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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 127/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 2064
BGB § 2247
FGG § 12
FGG § 15
Es genügt, wenn Sachverständige mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß ein Testament gefälscht sei.
BayObLG Beschluss

LG Würzburg 3 T 2/00; AG Würzburg VI 1569/98

1Z BR 127/00

29.11.00

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Zwirlein am 29. November 2000 in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 2. August 2000 in Ziff. 3 (Geschäftswertfestsetzung) aufgehoben. Im übrigen wird die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 2. August 2000 zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die 1998 im Alter von 63 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und hatte keine Kinder. Zu ihrem Nachlaß gehören zwei Eigentumswohnungen und landwirtschaftliches Grundvermögen. Die Beteiligte zu 1 ist die Schwester der Erblasserin, die Beteiligte zu 2 deren Tochter. Diese legte ein handschriftliches Testament vor, das folgenden Wortlaut hat:

Testament 5.5.98 L.

Hiermit vererbe ich meiner Nichte (Beteiligte zu 2) meinen gesamten Besitz.

Die Beteiligte zu 2 beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin aufgrund des Testaments ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 1 hält das Testament für gefälscht und beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin kraft Gesetzes bezeugen sollte.

Das Nachlassgericht hat acht Zeugen einvernommen und das Gutachten einer Schriftsachverständigen eingeholt. Dieses kommt zum Ergebnis, dass der Text des Testaments ein für Nachahmungsfälschungen typisches Befundbild zeige und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus der Hand der Erblasserin stamme und es sich bei der Unterschrift wahrscheinlich nicht um die Unterschrift der Erblasserin handle. Mit Vorbescheid vom 23.11.1999 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 an.

Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein. Das Landgericht holte das Gutachten eines weiteren Schriftsachverständigen ein, der darin und in einem ergänzenden Gutachten ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Datumsangabe und der Testamentstext mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von der Erblasserin geschrieben wurden und die Unterschrift wahrscheinlich nicht von ihr stammt, sondern dass es sich hochwahrscheinlich bzw. wahrscheinlich um Nachahmungsfälschungen handle. Mit Beschluss vom 2.8.2000 wies das Landgericht die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurück und setzte den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf DM 100000,-- fest. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde ein, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

a) Das Landgericht folgt uneingeschränkt der Entscheidung des Nachlassgerichts und hat sich wie dieses nicht von der Echtheit des Testaments vom 5.5.1998 Überzeugen können. Es hat hat sich dabei auf die in beiden Instanzen erholten Sachverständigengutachten gestützt und den Zeugenaussagen über angebliche Äußerungen der Erblasserin zu ihrer Erbfolge keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der Nachprüfung stand (§ 27 FGG, § 550 ZPO). Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat es weiter nicht aufklärbare Zweifel gehabt, dass das Testament vom 5.5.1998 von der Erblasserin stammt (§ 2064, § 2247 Abs. 1 BGB). Es ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Feststellungslast für die Echtheit und Eigenhändigkeit eines Testaments derjenige trägt, der Rechte aus dieser Urkunde herleiten will (BayObLG FamRZ 1985, 837). Es hat daher folgerichtig angenommen, dass die Beteiligte zu 2, die sich auf das Testament vom 5.5.1998 beruft, nicht Erbin geworden ist, sondern - wie im Vorbescheid angekündigt - die Beteiligte zu 1 als gesetzliche Erbin gemäß § 1925 Abs. 1 BGB.

aa) Die Frage, ob ein handschriftliches Testament vom Erblasser geschrieben und unterschrieben wurde, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei getroffen sind (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Beweiswürdigung nur daraufhin überprüfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB) und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist oder Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind. Stützt sich der Tatrichter auf ein Gutachten, so muß die Beweiswürdigung weiter ergeben, dass das Gericht selbständig und eigenverantwortlich geprüft hat, ob es dem Gutachten folgen kann (BayObLG FamRZ 1982, 38/639; Rpfleger 1985, 240/241; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 42). Die Entscheidung des Landgerichts entspricht diesen Kriterien.

