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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 34/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2150
BGB § 2136
BGB § 2169 Abs. 1
BGB § 2363 Abs. 1
Auslegung eines Testaments im Falle der Veräußerung eines dem alleinigen Vorerben in "uneingeschränkter Freiheit" zugedachten Nachlassgegenstandes vor Eintritt des Erbfalls.
Gründe:

I.

Die im Jahre 1990 im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Der im Jahre 1939 geborene Beteiligte zu 1, das einzige Kind der Erblasserin, hat bisher keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 2 ist eine katholische Ordensgemeinschaft.

Der Nachlass der Erblasserin bestand im Wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von rund 220000 DM, einer Eigentumswohnung, einem von dem Beteiligten zu 1 bewohnten Einfamilienhaus und einem 45 %-Anteil an einem Mehrfamilienhaus. Das Mehrfamilienhaus ist nach dem Tod der Erblasserin auf Betreiben eines Miteigentümers versteigert worden. Der Wert des Gesamtnachlasses betrug im Jahre 1990 rund 2 Mio. DM.

Zum Vermögen der Erblasserin gehörte früher auch ein Anteil an einem Grundstück in A. Diesen hat die Erblasserin veräußert und von dem Verkaufserlös unter anderem im Januar 1989 die Eigentumswohnung erworben, Reparaturarbeiten an ihren anderen Immobilien durchführen lassen und den restlichen Erlös angelegt.

Am 18.4.1979 errichtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, mit dem sie ausdrücklich ihre "bisherigen Bestimmungen von Todes wegen" aufhob. In dem Testament setzte die Erblasserin ihren Sohn (den Beteiligten zu 1) zum alleinigen Erben ein und verfügte wörtlich: "Er ist Vorerbe u. zwar nicht befreiter". Als Nacherben hat die Erblasserin die "leiblichen u. ehelichen" Abkömmlinge des Beteiligten zu 1 und für den Fall, dass dieser keine Abkömmlinge hinterlassen sollte, die Beteiligte zu 2 bestimmt. Für den Fall, dass ihr Sohn ohne Abkömmlinge sterben sollte, verfügte die Erblasserin außerdem, dass die Ehefrau ihres Sohnes vermächtnisweise den Nießbrauch an dem gesamten beim Tod der Erblasserin vorhandenen Grundbesitz erhalten sollte.

In einem weiteren eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Schriftstück vom 18.9.1984 verfügte die Erblasserin unter der Überschrift "Nachtrag zu meinem Testament" Folgendes:

Was das Grundstück in A anbelangt, so hat mein Sohn ... (Beteiligter zu 1) uneingeschränkte Freiheit.

Eine von der Erblasserin am 17.5.1985 eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung zu einem Testament vom 18.4.1979 enthält unter anderem folgenden Text:

Ich möchte das Erbe dem Sohn erhalten u. daß es nach ihm weitergegeben wird an d. Orden.

Ein weiteres von der Erblasserin eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück vom 22.6.1987 trägt die Überschrift "Ergänzung zu meinem Testament vom 18. April 1979" und hat folgenden Wortlaut:

Der Nachlaß soll zum Zweck der Priesterausbildung in der Dritten Welt wie Afrika, Asien, Lateinamerika verwendet werden.

In einem weiteren eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Schriftstück vom 15.3.1989 mit der Überschrift "Als Ergänzung zum Testament" führte die Erblasserin aus, es sei ihr "tiefster Wunsch bzw. letzter Wille", dass weder ihr Sohn noch ihr Neffe das Mehrfamilienhaus nach ihrem Tod verkaufen oder gar zur Versteigerung bringen solle.

Ein weiteres den Nachlass betreffendes Schriftstück ohne Datum gliedert sich in einen maschinenschriftlichen oberen und einen handschriftlichen unteren Teil. Der maschinenschriftliche Text lautet wie folgt:

"Eigenhändig zu schreiben:

Ergänzung zu meinem Testament vom 18.4.1979:

Der Nacherbe soll die Nacherbschaft zur Priesterausbildung in der Dritten Welt verwenden.

Der Grundbesitz soll von ... (der Beteiligten zu 2) nicht verkauft werden; die Mieteinnahmen hieraus sollen für die Priesterausbildung in der Dritten Welt verwendet werden.

Nicht von der Nacherbfolge soll erfasst sein meine Eigentumswohnung. Mein Sohn soll darüber frei verfügen dürfen.

München, den

(Unterschrift)"

Das Wort "Unterschrift" ist wie der gesamte Text maschinenschriftlich verfasst; tatsächlich ist der Text nicht unterschrieben.

An den maschinenschriftlichen Text schließt sich ein handschriftlicher Text mit folgendem Wortlaut an:

"Der Nachlaß soll zum Zweck der Priesterausbildung in der 3. Welt wie Afrika, Asien, Lateinamerika verwendet werden.

