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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 133/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2079
Ficht der überlebende wiederverheiratete Ehegatten das gemeinschaftliche Testaments selbst an, genügt zur Begründung des Anfechtungsausschlusses gemäß § 2079 Satz 2 BGB nicht die Heranziehung der Motive, die den anfechtenden Ehegatten zu der getroffenen Verfügung veranlasst haben.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Rojahn und Kenklies

am 20. Dezember 2000

in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts München II vom 31. August 2000 und des Amtsgerichts Starnberg - Nachlaßgericht - vom 14. Juni 1999 aufgehoben.

II. Die Sache wird an das Amtsgericht Starnberg - Nachlaßgericht - zu neuer Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die 1984 im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Ihr erster Ehemann fiel 1944 im Krieg. Aus der Ehe sind die 1938 geborene Beteiligte zu 2 und der 1940 geborene Beteiligte zu 3 hervorgegangen. Am 7.12.1946 heiratete die Erblasserin den 1911 geborenen Beteiligten zu 1, der die Kinder der Erblasserin in den gemeinsamen Haushalt aufnahm. Diese wuchsen bis zum 20. bzw. 19. Lebensjahr bei ihnen auf. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand und erwarben 1967 ein Haus, dessen Eigentum ihnen je zur Hälfte zustand.

Am 6.12.1982 errichteten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 ein gemeinschaftliches Testament, das der Beteiligte zu 1, ein Jurist, handschriftlich verfaßte und das beide Eheleute unterschrieben. Es hat u.a. folgenden Inhalt:

Gemeinschaftliches Testament nach § 2269 BGB

1. Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll unser beiderseitiger Nachlass den beiden Kindern der Ehefrau (den Stiefkindern des Ehemanns) zu gleichen Teilen zufallen.

Diese sollen aber schon beim Tod des ersten von uns folgendes erben:

Stirbt der Ehemann zuerst, dann aus seinem Wertpapiervermögen Stücke im Gesamtwert von 60000 DM (sechzigtausend),

stirbt die Ehefrau zuerst, dann ihr Barvermögen, dazu aus ihrem Wertpapiervermögen so viele Stücke, dass sich zusammen mit dem Barvermögen ebenfalls 60000 DM (sechzigtausend) ergeben.

2. Beim Tod des Ehemanns erhalten als Vermächtnis ...

3. Die Einsetzung der beiden Kinder der Ehefrau als Erben des Überlebenden (s.o. Zf 1) schließt nicht aus, dass dieser verwitwet ein Vermächtnis oder eine sonstige Zuwendung in angemessener Höhe für diejenige Person vorsieht, die ihn als Alleingebliebenen versorgt hat.

Nach dem Tod der Erblasserin erteilte das Nachlaßgericht dem Beteiligten zu 1 am 24.12.1984 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Im Jahr 1998 heiratete der Beteiligte zu 1 wieder. Im Hinblick auf die neue Ehe erklärte er am 2.11.1998 zu notarieller Urkunde die Anfechtung seiner in dem gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 getroffenen Verfügungen; die Erklärung ging beim Nachlaßgericht am 10.11.1998 ein. Ebenfalls am 2.11.1998 errichtete der Beteiligte zu 1 ein notarielles Testament, in welchem er seine jetzige Ehefrau zur Alleinerbin einsetzte.

Das Nachlaßgericht überprüfte, ob der Erbschein vom 24.12.1984 im Hinblick auf die Anfechtung unrichtig geworden ist. Nach Anhörung der Beteiligten lehnte das Nachlaßgericht mit Beschluss vom 14.6.1999 die Einziehung des Erbscheins vom 24.12.1984 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 16.11.1999 zurück.

Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 17.5.2000 aufgehoben und die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat mit Beschluß vom 31.8.2000 erneut die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Nachlaßgerichts vom 14.6.1999 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlaßgericht, das über die Einziehung des Erbscheins vom 24.12.1984 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu befinden hat.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen die Tatsachen und Umstände herangezogen, die schon zu dem Beschluss des Landgerichts vom 16.11.1999 geführt haben. Diesen hatte der Senat vor allem deswegen aufgehoben, weil das Landgericht die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten als ausgeschlossen angesehen hat, obwohl es entgegen § 2079 Satz 2 BGB zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage nicht dieselbe Verfügung, nämlich die alleinige Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3, getroffen hätte, sondern neben ihnen auch die spätere Ehefrau als Miterbin bestimmt hätte.

