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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 130/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2247
BGB § 2267
Zur Auslegung einer für den Fall des "gleichzeitigen Versterbens" der Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament verfügten Erbeinsetzung und zur Frage, ob in diesen Worten eine Andeutung dafür gefunden werden kann, dass die Erbeinsetzung auch für den Fall des Nacheinanderversterbens gemeint sein sollte.
Gründe:

I.

Die am 12.12.2001 im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet; sie hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die 1935 bzw. 1948 geborenen Kinder ihres 1997 verstorbenen Ehemannes aus dessen erster Ehe. Der Nachlass besteht aus Bankguthaben im Wert von ca. 94.000 EUR.

Die Eheleute haben am 18.11.1993 ein gemeinschaftliches Testament in der Weise errichtet, dass die Erblasserin den von ihrem Ehemann geschriebenen und unterschriebenen Text mitunterzeichnete. Dieser lautet:

"Unser Testament

1. Wir die Eheleute ... setzen uns gegenseitig als Erben ein.

2. Sollten wir beide gleichzeitig sterben, erben Sohn ... (Beteiligter zu 3) und Tochter ... (Beteiligte zu 4) vorhandenes Bargeld und das auf Konten befindliche Geld - nach Abzug der Beerdigungskosten und sonstiger Kosten - zu gleichen Teilen."

Nach dem Tod des Ehemannes hat die Erblasserin die Erbschaft angenommen; auf ihren Antrag wurde ihr ein Erbschein erteilt, wonach sie ihren Ehemann allein beerbt habe.

In der Folgezeit hat die Erblasserin zwei notarielle Testamente - vom 18.11.1998 und vom 26.8.1999 - errichtet. Mit letzterem hob die Erblasserin das Testament vom 18.11.1998 auf und setzte die Beteiligten zu 1 und 2 zu ihren Erben zu je 1/2 ein.

Die Beteiligten zu 3 und 4 legen Nr. 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.11.1993 dahingehend aus, dass sie Erben des Letztversterbenden werden sollten. Sie meinen, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes und nach Annahme der Erbschaft an diese - wechselbezügliche - Verfügung gebunden gewesen sei und dass deswegen das Testament vom 26.8.1999 unwirksam sei. Sie haben dementsprechend einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie zu je 1/2 Erben geworden seien.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben sich gegen diese Auslegung gewandt. Nach ihrer Meinung sind in dem gemeinschaftlichen Testament die Beteiligten zu 3 und 4 nur bei gleichzeitigem Tod der Eheleute als Erben eingesetzt; von diesem Fall abgesehen bestehe nach dem gemeinschaftlichen Testament keine Bindung des Letztversterbenden. Sie haben einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie die Erblasserin zu je 1/2 beerbt haben.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 16.4.2002 die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 angekündigt, weil in Nr. 2 des gemeinschaftlichen Testaments eindeutig nur der Fall des gemeinsamen Versterbens der Eheleute geregelt sei.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 hat das Landgericht mit Beschluss vom 30.9.2002 zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 3 und 4 haben weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 ist nicht begründet. Im Ergebnis hält die Entscheidung des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Anspruchs der Beteiligten zu 3 und 4 auf rechtliches Gehör hat keinen Erfolg.

a) Dem Beteiligten zu 3 war rechtliches Gehör zu dem in der Sachverhaltsdarstellung des landgerichtlichen Beschlusses wiedergegebenen (Erwiderungs-)Vorbringen der Beteiligten zu 1 und 2 bezüglich des Vermögens der Erblasserin bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht Schöneberg am 27.3.2002 gewährt worden. Das Nachlassgericht hatte das Amtsgericht Schöneberg ausdrücklich "um Bekanntgabe der eröffneten Verfügungen" und "Anhörung zum Erbscheinsantrag Blatt 41 bis 43" ersucht. Letzterer wurde im Rahmen einer Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlassgerichts vom 18.2.2002 gestellt. Bei dieser Gelegenheit äußerten sich die Beteiligten zu 1 und 2 auch zum Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 und 4 vom 20.12.2001 und wiesen - weil die Beteiligten zu 3 und 4 behauptet hatten, "dass sämtliches nennenswertes Vermögen der Eheleute ... aus dem Vermögen des ... (Ehemannes) stammte" - darauf hin, dass auch die Erblasserin "nennenswertes Vermögen in Höhe von ca. 50.000 DM in die Ehe miteingebracht" habe, dass es aber nach ihrer Meinung hierauf für die Testamentsauslegung nicht ankomme. Hierzu hat sich der Beteiligte zu 3 bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht Schöneberg auch geäußert ("Meines Wissens hatte mein Vater vor seiner Eheschließung mit ... [der Erblasserin] dieser Geldbeträge zukommen lassen, die später in die Ehe mit einflossen. Bei der Übersiedlung der Erblasserin in die damalige BRD hatte sie kein eigenes Vermögen, lediglich eine später zugesprochene Rente in Höhe von ca. 600 DM").