Sollte mein Sohn ohne Hinterlassung von Nachkömmlingen/von Abkömmlingen versterben, nachdem er Vorerbe geworden ist, so soll seine Ehefrau vermächtnisweise den Nießbrauch an meinem gesamten bei meinem Tode vorhandenen Grundbesitz erhalten. Dieser unentgeltliche Nießbrauch soll enden mit ihrer Wiederverheiratung spätestens mit ihrem Tod."

Auch der handschriftliche Text ist nicht unterschrieben.

Am 14.1.1991 wurde dem Beteiligten zu 1 von dem Nachlassgericht antragsgemäß ein Erbschein erteilt, der ihn als Alleinerben ausweist und folgenden Nacherbenvermerk enthält:

Nacherbfolge ist angeordnet. Sie tritt beim Tod des Vorerben ein. Nacherben sind die leiblichen ehelichen Abkömmlinge des Vorerben. Ersatznacherbfolge gemäß § 2069 BGB gilt als angeordnet. Es ist weitere Ersatznacherbfolge bestimmt.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2001 beantragte der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins vom 14.1.1991 und die Erteilung eines grundsätzlich inhaltsgleichen neuen Erbscheins, der jedoch den Zusatz enthalten müsse, dass sich die Nacherbfolge nicht auf das Geldvermögen und die Eigentumswohnung erstreckt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei der Wille der Erblasserin gewesen, diese Vermögensteile von der Nacherbfolge auszunehmen und sie dem Beteiligten zu 1 zur freien Verfügung zu überlassen. Die im Jahre 1989 erworbene Eigentumswohnung sei aus dem Verkaufserlös des Anteils der Erblasserin an dem Grundstück in A bezahlt worden, für den die Erblasserin dem Beteiligten zu 1 uneingeschränkte Verfügungsbefugnis eingeräumt habe.

Das Nachlassgericht hat die Anträge vom 17.12.2001 mit Beschluss vom 10.6.2002 zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und seine Anträge vom 17.12.2001 insoweit abgeändert, als der angestrebte Zusatz in dem zu erteilenden neuen Erbschein lediglich noch dahingehend lauten solle, dass sich das Recht der Nacherben nicht auf die Eigentumswohnung erstreckt.

Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 16.2.2004 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der am 14.1.1991 erteilte Erbschein entspreche der erbrechtlichen Lage. Den letztwilligen Verfügungen der Erblasserin könne weder unmittelbar noch im Wege der Auslegung entnommen werden, dass die Erblasserin dem Beteiligten zu 1 die Eigentumswohnung ohne Beschränkung durch die Nacherbschaft habe zuwenden wollen. Soweit die mit Nachtrag vom 18.9.1984 getroffene Verfügung, hinsichtlich des Grundstücks in A habe der Beteiligte zu 1 "uneingeschränkte Freiheit", als Vorausvermächtnis dieses Grundstücks bzw. des im Eigentum der Erblasserin stehenden Bruchteils angesehen werden könne, sei dieses Vermächtnis nach § 2169 Abs. 1 BGB unwirksam, da der Grundstücksanteil zur Zeit des Erbfalls infolge Veräußerung durch die Erblasserin nicht mehr zur Erbschaft gehörte. Der Erlös aus der Veräußerung des vermachten Gegenstands trete grundsätzlich nicht an dessen Stelle.

Auch eine ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung führe nicht zu dem Ergebnis, dass der Erlös als vermacht anzusehen sei und die Eigentumswohnung nicht den Beschränkungen durch die Vor- und Nacherbfolge unterliege.

