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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 138/00
Rechtsgebiete: BGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1618
PStG § 21 Abs. 1 Nr. 4
PStG § 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
PStG § 45 Abs. 1
§ 1618 Satz 1 BGB ist berichtigend dahingehend auszulegen, daß die Einbenennung eines Kindes durch einen leiblichen Elternteil und einen Stiefelternteil durch die gemeinsamer Sorge der leiblichen Eltern nicht ausgeschlossen wird.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Rojahn und Kenklies

am 30. Januar 2001

in der Personenstandssache

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Oktober 2000 aufgehoben.

Gründe:

I.

Die 1995 geborene "A" und der 1996 geborene "B" sind die ehelichen Kinder der Beteiligten zu 1 und 2 und erhielten als Geburtsnamen den Ehenamen der Eltern "E", den diese nach dem Namen des Beteiligten zu 2 bestimmt hatten. Die Ehe der Eltern wurde 1999 geschieden; die Beteiligten zu 1 und 2 blieben für die Kinder weiterhin gemeinsam sorgeberechtigt. Am 30.4.1999 heiratete die Beteiligte zu 1 den Beteiligten zu 3, dessen Geburtsname "F" zum Ehenamen bestimmt wurde. Aus der Ehe der Beteiligten zu 1 mit dem Beteiligten zu 3 ging im Juni 1999 ein Kind hervor, das kraft Gesetzes den Geburtsnamen "F" erhielt.

Die Beteiligte zu 1 beantragte beim Standesamt, im Geburtenbuch ihren nunmehrigen Ehenamen "F" als Geburtsnamen der Kinder "A" und "B" einzutragen und legte hierzu eine privatschriftliche Einverständniserklärung des Beteiligten zu 2 vor. Der Beteiligte zu 3 hat keine Erklärung abgegeben. Mit Bescheid vom 8.5.2000 lehnte das Standesamt die beantragte Eintragung mit der Begründung ab, die gewünschte Einbenennung könne nur durch einen allein sorgeberechtigten Elternteil, nicht aber bei gemeinsamer Sorge vorgenommen werden. Die Beteiligte zu 1 beantragte beim Amtsgericht, den Standesbeamten anzuhalten, die Namenserteilung gemäß § 1618 BGB entgegenzunehmen. Mit Beschluss vom 24.7.2000 wies das Amtsgericht das Standesamt an, die Namenserteilung gemäß § 1618 BGB entgegenzunehmen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4 hob das Landgericht mit Beschluss vom 9.10.2000 die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies den Standesbeamten an, die Erteilung des Familiennamens "F" nicht entgegenzunehmen. Gegen diesen am 16.10.2000 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 1 mit am 21.10.2000 eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten sofortige weitere Beschwerde ein.

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde zulässig; es ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 49 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 2, § 29 Abs. 4, § 21, § 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Möglichkeit zur Einbenennung habe nach dem Wortlaut und der Zwecksetzung der Vorschrift des § 1618 BGB nur ein allein sorgeberechtigter Elternteil, nicht aber ein solcher, der das Sorgerecht für ein Kind gemeinsam mit dem anderen Elternteil ausübe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 550 ZPO), weil die Beteiligte zu 1 ihren Kindern "A" und "B" den Familiennamen aus der zweiten Ehe mit dem Beteiligten zu 3 erteilen kann, ohne dass dem die für diese nach Scheidung fortbestehende gemeinsame Sorgeberechtigung der Beteiligten zu 1 und 2 entgegensteht.

a) Gegenstand des nach § 45 Abs. 1 PStG zulässigen Antragsverfahrens ist nur die Frage, ob der Standesbeamte die Erklärung der Beteiligten zu 1 über die Erteilung ihres Ehenamens aus zweiter Ehe als Familiennamen ihrer Kinder gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 30 Abs. 1 Satz 1, § 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PStG entgegenzunehmen, d.h. nicht von vorneherein abzulehnen hat. Ob die weiteren Voraussetzungen für die Einbenennung gemäß § 1618 BGB vorliegen, hat der Standesbeamte noch zu prüfen.

b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeführerin ist dem Landgericht kein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es von einer Anhörung nach § 52 FGG abgesehen hat. § 52 FGG findet im vorliegenden Verfahren keine Anwendung, weil in diesem eine Rechtsfrage zu klären ist und insoweit der Verfahrensgegenstand nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt (vgl. Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 52 Rn. 3).

