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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 104/00
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 20a
FGG § 27 Abs. 2
KostO § 14 Abs. 3
KostO § 14 Abs. 4
KostO § 31 Abs. 3 Satz 1
Wird im FGG-Verfahren die Beschwerde zurückgenommen, so ist über die Erstattung der Kosten, die den im gegensätzlichen Sinn Beteiligten entstanden sind, nach billigem Ermessen zu entscheiden.
BayObLG Beschluß

LG Kempten (Allgäu) 4 T 838/99; AG Kempten (Allgäu) 5 VI 170/98

1Z BR 104/00

15.09.00

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Kenklies, Seifried und Zwirlein am 15. September 2000

in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren (Nr. 1 des Beschlusses des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 9. Mai 2000) wird verworfen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Anordnung der Kostenerstattung (Nr. 2 des Beschlusses des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 9. Mai 2000) wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligte zu 1 hat dem Beteiligten zu 13 die ihm im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1554 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 24.1.1998 im Alter von 76 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und hatte keine Kinder. Ihre Eltern sind vorverstorben. Die Beteiligten zu 1, 9 bis 12 sind die Kinder ihrer 1975 verstorbenen Schwester Therese, die Beteiligten zu 2 bis 8 die Kinder ihrer 1983 verstorbenen Schwester Maria. Eine weitere Schwester ist 1974 kinderlos verstorben.

Mit handschriftlichem Testament vom 17.9.1992 hatte die Erblasserin den Beteiligten zu 13 zu ihrem alleinigen Erben eingesetzt. Dieser beantragte einen Erbschein, der ihn als alleinigen Erben ausweise. Die Beteiligten zu 1 bis 12 bestritten die Echtheit des Testaments und behaupteten ferner, die Erblasserin sei am 17.9.1992 testierunfähig gewesen. Sie beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein "zu jeweils gleichen Erbanteilen".

Nach Erholung eines Schriftgutachtens und einer Auskunft des Klinikums K. erließ das Nachlaßgericht am 12.10.1998 einen Vorbescheid zugunsten des Beteiligten zu 13.

Gegen diesen Beschluß legten die Beteiligten zu 1 bis 12 Beschwerde ein. Das Landgericht erholte ein weiteres Schriftgutachten und vernahm den Sachverständigen und eine Zeugin. Danach nahmen die Beteiligten zu 1 bis 12 ihre Beschwerde zurück.

Mit Beschluß vom 9.5.2000 setzte das Landgericht den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren gemäß einer vom Beteiligten zu 13 vorgelegten, von einem Steuerberater gefertigten Aufstellung über den Wert des Nachlasses auf 850000 DM fest und entschied, dass die Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Beschwerdegegner, dem Beteiligten zu 13, die ihm entstandenen Kosten zu erstatten hätten.

Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1 "sofortige Beschwerde" eingelegt. Sie wendet sich gegen die Festsetzung des Geschäftswerts auf 850000 DM, weil offensichtlich die Kosten der standesgemäßen Beerdigung der Erblasserin nicht berücksichtigt worden seien. Die "Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens" habe das Landgericht insbesondere damit begründet, dass bereits in erster Instanz ein die Echtheit des Testaments bestätigendes Schriftgutachten vorgelegen habe. Dieses Gutachten sei aber nahezu unverständlich und nicht brauchbar gewesen. Das habe das Landgericht letztlich nicht anders beurteilt; andernfalls hätte es nicht ein weiteres Gutachten eingeholt. Dass das neue Gutachten im Ergebnis ebenso ausfallen würde, sei nicht voraussehbar gewesen. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass die Beschwerde in irgendeiner Weise mutwillig eingelegt worden sei.

Auch der Bezirksrevisor hat für die Staatskasse gegen die - nach seiner Ansicht zu niedrige - Geschäftswertfestsetzung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Geschäftswert entsprechend dem vom Nachlaßgericht auf der Grundlage des vorgelegten Nachlaßverzeichnisses errechneten Reinnachlasswertes auf 1250000 DM festzusetzen.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 30.6.2000 der Beschwerde des Bezirksrevisors abgeholfen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren in Abänderung seines Beschlusses vom 9.5.2000 unter Berücksichtigung der Beerdigungs- und Grabsteinkosten auf 1250000 DM festgesetzt. Die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 hat es dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Geschäftswertfestsetzung ist unzulässig.

a) Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens ist die unbefristete Erstbeschwerde nach Maßgabe des § 14 Abs. 3 und 4 KostO statthaft (§ 31 Abs. 3 Satz 1 KostO; BayObLGZ 1986, 489/490; JurBüro 1988, 214; 1993, 612; KG ZMR 19999 659). Zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht berufen (BayObLG aaO).

b) Die Beschwerde ist aber deswegen unzulässig, weil der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht ist.

aa) Der Beschwerdewert muß 100 DM übersteigen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO; BayObLG JurBüro 1981, 907).

