehoben und das von ihnen geltend gemachte gesetzliche Erbrecht verneint hat (vgl. BayObLGZ 1994, 73/74; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 10). Das Rechtsmittel hat aber keinen Erfolg.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei zulässig, weil die Versäumung der im Vorbescheid gesetzten Frist unschädlich sei. Die Beschwerde sei auch begründet, weil sich die Erbfolge nach dem Testament vom 30.12.1982 richte, nach dessen Auslegung die Beteiligte zu 4 Alleinerbin sei. Das Testament sei echt; der Vergleich der Schriftbilder auf beiden Seiten der Testamentsurkunde ergebe, dass diese von der Erblasserin angefertigt worden sei. Anlass zu weiteren Ermittlungen bestehe auch nicht wegen der fehlenden Datumsangabe, nachdem auf beiden Seiten der Testamentsurkunde inhaltsgleiche Verfügungen enthalten seien. Es bestünden auch keine konkreten Hinweise, dass die Erblasserin 1982 nicht testierfähig gewesen sei.

Bei der Zuwendung ihres Vermögens an die "Diakonissen in S." handle es sich um eine Erbeinsetzung, die genügend bestimmt und dahin auszulegen sei, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 4 zum Erben habe einsetzen wollen. Sie habe 1982 nicht davon ausgehen können, dass die Diakonissen, von denen sie betreut worden sei, überhaupt noch am Leben, geschweige denn noch in S. tätig gewesen seien. Die Erblasserin habe nach Ausscheiden aus dem Kindergarten weder Kontakt zu diesem noch zu den dort tätigen Diakonissen gehabt. Deswegen sei davon auszugehen, dass die Erblasserin mit "den Diakonissen" nicht konkrete Personen und auch nicht den Kindergarten in S., sondern die Diakonissen als Gesamtheit gemeint habe und die Organisation habe zum Erben einsetzen wollen, der die in S. tätigen Diakonissen angehört hätten. Die Erblasserin habe ersichtlich "die Diakonissen", ohne einzelne Personen zu differenzieren, zu ihren Erben eingesetzt und damit der Wertschätzung und dem Ansehen der Diakonissen Rechnung getragen. Dagegen spreche nichts dafür, dass die Erblasserin nur eine Tätigkeit der Diakonissen in S. oder den dortigen Kindergarten habe unterstützen wollen, weil sie seit Jahrzehnten weder zu ihrer Heimatgemeinde noch zu dem Kindergarten in S. Kontakt gehabt habe und kirchlichen Institutionen eher ablehnend gegenübergestanden sei. Die Ortsbezeichnung habe die Diakonissenanstalt kennzeichnen sollen, die hinter den nach S. entsandten Diakonissen gestanden habe.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Das Landgericht hat die Beschwerde zutreffend als zulässig angesehen. Sie ist nicht durch die Versäumung der im Vorbescheid angegebenen Frist ausgeschlossen. Gegen den Vorbescheid im Erbscheinsverfahren ist die nicht fristgebundene einfache Beschwerde (§ 19 Abs. 1 FGG) statthaft (vgl. Keidel/ Kahl § 19 Rn. 15). Die Fristangabe im Vorbescheid schränkt dieses Rechtsmittel nicht ein. Sie bezeichnet vielmehr die Frist, während der das Nachlassgericht den angekündigten Erbschein nicht erteilen werde, um den Beteiligten im Hinblick auf die Publizitätswirkung des Erbscheins (§§ 2365 f. BGB) Gelegenheit zu geben, vor Erteilung des Erbscheins die zugrundeliegende Erbrechtslage im Rechtsmittelverfahren überprüfen zu lassen. Sie bindet lediglich das Nachlassgericht selbst, die angekündigte Erbscheinserteilung nicht vor Fristablauf vorzunehmen. Das Nachlassgericht hat im vorliegenden Fall die von ihm gesetzte Frist abgewartet und den von ihm angekündigten Erbschein noch nicht erteilt gehabt, als die Beschwerde der Beteiligten zu 3 eingegangen ist. Diese war gemäß § 19 Abs. 1 FGG statthaft mit dem Ziel, den Vorbescheid aufzuheben, der die Bescheinigung eines anderen Erbrechts als von ihr in Anspruch genommen angekündigt hat (vgl. Lukoschek ZEV 1999, 1/4).

b) Das Landgericht durfte das auf den 30.12.1982 datierte Testament ohne weitere Ermittlungen als eigenhändig von der Erblasserin geschrieben (§ 2247 Abs. 1 BGB) ansehen. Diese Tatsachenfeststellung ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich bindend. Sie kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden (st. Rspr., vgl. BayObLGZ 1993, 389/397), insbesondere darauf, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt hat (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB).

