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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 103/03
Rechtsgebiete: PStG, BVFG


Vorschriften:

PStG § 15e
BVFG § 4 Abs. 3 Satz 2
BVFG § 94 Abs. 1
Der ausländische Ehegatte eines Spätaussiedlers kann nach seiner Einbürgerung in Deutschland eine Namensanpassungserklärung gemäß § 94 Abs. 1 BVFG auch dann abgeben, wenn er selbst nicht den Status eines Spätaussiedlers hat.
Gründe:

I.

Der 1969 in Kasachstan geborene Beteiligte zu 1 ist Spätaussiedler. Mit Urkunde vom 18.12.1995, ausgehändigt am 25.4.1996, wurde er eingebürgert. Am 8.5.1995 schloss er mit der 1973 geborenen Beteiligten zu 2, einer kasachischen Staatsangehörigen, in Bayern die Ehe. Die Beteiligten führen den Familiennamen des Beteiligten zu 1 als Ehename. Die Beteiligte zu 2 wurde mit Urkunde vom 20.7.2001, ausgehändigt am 31.7.2001, eingebürgert.

Am 23.10.2001 erklärte die Beteiligte zu 2 zur Urkunde des Standesbeamten, dass sie künftig ... als deutschsprachige Form ihres Geburtsnamens und "Eugenia" als deutschsprachige Form ihres Vornamens (bisher: Evguenia) führen wolle. Ihren Vatersnamen wolle sie ablegen.

Der Standesbeamte hat Bedenken, ob die Beteiligte zu 2 berechtigt ist, Erklärungen zur Namensführung gemäß § 94 BVFG abzugeben und ob diese in Spalte 10 des Familienbuchs einzutragen seien; er hat die Sache über die Aufsichtsbehörde, die Beteiligte zu 3, dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 7.7.2003 den Standesbeamten angewiesen, die gemäß § 94 BVFG wirksam zustande gekommene Erklärung der Beteiligten zu 2 vom 23.10.2001 in Spalte 10 des Familienbuchs der Eheleute einzutragen. Gegen die ihr am 29.7.2003 zugestellte Entscheidung hat die Beteiligte zu 3 am 5.8.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG der Ansicht, der Ehegatte eines Spätaussiedlers könne nur dann wirksam Namenserklärungen im Rahmen des § 94 BVFG abgeben, wenn die Ehe bei Aussiedlung bereits drei Jahre bestanden habe und auch der Ehegatte aufgrund des Aufnahmeverfahrens die Rechtsstellung als Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG erworben habe. Mit Beschluss vom 9.10.2003, zugestellt am 22.10.2003, hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der am 3.11.2003 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG zulässige, insbesondere fristgerechte Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Gründe des Beschlusses des Amtsgerichts Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: § 94 BVFG enthalte keine Beschränkung darauf, dass der Ehegatte eines Spätaussiedlers die Rechtsstellung eines Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG nur unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG erlangt haben dürfe. Eine Beschränkung bestehe nur insoweit, als das Erklärungsrecht des deutschen Ehegatten nicht originär sei, sondern aus einer noch im Zeitpunkt der Erklärung bestehenden Ehe mit einem Vertriebenen oder Spätaussiedler abgeleitet sei. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Vorschrift sowie die Achtung vor dem Namensrecht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seien mit einer einschränkenden Auslegung des § 94 BVFG nicht vereinbar.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Gemäß § 94 Abs. 1 BVFG können Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten Bestandteile ihres Namens ablegen, die im deutschen Namensrecht nicht vorgesehen sind (Nr. 1); und sie können eine deutschsprachige Form ihrer Vornamen annehmen (Nr. 3). An der förmlichen Wirksamkeit der Erklärung der Beteiligten zu 2 vom 23.10.2001 besteht kein Zweifel (§ 15 e PStG, § 94 BVFG).

b) Inhaltlich setzt die Erklärung des Ehegatten eines Spätaussiedlers nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BVFG nicht nur die Eigenschaft als Ehegatte voraus; vielmehr muss er nach dem Wortlaut des § 94 Abs. 1 BVFG auch Deutscher im Sinn des Art. 116 Abs. 1 GG sein. Während der Ehemann der Beteiligten zu 2 als Spätaussiedler (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG) Deutscher im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG ist und die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund Einbürgerung am 18.12.1995 (§ 6 StAngRegG) erworben hat, hat die Beteiligte zu 2 am 20.7.2001 die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 8, § 9 StAG erworben und ist dadurch Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG geworden.