Das Landgericht hat nunmehr nach erneuter Anhörung der Beteiligten angenommen, die Anfechtung sei im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage an der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 festgehalten und die spätere Ehefrau nicht berücksichtigt hätte. Dies folge aus der Tatsache, dass der Beteiligte zu 1 mit der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahre 1982 bereits 36 Jahre in einer intakten Lebensgemeinschaft verheiratet gewesen sei. Zum anderen habe er seine Stiefkinder, die Beteiligten zu 2 und 3, wie eigene Kinder großgezogen und die Vaterstelle an ihnen vertreten; zu ihnen habe ein gutes familiäres Verhältnis bestanden. Er habe sie im gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 zu Schlußerben auch hinsichtlich seines Nachlasses eingesetzt und damit zum Ausdruck gebracht, sie gegenüber den gesetzlichen Erben zu bevorzugen. Aus Ziff. 3 des Testaments sei zu ersehen, dass der Nachlass des Beteiligten zu 1 und der Erblasserin nur den Beteiligten zu 2 und 3 zufallen sollte, weil dem überlebenden Ehegatten als alleingebliebener(m) Witwe(r) nur das Recht vorbehalten gewesen sei, zugunsten von Pflegepersonen, zu denen auch die spätere Ehefrau gehören könnte, Vermächtnisse oder sonstige Zuwendungen, nicht aber eine Erbeinsetzung vorzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände nimmt das Landgericht an, der Beteiligte zu 1 hätte nicht anders testiert, wenn er vorausgesehen hätte, es werde noch eine weitere Ehefrau als Pflichtteilsberechtigte eintreten. Der Beteiligte zu 1 hätte sich auch über den Willen seiner ersten Ehefrau, wonach deren Kinder den Letztversterbenden beerben sollten, nicht hinweggesetzt. Da es sich bei dem Testament vom 6.12.1982 um ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen handle und hier nicht allein der hypothetische Wille des Beteiligten zu 1 zum Tragen komme, müsse auch das Interesse der vorverstorbenen Ehefrau berücksichtigt werden.

Nach der übereinstimmenden Bekundung der Beteiligten hätten der Beteiligte zu 1 und die Erblasserin bei Abfassung des gemeinschaftlichen Testaments vom 6.12.1982 nicht an eine Wiederverheiratung des Überlebenden gedacht und Ziff. 3 des Testaments nicht dahin verstanden, dass auf eine Testamentsanfechtung im Falle der Wiederverheiratung des Überlebenden verzichtet werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Bereits im Beschluss vom 17.5.2000 hat der Senat festgestellt, dass der Anfechtungstatbestand des § 2079 Satz 1 BGB erfüllt ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Anfechtung nicht gemäß § 2079 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

a) Das Landgericht hat sich im Beschluss vom 31.8.2000 der Frage zugewendet, ob Ziff. 3 des gemeinschaftlichen Testaments vom 6.5.1982 einen Verzicht auf das Anfechtungsrecht des überlebenden Ehegatten dahin enthält, dass die Anfechtung bei Wiederverheiratung des Überlebenden ausgeschlossen sein soll. Diese Frage hat es rechtsfehlerfrei verneint.

b) Das Landgericht hat jedoch den Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 2079 Satz 2 BGB und deren rechtliche Tragweite verkannt.

aa) Gemäß § 2079 Satz 1 BGB berechtigt die bloße Unkenntnis von der Existenz eines Pflichtteilsberechtigten zur Anfechtung des Testaments, ohne dass es auf die Kausalität des Irrtums ankommt (vgl. Staudinger/Otte BGB 13. Bearb. 1996 § 2079 Rn. 1). Danach wird im Gegensatz zur Testamentsanfechtung wegen Irrtums gemäß § 2078 BGB von Gesetzes wegen als Regelfall vermutet, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage den Pflichtteilsberechtigten nicht übergangen hätte (Palandt/ Edenhofer BGB 59. Aufl. § 2079 Rn. 5). Die unter den Voraussetzungen des § 2079 Satz 1 BGB form- und fristgerechte Anfechtungserklärung führt zur Nichtigkeit der vom Beteiligten zu 1 vorgenommenen Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 und der hierzu wechselbezüglichen Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 durch die Erblasserin im gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 (Senatsbeschluß vom 17.5.2000 11 2 b aa). Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin die Einsetzung des Beteiligten zu 1 zum Alleinerben unter Übergehung ihrer eigenen Kinder, der Beteiligten zu 2 und 3, auch dann vorgenommen hätte, wenn dieser die nunmehr von ihm angefochtene Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 nicht getroffen hätte (vgl. OLG Hamm NJW 1972, 1088/1089), bestehen nicht.

Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 durch die Erblasserin fiele nur dann nicht weg, wenn die Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB unwirksam wäre, weil sie nach § 2079 Satz 2 ausgeschlossen wäre. Das wäre der Fall, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen haben würde. Dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen § 2079 Satz 1 BGB und § 2079 Satz 2 BGB entspricht es, dass der durch den Wegfall der letztwilligen Verfügung Betroffene, - bei nach ausreichenden Ermittlungen (§ 12 FGG) noch verbleibenden Zweifeln - die Feststellungslast dafür trägt, dass der Erblasser genauso testiert hätte, wenn er vorausgesehen hätte, es werde noch ein Pflichtteilsberechtigter eintreten (BGH LM § 2079 BGB Nr. 1; BayObLGZ 1989, 116/120; Palandt/ Edenhofer aaO Rn. 8 m. w. N). Fehlen hierzu hinreichende Anhaltspunkte, bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 2079 Satz 1 BGB. Das Landgericht hat in Verkehrung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses genügen lassen, dass für den Ausnahmetatbestand keine ausreichenden Anhaltspunkte vorlägen.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 2079 Satz 2 BGB vorliegen, kommt es auf den zu ermittelnden hypothetischen Willen des Testierenden im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an. Die Prüfung ist darauf zu richten, wie er zur Zeit der Testamentserrichtung verfügt haben würde, wenn er zwar hinsichtlich der Person des Pflichtteilsberechtigten die später eingetretene Sachlage richtig überblickt hätte, im übrigen aber diejenigen Umstände auf sich hätte wirken lass en, die ihn zur Zeit der Errichtung des Testaments zu diesem bestimmt haben (BGH NJW 1981, 1735/1736; BayObLGZ 1980, 42/50). Die Prüfung darf sich nicht allein auf die Umstände beschränken, die den Erblasser zu der getroffenen Verfügung bestimmt haben. Vielmehr ist zu untersuchen, ob der Erblasser auch in Kenntnis der späteren Wiederverheiratung unter Ausschluß seiner neuen Ehefrau von der Erbfolge an der getroffenen Verfügung festgehalten hätte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts genügt es nicht, dass die Beweggründe für die getroffene letztwillige Verfügung nachvollziehbar sind, es müssen vielmehr die vor, bei und nach der Testamentserrichtung erkennbaren Umstände (RGZ 89, 60/63) die Folgerung zulassen, dass der Testierende die spätere Ehefrau in jedem Fall enterbt hätte.

bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

(1) Der Umstand, dass der Beteiligte zu 1 mit der Erblasserin 36 Jahre lang harmonisch verheiratet war, läßt auf das Motiv des Beteiligten zu 1 schließen, die Erblasserin als seine Alleinerbin und deren Kinder als seine Schlußerben einzusetzen. Dies besagt aber nichts darüber, wie der Beteiligte zu 1 verfügt hätte, wenn er gewußt hätte, dass er nach Vorversterben seiner Ehefrau noch mal heiraten würde.

(2) Das gute familiäre Verhältnis des Beteiligten zu 1 zu seinen Stiefkindern, den Beteiligten zu 2 und 3, beantwortet nicht die Frage, wie sich der Erblasser entschieden hätte, wenn er die spätere Verheiratung bedacht hätte. Es bestehen keine objektiven Anhaltspunkte, dass das familiäre Verhältnis so geartet war, dass der Beteiligte zu 1 die spätere Ehefrau von der Erbfolge ausgeschlossen und sie nicht wenigstens zum Teil berücksichtigt hätte, wie es das Landgericht in seinem Beschluß vom 16.11.1999 noch angenommen hatte. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Beteiligte zu 1 im gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 durch die Einsetzung der nicht mit ihm verwandten Beteiligten zu 2 und 3 bewußt pflichtteilsberechtigte gesetzliche Erben ausgeschlossen hätte (vgl. Staudinger/Otte aaO Rn. 11). Das ist aber gerade nicht der Fall. Der Beteiligte zu 1 hat keine eigenen Kinder; seine Eltern waren vorverstorben (§ 2303 BGB). Als gesetzliche Erben des Beteiligten zu 1 kommen demnach nur seine nicht pflichtteilsberechtigten Geschwister bzw. deren Abkömmlinge in Betracht (§ 1925 Abs. 1 BGB). Bei der Erbeinsetzung seiner Stiefkinder, bei denen er die Vaterstelle vertreten hat, ist der Beteiligte zu 1 - selbst kinderlos - nicht in einer Weise von der Regelung der gesetzlichen Erbfolge abgewichen, dass angenommen werden könnte, er hätte auch seine später hinzutretende Ehefrau als gesetzliche Erbin ausschließen wollen (vgl. Lindacher FamRZ 1974, 345/349).

