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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.05.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 23/04
Rechtsgebiete: BNotO, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 15
ZPO § 767
ZPO § 797
Bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen darf der Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Grundstückskaufvertrags mit Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel nur verweigern, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der titulierte Anspruch nicht besteht.
Gründe:

I.

Mit notarieller Urkunde vom 7.1.2003 verkauften die Beteiligten zu 1 und 2 an den Beteiligten zu 3 mehrere Tiefgaragenstellplätze zu einem Gesamtkaufpreis von 69.600 EUR. In einem notariellen Nachtrag vom 25.2.2003 zur Urkunde vom 7.1.2003 vereinbarten die Beteiligten unter Verringerung der Anzahl der verkauften Tiefgaragenstellplätze einen Gesamtkaufpreis von 47.200 EUR. Der Beteiligte zu 3 unterwarf sich wegen des Kaufpreisanspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung. Die Kaufvertragsurkunde enthält die Bestimmung, dass dem Verkäufer nach Absendung der Fälligkeitsmitteilung des Notars ohne Nachweis der übrigen Fälligkeitsvoraussetzungen jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann.

Mit Schreiben vom 29.8.2003 bestätigte die Urkundsnotarin das Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen.

Der Beteiligte zu 3 trat mit Schreiben vom 1.9.2003 von dem Kaufvertrag zurück. Er verwies darauf, dass der Kaufvertrag folgende Klausel enthalte:

"Der Käufer behält sich das Recht vor, vom schuldrechtlichen Teil des heutigen Kaufvertrages zurückzutreten, wenn die Kaufpreisfälligkeit nach der heutigen Urkunde nicht bis zum 31.8.2003 eingetreten ist."

Der Beteiligte zu 3 ist der Auffassung, die zwischen den Parteien in dem Kaufvertrag getroffene Vereinbarung, dass der Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen nach Abgang der Fälligkeitsmitteilung des beurkundenden Notars an den Käufer fällig werde, führe dazu, dass angesichts der am 29.8.2003 erfolgten Fälligkeitsmitteilung der Urkundsnotarin die Fälligkeit des Kaufpreises erst am 12.9.2003 eingetreten und er daher zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sei.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind der Rücktrittserklärung entgegengetreten und haben vorgetragen, durch die vertragliche Festlegung einer Zahlungsverpflichtung innerhalb von 14 Tagen sei nicht eine Fälligkeit des Kaufpreises erst zwei Wochen nach Absendung der Fälligkeitsmitteilung der Notarin vereinbart, sondern nach Art eines Zahlungsziels ein angemessener Zeitraum für die Zahlung festgelegt worden, vor dessen Ablauf der Eintritt eines Verzuges des Zahlungsschuldners habe ausgeschlossen werden sollen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten mit Schreiben vom 11.12.2003 die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des notariellen Kaufvertrags. Mit Bescheid vom 29.12.2003 lehnte die Urkundsnotarin diesen Antrag ab. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass der Beteiligte zu 3 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt habe.

Gegen die ablehnende Entscheidung der Notarin legten die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 2.2.2004 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG) ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, grundsätzlich erstrecke sich die materielle Prüfungspflicht des Notars bei Erteilung der Vollstreckungsklausel nur auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen wie Bestehen eines wirksamen Vollstreckungstitels, Vollstreckungsreife und formelle Berechtigung des Antragstellers. Ausnahmsweise müsse der Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aber trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen dann ablehnen, wenn es offenkundig sei, dass der materielle Anspruch nicht mehr bestehe oder das Rechtsgeschäft über den vollstreckbaren Anspruch unwirksam sei. Ein derartiger Fall liege hier vor. Der Rücktritt des Beteiligten zu 3 vom Kaufvertrag sei offenkundig berechtigt gewesen, da die Fälligkeit des Kaufpreises bis zum 31.8.2003 nicht eingetreten sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis nicht stand.

a) Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob der Notar seine Urkundstätigkeit, wozu auch das anschließende Vollzugsverfahren gehört, pflichtwidrig verweigert.

b) Keinen Anlass zu Beanstandungen ergibt der Ausgangspunkt der Erwägungen des Landgerichts, dass sich die Prüfungspflicht des Notars bei der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen beschränkt. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Notars, einseitig geltend gemachte Rücktritts-, Widerrufs-, Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgründe zu prüfen. Ausnahmen von diesen Grundsätzen gelten nur dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der titulierte Anspruch nicht besteht (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 1663/1664 m.w.N.).

c) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht vor. Bei der von den Beteiligten gegensätzlich beantworteten Frage, ob der Beteiligte zu 3 nach den Vereinbarungen der Parteien und dem zeitlichen Ablauf der Angelegenheit zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war, handelt es sich um eine Rechtsfrage, über die nicht im Klauselerteilungsverfahren zu entscheiden ist (vgl. Zöller/Stöber ZPO 24. Aufl. § 797 Rn. 5 b). Die Entscheidung, ob der titulierte Anspruch noch besteht, ist ausschließlich Sache des Prozessgerichts im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO); ansonsten würde gesetzwidrig die Last zur Klage vom Schuldner (§ 767 ZPO) auf den Gläubiger (§ 731 ZPO) verlagert (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 1663/1664 m.w.N.). Insoweit steht es den Beteiligten frei, eine der Kaufvertragsurkunde entgegenstehende Rechtslage im Prozesswege vor den Gerichten der streitigen Zivilgerichtsbarkeit geltend zu machen.

Im Ergebnis ist den Beteiligten zu 1 und 2 daher eine vollstreckbare Ausfertigung des Nachtrags vom 25.2.2003 zur Kaufvertragsurkunde vom 7.1.2003 zu erteilten.

3. Der Senat hält die Anordnung einer Kostenerstattung nicht für angebracht (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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