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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: 1Z BR 107/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 2229 Abs. 4
1. Die Freiheit des Willensentschlusses des Testierenden beinhaltet seinem Sinn nach auch die insoweit erforderliche Unabhängigkeit des Erblassers von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter.

2. Zur Frage, inwieweit der Tatrichter ein Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit auf die Beachtung medizinischer Detailfragen zu überprüfen hat und zur Berücksichtigung entsprechenden Vortrags in der Rechtsbeschwerdeinstanz.

3. Zur Frage, ob die Erbeinsetzung des von der Erblasserin eingesetzten Generalbevollmächtigten gegen die guten Sitten verstößt, wenn dieser in Ausübung seiner Vollmacht anderen Verwandten den Umgang mit der kranken Erblasserin untersagt hat.


Gründe:

I.

Die verwitwete Erblasserin ist im Alter von 80 Jahren kinderlos verstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Bruder, der Beteiligte zu 2 ist dessen Sohn. Weitere Geschwister sind nicht vorhanden, die Eltern sind vorverstorben.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem hälftigen Anteil an einer Erbengemeinschaft, der ein Einfamilienhaus gehört; die Summe der Nachlasswerte insgesamt beträgt ausweislich des Nachlassverzeichnisses 131.980 EUR, die der Nachlassverbindlichkeiten 1.800 EUR.

Die Erblasserin wurde am 28.8.2002 wegen eines Herzinfarkts sowie eines rechtsseitigen Hirninfarkts stationär behandelt, dann am 18.9.2002 zur neurologischen Frührehabilitation in die Rehabilitationsklinik verlegt, wo sie bis zu ihrer Entlassung in ein Münchner Seniorenheim am 5.11.2002 verblieb. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19.9.2002 wurde die freiheitsentziehende Unterbringung der Erblasserin in einer geschlossenen Einrichtung, längstens bis zum 30.10.2002, genehmigt. Mit notarieller Urkunde vom 12.9.2002 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 2 eine Generalvollmacht für Entscheidungen in allen Bereichen des Lebens und über den Tod hinaus für den Fall, dass sie nicht mehr in der Lage sein sollte, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, und schlug ihn als ihren möglichen Betreuer vor.

Am 28.9.2002 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie sämtliche früheren Testamente widerrief und den Beteiligten zu 2 zu ihrem Alleinerben einsetzte. Ein inhaltsgleiches Testament errichtete sie am 26.10.2002.

Der Beteiligte zu 1 bezweifelt die Testierfähigkeit der Erblasserin zu den Zeitpunkten der Testamentserrichtung unter Hinweis auf zahlreiche nicht datierte Schreiben der Erblasserin mit Poststempeln ganz überwiegend zwischen dem 7.10.2002 und 24.10.2002, aus denen sich nur zusammenhanglose Äußerungen ergäben und die auf eine erhebliche geistige Beeinträchtigung der Verstorbenen hindeuteten. Er ist der Auffassung, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten und hat die Erteilung eines Alleinerbscheins zu seinen Gunsten beantragt.

Der Beteiligte zu 2 hat sich diesem Antrag widersetzt.

Das Amtsgericht hat nach Erholung einer ärztlichen Stellungnahme der Direktorin der Rehabilitationsklinik, der Beiziehung von Unterbringungs-, Kranken- und Pflegeakten und Einholung eines psychiatrischen Gutachtens sowie einer weiteren ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme mit Beschluss vom 22.4.2004 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine durchgängige ausgeprägte Störung kognitiver oder amnestischer Art der Erblasserin nicht zu belegen sei. Es seien lediglich Zweifel an ihrer Testierfähigkeit begründet; im Übrigen stimme der Inhalt der Testamente mit dem von der Erblasserin gezeigten Vertrauen zum Beteiligten zu 2 und ihrem Misstrauen gegenüber dem Beteiligten zu 1 überein. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und unter Bezugnahme auf ein von ihm vorgelegtes Privatgutachten zur Begründung angeführt, dass sich aus dem zeitlichen Zusammenhang der erhobenen ärztlichen Befunde zur jeweiligen Testamentserrichtung eine völlige Desorientierung und Verwirrtheit der Erblasserin mit der Folge ihrer Testierunfähigkeit ergeben würde.

