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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 35/01
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, MSA, Gesetz Über die Familie von Bosnien und Herzegowina


Vorschriften:

BGB § 1748
EGBGB Art. 14
EGBGB Art. 22
EGBGB Art. 23
MSA Art. 2 Abs. 2 Satz 2
Gesetz Über die Familie von Bosnien und Herzegowina Art. 142 ff.
1. Soweit im Verfahren nach § 1748 BGB das Kind die Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption durch den Stiefvater begehrt ist nur das Kind beschwerdeberechtigt.

2.Zur Frage der Anwendung deutschen Rechts anstelle des Heimatrechts eines ausländischen Minderjährigen


Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 stammen aus der am 30.12.1984 in Bosnien geschlossenen, mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 28.8.1996 geschiedenen Ehe ihrer Mutter mit dem Beteiligten zu 3, die beide Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina sind. Die elterliche Sorge für die Beteiligten zu 1 und 2 wurde in dem Urteil vom 28.8.1996 - nach Art. 1, 2, 13 MSA in Anwendung deutschem Rechts (§ 1671 Abs. 1 und 2 BGB a.F.) - der Mutter übertragen. Die Familie lebte seit Ende 1993 in Deutschland. Der Beteiligte zu 3 ist Ende 1996 oder Anfang 1997 in seinen Heimatort in Bosnien zurückgekehrt. Die Mutter hat sich am 10.6.1997 wiederverheiratet mit dem Beteiligten zu 4, einem deutschen Staatsangehörigen. Dieser will die Beteiligten zu 1 und 2 adoptieren. Der Beteiligte zu 3 verweigert die Einwilligung in die Adoption. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben, vertreten durch ihre Mutter, am 23.2.2001 beantragt, die Einwilligung des Beteiligten zu 3 zu ersetzen.

Das Vormundschaftsgericht hat mit Beschluss vom 28.2.2001 den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1 und 2, ihre Mutter und der Beteiligte zu 4 mit einem gemeinsamen, von allen unterzeichneten Schreiben Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 15.5.2001 "die sofortigen Beschwerden der Beteiligten... (zu 1 und 2) " zurückgewiesen.

Dagegen haben die Beteiligte zu 1 (nach § 59 FGG), die Mutter als gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 1 und 2 und der Beteiligte zu 4 zu Protokoll der Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 ist unzulässig. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 sind zulässig und haben insofern Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führen.

1. Der Beteiligte zu 4 ist nicht beschwerdeberechtigt (§§ 20, 29 Abs. 4, § 57 Abs. 1, § 63 FGG).

Es bedarf keiner Erörterung, ob neben einer Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG (vgl. Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 57 Rn. 34) auch eine Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG - unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung einer Anwartschaft (vgl. BGH JZ 1962, 250; BayObLGZ 1960, 407/410; Keidel/Kahl § 20 Rn. 7) - in Betracht kommt. In jedem Fall steht der Beschwerdeberechtigung § 20 Abs. 2 FGG entgegen. Die Einwilligung eines Elternteils kann nur auf Antrag ersetzt werden. Antragsberechtigt ist allein das Kind (§ 1748 Abs. 1 Satz 1 BGB). Deswegen ist nach § 20 Abs. 2 FGG im Falle einer Zurückweisung des Antrags auf Ersetzung der Einwilligung auch nur das Kind beschwerdeberechtigt (BayObLG FamRZ 1984, 935; Keidel/Engelhardt § 57 Rn. 34; Jansen FGG 2. Aufl. § 20 Rn. 23, § 57 Rn. 2 und 25; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 57 Rn. 1).

2. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist zulässig.

a) Die Beteiligten zu 1 und 2 besitzen als Kinder von Eltern bosnischer Staatsangehörigkeit ebenfalls die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina (vgl. Art. 249 der Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 21.2.1974; Art. 4 Nr. 1, Art. 22 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 24.12.1976; Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina vom 6.10.1992 in der bereinigten Fassung vom 11.9.1996). Sie sind sowohl nach deutschem Recht wie nach ihrem Heimatrecht noch minderjährig und stehen unter elterlicher Sorge (vgl. Art. 87, 105 des Gesetzes über die Familie vom 29.5.1979 in der Fassung vom 20.12.1989 von Bosnien und Herzegowina).

b) Die Mutter konnte als gesetzliche Vertreterin wirksam die weitere Beschwerde für die Beteiligten zu 1 und 2 einlegen. Die am 4.911985 geborene Beteiligte zu 1 konnte nach § 59 FGG das Beschwerderecht auch selbst ausüben.

