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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 13/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 20 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2200 Abs. 1
Zur Frage, ob ein Nachlaßgläubiger beschwerdeberechtigt ist, wenn die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht abgelehnt wird.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Seifried und Zwirlein

am 4. April 2001

in der Nachlaßsache

pp.

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 16. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 5.000,-- festgesetzt.

I.

Die 1962 verstorbene Erblasserin hinterließ ein notarielles Testament vom 20.3.1962, in dem sie neun Personen zu gleichen Teilen zu Erben einsetzte und eine Vielzahl von Vermächtnissen und Auflagen anordnete. Den Miterben L. ernannte die Erblasserin zum Testamentsvollstrecker und bestimmte, daß dieser "alles gut abwickeln" solle und sämtliche Vermächtnisse innerhalb eines Vierteljahres nach ihrem Tod zu erfüllen habe.

Das Nachlaßgericht erteilte dem von der Erblasserin ernannten Testamentsvollstrecker am 23.5.1962 ein Testamentsvollstreckerzeugnis. Der Testamentsvollstrecker teilte mit Schreiben vom 27.8.1965 dem Nachlaßgericht mit, daß die Erbschaftsangelegenheit erledigt sei, und reichte mit Schreiben vom 13.11.1965 das Testamentsvollstreckerzeugnis zu den Nachlaßakten zurück. Zwischenzeitlich ist der frühere Testamentsvollstrecker verstorben.

Mit Schreiben vom 17.5.2000 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten bei dem Nachlaßgericht die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers. Die Beteiligte sei Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem ausweislich des Grundbuchs drei in Goldmark bezifferte Buchhypotheken zugunsten einer Frau S. lasteten. Die Erblasserin sei zu einem Bruchteil Erbeserbin der verstorbenen S. Da die den Hypotheken zugrundeliegenden Forderungen getilgt seien, habe die Beteiligte gegen die Erben der S., somit auch gegen die Erben der Erblasserin, einen Anspruch auf Abgabe einer Löschungsbewilligung. Der Erblasserin sei offensichtlich nicht bekannt gewesen, daß zu ihrem Nachlaß auch die Buchberechtigung an den Hypotheken gehörte. Da die Erblasserin den Miterben L. gerade im Hinblick darauf zum Testamentsvollstrecker ernannt habe, daß der Vielzahl von Erben das persönliche Handeln bei der Nachlaßabwicklung erspart werden solle, sei anzunehmen, daß die Erblasserin in Kenntnis der Hypothekenbuchberechtigung für den Fall, daß der von ihr ernannte Testamentsvollstrecker vor Abschluß der Nachlaßauseinandersetzung versterben sollte, das Nachlaßgericht um Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers ersucht hätte.

Das Nachlaßgericht lehnte mit Beschluß vom 11.9.2000 die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten wies das Landgericht mit Beschluß vom 16.10.2000 zurück. Dagegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer weiteren Beschwerde vom 20.2.2001.

II.

Die nicht fristgebundene und formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG; vgl. BayObLGZ 1998, 195 m.w.N.). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, ein Nachlaßgläubiger sei im Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB) bei Ablehnung der Ernennung beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde könne in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, da die Voraussetzungen für die Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht nicht gegeben seien. Der von der Erblasserin ernannte Testamentsvollstrecker habe den Erblasserwillen vollständig und ordnungsgemäß erfüllt. Dem Testament vom 20.3.1962 sei weder ein ausdrückliches noch ein konkludentes Ersuchen der Erblasserin zu entnehmen, für den Fall, daß der von ihr ernannte Testamentsvollstrecker das Amt nicht annimmt oder verstirbt, einen weiteren Testamentsvollstrecker zu ernennen. Der maßgebliche Wille der Erblasserin sei dahin gegangen, daß der Testamentsvollstrecker die Krankheits-, Arzt- und Pflegekosten sowie die Beerdigungskosten aus dem Nachlaß bestreiten, das Grabmal wiederherstellen und die Vermächtnisse abwickeln solle. Ein Wille der Erblasserin, durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers einem Nachlaßgläubiger die Verwirklichung seiner Ansprüche zu erleichtern, lasse sich dem Testament nicht entnehmen.

2. Die weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

a) Gegen die Abweisung des Antrages auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers ist die einfache Beschwerde gegeben (Keidel/Winkler FGG 14. Aufl. § 81 Rn. 2).