Das Landgericht hat eine weitere ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt und mit Beschluss vom 14.10.2004 die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.4.2004 aufzuheben und dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein als Alleinerbe zu erteilen.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beteiligte zu 2 auf Grund der wirksam errichteten Testamente vom 28.9.2002 und 26.10.2002 Alleinerbe der Erblasserin sei.

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Testamente vom 28.9.2002 sowie vom 26.10.2002 nicht unwirksam seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich insbesondere für das zweite Testament kein ausreichender Nachweis für eine etwaige Testierunfähigkeit der Erblasserin zum maßgeblichen Zeitpunkt erbringen lassen. Zwar sei auf Grund von psychopathologischen Störungen der Erblasserin während ihres Klinikaufenthalts in der Rehabilitationsklinik zeitweilig sicherlich von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin auszugehen, insbesondere am 18.9. und 19.9.2002.

Eine durchgehende ausgeprägte Störung kognitiver oder amnestischer Funktionen sei jedoch nicht zu belegen. Psychopathologische Störungen seien nur intermittierend aufgetreten, es gäbe vielfältige Hinweise für erhebliche Befundbesserungen; relevante inhaltliche oder formale Auffälligkeiten des Testaments vom 26.10.2002 seien nicht erkennbar. In der ärztlichen Stellungnahme der Rehabilitationsklinik vom 28.10.2002 seien Orientierungsstörungen in allen Qualitäten verneint und die vorhandene Störung als leichtes hirnorganisches Psychosyndrom bei weitgehend rückläufiger Symptomatik beschrieben worden. Der Sachverständige habe sich ausreichend mit den Krankenunterlagen und dem Parteigutachten des Beteiligten zu 1 auseinandergesetzt und habe keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass eine Testierunfähigkeit der Erblasserin, insbesondere zum Zeitpunkt der Errichtung des zweiten Testaments am 26.10.2002, nachzuweisen sei. Die vom Beteiligten zu 1 vorgelegten Schreiben der Erblasserin würden zwar deren verwirrten Eindruck wiedergeben, sie würden aber nicht eine durchgängige Störung - angesichts des schwankenden Therapieverlaufs - belegen, die gerade auch am 28.9.2002 und 26.10.2002 bestanden habe. Da nur der Poststempel und nicht das genaue Erstellungsdatum dieser Briefe bekannt ist, sei eine weitere Auseinandersetzung mit diesen Briefen nicht zielführend. Im Übrigen ständen die Testamente mit dem von der Erblasserin immer wieder thematisierten großen Vertrauen zum Beteiligten zu 2 und ihrem Misstrauen gegenüber dem Beteiligten zu 1 in Einklang. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht geboten. Unter Berücksichtigung der Feststellungslast sei die Testierunfähigkeit der Erblasserin, zumal zum Zeitpunkt der Errichtung des zweiten Testaments, nicht belegbar; die Grundsätze des Anscheinsbeweises kämen hier nicht in Betracht wegen des wechselhaften Verlaufs der festgestellten Beeinträchtigungen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Gericht hat insbesondere das Testament vom 26.10.2002 rechtsfehlerfrei für wirksam erachtet, auf dieser Grundlage zu Recht die Erbfolge nach dem Inhalt dieses Testaments bestimmt und deshalb zutreffend die Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1 bestätigt.

a) Die Beurteilung der Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin gibt zu Beanstandungen keinen Anlass.

aa) Das Landgericht ist von einem zutreffenden Verständnis des Begriffs der Testierunfähigkeit ausgegangen. Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit des Erblassers, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1066/1067).

Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Auffassens, des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass die Erblasserin nicht mehr fähig ist, die Bedeutung ihrer letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (BGH FamRZ 1958, 127/128), ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben (BayObLGZ 1956, 377/383; BayObLG FamRZ 2002, 1066/1067).