Das Landgericht hat den Sachverhalt ausreichend ermittelt. Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 583/584); die ihm hierbei gesetzten Grenzen hat das Landgericht beachtet. Es durfte davon absehen, einen Schriftsachverständigen hinzuzuziehen. Die Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist nur in Zweifelsfällen geboten (BayObLG FamRZ 1991, 962/964). Einen solchen Zweifelsfall musste das Landgericht hier nicht annehmen. Sprechen keine besondere Umstände gegen die eigenhändige Errichtung des Testaments kann der Tatrichter etwaige Auffälligkeiten selbst überprüfen (vgl. BayobLG FamRZ 1998, 644). Das Landgericht hat sich im einzelnen mit den Auffälligkeiten des Testaments vom 30.12.1982 und der Rückseite dieser Urkunde auseinandergesetzt. Es hat die unterschiedlichen Schreibmittel in Betracht gezogen und die charakteristischen Merkmale in der Schriftführung wie in der Ausgestaltung einzelner Buchstaben überprüft und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass der auf beiden Seiten geschriebene Text von der Erblasserin verfaßt worden ist. Es bedurfte hierfür keiner vergleichenden Schriftproben, weil die Erblasserin die Testamentsurkunde in einem von ihr im Jahr 1994 angemieteten Banksafe hinterlegt hatte, aus dem es die Nachlasspflegerin entnommen und dem Nachlassgericht zugeleitet hatte. Das Landgericht musste auch nicht an der Urheberschaft der Erblasserin deswegen zweifeln, weil das Testament vom 30.12.1982 einzelne Durchstreichungen und Ausbesserungen enthält, nachdem sich diese allein auf sprachliche Präzisierungen beziehen und die Kernaussage sowohl des Testaments vom 30.12.1982 als auch des auf der Rückseite enthaltenen undatierten Testaments unberührt bleibt, nämlich dass die Erblasserin ihr Vermögen den "Diakonissen in S" vererbt. Unter diesen Umständen hat für das Landgericht kein Anlas bestanden, den unbestimmten Mutmaßungen der Beteiligten zu 1 und 2 über eine unzulässige Mitwirkung Dritter bei der Testamentserrichtung nachzugehen. Zu Recht hat das Landgericht insoweit das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes verneint.

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Erblasserin das Testament vom 30.12.1982 auch zu diesem Zeitpunkt tatsächlich verfaßt hat. Eine zutreffende Datumsangabe (§ 2247 Abs. 2 BGB) ist zwar, wie § 2247 Abs. 5 BGB zeigt, nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Testaments (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 111/112). Sie hat aber die Bedeutung eines Zeugnisses der Erblasserin über den Zeitpunkt der Testamentserrichtung und hat bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung der Richtigkeit für sich (BayObLG FamRZ 1991, 237; Palandt/Edenhofer BGB 60. Aufl. § 2247 Rn. 17). Tatsächliche Anhaltspunkte, die diese Vermutung widerlegen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Die von der Erblasserin vorgenommenen Ergänzungen und Verbesserungen haben lediglich redaktionellen Charakter und bieten keinen Anknüpfungspunkt für die Schlussfolgerung auf einen anderen Errichtungszeitpunkt. Das Landgericht konnte den Zeitpunkt der Abfassung des rückseitigen undatierten Testaments offen lassen, weil dieses im wesentlichen inhaltsgleich mit dem Testament vom 30.12.1982 ist und sich aus beiden Testamenten die gleiche Erbfolge ableiten lässt.