aa) Inwieweit Verfahrenshandlungen in der freiwilligen Gerichtsbarkeit von einem Beteiligten selbständig oder nur durch gesetzliche Vertreter vorgenommen werden können, ist eine Frage der - im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelten - "Verfahrensfähigkeit" der Beteiligten .(vgl. BayObLGZ 1963, 35/37; Bassenge/Herbst/Roth Einl. FGG Rn. 34; Keidel/Zimmermann § 13 Rn. 32 ff.; Staudinger/Hausmann BGB 13. Bearb. Art. 7 EGBGB Rn. 99). Zur Beurteilung der Verfahrensfähigkeit von Ausländern können nach h.M., der sich der Senat anschließt, die Regeln über die Anknüpfung der Prozessfähigkeit im streitigen Verfahren entsprechend angewendet werden (Staudinger/Hausmann aaO; MünchKomm/Birk BGB 3. Aufl. Art. 7 EGBGB Rn. 64, Einl. IPR Rn. 413). Danach ist zwar grundsätzlich auf das Heimatrecht abzustellen; analog § 55 ZPO genügt aber auch die Verfahrensfähigkeit nach deutschem Recht (Staudinger/Hausmann aaO). Die Frage, wer im Fall der fehlenden (eigenen) Verfahrensfähigkeit als gesetzlicher Vertreter Verfahrenshandlungen vornehmen kann, beurteilt sich nach derjenigen Rechtsordnung, die die elterliche Sorge bzw. die Vormundschaft, Pflegschaft oder Betreuung beherrscht (Staudinger/Hausmann Art. 7 EGBGB Rn. 74). Für die gesetzliche Vertretung Minderjähriger durch ihre Eltern gilt gemäß Art. 21 EGBGB das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist die elterliche Sorge nach Scheidung der Eltern durch ein deutsches Gericht neu geregelt worden, so beurteilen sich auch die Wirkungen dieser Maßnahme, insbesondere der Inhalt und Umfang der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des nunmehrigen Sorgerechtsinhabers, im Anwendungsbereich des Haager Minderjährigenschutzabkommens nach deutschem Recht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 MSA; Staudinger/Hausmann Art. 7 EGBGB Rn. 74).

bb) Im Ergebnis genügt daher eine Beurteilung nach deutschem Recht. Danach ist der Beteiligte zu 2, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. § 59 Abs. 3 FGG), nicht selbst verfahrensfähig, wird aber im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch seine Mutter, der in Anwendung des Haager Minderjährigenschutzabkommens die elterliche Sorge nach § 1671 BGB a.F. übertragen wurde, wirksam vertreten. Die Beteiligte zu 1 ist nach §§ 63, 59 Abs. 1 und 3 FGG auch selbst verfahrensfähig, da es sich bei der Ersetzung der Einwilligung ihres Vaters in die Adoption um eine ihre Person betreffende Angelegenheit handelt (KG FamRZ 1969, 171; Keidel/Engelhardt § 59 Rn. 14). Daneben konnte auch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin das Beschwerderecht ausüben.(KG aaO; Bassenge/Herbst/Roth § 59 FGG Rn. 3, Einleitung FGG Rn. 46).

c) Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 und 4, § 21 Abs. 2 FGG). Sie war - wie die Erstbeschwerde - nicht fristgebunden, weil keine die Einwilligung des Vaters ersetzende Entscheidung ergangen ist (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2, § 60 Abs. 1 Nr. 6, § 29 Abs. 2 FGG; BayObLG FamRZ 1984, 936/937; 1989, 1336).