Die Beschwerdesumme i.S. von § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist bei Geschäftswertbeschwerden nach allgemeiner Meinung die Differenz der Kosten, die sich aus dem festgesetzten Geschäftswert einerseits und aus dem erstrebten Geschäftswert andererseits ergeben, nicht die Differenz der Geschäftswerte selbst (BayObLGZ 1994, 374/375; Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 138, § 31 Rn. 58; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 567 Rn. 21).

bb) Nach Korintenberg/Lappe (§ 14 Rn. 141) muß zwar die Beschwerde keinen bestimmten Antrag und grundsätzlich auch keine Begründung enthalten; jedoch muß das Rechtsschutzziel erkennbar sein. Wird ferner berücksichtigt, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Beschwerde vom Erreichen eines bestimmten Beschwerdewerts abhängig gemacht hat, der erst berechnet werden kann, wenn auch der erstrebte Geschäftswert zumindest in der Form eines Höchst- oder Mindestbetrages bekannt ist, dann muß verlangt werden, dass sich anhand der Beschwerdebegründung - die sich in Ausnahmefällen auch konkludent aus den Umständen ergeben kann (vgl. Senatsbeschluß vom 23.5.2000 1Z BR 22/00) - jedenfalls entscheiden läßt, ob der Beschwerdewert erreicht ist oder nicht.

cc) Ziel der Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist die Berücksichtigung der Kosten der Bestattung der Erblasserin als Abzug von dem festgesetzten Nachlaßwert von 850000 DM. Deren Betrag ist in der Beschwerdeschrift nicht genannt. Das Nachlaßgericht hat sie mit 14000 DM angesetzt. Geht man von Beerdigungskosten in dieser Größenordnung aus, so ergibt sich, dass ihr Abzug von den festgesetzten 850000 DM die Höhe der Anwaltskosten unberührt läßt, da die Gebühr bei Werten zwischen 820000 und 880000 DM unverändert bleibt. Nur für die Gerichtsgebühr ergäbe sich eine Differenz von 30 DM, die aber bei einer Beschwerderücknahme nur in Höhe von 1/4 erhoben wird. Damit ist für die Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung im Beschluß vom 9.5.2000 der Beschwerdewert nicht erreicht.

dd) Daran ändert die Neufestsetzung des Geschäftswerts mit Beschluß vom 30.6.2000 nichts, weil nicht erkennbar ist, dass die Beteiligte zu 1 ein anderes Rechtsschutzziel als die Berücksichtigung der Todesfallkosten bei der Wertfestsetzung verfolgt hat. Diese sind im übrigen bei der Neufestsetzung berücksichtigt worden.

2. Gegen die Entscheidung über die "Kosten des Beschwerdeverfahrens" und die Kostenerstattung (Nr. 2 des Beschlusses vom 9.5.2000) ist nach § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2 FGG die sofortige weitere Beschwerde statthaft (Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 20a Rn. 19a), da die von der Beteiligten zu 1 dem Beschwerdegegner aus dem Geschäftswert von 1250000 DM zu erstattenden Anwaltskosten den erforderlichen Beschwerdewert von 200 DM übersteigen (vgl. die nachfolgende Berechnung des Geschäftswerts der weiteren Beschwerde). Die sofortige weitere Beschwerde wurde auch frist- und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, Abs. 4, § 21 Abs. 2, § 22 Abs. 1 FGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

a) Die Entscheidung über "die Kosten des Beschwerdeverfahrens" entspricht der sich schon unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Kostenfolge, ohne dass ein gesonderter Ausspruch veranlaßt gewesen wäre. Nach § 2 Nr. 1 KostO trägt der Beschwerdeführer - von den Fällen des § 131 Abs. 3 KostO abgesehen - die durch eine unbegründete, unzulässige oder zurückgenommene Beschwerde entstandenen Gerichtskosten (§ 131 Abs. 1 Satz 1 KostO). Ist die Beschwerde dagegen begründet, so fallen Gerichtskosten nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO). Die sich aus § 2 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Satz 1 KostO ergebende Kostenschuld kann durch eine Kostenentscheidung nicht geändert werde n (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 13a FGG Rn. 1).