c) Das Landgericht hat nicht daran gezweifelt, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 30.12.1982 testierfähig gewesen ist. Auch diese Frage liegt auf tatsächlichem Gebiet und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur in beschränktem Umfang, nämlich auf Rechtsfehler, nachgeprüft werden (BayObLG FamRZ 1997, 1511/1512). Ein Rechtsfehler liegt jedoch nicht vor; insbesondere hat das Landgericht seine Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB) nicht verletzt. Zwar ist die Frage der Testierfähigkeit von Amts wegen zu klären. Die Aufklärungspflicht besteht allerdings nur insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt zu weiteren Ermittlungen Anlass geben (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1242/1243). Das ist nicht der Fall, soweit es um die Testamentserrichtung vom 30.12.1982 geht. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht allein aufgrund der unbestimmten und widersprüchlichen Hinweise der Beteiligten zu 2 die Aufnahme weiterer Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 30.12.1982 als nicht gerechtfertigt ansah.

Wegen der Übereinstimmung des datierten und des undatierten Testaments durfte das Landgericht offen lassen, ob die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des letzteren testierfähig war. Im übrigen ist hierzu ergänzend anzumerken, dass die Erblasserin erst kurz vor ihrem Tode unter Betreuung gestellt wurde, während das undatierte Testament im Hinblick auf die Verwendung der bis zum 1.7.1993 gebräuchlichen Postleitzahlen vor längerer Zeit verfasst sein dürfte, in der ein Anhaltspunkt für Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin nicht bestanden hat.

d) Die Beteiligten zu 1 und 2 rügen mit der weiteren Beschwerde vor allem die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Testaments. Die Auslegung des Testaments durch das Landgericht ist jedoch für das Rechtsbeschwerdegericht verbindlich, sofern sie nicht auf Rechtsfehlern beruht. Sie kann daher vom Gericht der weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (st. Rspr.; vgl. BGHZ 121, 357/363; BayObLG NJWE-FER 2000, 93). Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung der Beteiligten zu 4 weist solche Fehler nicht auf.

aa) Das Landgericht ist sich dabei bewusst gewesen, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 4 unter der Sammelbezeichnung "Diakonissen in S." benannt hat und eine solche Erbeinsetzung nur als wirksam angesehen werden kann, wenn damit die Person des Erben im Testament hinreichend klar bestimmt worden ist. Denn wie sich aus § 2065 BGB ergibt, musste sich die Erblasserin selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile ihres letzten Willens schlüssig werden. Dazu gehört insbesondere die Bestimmung über die Person des Bedachten. Diese muss zwar nicht namentlich genannt sein; erforderlich ist aber, dass die Person des Bedachten anhand des Inhalts der Verfügung, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen zuverlässig festgestellt werden kann. Sie muss im Testament so bestimmt sein, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist (BayObLG NJW 1999, 1119/1120). Soweit der Wille des Testierenden durch Auslegung festgestellt werden kann, liegt jedoch kein Fall der unzulässigen Bestimmung der Person des Bedachten durch einen Dritten vor. Die Testamentsauslegung ist, auch wenn sie wertende Elemente enthält, nicht die in § 2065 BGB gemeinte unzulässige Willensentscheidung; das Gericht ist insoweit nie Dritter. § 2065 BGB greift nur dann ein, wenn der Wortlaut der letztwilligen Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss (vgl. Staudinger/Otte BGB [1996] § 2065 Rn. 9; MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 2065 Rn. 3). Diese Grundsätze hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

bb) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 und 2 verbietet der vermeintlich eindeutige Wortlaut nicht die Auslegung des Testaments. Selbst in den Fällen des "eindeutigen Wortlauts" ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt (BGHZ 86, 41). Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt, sondern auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzieht und sich auch ihrer zur Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers bedient (BGH aaO S. 45). Eine für sich betrachtet eindeutige Formulierung kann gleichwohl anders zu verstehen sein, wenn das Testament dafür hinreichende Anhaltspunkte ergibt und die Gesamtheit der zu berücksichtigenden Umstände - auch außerhalb des Testaments eine andere Auslegung rechtfertigt (MünchKomm/Leipold 2084 Rn. 10).

