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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 103/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 50b
FGG § 55c
FGG § 56d
BGB § 1741
Einer Adoption kann selbst dann entsprochen werden, wenn das Jugendamt mitteilt, sich nicht gutachterlich äußern zu können.
BayObLG Beschluss

LG Ansbach 4 T 1027/00 AG Ansbach XVI 27/99

1Z BR 103/00

04.08.00

BayObLGZ 2000 Nr. 51

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Zwirlein und Dr. Schmid am 4. August 2000 in der Vormundschaftssache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 25. Mai 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Ansbach zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 5000,-- festgesetzt.

Gründe:

I.

Das am 18.11.1990 geborene Kind C. ist die nichteheliche Tochter der Beteiligten zu 2, die am 2.12.1992 den Beteiligten zu 1 geheiratet hat. Das Sorgerecht für das Kind liegt allein bei der Mutter. Vater des Kindes C. ist der Beteiligte zu 3.

Mit notarieller Urkunde vom 30.9.1999 stellte der Beteiligte zu 1 beim Vormundschaftsgericht den Antrag, die Annahme der C. als Kind auszusprechen. Zur Begründung des Antrags wurde im wesentlichen ausgeführt, zwischen dem Beteiligten zu 1 und dem Kind, das seit November 1991 im gemeinsamen Haushalt der Beteiligten zu 1 und 2 lebe, habe sich ein echtes Vater-Kind-Verhältnis entwickelt; der leibliche Vater habe mit dem Kind seit dessen Geburt keinen Kontakt mehr gehabt. Die Beteiligte zu 2 als gesetzliche Vertreterin des Kindes und als Ehefrau des Annehmenden sowie der Beteiligte zu 3 als leiblicher Vater haben in die Adoption eingewilligt.

Das Vormundschaftsgericht ersuchte gemäß § 56d FGG das Jugendamt um gutachtliche Äußerung. Das Jugendamt teilte hierzu mit, eine gutachtliche Äußerung könne nicht abgegeben werden, weil die Beteiligte zu 2 erklärt habe, ihre Tochter, die nicht wisse, dass sie nicht das leibliche Kind des Beteiligten zu 1 sei, werde durch ein Gespräch im Jugendamt zu sehr belastet. Hierzu trugen die Beteiligten zu 1 und 2 gegenüber dem Vormundschaftsgericht vor, es lägen die Voraussetzungen vor, unter denen das Gericht gemäß § 50b Abs. 3 FGG von der Kindesanhörung aus schwerwiegenden Gründen absehen könne. Das Kind sehe den Beteiligten zu 1 als seinen leiblichen Vater an. Werde das bisher unbeschwerte Kind jetzt mit den Fragen seiner Abstammung konfrontiert, sei mit einer nachhaltigen Störung seiner Entwicklung zu rechnen.

Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 23.12.1999 wurde der Adoptionsantrag des Beteiligten zu 1 abgelehnt. Gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 25.5.2000 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, das Vormundschaftsgericht habe es zu Recht abgelehnt, dem Antrag ohne eine gutachtliche Stellungnahme stattzugeben. Eine Stellungnahme des Jugendamts oder einer Adoptionsvermittlungsstelle sei nach § 56d FGG zwingend. Eine Stellungnahme des Jugendamts könne nicht herbeigeführt werden, da dieses ohne persönliche Anhörung des Kindes sich hierzu nicht in der Lage sehe. Die Beteiligten zu 1 und 2 wollten jedoch eine Anhörung des Kindes verhindern. Die Frage, ob eine Adoption dem Wohl des Kindes entspreche, könne deshalb nicht beantwortet werden.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Dem hier einschlägigen § 56d Satz 2 FGG zufolge ist in einem Adoptionsverfahren, das die Annahme eines Minderjährigen als Kind betrifft, vom Gericht eine gutachtliche Äußerung des Jugendamts oder einer Adoptionsvermittlungsstelle einzuholen. Eine Äußerung der genannten Stellen im Sinne dieser Vorschrift liegt letztlich auch dann schon vor, wenn diese auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts mitteilen, eine gutachtliche Stellungnahme könne nicht erfolgen. Die Zurückweisung eines Adoptionsantrags darf aber nicht bereits deshalb erfolgen, weil das Jugendamt der Auffassung ist, sich ohne persönliche Anhörung des Kindes in der Sache nicht abschließend äußern zu können. Es kann nicht in der Hand des Jugendamts liegen, eine Adoption dadurch unmöglich zu machen, dass es die Voraussetzungen für eine gutachtliche Äußerung in der Sache verneint. Letztlich stünde auch nichts entgegen, in einer solchen Mitteilung bereits die in § 56d Satz 2 FGG vorgeschriebene Äußerung zu sehen.