Von diesen in seiner Entscheidung teilweise zitierten Grundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen, indem es vorrangig auf die Einsichtsfähigkeit und Willensentschließungsfreiheit der Erblasserin abgestellt hat. Diese Freiheit des Willensentschlusses beinhaltet seinem Sinn nach auch die erforderliche Unabhängigkeit der Erblasserin von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter (vgl. BayObLGZ 1995, 383/388) und damit ihre Selbst- und nicht Fremdbestimmtheit bei Errichtung der Testamente.

Das Landgericht ist mit seiner Feststellung, das Vorhandensein der Willensentschließungsfreiheit der Erblasserin könne während der relevanten Zeiträume nicht ausgeschlossen werden, der Einschätzung des Sachverständigen gefolgt. Dieser hat erhebliche Zweifel daran geäußert, dass bei der Erblasserin ausgeprägte psychopathologische Störungssymptome vorhanden gewesen seien, die ihr eine freie Willensbildung unmöglich gemacht hätten. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Feststellung des Landgerichts, die Erblasserin sei bei Errichtung der Testamente testierfähig gewesen, nur daraufhin zu überprüfen, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 BGB) hat, ob die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigende Fehler aufweist (st. Rspr. BayObLGZ 2001, 289/293).

Solche Fehler lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

(1) Das Landgericht hat im gebotenen Rahmen (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1994, 593 f.) die Ermittlungen durchgeführt, die erforderlich und möglich waren, um Klarheit über die Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 28.9.2002 und 26.10.2002 zu gewinnen (§ 12 FGG). Es hat hierzu auf der Grundlage der beiden bereits in erster Instanz erholten fachärztlichen Sachverständigengutachten und beigezogenen Gerichtsakten, der ärztlichen bzw. pflegerischen Unterlagen und der vorgelegten oder eingeholten Auskünfte eine weitere gutachterliche Stellungnahme erholt, die sich mit den vom Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwänden, die auf ein Privatgutachten gestützt werden, auseinander setzt.

Den weiteren Beweisangeboten des Beteiligten zu 1 musste das Gericht nicht nachgehen. Insbesondere musste es ein weiteres Gutachten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 412 Abs. 1 ZPO) nicht einholen. Die Entscheidung hierüber lag in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BayObLG FamRZ 1990, 801/802). Die Voraussetzungen, unter denen die Erholung eines weiteren Gutachtens ausnahmsweise geboten sein kann (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1991, 1237/1239), lagen hier nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein anderer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt hätte.

Das Landgericht musste auch nicht weiteren Einzelheiten zu den tatsächlichen Grundlagen der Gutachten nachgehen. Die Aufklärungspflicht besteht nur insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung hierzu Anlass geben. Von weiteren Ermittlungen, die ein sachdienliches, die Entscheidung nicht beeinflussendes Ergebnis nicht erwarten lassen, kann das Landgericht absehen (BayObLGZ 1995, 383/388 f.). Dem Sachverständigen stand in Gestalt der beigezogenen Kranken- und Pflegeakten, Unterbringungsakten und ärztlichen Stellungnahmen auch eine umfassende Beurteilungsgrundlage zur Verfügung, mit der er sich in seinen Gutachten vom 9.2.2004, 8.3.2004 und 20.8.2004 auseinandergesetzt hat.

Es bestand für das Landgericht im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung daher keine Verpflichtung, eine - vom Beschwerdeführer in den Vorinstanzen auch nicht beantragte - Einvernahme derjenigen Ärzte durchzuführen, die die Erblasserin während ihres Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik behandelt und teilweise eine zum Gutachten differierende Einschätzung ihrer Testierfähigkeit schriftlich geäußert haben.

Durch die während des gesamten dortigen Klinikaufenthalts täglich erfolgten Eintragungen der ärztlichen Behandlung (u. a. der Medikation) ist der medizinische Behandlungsverlauf so ausführlich dokumentiert worden, dass das Landgericht davon ausgehen durfte, durch die Vernehmung der behandelnden Ärzte seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Das vom Gericht - dem Sachverständigen folgend - festgestellte nur intermittierende Auftreten von psychopathologischen Störungen der Erblasserin konnte daher auf ausreichende ärztliche Eintragungen - daneben auch auf täglich dokumentierte pflegerische Eintragungen - gestützt werden.