(3) Der Änderungsvorbehalt zugunsten des überlebenden Ehegatten in Ziff. 3 des gemeinschaftlichen Testaments vom 6.12.1982 besagt, dass Pflegepersonen des Überlebenden mit Vermächtnissen und sonstigen Zuwendungen bedacht werden durften. Die Eheleute sind dabei davon ausgegangen, dass der Überlebende dieses Recht als "Witwer" und "Alleingebliebener" in Anspruch nehmen kann. Das Landgericht leitet daraus ab, dass der Beteiligte die spätere Ehefrau auch enterbt hätte. Dem kann der Senat nicht folgen. wenn die Eheleute dem Überlebenden schon die Möglichkeit gaben, von der Bindung des gemeinschaftlichen Testaments zugunsten eines außenstehenden Dritten abzuweichen, so kann hieraus keinesfalls angenommen werden, dass ein später hinzutretender Ehegatte von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollte.

(4) Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch insoweit als rechtsfehlerhaft, als es bei der Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 6.12.1982 nicht nur auf den hypothetischen willen des Beteiligten zu 1 sondern auch auf den der Erblasserin abgestellt hat. Im Gegensatz zu § 2079 Satz 1 BGB kommt es für die Anwendung des § 2079 Satz 2 BGB darauf an, ob der Testierende seine Verfügung ohne den Irrtum so nicht getroffen hätte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sein mutmaßlich abweichendes Testierverhalten dem Interesse oder dem hypothetischen Willen des Erstverstorbenen entsprochen hätte. Abzustellen ist auf die mutmaßliche subjektive Denk- und Anschauungsweise des letztwillig Verfügenden. Dies entspricht der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (BGHZ 4, 91/95; BGH NJW 1952, 419/420; BayObLGZ 1971, 147/149 f.; KG FamRZ 1977, 271/273; Staudinger/Otte BGB 13. Bearb. § 2079 Rn. 10, § 2078 Rn. 31; MünchKomm/Leipold 3. Aufl. § 2079 Rn. 16; Dittmann/Reimann/Bengel Testament und Erbvertrag 3. Aufl. § 2271 Rn. 83 a.E.). Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des OLG Hamm (NJW 1972, 1088/1089; vgl. auch Palandt/Edenhofer § 2271 Rn. 27) steht dem nicht entgegen. Sie betrifft die Frage, ob die Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments ausnahmsweise in ihren Wirkungen beschränkt sein kann, wenn anzunehmen ist, dass der Erstverstorbene seine mit der angefochtenen Verfügung in Wechselbeziehung stehende Verfügung in gleicher Weise getroffen hätte, wenn die angefochtene Verfügung des anderen Ehegatten nur den Inhalt gehabt hätte, den sie nach der Anfechtung haben würde.

Nur in diesem Zusammenhang kann es auf den mutmaßlichen Willen des vorverstorbenen Ehegatten ankommen. Bei der Frage, ob der Ausnahmetatbestand des § 2079 Satz 2 BGB überhaupt eingreift, kommt es allein auf die persönliche Willensmeinung des Testierenden - so auch OLG Hamm aaO S. 1089 - an (vgl. auch Palandt/Edenhofer § 2271 Rn. 34).

c) Die Entscheidung des Landgerichte und die ihr vorausgehende des Nachlaßgerichtes beruhen auf diesen Rechtsfehlern und können keinen Bestand haben. Die gesetzliche Vermutung des § 2079 Satz 1 BGB, nach der die bloße Unkenntnis von der Existenz eines Pflichtteilsberechtigten zur Anfechtung des Testaments berechtigt, ohne dass es auf die Kausalität des Irrtums ankommt, ist nicht widerlegt; ein nach § 2079 Satz 2 BGB durchgreifender Ausnahmegrund liegt nicht vor. Dennoch sieht sich der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Zwar gibt der aus den Akten ersichtliche Inhalt der notariellen Erklärungen des Beteiligten zu 1 vom 2.11.1998 keinen Anlaß, an dessen Geschäftsfähigkeit zu zweifeln. Aus den Akten ergibt sich jedoch auch, dass der damals 87 Jahre alte Beteiligte zu 1 seit 1997 mehrere Schlaganfälle erlitten haben soll. Es ist daher angezeigt zu klären, ob insoweit im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 12 FGG Ermittlungen zur Frage der Wirksamkeit der Erklärungen vom 2.11.1998 notwendig sind. Dies haben die Vorinstanzen bisher unterlassen. Bereits durch die persönliche richterliche Anhörung des Beteiligten zu 1 könnte gegebenenfalls die erforderliche Klarheit gewonnen werden. Da der Senat dies nicht selbst durchführen kann, wird die Sache an das Nachlaßgericht zur weiteren Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten fallen im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht an (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird das Nachlaßgericht gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu befinden haben (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 37).

Ende der Entscheidung

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