Die Erblasserin habe mit Testament vom 18.4.1979 den Beteiligten zu 1 zum alleinigen Erben, und zwar zum nicht befreiten Vorerben, eingesetzt und eingehende Bestimmungen getroffen zu Nacherben und Ersatznacherben, zur Verwendung des Nachlasses durch diese, zum Nießbrauch der überlebenden Ehefrau ihres Sohnes sowie zum Verhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 als Vorerben und der Beteiligten zu 2 als Nacherben. Dem Testament lasse sich entnehmen, dass der Erblasserin der Erhalt des Grundbesitzes ein besonderes Anliegen gewesen sei. Auch in den Testamentsnachträgen komme wiederholt der Wunsch der Erblasserin zum Ausdruck, den Grundbesitz zu erhalten und den gesamten Nachlass an die Beteiligte zu 2 zum Zwecke der Priesterausbildung weiterzugeben. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 18.4.1979 und der gesamten Nachträge lasse deshalb nicht den Schluss zu, dass es der Erblasserin bei dem Nachtrag vom 18.9.1984 nicht auf die Zuwendung des bestimmten, in der letztwilligen Verfügung genannten Grundstücks in A, sondern darauf angekommen sei, dem Beteiligten zu 1 überhaupt etwas zuzuwenden. Vielmehr sei angesichts der Bedeutung, die der Grundbesitz für die Erblasserin gehabt habe, davon auszugehen, dass ihr gerade das erwähnte Grundstück in A als Gegenstand der Zuwendung wichtig gewesen sei und sie es nicht nur als Mittel angesehen habe, dem Beteiligten zu 1 überhaupt etwas zuzuwenden, zumal sie durch Einsetzung des Beteiligten zu 1 zum alleinigen Vorerben dessen finanzielle Versorgung zu Lebzeiten sichergestellt und auch den Versorgungsinteressen von dessen Ehefrau durch die Einräumung des Nießbrauchs Rechnung getragen habe für den Fall, dass diese den Beteiligten zu 1 überlebt. Diese Auslegung werde auch dadurch gestützt, dass die Erblasserin in der letzten formgültigen Ergänzung ihres Testaments am 15.3.1989 die Eigentumswohnung nicht erwähnt habe, obwohl sie diese Eigentumswohnung bereits im Januar 1989 erworben und nach den Angaben des Beteiligten zu 1 hierfür der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks in A verwendet worden sei. Die Erblasserin habe eine Vielzahl von Nachträgen, Erklärungen und Ergänzungen zu ihrem Testament vom 18.4.1979 erstellt, in denen zum Teil Einzelheiten (z.B. Priesterausbildung in der Dritten Welt) präzise geregelt worden seien. Angesichts dieses Bestrebens, auch kleinste Unklarheiten auszuräumen und möglichst genaue Bestimmungen zur Verwendung des Nachlasses zu treffen, erscheine es ausgeschlossen, dass die Erblasserin die Erwähnung der Eigentumswohnung in den Testamentsnachträgen deshalb unterlassen habe, weil sich nach ihrer Vorstellung die das Grundstück in A betreffende Verfügung vom 18.9.1984 auf die im Januar 1989 erworbene Eigentumswohnung erstreckt habe. Schließlich sei auch das Verhalten der Erblasserin im Zusammenhang mit dem undatierten und nicht unterschriebenen Schriftstück zu berücksichtigen: Die maschinenschriftliche Vorlage habe vorgesehen, die Wohnung von der Nacherbfolge auszunehmen. Auf dieser Vorlage habe die Erblasserin handschriftlich, wenn auch ohne Datum und Unterschrift, die Anordnungen zur Zweckbestimmung (Priesterausbildung in der Dritten Welt) und zum Nießbrauch der Ehefrau des Beteiligten zu 1 wiederholt, eine formgültige Verfügung zur Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Eigentumswohnung jedoch gerade nicht getroffen. Etwaige Äußerungen der Erblasserin gegenüber Zeugen, wonach auch die Wohnung und das Geldkapital von der Vor- und Nacherbfolge ausgenommen sein sollten, seien demgegenüber nicht geeignet, einen hypothetischen Willen der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Nachtrags vom 18.9.1984 zu belegen, dass nicht nur das ausdrücklich erwähnte Grundstück in A, sondern auch ein Surrogat erfasst sein sollte. Vielmehr könnten diese Äußerungen - ebenso wie der maschinenschriftliche Entwurf - allenfalls belegen, dass die Erblasserin nach Erwerb der Eigentumswohnung erwogen habe, diese dem Beteiligten zu 1 ohne Beschränkung durch die Nacherbschaft zuzuwenden. Die Erblasserin habe diese Überlegungen jedoch nicht in einer formgültigen letztwilligen Verfügung niedergelegt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht hat das Landgericht geprüft, ob die mit Nachtrag vom 18.9.1984 getroffene Verfügung als Vorausvermächtnis des Grundstücksanteils in A angesehen werden und der Erlös aus der Veräußerung dieses Grundstücksanteils bzw. die von diesem Erlös erworbene Eigentumswohnung an die Stelle des vermachten Vermögensgegenstandes getreten sein könnte. Etwaige Rechte eines Vermächtnisnehmers werden zwar durch den Erbschein nicht berührt und sind daher grundsätzlich im Erbschein nicht anzugeben; der Erbschein bezeugt nämlich das Erbrecht, nicht auch Vermächtnisse (vgl. BayObLGZ 1998, 314/316). Besonderheiten gelten allerdings beim Erbschein für den Vorerben, da hier nach § 2363 Abs. 1 Satz 2 BGB unter anderem Befreiungen des Vorerben von Beschränkungen anzugeben sind. Ist also z.B. dem alleinigen Vorerben ein Nachlassgegenstand als unbeschränktes Vorausvermächtnis zugewendet, so ist im Erbschein anzugeben, dass sich das Recht des Nacherben auf diesen Gegenstand nicht erstreckt (vgl. BayObLGZ 1965, 457/465; Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2363 Rn. 6).