cc) Das Landgericht hat auch diese Grundsätze befolgt. Es hat sich nicht mit dem buchstäblichen Sinn des Testaments begnügt. Dieser würde die Verfügung der Erblasserin gegenstandslos machen, nachdem seit 1974 keine Diakonissen mehr in S. tätig sind. Das Landgericht hat bei der Erforschung des wirklichen Willens der Erblasserin die sich bietenden Auslegungsalternativen bedacht und ist unter Berücksichtigung aller in und außerhalb des Testaments liegender Umstände zum Ergebnis gekommen, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 4 zum Erben einsetzen wollte. Die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich; zwingend müssen sie nicht sein. Es ist mit der weiteren Beschwerde nicht mit Erfolg angreifbar, wenn andere als die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse ebenfalls möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH FamRZ 1997, 411/412; BayObLG FamRZ 2000, 120/122).

dd) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Landgericht dabei keineswegs die lebensgeschichtlichen und regionalen Bezüge der Erblasserin zu den "Diakonissen in S." verkannt. Auch das Landgericht nimmt als maßgeblichen Beweggrund für die Bestimmung der Beteiligten zu 4 als Erben die fürsorgliche Zuwendung der Diakonissen an, die die Erblasserin im Alter von 3 bis 6 Jahren erfahren hatte. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang der Darlegungen des Landgerichts, nach denen die Diakonissen ihr Leben uneigennützig sozialer Fürsorgetätigkeit, wie der Kindergartenbetreuung, widmen. Wenn das Landgericht die 60 Jahre später verfasste letztwillige Verfügung der Erblasserin dahin auslegt, dass diese diejenige Institution bedenkt, die immer noch diese Aufgaben wahrnimmt, hat es einen möglichen Schluss aus dem lebensgeschichtlichen Zusammenhang der Erblasserin gezogen. Auch den regionalen Bezug hat das Landgericht beachtet: Bei Abfassung des Testaments vom 30.12.1982 lag der Kindergartenbesuch der Erblasserin 60 Jahre zurück; seitdem hat sie weder zu den Diakonissen noch zu dem von ihr besuchten Kindergarten noch zu ihrer Heimatstadt Kontakt gehabt. Im Hinblick darauf hat das Landgericht es als fernliegend angesehen, dass die bei Abfassung des Testaments vom 30.12.1982 immerhin 67 Jahre alte Erblasserin die sie persönlich betreuenden Diakonissen ohne namentliche Benennung als ihre Erben gemeint haben könnte, zumal diese aus ihrer Sicht hochbetagt oder bereits verstorben sein mussten. Dies ist aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie der vom Landgericht aus der fehlenden Verbundenheit der Erblasserin zu ihrem Heimatort gezogene Schluss, dass die Ortsbezeichnung lediglich diejenige Diakonisseneinrichtung bezeichnen sollte, die die Diakonissen zum Dienst im Kindergarten in S. entsandt hatte. Das Landgericht hat auch beachtet, dass die Erblasserin kirchlichen Institutionen eher ablehnend gegenübergestanden hat; wenn es gleichwohl den Willen der Erblasserin angenommen hat, die Beteiligte zu 4 als Mutterhaus der zu ihrer Kindergartenzeit in S. tätigen Diakonissen einzusetzen, um einen karitativen Zweck zu verfolgen, ist dies eine Tatsachenwürdigung, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.

4. Im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten im Verfahren der weiteren Beschwerde. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Für den gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO zu bestimmenden Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Bedeutung des Rechtsmittels für die Rechtsbeschwerdeführer maßgebend. Dieses ist im vorliegenden Fall darauf gerichtet, Miterben kraft Gesetzes zu je 1/2 zu sein. Haben mehrere Beschwerdeführer Rechtsmittel eingelegt, so ist ein einheitlicher Geschäftswert festzusetzen, wenn die Rechtsmittel dasselbe Ziel verfolgen und ihr Gegenstand identisch ist. Dies gilt auch dann, wenn das Interesse der Beschwerdeführer auf verschiedene einander ergänzende Erbteile gerichtet ist; in diesem Fall sind die Interessen zusammenzurechnen (BayObLGZ 1994, 40/56). Der Geschäftswert beträgt somit entsprechend dem Reinnachlasswert DM 663049,30.

Ende der Entscheidung

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