bb) Die Vorinstanzen haben den für die Frage der Echtheit des Testaments maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12, § 15 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB). Das Nachlassgericht hat eine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Handschriftenvergleichung beauftragt, die ihr Gutachten nach Eingang weiterer Schriftproben um ein Zusatzgutachten ergänzt hat. Das Landgericht hat ein weiteres Gutachten (§ 12, § 15 FGG, § 404 ZPO) eines neuen Sachverständigen eingeholt, der ebenfalls öffentlich bestellter und beeidigter Sachverständiger für Handschriftenvergleich ist; dieser hat zudem ein Zusatzgutachten zu den Einwendungen der Beteiligten zu 2 gefertigt. Das Landgericht hat die in sich schlüssige Argumentation des Sachverständigen selbständig und eigenverantwortlich überprüft; es hat das Gutachtensergebnis bestätigt gesehen durch das übereinstimmende Ergebnis des vom Nachlassgericht eingeholten Schriftgutachtens. Bei der Beweiswürdigung durfte sich das Landgericht auf den objektiven Befund beider Sachverständiger verlassen und demgegenüber die unterschiedlichen Aussagen der den Beteiligten unterschiedlich nahestehenden Zeugen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zumessen.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 durfte das Landgericht das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten als widerspruchsfrei ansehen. Soweit sie einzelne Zeichen im Text der Testamentsurkunde als übereinstimmend mit Vergleichsschriften der Erblasserin ansieht, hat der Sachverständige einsichtig dargelegt, dass angesichts der hohen Schwankungsbreite der variierenden Formen ein Gesamtergebnis durch Beurteilung der dominierenden und beständigen Zeichenformen zu finden ist und daher einzelne Detailübereinstimmungen die abweichenden Charakteristika der Erblasserschrift nicht in Frage stellten.

Die Beteiligte zu 2 rügt ohne Erfolg, dass das Landgericht nicht von der Echtheit des Testaments ausgeht, obwohl beide Sachverständige nur von hoher Wahrscheinlichkeit - und nicht von hundertprozentiger Sicherheit - sprechen, dass das Testament nicht von der Erblasserin stamme. Die Rechtsbeschwerdeführerin verkennt, dass eine mathematische, jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewißheit für die Überzeugung des Gerichts nicht verlangt werden darf (vgl. BayObLGZ 1999, 205/210). Es genügt, dass das Landgericht aufgrund der von den Sachverständigen festgestellten hohen Wahrscheinlichkeit der Fälschung des Testaments begründete und nicht behebbare Zweifel an der Echtheit des Testaments hatte. Dabei kommt es im Hinblick auf das Formerfordernis von § 2247 Abs. 1 BGB nicht darauf an, dass für die Unterschrift eine niedrigere Wahrscheinlichkeitsstufe festgestellt worden ist.

Einer erneuten Einvernahme der von den Parteien benannten und vom Nachlassgericht einvernommenen Zeugen hat es nicht bedurft, da die Ergebnisse der in der ersten Instanz vorgenommenen Beweisaufnahme in der Beschwerdeinstanz fortwirken, nachdem das Landgericht von demselben Aussageinhalt ausgegangen ist wie das Nachlassgericht und dessen Würdigung der Zeugenaussagen ausdrücklich teilt (BayObLG FamRZ 1985, 513/514; Jansen FGG 2. Aufl. § 23 Rn. 11; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 23 Rn. 8). Die Einholung eines weiteren Schriftsachverständigengutachtens war nicht veranlaßt. Die Voraussetzungen, unter denen eine weitere Begutachtung gemäß § 15 FGG, 412 Abs. 1 ZPO in Betracht kommen kann (vgl. Keidel/Kahl 15 Rn. 46; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 412 Rn. 1), liegen nicht vor.

3. Für eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens besteht kein Anlaß, da sich die Kostenfolge aus der Kostenordnung ergibt. Die Entscheidung über die Erstattung der Kosten der Beteiligten zu 1 durch die Beteiligte zu 2 beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Entscheidung des Landgerichts über die Festsetzung des Geschäftswerts war aufzuheben, weil nicht ersichtlich ist, aufgrund welcher Tatsachen das Landgericht zu einem Nachlaßwert von DM 100000,-- gekommen ist, obwohl die Erblasserin Eigentümerin zweier Eigentumswohnungen und umfangreichen landwirtschaftlichen Grundbesitzes gewesen ist. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde kann erst nach entsprechenden Feststellungen des Nachlassgerichts festgesetzt werden.

Ende der Entscheidung

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