b) Der Beteiligten zu 4 war das Protokoll vom 18.2.2002 allerdings nicht mitgeteilt - und auch nicht im Rahmen einer Anhörung bekannt gegeben - worden. Ihre Rüge ist aber schon deswegen erfolglos, weil sie nicht vorgetragen hat, was sie - über das von ihr und ihrem Bruder ohnehin in den Vorinstanzen zu diesem Thema Vorgebrachte hinaus - noch hätte vorbringen wollen, wenn ihr das (Erwiderungs-)Vorbringen der Beteiligten zu 1 und 2 bekannt gegeben worden wäre.

Ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist kein absoluter Revisionsgrund (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 547 ZPO), bei dessen Vorliegen unwiderlegbar vermutet wird, dass die Entscheidung auf der Gesetzesverletzung beruht. Vielmehr muss eine auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützte Rechtsbeschwerde darlegen, was sie bei Gewährung des Gehörs in der Vorinstanz (noch) vorgebracht hätte, um zu begründen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann (BayObLGZ 1990, 177/180 f.). Die Beteiligte zu 4 hat aber das, was zu diesem Thema mit der Rechtsbeschwerde vorgebracht wird, ohnehin schon in den Vorinstanzen vorgebracht.

Im Übrigen kommt es auf diese Thematik schon aus - nachstehend dargelegten - Rechtsgründen nicht an, so dass die Vorinstanzen auch ohne Verstoß gegen ihre Pflicht zur Amtsermittlung von einer Klärung der Vermögenslage der Eheleute bei Errichtung des Testaments vom 18.11.1993 und zuvor absehen konnten.

2. Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeschrift, der Ehemann der Erblasserin habe der Beteiligten zu 4 das Testament vom 18.11.1993 einmal gezeigt und dabei erklärt, dass nach dem Ableben der Erblasserin "alles, was übrig bleiben würde, an die beiden Kinder fallen sollte", ist neues Tatsachenvorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz - unabhängig davon, ob es hierauf ankäme - keine Berücksichtigung finden kann. Grundlage der Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde sind die in der Entscheidung des Beschwerdegerichts festgestellten Tatsachen und der Sachverhalt, wie er sich bei Erlass der Beschwerdeentscheidung darstellt. Neue Tatsachen und Beweismittel können, soweit sie sich auf die Sache selbst beziehen, in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht eingeführt werden (BayObLG FamRZ 1990, 219/210; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 45).

3. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Erblasserin sei auf Grund des notariellen Testaments vom 26.8.1999 von den Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte beerbt worden. Dieses Testament sei nicht wegen einer Kollision mit Regelungen des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.11.1993 unwirksam; denn dieses enthalte nach seinem Wortlaut über die gegenseitige Erbeinsetzung für den Überlebensfall eines Ehegatten und die für den Fall gleichzeitigen Versterbens beiderseits gewollte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3 und 4 hinaus keine Verfügung für den Erbfall nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten. Die Eheleute hätten nicht eine vollständige und abschließende Regelung der erbrechtlichen Nachfolge in ihr Vermögen treffen wollen; vielmehr habe der überlebende Ehegatte in der Verfügung über sein und das vom vorverstorbenen Ehegatten erlangte Vermögen frei sein sollen. Die Ehegatten hätten nur den ersten Todesfall - auch für den Fall eines gleichzeitigen Versterbens beider Eheleute - regeln, nicht aber beiderseits Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden berufen wollen. Weder aus dem gemeinschaftlichen Testament selbst noch aus anderen Umständen sei ersichtlich, dass die Eheleute mit den Worten: "Sollten wir beide gleichzeitig sterben", hätten zum Ausdruck bringen wollen, dass in allen denkbaren Fällen des zeitgleichen und des zeitunterschiedlichen Versterbens die Kinder des Ehemanns Erben des Letztversterbenden werden sollten.