Eine Einvernahme der ärztlichen Direktorin der Rehabilitationsklinik war auch nicht auf Grund der Divergenz ihrer Stellungnahme zu dem gerichtlichen Gutachten geboten. Die Direktorin verfügte nicht wie der Sachverständige über eine für die Beurteilung der Testierfähigkeit spezifische Facharztausbildung. Sie hatte zwar eine fachspezifische Ausbildung in Neurologie, war aber keine Fachärztin für den hier relevanten Bereich der Psychiatrie. Darüber hinaus enthielt ihre - insoweit vom Sachverständigengutachten differierende - Stellungnahme nur eine Einschätzung der Geschäfts- (nicht: Testier-)unfähigkeit der Erblasserin und das auch nur für den Zeitpunkt der Errichtung des zweiten Testaments.

Das Gericht durfte daher davon ausgehen, dass die Vernehmung der Direktorin keine sicherere Grundlage für die Beurteilung der Testierfähigkeit herbeiführen würde.

(2) Die Beweiswürdigung des Landgerichts kann nur daraufhin überprüft werden, ob es bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner, ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (vgl. BayObLGZ 1995, 383/388; BayObLG Report 1999, 36).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält diesen Kriterien stand.

(aa) Das Landgericht hat seine Überzeugung, die Erblasserin sei bei Errichtung der Testamente, zumal des am 26.10.2002 errichteten, testierfähig gewesen, auf die beigezogenen Kranken-, Pflege- und Unterbringungsakten sowie auf die in der Vorinstanz erholten Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des von ihm beauftragten Sachverständigen gestützt, eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie. Der Sachverständige hat aus den beigezogenen Unterlagen festgestellt, dass bei der Erblasserin im Zuge ihrer Erkrankung (Hirninfarkt) zunächst erhebliche psychopathologische Störungen aufgetreten seien mit der Folge ihrer Testierunfähigkeit am 18. und 19.9.2002; dass aber eine durchgängige ausgeprägte Störung kognitiver oder amnestischer Funktionen bzw. das durchgängige Vorhandensein sonstiger demenztypischer Symptome nicht zu belegen sei. Es beständen allenfalls Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin zu den beiden Zeitpunkten der Testamentserrichtung; es könne aber ihre Testierunfähigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Es gebe - bei dem sehr variablen Verlauf von Durchgangssymptomen nach Hirninfarkt - vielfältige Hinweise für erhebliche Befundbesserungen der Erblasserin sowie für das nur intermittierende Auftreten psychopathologischer Störungen bei ihr. Es beständen erhebliche Zweifel an dem durchgängigen Vorhandensein von psychopathologischen Störungen während des gesamten Zeitraums ihres stationären Aufenthalts, die ihr eine freie Willensbildung unmöglich gemacht hätten.

Der Sachverständige hat sich auch mit den seiner Einschätzung teilweise widersprechenden Stellungnahmen der ärztlichen Direktorin der Rehabilitationsklinik P. und des vom Beteiligten zu 1 vorgelegten Privatgutachtens auseinandergesetzt und auch unter deren Berücksichtigung aufgrund der von ihm ausgewerteten Unterlagen den Schluss gezogen, dass eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zu den beiden Zeitpunkten der Testamentserrichtung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen sei.

(bb) Das Landgericht ist dem Sachverständigen im Ergebnis gefolgt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung; diese kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Das Gericht der Tatsacheninstanz muss das Sachverständigengutachten in jedem Fall auf seinen sachlichen Gehalt, seine logische Schlüssigkeit und darauf überprüfen, ob es von dem Sachverhalt ausgeht, den es selbst für erwiesen hält (BayObLG NJW-RR 1991, 1098/1100) und ob die Ausführungen des Gutachtens den Begriff der Testierfähigkeit erfüllen (BayObLG FamRZ 2002, 1066/1067).

Dies hat das Landgericht getan. Es hat sich eingehend mit den Feststellungen des Sachverständigen auseinandergesetzt und sich davon überzeugt, dass das Ergebnis des Gutachters durch eingehende und gründliche Tatsachenfeststellungen untermauert ist.