b) Zur Notwendigkeit und zum Umfang der im Rahmen der Vorbereitung der gutachtlichen Äußerung anzustellenden Ermittlungen enthält § 56d FGG keine Aussage. Dies ist vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen des § 12 FGG zu entscheiden (Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 56d Rn. 7). Dies hat im Streitfall durch das Gericht selbst zu erfolgen. Es kann nicht angehen, dass das Jugendamt durch die Bestimmung der Voraussetzungen für die Anhörung das gerichtliche Verfahren selbst in die Hand nimmt. Das hier vom Jugendamt gewählte Verfahren, Mutter und Kind zu einer Anhörung in die Diensträume des Jugendamts einzubestellen und angesichts hiergegen erhobener mit Gründen versehener Einwendungen von der Abgabe einer gutachtlichen Äußerung "abzusehen", erscheint im übrigen angesichts der für eine Sachverhaltsermittlung bestehenden Alternativen unangemessen. Es hätte nahegelegen, die Mutter, den Annehmenden, sonstige Bezugspersonen des Kindes oder mit den Verhältnissen vertraute Personen anzuhören und die tatsächlichen Verhältnisse in dem Haushalt, in dem die Beteiligten zu 1 und 2 und das Kind seit 1991 leben, zu ermitteln.

c) Die Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung des Kindes durch das Gericht bestimmt sich nach §§ 55c, 50b Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 3 FGG. Danach ist in Verfahren, die die Annahme eines Kindes unter 14 Jahren betreffen, das Kind grundsätzlich vom Gericht persönlich anzuhören, wenn dessen Neigungen, Bindungen oder Wille für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhalts angezeigt erscheint, dass sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 871/872 m.w.N.). Die Anhörung gemäß § 50b FGG soll das rechtliche Gehör des Kindes sicherstellen, in erster Linie aber der nach § 12 FGG gebotenen Sachaufklärung dienen (BGH FamRZ 1985, 169/172).

Gemäß § 50b Abs. 3 FGG kann die Anhörung des Kindes allerdings unterbleiben, wenn besondere Umstände vorliegen, die es ausnahmsweise rechtfertigen, von der an sich zwingend vorgeschriebenen Anhörung abzusehen. Solche Umstände liegen insbesondere dann vor, wenn durch die Anhörung das Kind aus seinem seelischen Gleichgewicht gebracht würde und eine Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes zu besorgen wäre (BayObLG FamRZ 1988, 871/873 m.w.N.). Schwerwiegende Gründe i.S. des § 50b Abs. 3 FGG können aber auch dann vorliegen, wenn das Kind schon aus tatsächlichen Gründen keine Bindungen und Neigungen zu den Eltern oder einem Elternteil entwickeln konnte (BayObLG FamRZ 1984, 312 und FamRZ 1988, 871/873).

Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 und 2 bestanden seit der Geburt des Kindes zwischen diesem und seinem leiblichen Vater keine Kontakte; die Konfrontation mit der Abstammungsfrage sei derzeit geeignet, die psychische Entwicklung des Kindes nachhaltig zu stören. Hierzu hat der leibliche Vater vorgetragen, er habe deshalb, weil auch ihm das Wohl und die gesunde Entwicklung des Kindes am Herzen liege, in die Adoption eingewilligt. Das Gericht hat bei dieser Sachlage zunächst zu prüfen, ob von einer Anhörung des Kindes abgesehen werden kann.

Im übrigen könnte auch dann, wenn das Gericht zu dem Ergebnis käme, eine persönliche Anhörung des Kindes sei unverzichtbar, dem Anliegen, das Kind psychisch nicht zu verunsichern, durch eine angemessene Ausgestaltung der Anhörung Rechnung getragen werden. Auch ohne Offenbarung der Abstammungsverhältnisse könnte das Kind zu seiner persönlichen Situation sachgerecht und schonend befragt werden.

3. Der Beschluss des Landgerichts muß aufgehoben werden, weil er auf Rechtsfehlern beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 550, 563 ZPO). Da weitere Ermittlungen erforderlich sind, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht durchführen kann, ist die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

4. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlaß, weil die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden ist (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 36). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 Satz 2, § 31 Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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