Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 103/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2078
BGB § 2256
Die Widerrufswirkung der Rücknahme eines notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung tritt wegen der gesetzlichen Fiktion der Widerrufsabsicht unabhängig von dem Willen des Erblassers ein.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Rojahn und Dr. Kainz sowie der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Markwardt am 15. Dezember 2004 in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 10. August 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 2003 im Alter von 73 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligten zu 2 bis 7 sind seine aus erster Ehe stammenden Kinder sowie ein Adoptivkind.

Am 8.7.1988 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einsetzte. Dieses Testament wurde amtlich verwahrt, bis es am 8.3.1993 dem Erblasser persönlich zurückgegeben wurde. Aufzeichnungen über die Rückgabe sind wegen zwischenzeitlich erfolgter Ausscheidung der Akten nicht vorhanden. Das Original des notariellen Testaments wurde von der Beteiligten zu 1 in den Dokumenten des Erblassers gefunden und in folgendem beschädigten Zustand dem Nachlassgericht übergeben: in vier Teile zerschnitten, anschließend wieder geklebt, am linken oberen und unteren Rand fehlt jeweils eine ca. 9 cm x 4 cm große abgerissene Ecke.

Den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Alleinerbscheins wies das Amtsgericht Deggendorf mit Beschluss vom 12.5.2004 zurück. Zur Begründung führte es an, dass das notarielle Testament infolge Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gelte; der Widerruf sei nicht innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Frist angefochten worden.

Die Beteiligte zu 1 hat diesen zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts mit der Beschwerde angefochten. Zur Begründung führt sie an, sie vermute, dass der Erblasser sich über die Wirkung der Rücknahme nicht im Klaren war und diese auch nicht gewollt habe. Es könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Belehrung über die Rücknahmefolgen tatsächlich erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 10.8.2004 wies das Landgericht die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie ihren Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins weiterverfolgt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das ursprünglich wirksame notarielle Testament gelte durch die Rücknahme seitens des Erblassers als widerrufen, da eine Verletzung der Belehrungspflicht nicht nachgewiesen sei und außerdem auch bei unterlassener Belehrung die Widerrufswirkung bestehen bleibe. Die Anfechtung der Widerrufserklärung sei nicht wirksam, weil die Beteiligte zu 1 das Unterlassen der Belehrung nicht nachgewiesen habe; auch lasse die Beschädigung des Testaments keine Rückschlüsse auf die Kenntnis des Erblassers hinsichtlich der Rückgabefolgen zu.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass das notarielle Testament vom 8.7.1988 durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen worden ist (§ 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Widerrufswirkung der Rücknahme eines notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung tritt wegen der gesetzlichen Fiktion der Widerrufsabsicht unabhängig von dem Willen des Erblassers ein (vgl. MünchKommBGB/Hagena 4. Aufl. § 2256 Rn. 9). Die von der Beteiligten zu 1 vermutete Verletzung der Belehrungspflicht hat auf die Widerrufswirkung keine Auswirkung, denn selbst bei deren Verletzung - die hier nicht festgestellt ist - bliebe die Widerrufswirkung bestehen (MünchKommBGB/Hagena § 2256 Rn.10; Staudinger/Baumann BGB Neubearbeitung 2003 § 2256 Rn. 22).

b) Das Landgericht hat auch zu Recht eine wirksame Anfechtung (§ 2078 BGB) des in der Form des § 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkten Widerrufs verneint, da ein Irrtum des Erblassers über die Widerrufswirkung der Rückgabe nicht festgestellt ist. Es ist schon kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Erblasser über die Rückgabe des Testaments etwa nicht belehrt worden wäre; insbesondere kann dies nicht aus den Fragmenten des beschädigten Originaltestaments geschlossen werden. Auch im Übrigen weist die Würdigung des Landgerichts keinen Rechtsfehler auf.

Da das notarielle Testament wirksam widerrufen worden ist und eine andere Verfügung von Todes wegen nicht vorliegt, tritt gesetzliche Erbfolge ein, was eine Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 wegen des gesetzlichen Erbrechts der Beteiligten zu 2 bis 7 ausschließt.

3. Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung; hierzu bedarf es keiner Entscheidung. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit der Abhilfeentscheidung des Landgerichts vom 18.11.2004 entsprechend dem Interesse der Beteiligten zu 1 am Erfolg des Verfahrens der weiteren Beschwerde auf 15.000 EUR festgesetzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO).



Ende der Entscheidung

Zurück