Die Überprüfung hinsichtlich Schlüssigkeit und Gehalt des Gutachtens musste sich, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, nicht auf die Berücksichtigung medizinischer Detailfragen erstrecken, deren Relevanz für einen medizinischen Laien nicht ohne weiteres erkennbar ist wie die Einbeziehung bestimmter Befunde (z. B. Skalenwerte eines Frühreha-Barthel-Index; Schädel MRT). Insoweit kann von dem Gericht die für eine solche Beurteilung erforderliche medizinische Sachkunde nicht erwartet werden. Es genügt, wenn sich der Tatrichter in der Beschwerdeinstanz hinsichtlich Vollständigkeit und Schlüssigkeit mit den Lücken und Widersprüchen auseinandersetzt, deren Bedeutung für das Gutachtensergebnis auch für medizinische Laien erkennbar ist, und sich im Übrigen hinsichtlich spezieller medizinischer Fragen mit den nicht offensichtlich irrelevanten Einwänden gegen das Gutachten befasst, die ihm von einem Beteiligten vorgetragen werden.

Diesen Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Es hat dem Sachverständigen Gelegenheit gegeben, zu den Widersprüchen Stellung zu nehmen, die sein in erster Instanz erstattetes Gutachten zu einer anderen medizinischen Stellungnahme und einem privatärztlichen Gutachten aufwies. Die ergänzenden Stellungnahmen des Sachverständigen erstreckten sich auf alle für einen Laien erkennbar wesentlichen Punkte. Soweit darüber hinaus bei dem Beteiligten zu 1 noch weitere Einwände hinsichtlich medizinischer Fragen bestanden haben, hätte für ihn in der Beschwerdeinstanz Gelegenheit bestanden, diese konkret darzulegen, was er nicht getan hat. Im Verfahren der weiteren Beschwerde, das sich auf die rechtliche Überprüfung beschränkt, ist für derartige Einwände gegen das Gutachten, die letztlich auf eine tatsächliche Überprüfung und damit neuen Tatsachenvortrag hinauslaufen, kein Raum.

Das Landgericht hat sich auch mit den vorgelegten, von der Erblasserin verfassten Briefen auseinandergesetzt, deren genaues Erstellungsdatum nicht bekannt ist. Die Briefe können nach seiner Einschätzung gerade auch deswegen das Vorhandensein einer (im vorliegenden Zusammenhang allein relevanten) durchgängigen Störung der Geistestätigkeit der Erblasserin nicht belegen. Diese Schlussfolgerung ist denkfehlerfrei und rechtlich nicht zu beanstanden.

Aufgabe des zur Beurteilung der Testierfähigkeit hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen ist es nicht nur, den medizinischen Befund einer Geisteskrankheit oder -schwäche festzustellen, sondern vor allem deren Auswirkung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit der Erblasserin abzuklären (BayObLGZ 1985, 314/315). Daher konnte sich das Landgericht auch insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen stützen, als er das durchgängige Vorhandensein von die freie Willensbildung ausschließenden psychopathologischen Störungssymptomen im relevanten Zeitraum verneint hat. Geht man aber von einem derart wechselnden Zustand der Erblasserin aus, musste das in de Rechtsbeschwerde hervorgehobene schwankende Verhalten der Erblasserin keinen Anlass zu Zweifeln an der Beurteilung des Sachverständigen geben. Es bestanden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin durchgängig den Beeinflussungen Dritter nachgegeben hätte.

(cc) Das Landgericht ist von zutreffenden rechtlichen Anforderungen an den Nachweis der Testierunfähigkeit ausgegangen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Erblasser entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Deshalb trifft die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit des Erblassers grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1438/1439 m. w. N.). Allerdings kann ein erster Anschein für die Testierunfähigkeit zu dem entscheidenden Zeitpunkt der Testamentserrichtung sprechen, wenn eine Überzeugung dahin besteht, dass der Erblasser in dem Zeitraum vor und nach der Testamentserrichtung anhaltend testierunfähig gewesen ist und somit nur die Möglichkeit in Betracht kommt, er habe das Testament während einer vorübergehenden Besserung des Geisteszustands in der Art eines lichten Intervalls errichtet (BayObLGZ 1979, 256/266; BayObLG FamRZ 1990, 801/803).