Das Landgericht hat die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten bejaht; es hat das rechtliche Interesse der Beteiligten als Nachlaßgläubigerin an der Ernennung eines Testamentsvollstreckers nach § 2200 Abs. 1 BGB als für deren Beschwerdeberechtigung ausreichend angesehen. Dabei hat es auf die in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1961, 1717/1718) zu den Fällen des § 2198 BGB und des § 2202 BGB zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung verwiesen, wonach der Nachlaßgläubiger im Hinblick auf § 2213 Abs. 1 BGB und § 748 ZPO an der Klärung der Frage, ob die Testamentsvollstreckung zur Ausführung kommt und wer Testamentsvollstrecker ist, und damit an der Klärung der Frage, gegen welche Person als "Repräsentant" des Nachlasses er zur Zwangsvollstreckung in den Nachlaß sich einen Vollstreckungstitel verschaffen muß, nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein rechtliches Interesse habe. Die hier relevante Frage, ob ein Nachlaßgläubiger im Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 BGB) bei Ablehnung der Ernennung beschwerdeberechtigt ist, hat der Bundesgerichtshof allerdings nicht angesprochen; in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist sie bisher offen geblieben (vgl. KG OLGZ 1973, 385/386). Gemäß den allgemeinen Grundsätzen des § 20 Abs. 1 FGG erfordert die Beschwerdeberechtigung einen unmittelbaren, nachteiligen Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht; ein bloßes rechtliches Interesse an der Aufhebung oder Abänderung der angegriffenen Verfügung reicht nicht aus. Der Senat hat in dem hier gegebenen Fall des § 2200 BGB Zweifel, ob es notwendig und gerechtfertigt ist, die Beschwerdeberechtigung eines Nachlaßgläubigers, der über keinen Vollstreckungstitel verfügt, im Hinblick auf sein rechtliches Interesse in Abweichung von den allgemeinen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 FGG zu bejahen (vgl. KG NJW 1963, 1553). Der Senat möchte diese Frage weiterhin offen lassen. Ein solches Vorgehen erscheint ihm im vorliegenden Fall auch zulässig, weil die hier zu treffende Entscheidung keine materielle Rechtskraftwirkung hat, und weil das Rechtsmittel - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen offensichtlich keinen Erfolg haben kann.

b) Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die Ernennung eines Testamentsvollstreckers zutreffend als nicht gegeben angesehen.

aa) Gemäß § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlaßgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Ein Ersuchen gemäß § 2200 Abs. 1 BGB muß vom Erblasser nicht ausdrücklich gestellt werden. Es genügt, daß sich durch Auslegung, gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung (§§ 133, 2084 BGB) ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen läßt (BayObLG FamRZ 1988, 325 m.w.N.).

Die Ernennung einer bestimmten Person zum Testamentsvollstrecker enthält nicht ohne weiteres das Ersuchen des Erblassers an das Nachlaßgericht zur Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1569/1570). Vielmehr kommt es darauf an, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen läßt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Hierbei ist zu prüfen, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht gewollt hätte. Von maßgeblicher Bedeutung ist, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen, insbesondere ob noch Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu erfüllen sind (vgl. im einzelnen BayObLG FamRZ 1988, 325/326).

bb) Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Ernennung des Miterben L. zum Testamentsvollstrecker habe nach dem Willen der Erblasserin der Erfüllung der angeordneten Auflagen und Vermächtnisse sowie der Abwicklung der im Zusammenhang mit dem Tod der Erblasserin angefallenen Krankheits- und Bestattungskosten dienen sollen. Anhaltspunkte dafür, daß die Testamentsvollstreckung nach dem Willen der Erblasserin über die zeitnahe Abwicklung der letztwilligen Verfügungen der Erblasserin hinaus über Jahrzehnte hinweg fortbestehen sollte, um gegebenenfalls auch später noch Nachlaßgläubigern die Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen einen Testamentsvollstrecker zu ermöglichen, konnte das Landgericht dem Testament unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände nicht entnehmen. Diesen Gegebenheiten entsprechend hat das Landgericht mangels eines entsprechenden Ersuchens der Erblasserin die Voraussetzungen für die gerichtliche Ernennung eines weiteren Testamentsvollstreckers zutreffend als nicht gegeben erachtet.

3. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts auf DM 5.000,-- festgesetzt (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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