4. Die Annahme des Landgerichts, dass das gemeinschaftliche Testament vom 18.11.1993 - über den Fall "gleichzeitigen Versterbens" hinaus - keine letztwillige Verfügung des letztversterbenden Ehegatten enthält und daher der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 nicht entgegensteht, entspricht der Rechtslage. Das Landgericht hat sich auf den Wortlaut des Testaments gestützt, ohne sich mit den von den Beteiligten zu 3 und 4 für ihre Auslegung angeführten Umständen im Einzelnen auseinander zu setzen. Es hält den Wortlaut: "Sollten wir beide gleichzeitig sterben ...", zwar für auslegungsfähig; die Auslegung könne aber nur dazu führen, dass über den Fall des im medizinischen Sinn gleichzeitigen Todes hinaus auch andere im Hinblick auf den Sinn dieser Regelung praktisch gleichgelagerte Fälle gemeint sein könnten, nicht aber "etwas ganz anderes", nämlich dass die Beschwerdeführer in jedem Fall nach dem Tod des überlebenden Ehegatten dessen Erben werden sollten.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Die Rechtsprechung ging früher davon aus, dass die Auslegung eines Testaments niemals in Widerspruch zu dessen klarem und eindeutigem Wortlaut geraten dürfe; dieser setze der Auslegung eine nicht zu überschreitende Grenze; eine eindeutige testamentarische Verfügung sei weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig (vgl. BGHZ 80, 246/248). Den Begriff des "gleichzeitigen Versterbens" hat diese Rechtsprechung als eindeutig und deswegen nicht auslegungsfähig beurteilt (vgl. KG FamRZ 1968, 217). Eine für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene letztwillige Verfügung konnte nach dieser Rechtsprechung insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auch gelten solle, wenn die Eheleute nacheinander versterben (BayObLGZ 1979, 427/431 f.; KG FamRZ 1970, 148).

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der auch der Senat beigetreten ist, kann jedoch der Auslegung durch den Wortlaut keine Grenze gesetzt sein, weil es stets um die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers geht und weil dieser auch in den seltenen Fällen "klaren und eindeutigen" Wortlauts den Vorrang vor eben diesem Wortlaut hat (BGHZ 80, 246/249; 86, 41/45 f.). Der Richter ist daher auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 80, 246/249 f.; 86, 41/46).

Damit ist aber nicht gesagt, einer Willenserklärung dürfe auch ein solcher Sinn beigelegt werden, der in ihr überhaupt nicht zum Ausdruck kommt (BGH FamRZ 1987, 475/476). Der wirkliche Wille des Erblassers kann nur Berücksichtigung finden, wenn er in der Verfügung von Todes wegen irgendwie - wenn auch nur versteckt oder andeutungsweise - Ausdruck gefunden hat (sogenannte Andeutungstheorie; BGHZ 80, 242/244; 86, 41/47; BayObLG FamRZ 1994, 853/854; MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. Rn. 8 bis 10; Soergel/Loritz BGB 13. Aufl. Rn. 8 und 9 jeweils zu §§ 2084; Staudinger/Otte BGB Bearb. 2003 Vorbem. zu §§ 2064 ff. Rn. 28 ff.). Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Formvorschriften für das Testament. Der Erblasserwille ist formgültig im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB nur erklärt, wenn er - sei es auch nur unvollkommen - Ausdruck im Testament selbst gefunden hat (vgl. BGH, BayObLG aaO; MünchKomm/Leipold aaO Rn. 12; Soergel/Loritz aaO Rn. 9; Staudinger/Otte aaO Rn. 38). Kann aber eine (form-)wirksame testamentarische Verfügung nur dann angenommen werden, wenn sie im Testament wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist, behält der Wortlaut des Testaments die Funktion, der Berücksichtigung des Erblasserwillens Grenzen zu ziehen (Leipold JZ 1983, 711), auch wenn die Grenzen nach der Andeutungstheorie weiter gezogen sind als durch die frühere Rechtsprechung, wonach ein klarer und eindeutiger Wortlaut jede Auslegung ausschloss.

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner grundsätzlichen Entscheidung (BGHZ 86, 41) angenommen hat, die Formfrage stelle sich erst dann, wenn der Inhalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt sei; erst dann könne entschieden werden, ob der so ermittelte Erblasserwille eine hinreichende Stütze im Testament selbst finde (aaO S. 47), ist dies nur im Sinne einer regelmäßigen, nicht aber in jedem Falle zwingenden Prüfungsreihenfolge zu verstehen (vgl. BGH FamRZ 1987, 475/476 f.; Soergel/Loritz aaO Rn. 15). Das Gericht kann daher bei einem angeblichen wirklichen Willen des Erblassers zunächst prüfen, ob dieser - unterstellte - Wille im Testament wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt und, falls dies zu verneinen ist, auf eine Ermittlung des (angeblichen) wirklichen Willens verzichten, da er mangels formgültiger Erklärung nicht zur Geltung kommen könnte (Soergel/Loritz aaO; Leipold JZ 1983, 711/713; Kuchinke JZ 1985, 748/749 f.).