b) In Übereinstimmung mit den rechtlichen Gegebenheiten (§ 2169 Abs. 1 BGB) steht auch die Annahme des Landgerichts, dass im Falle der Veräußerung des vermachten Vermögensgegenstandes durch den Erblasser der Erlös grundsätzlich nicht an die Stelle des Vermögensgegenstandes tritt (vgl. BGHZ 31, 13/22; Palandt/Edenhofer § 2169 Rn. 8).

c) Zutreffend hat das Landgericht geprüft, ob den letztwilligen Verfügungen der Erblasserin, die dem Beteiligten zu 1 eine "uneingeschränkte Freiheit" ausdrücklich lediglich hinsichtlich des Grundstücks in A einräumen, im Wege der ergänzenden Auslegung entnommen werden kann, dass sich die Befreiung des Beteiligten zu 1 nach Veräußerung des Grundstücks in A durch die Erblasserin auf die an dessen Stelle getretenen Surrogate erstreckt. Das hierbei vom Landgericht gefundene Ergebnis lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

aa) Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung im Wege der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270; MünchKomm BGB/Leipold 3. Aufl. § 2084 Rn. 84).

bb) Die Auslegung des Landgerichts wird diesen Kriterien gerecht.

Die Auffassung des Landgerichts, dass sich die Befreiung des Beteiligten zu 1 von den ihm als Vorerben auferlegten Beschränkungen - sei es im Wege eines Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB), sei es im Wege einer teilweisen Befreiung des Vorerben (§ 2136 BGB) - nicht auf die Eigentumswohnung erstreckt, findet in der Gesamtschau der vom Landgericht für diese Auslegung angeführten Gesichtspunkte eine hinreichende Stütze. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auch die ergänzende Testamentsauslegung nicht zu dem von dem Beteiligten zu 1 erstrebten anderen Ergebnis führt.

Die ergänzende Testamentsauslegung dient insbesondere dazu, Lücken im Testament zu schließen, die sich daraus ergeben haben, dass in der Zeit zwischen der Testamentserrichtung und dem Erbfall Veränderungen eingetreten sind, die der Erblasser nicht vorausgesehen und nicht bedacht hat. Anders als bei der einfachen oder erläuternden Testamentsauslegung geht es dabei nicht darum, eine mehrdeutige Verfügung auszulegen, sondern um die Klärung der Frage, wie der Erblasser verfügt hätte, wenn ihm die spätere Entwicklung bereits bei der Testamentserrichtung bewusst gewesen wäre (vgl. BayObLGZ 1988, 165/167 f. m.w.N.).

Es gibt keinen Anlass zu Beanstandungen, dass das Landgericht bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens den wirksamen letztwilligen Verfügungen der Erblasserin insgesamt entnommen hat, die Erhaltung des Grundbesitzes und dessen Weitergabe an die Nacherben sei grundsätzlich ein besonderes Anliegen der Erblasserin gewesen. Bei der Prüfung der Frage, ob die Erblasserin, wenn ihr bei Testamentserrichtung bewusst gewesen wäre, dass sie das Grundstück in A noch vor ihrem Tod veräußern werde, anstelle dieser Immobilie die mit Mitteln aus dem Veräußerungserlös erworbene Eigentumswohnung dem Beteiligten zu 1 in "uneingeschränkter Freiheit" hätte zukommen lassen wollen, hat das Landgericht zutreffend die Bedeutung des undatierten nicht unterschriebenen Schriftstücks hervorgehoben. Der auf diesem Schriftstück befindliche maschinenschriftliche Text belegt, dass der Erblasserin die Frage, ob die Eigentumswohnung von der Nacherbfolge erfasst sein sollte, bewusst war. Die Tatsache, dass die Erblasserin in den eigenhändigen Text abweichend von dem vorstehenden maschinenschriftlichen Text eine Befreiung bezüglich der Eigentumswohnung gerade nicht aufgenommen hat, ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Erblasserin auch dann, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die spätere Entwicklung bedacht hätte, eine derartige Befreiung nicht gewollt hätte.

Die Erblasserin hat nicht nur bei der Abfassung des nicht unterschriebenen eigenhändigen Textes, sondern auch im Rahmen der von ihr mehrfach formwirksam verfassten Testamentsnachträge in keiner Weise angedeutet, dass die Eigentumswohnung von der Nacherbfolge nicht erfasst sein sollte. Mangels einer solchen Andeutung in einer formwirksamen Erklärung der Erblasserin konnte das Landgericht von der Vernehmung von Zeugen für die Äußerung solcher Vorstellungen durch die Erblasserin absehen (vgl. BayObLGZ 1988, 165/169).

3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst; die Kostenfolge ergibt sich insoweit unmittelbar aus dem Gesetz. Die Erstattungsanordnung beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts nach § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO erfolgt in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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