Im Ergebnis trifft es danach zu, dass die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen haben. Dem Ausspruch des Landgerichts kommt insofern aber nur deklaratorische Bedeutung zu.

b) Wird die Beschwerde zurückgenommen, so ist über die Erstattung der Kosten, die den im gegensätzlichen Sinn Beteiligten entstanden sind, nicht nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, sondern gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG nach billigem Ermessen zu entscheiden (BGHZ 28, 117/121; BayObLGZ 1991, 382/384; FamRZ 1983, 96). Das Landgericht hat zwar "§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG" zitiert, ist aber zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, dass es bei Zurücknahme eines Rechtsmittels regelmäßig der Billigkeit entspricht, dass derjenige, der das Rechtsmittelverfahren in Gang gebracht hat, die anderen Beteiligten dadurch entstandenen Kosten erstattet, wenn er das Rechtsmittel zurücknimmt, es sei denn, dass besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGH aaO S. 123; BayObLG aaO).

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das Vorliegen solcher besonderer Umstände verneinte. Auch wenn das in erster Instanz eingeholte Schriftgutachten dem Landgericht nicht genügte, brauchte es deswegen nicht von der Regel abzuweichen, dass der sein Rechtsmittel zurücknehmende Beschwerdeführer den anderen Beteiligten die ihnen entstandenen Kosten zu erstatten hat. Dies ist hier um so weniger geboten, als die Beschwerdeführer sich zur Zurücknahme des Rechtsmittels erst nach einer Beweisaufnahme unter dem Eindruck der sich abzeichnenden Erfolglosigkeit des Rechtsmittels entschlossen haben und auch, wenn über die Beschwerde entschieden worden wäre, die Kosten des Beschwerdegegners voraussichtlich - nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG - zu tragen gehabt hätten, ohne sich darauf berufen zu können, dass die Einlegung der Beschwerde im Hinblick auf das erstinstanzliche Schriftgutachten nicht offenbar aussichtslos gewesen sei.

3. Das Verfahren über die Geschäftswertbeschwerde ist gebührenfrei (§ 31 Abs. 3 Satz 2 KostO). Eine Kostenerstattung findet insoweit nicht statt (§ 31 Abs. 3 Satz 3 KostO).

Auch hinsichtlich des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde gegen die Kostenentscheidung bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte zu 1 dem Beteiligten zu 13 die ihm im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde entspricht den (außergerichtlichen) Kosten, die die Beteiligte zu 1 dem Beteiligten zu 13 aufgrund der angefochtenen Kostenentscheidung zu erstatten hat.

Diese berechnen sich nicht nach § 31 BRAGO, sondern nach § 118 BRAGO (BayObLGZ 1994, 374/376; RPfleger 1960, 99/101; Gerold/Schmidt/Madert BRAGO 14. Aufl. vor § 118 Rn. 12). § 118 BRAGO kennt keine eigene Beschwerdegebühr. Der Rechtsanwalt erhält vielmehr im Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch die Gebühren des § 118 BRAGO (Gerold/Schmidt/Madert § 118 Rn. 15). Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 13 erhalten für ihre Mitwirkung im Beschwerdeverfahren die drei Gebühren des § 118 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BRAGO aus dem Geschäftswert von 1250000 DM. Wird jeweils die Mittelgebühr (von 5344 DM) zugrundegelegt (Gerold/Schmidt/Madert § 118 Rn. 18), so ergeben sich Kosten in Höhe von 16032 DM, zuzüglich der Auslagen nach § 26 BRAGO (40 DM) und der Umsatzsteuer (§ 25 Abs. 2 BRAGO) 18644 DM. Die unterliegenden Beteiligten zu 1 bis 12 haften mangels einer anderen Verteilung gleichmäßig, d.h. je zu 1/12 (BayObLGZ 1959, 360/365; RPfleger 1977, 26; OLG Köln RPfleger 1987, 23; Bassenge/Herbst § 13a FGG Rn. 10). Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde beträgt daher 1554 DM.

Ende der Entscheidung

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