b) In der Rechtsprechung - auch des Senats - wurden letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament neben der gegenseitigen Erbeinsetzung für den Fall des "gleichzeitigen Versterbens" getroffen hatten, unter Beachtung des Sinnes einer derartigen Regelung auch über den strengen Wortsinn hinaus - nach dem nur der Fall geregelt wäre, in dem die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde den Tod finden (vgl. BayObLGZ 1996, 243/247) - so ausgelegt, dass sie auch noch Fallgestaltungen betrafen, in denen von einem "gleichzeitigen Tod" nur in einem weiteren Sinne die Rede sein konnte, in denen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zum gleichzeitigen Tod beider Ehegatten im engeren Sinn bestand (vgl. BayObLG aaO S. 248 f.; OLG Stuttgart OLGZ 1994, 330/333). Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeinsetzung) zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen - auch von Todes wegen - frei verfügen kann. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht dann für den Fall des "gleichzeitigen Todes", in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen - und zu einer weiteren Verfügung von Todes wegen des überlebenden Ehegatten - kommt. Dieser Regelungsbedarf besteht nicht nur für den Fall des in engerem Sinn gleichzeitigen Todes, sondern auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es auf Grund ein und derselben Ursache, z.B. eines Unfalls, sei es auf Grund verschiedener Ursachen (vgl. BayObLG aaO; OLG Stuttgart aaO S. 332), wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten (BayObLG FamRZ 2001, 1563/1564).

In einem durch besondere Umstände gekennzeichneten Ausnahmefall hat der Senat angenommen, dass eine Erbeinsetzung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens auch den Fall umfasst, dass die Eheleute nacheinander - in erheblichem zeitlichen Abstand - versterben (BayObLGZ 1979, 427). Die Besonderheit jenes Falles bestand darin, dass das Testament dem für den Fall des gleichzeitigen Todes eingesetzten Erben mit einem (handschriftlichen) Begleitschreiben des Erblassers übersandt wurde, in dem gleichbedeutend eine wesentlich weitere Formulierung gebraucht wurde ("wenn mir oder uns etwas zustoßen sollte"). Der Senat ist auch in jenem Falle davon ausgegangen, dass eine Auslegung gegen einen eindeutigen Testamentswortlauts grundsätzlich nur möglich ist, wenn sie eine wenn auch noch so geringe Grundlage in der vorliegenden Erklärung hat (aaO S. 432). Dies konnte nur angenommen werden, weil das Begleitschreiben als ein nicht außerhalb des Testaments liegender Umstand, sondern "als ein zur Gesamterklärung gehöriger, noch vom Testierwillen beherrschter Akt der Testamentserrichtung selbst angesehen" wurde (aaO). Auch das Oberlandesgericht Frankfurt ist in einem vergleichbaren Fall (FamRZ 1998, 1393) davon ausgegangen, dass eine letztwillige Verfügung von Ehegatten für den Fall, dass sie "zugleich versterben", nur dann als Schlusserbenbestimmung für den Todesfall des Längerlebenden ausgelegt werden kann, "wenn sich für einen dahingehenden Willen der Testierenden eine hinreichende Stütze in dem Testament selbst findet", und hat diese Stütze nicht in dieser Ausdrucksweise ("sollten wir zugleich versterben ...") gefunden, sondern in anderen in jenem Testament enthaltenen Wendungen.

c) Hier gibt es dagegen keinerlei Anhaltspunkte in dem Testamentswortlaut selbst für eine Auslegung der für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffenen letztwilligen Verfügung als Schlusserbeinsetzung für den Todesfall der - auch nicht im weiteren Sinne gleichzeitig, sondern mehr als 4 Jahre nach ihrem Ehemann verstorbenen - Erblasserin. Die Worte: "Sollten wir beide gleichzeitig sterben ..." selbst bieten - wie auch der Senat und das Oberlandesgericht Frankfurt in den oben zitierten Ausnahmefällen angenommen haben - keinen Anhaltspunkt für eine solche Auslegung. Diese Worte bezeichnen vielmehr einen Gegensatz zu dem Begriff eines - ohne engeren zeitlichen Zusammenhang - Nacheinanderversterbens der Eheleute; sie enthalten diesen Begriff nicht, sondern grenzen ihn aus. Hätten die Eheleute auch den Fall des Nacheinanderversterbens mit diesen Worten regeln wollen, wie die Beteiligten zu 3 und 4 meinen, so wäre ihr Wille jedenfalls nicht formwirksam erklärt.

5. Dass die Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen haben, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung (§ 2 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1); insoweit bedarf es keiner Entscheidung.

Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG war anzuordnen, dass die Beteiligten zu 3 und 4 die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten haben.

6. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde entspricht dem Wert des Reinnachlasses (vgl. § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 107 Abs. 2 KostO). Dieser beträgt gemäß dem "Nachlassverzeichnis" der Beteiligten zu 1 vom 12.12.2001 rund 78.000 EUR. Entsprechend war die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens zu ändern (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).



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