c) Das Landgericht hat entsprechend dem Wortlaut des § 1618 BGB die Erklärung der Beteiligten zu 1 über die Änderung des Geburtsnamens ihrer aus erster Ehe mit dem Beteiligten zu 2 stammenden Kinder für nicht vollziehbar angesehen. Der Senat hält jedoch in Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluß vom 31.8.2000, StAZ 2000, 373/374) eine berichtigende Auslegung der Vorschrift für angezeigt.

aa) Gemäß Art. 224 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB behält ein vor dem Inkrafttreten des KindRG am 1.7.1998 geborenes Kind seinen Geburtsnamen, wie es ihn zu diesem Zeitpunkt geführt hat. Gemäß Art. 224 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGBGB kann jedoch eine nachträgliche Namensänderung im Rahmen der §§ 1617a Abs. 2, 1617b, 1617c und 1618 BGB erfolgen. § 1618 BGB eröffnet die Möglichkeit, auch eheliche Kinder durch Einbenennung namensmäßig in die Familie einzubeziehen, die ein Elternteil nach Scheidung mit einem Dritten gebildet hat (vgl. Palandt/Diederi.chsen BGB 60. Aufl. § 1618 Rn. 2). Allerdings weist diese durch das KindRG 1998 neu gefaßte Vorschrift ihrem Wortlaut nach das Recht zur Einbenennung nur dem Elternteil zu, dem die elterliche Sorge für sein Kind allein zusteht und berücksichtigt nicht den Fall, dass - wie hier - der neu verheiratete Elternteil die elterliche Sorge gemeinsam mit dem anderen Elternteil ausübt.

bb) § 1618 BGB enthält keine Gesetzeslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte (Staudinger/Coester BGB [2000] § 1618 Rn. 7; a.A. Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht [März 2000] § 1618 Rn. 15). Eine vom Wortlaut abweichende Anwendung der Vorschrift durch den Richter kommt nicht schon deswegen in Betracht, weil er die Einschränkung der Einbenennungsmöglichkeit auf den allein sorgeberechtigten Elternteil für unzweckmäßig hält.

Wie das OLG Hamm (aaO) anhand der Gesetzgebungsgeschichte dargelegt hat, beruht die Beschränkung der Einbenennungsmöglichkeit in § 1618 BGB durch das KindRG 1998 auf den Fall der Alleinsorge auf einem Versehen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat versehentlich unterlassen, zwei mit dem KindRG 1998 verwirklichte Gesetzesvorhaben gesetzestechnisch aufeinander abzustimmen. Bei der Neufassung des § 1618 BGB, mit dem die Integration sowohl nichtehelicher als auch ehelicher Kinder in die Stieffamilie gefördert werden soll, hat der Gesetzgeber nicht beachtet, dass er mit der Neufassung der §§ 1626, 1671 f. BGB bei der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht mehr an eine bestehende Ehe anknüpft, sondern diese unabhängig von der Ehe und damit auch nach Scheidung der Ehe der Eltern zugelassen hat. Entgegen dem Wortlaut des § 1618 BGB ist nach den Gesetzesmotiven kein Anhaltspunkt erkennbar, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Einbenennung deshalb ausschließen wollte, weil die Eltern das Sorgerecht für das Kind gemeinsam ausüben. Der Senat hält daher im Ergebnis wie das OLG Hamm eine berichtigende Auslegung des § 1618 BGB angezeigt. Die Vorschrift kann demnach auch in den Fällen eines gemeinsamen Sorgerechts angewendet werden.

Die Namenserteilung durch die Beteiligte zu 1 wird hier daher wirksam, wenn auch der Stiefelternteil eine entsprechende Erklärung abgibt (§ 1618 Satz 1 BGB) und der (gemeinsam sorgeberechtigte) Beteiligte zu 2 sowie das inzwischen sechsjährige Kind Lena, gesetzlich vertreten durch die Beteiligten zu 1 und 2 (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB), ihre Einwilligung in die Namenserteilung (§ 1618 Satz 3 BGB) in der vorgeschriebenen Form (§ 1618 Satz 5 und 6 BGB) geben.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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