Dieser Anscheinsbeweis gilt nicht schon dann, wenn die festgestellten Beeinträchtigungen einen wechselhaften Verlauf nehmen; er setzt vielmehr voraus, dass das Gericht im Grundsatz von einer anhaltenden Testierunfähigkeit des Erblassers im Zeitraum vor und nach der Testamentserrichtung überzeugt ist (BayObLG FamRZ 1999, 819/820; MünchKomm/Hagena BGB 4. Aufl. § 2229 Rn. 62). Nur dann trägt die Feststellungslast für ein lichtes Intervall derjenige, der Rechte aus dem Testament herleitet (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1137).

Hier ist der Gutachter und ihm folgend das Landgericht zu der Überzeugung gekommen, dass gerade keine anhaltende Testierunfähigkeit der Erblasserin in den Zeiträumen vor und nach den jeweiligen Zeitpunkten der Testamentserrichtungen vorlag, sondern dass vielmehr die psychopathologischen Störungen der Erblasserin in diesen Zeiträumen nur intermittierend auftraten. Daher hat es folgerichtig die Anwendbarkeit der Grundsätze über den Anscheinsbeweises verneint.

Bei seiner Gesamtbewertung des Sachverständigengutachtens unter Einbeziehung der ärztlichen Befunde und sämtlicher sonstiger erhobener Beweise ist das Landgericht daher rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gekommen, dass eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zu den Zeitpunkten der Testamentserrichtungen, insbesondere am 26.10.2002, nicht nachgewiesen ist.

b) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Testamente der Erblasserin vom 28.9.2002 und 26.10.2002 nicht gemäß § 138 BGB als nichtig angesehen werden können.

Die Grenzen für die Zulässigkeit einer Zuwendung von Todes wegen zugunsten einer Person, die vom Erblasser umfassende Vorsorgevollmacht erhalten hat, sind anhand der allgemeinen Vorschriften, insbesondere des § 138 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Bei der Inhaltskontrolle letztwilliger Verfügungen nach § 138 Abs. 1 BGB ist vom Grundsatz der Testierfreiheit auszugehen (vgl. Staudinger/Sack BGB Neubearbeitung 2003 § 138 Rn. 437). Diese ist das bestimmende Element der Erbrechtsgarantie (Art.14 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. BVerfGE 67, 329/341). Die Einschränkung der Testierfreiheit durch die Anwendung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen kann (BGHZ 123, 368/378; BayObLGZ 1997, 374/376; BayObLG FGPrax 2003, 34/36). Sittenwidrig kann also ein Testament nur sein, wenn über den Ausschluss des gesetzlichen Erbanspruchs erbberechtigter Angehöriger hinaus besonders schwerwiegende Umstände hinzukommen (BGH NJW 1999, 566/568; Staudinger/Sack aaO).

Aus den Feststellungen der Tatsacheninstanz zum Verhalten des Beteiligten zu 1 ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser die ihm von der Erblasserin eingeräumte Vertrauensposition dazu missbraucht hat, die Erblasserin entgegen allgemein anerkannten Anforderungen an ethische Grundsätze zu einer ihn begünstigenden letztwilligen Verfügung zu bewegen. Insbesondere ist das Vorbringen des Beteiligten zu 2, sich im wohlverstandenen Interesse der Erblasserin um sie gekümmert und Kontaktverbote ausgesprochen zu haben, um Streitigkeiten zwischen dem Beteiligten zu 1 und den behandelnden Ärzten im Interesse der Gesundheit der Erblasserin zu vermeiden, nicht zu widerlegen. Vielmehr steht die Begünstigung des Beteiligten zu 2 in den beiden streitgegenständlichen Testamenten im Einklang sowohl mit der ihm durch die Generalvollmacht eingeräumten Vertrauensposition als auch mit dem nach Feststellung des Landgerichts von der Erblasserin mehrfach geäußerten Vertrauen ihm gegenüber.

3. Wer die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen hat, ergibt sich aus dem Gesetz. Nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 1 die dem Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts entsprechend dem mit der weiteren Beschwerde verfolgten Interesse des Beteiligten zu 1 auf den Wert des reinen Nachlasses festgesetzt (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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