Damit erfüllt die Beteiligte zu 2 die Voraussetzungen für die von ihr gewünschte Namensanpassung gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BVFG.

c) Der Senat folgt der von der Beteiligten zu 3 und vereinzelt im Schrifttum (Hemberger StAZ 1994, 306/307; StA-Fachausschuss Nr. 3500 StAZ 1998, 293) vertretenen Auffassung nicht, Voraussetzung für die Abgabe einer Erklärung zur Namensänderung nach § 94 BVFG sei der Status als Vertriebener bzw. Spätaussiedler (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG). Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist diese Einschränkung nicht gerechtfertigt. In § 94 Abs. 1 Satz 1 BVFG sind drei Personengruppen aufgeführt, nämlich Vertriebene, Spätaussiedler und Ehegatten und Abkömmlinge von Vertriebenen oder Spätaussiedlern, denen das Erklärungsrecht zustehen kann. Dies bedeutet zugleich, dass die Ehegatten selbst keine Vertriebenen oder Spätaussiedler sein, sondern nur die weitere Voraussetzung erfüllen müssen, Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zu sein. Letzteres ist bei einem eingebürgerten Ehegatten eines Spätaussiedlers der Fall, denn dieser erfüllt als deutscher Staatsangehöriger die erste Alternative des Art. 116 Abs. 1 GG. Eine Beschränkung darauf, dass der Ehegatte eines Spätaussiedlers die Rechtsstellung eines Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG nur unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG erlangt haben darf, enthält das Gesetz gerade nicht. Eine Beschränkung des Erklärungsrechts erfolgt nur in der Weise, dass der deutsche Ehegatte kein originäres, sondern nur ein abgeleitetes Erklärungsrecht hat, das auf der Ehe mit dem Spätaussiedler gegründet ist, d.h. die Ehe muss im Zeitpunkt der Abgabe noch bestehen. Sofern diese Voraussetzung erfüllt ist, hat der deutsche Ehegatte, der die Ehe mit einem Spätaussiedler erst nach dessen Aufnahme in Deutschland geschlossen hat, selbst ein Erklärungsrecht nach § 94 BVFG (OLG Köln StAZ 2002, 368/369; Hepting/Gaaz PStG [1996] § 15e Rn. 31, 32, 38).

d) Die von der Beteiligten zu 3 gewünschte Einschränkung der Namensanpassungsmöglichkeit würde dem Zweck des Gesetzes, Spätaussiedlern und ihren Familien eine Integration zu erleichtern, zuwiderlaufen. Nach der gesetzgeberischen Intention soll ihnen ermöglicht werden, ihre Namen an deutsche Formen anzupassen, damit ihre Namensführung nicht mehr fremdländisch erscheint und die Eingliederung nicht behindert (vgl. BT-Drucks 12/3212 S. 27; KG Report 1998, 296/299). Mit der Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG sollen zwar Schranken für den Erwerb der Rechtsstellung von nicht deutschen Ehegatten von Spätaussiedlern als Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG geschaffen und ähnlich wie im Ausländerrecht der Scheinehenproblematik vorgebeugt werden (vgl. BT-Drucks 12/3597 S. 52). Diese Schranken können und brauchen aber bei der Ausübung des Erklärungsrechts nach § 94 BVFG dann nicht greifen, wenn der Ehegatte im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung ohnehin Deutscher ist (vgl. OLG Köln aaO; OLG Frankfurt am Main StAZ 2000, 210/211 a.E.).

e) Zu Recht weist das Amtsgericht auch darauf hin, dass die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 94 BVFG nicht für eine einschränkende Auslegung spricht. Zunächst war nämlich ins Auge gefasst, die in ihr enthaltene Regelung in den Entwurf eines Familiennamensrechtsgesetzes aufzunehmen (BT-Drucks 12/3163 S. 26 f.). Wegen der vordringlichen Änderung des BVFG im Hinblick auf die Aufnahme und Eingliederung von Aussiedlern im Gebiet der ehemaligen DDR zum 1.1.1993 wurde die Regelung über die Namensführung der Aussiedler vorgezogen und in den Regierungsentwurf für ein Kriegsfolgenbereinigungsgesetz eingetragen (Art. 1 Nr. 33 KfbG; BT-Drucks 12/3212 S. 7; Hepting/Gaaz § 15e Rn. 16).

Weder Entstehungsgeschichte noch Gesetzesmotive des § 94 BVFG rechtfertigen die von der Beteiligten zu 3 gewünschte Einengung seines Anwendungsbereichs. Die Anordnung des Amtsgerichts an den Standesbeamten, die Erklärung der Beteiligten zu 2 zur Namensführung vom 23.10.2001 in das Familienbuch einzutragen, ist zu Recht ergangen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.



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