3. Das Landgericht hat die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen, weil das Erfordernis der Zustimmung des Vaters nach Art. 23 Satz 1 EGBGB auch gemäß den Vorschriften des Gesetzes über die Familie von Bosnien und Herzegowina (Art. 142 Abs. 1 i.V.m. Art. 153 ff.) beurteilt werden müsse; nach diesen Vorschriften sei die Zustimmung des Vaters nicht ersetzbar. Die Möglichkeit, nach Art. 23 Satz 2 EGBGB statt des Rechts von Bosnien und Herzegowina deutsches Recht anzuwenden, sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil dies zum Wohl der Kinder nicht erforderlich sei. Das Landgericht hat hierfür auf die Ausführungen des Vormundschaftsgerichts im Beschluss vom 28.2.2001 Bezug genommen. Das Vormundschaftsgericht war ebenso wie das Landgericht davon ausgegangen, das die Adoption sich zwar nach deutschem Recht richte (Art. 22 Satz 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), darüber hinaus aber gemäß Art. 23 Satz 1 EGBGB die Anforderungen des Rechts von Bosnien und Herzegowina zu beachten seien, soweit nicht die Ausnahmeregelung des Art. 23 Satz 2 EGBGB eingreife. Nach dem Recht von Bosnien und Herzegowina sei die Ersetzung der - erforderlichen, aber verweigerten - Einwilligung des Vaters nicht möglich. An die Stelle des Rechts von Bosnien und Herzegowina könne nicht nach Art. 23 Satz 2 EGBGB deutsches Recht treten. Art. 23 Satz 2 EGBGB sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und nur anzuwenden, wenn auf diese Weise ernsthafte Nachteile von dem Kind abgewendet werden könnten, die bei Berücksichtigung des ausländischen Rechts einträten. "Eine solche Ausnahmesituation" sei nicht gegeben. Zwar würde die beantragte Annahme dem Wohl der beiden Kinder im Sinne des § 1741 Abs. 1 BGB entsprechen. Es sei aber nicht so, dass die Beteiligten zu 1 und 2 den Beteiligten zu 3 nicht kennen und allein den Beteiligten zu 4 als ihren Vater ansehen würden. Die Weigerung der Kinder, Kontakt zu ihrem leiblichen Vater aufzunehmen, und ihr Wille, sich von ihm auch emotional zu trennen, könne den Ausnahmetatbestand des Art. 23 Satz 2 EGBGB nicht begründen. Die Beteiligten zu 1 und 2 hätten auch nicht alle Beziehungen zu ihrem Heimatstaat abgebrochen. Sie hielten noch den Kontakt zu den mütterlichen Verwandten in Bosnien. Es liege in ihrem Interesse, entsprechend dem Grundsatz des Art. 23 Satz 1 EGBGB die Erfordernisse der Rechtsordnung zu beachten, zu der sie vor der Adoption die stärkere Beziehung hätten, um eine "hinkende Adoption" zu vermeiden. Den Beteiligten zu 1 und 2 drohten auch ohne Adoption durch den Beteiligten zu 4 keine ernsthaften Nachteile.

Das Landgericht fügt diesen Ausführungen noch hinzu, dass auch die Spannungen zwischen dem Vater des Kindes einerseits, seiner geschiedenen Ehefrau und ihrem jetzigen Ehemann andererseits, die sich mittelbar auch auf die Beteiligten zu 1 und 2 auswirkten, die Anwendung deutschen Rechts nicht rechtfertigen könnten; denn derartige Spannungen seien eine häufig zu beobachtende Folgeerscheinung einer zerbrochenen ehelichen Beziehung, die die Persönlichkeitsentwicklung der in die neue Familie integrierten Kinder erfahrungsgemäß nicht schwerwiegend beeinflussen würden.

4. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Die Vorinstanzen sind zu Recht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts K. ausgegangen (§ 43 b Abs. 1 und 2 FGG). Die Zuständigkeit für Angelegenheiten, welche die Annahme eines Kindes betreffen, gilt auch für die Ersetzung der Einwilligung gemäß § 1748 BGB (BayObLG FamRZ 1988, 868/870).

b) Die Vorinstanzen sind ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Adoption nach Art. 22 Satz 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB dem deutschen Recht unterliegt. Maßgebend ist das Ehewirkungsstatut. Die Ehegatten haben keine gemeinsame Staatsangehörigkeit (vgl. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Daher bestimmt sich das Ehewirkungsstatut nach dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Das ist die Bundesrepublik Deutschland.

c) Das Verfahren zur Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils nach § 1748 BGB setzt einen Antrag des Kindes voraus (BayObLG FamRZ 1984, 935, 937/938).

Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag durch die Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 wirksam gestellt worden ist.

aa) Für die Frage, wer nicht volljährige Kinder im Adoptionsverfahren gesetzlich vertritt, ist nicht das Adoptionsstatut maßgebend. Sie beurteilt sich nach den speziell dafür geltenden Kollisionsnormen (Palandt/Heldrich BGB 61. Aufl. Rn. 5; MünchKomm/Klinkhardt Rn. 22; Staudinger/Henrich Rn. 25, 26; Soergel/Lüderitz BGB 12. Aufl. Rn. 22 jeweils zu Art. 22 EGBGB).

bb) Hier wird Art. 21 EGBGB - der aber auch auf das deutsche Recht verweisen würde - durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 MSA verdrängt (vgl. oben unter 2. b) aa). Danach steht allein der Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 die elterliche Sorge - nach deutschem Recht - zu; sie vertritt also die Beteiligten zu 1 und 2 auch im gerichtlichen Verfahren allein (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB).

d) Dagegen ist es rechtsfehlerhaft, dass die Vorinstanzen das nach Art. 23 Satz 1 EGBGB zusätzlich für die Zustimmung des Beteiligten zu 3 anwendbare Recht von Bosnien und Herzegowina angewandt und die Möglichkeit, statt dieses Rechts das deutsche Recht anzuwenden (Art. 23 Satz 2 EGBGB), abgelehnt haben.

aa) Nach dem Adoptionsstatut ist die Einwilligung des Beteiligten zu 3 erforderlich (§ 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden (§ 1748 BGB).

bb) Nach Art. 23 Satz 1 EGBGB ist für die Frage, ob eine Zustimmung des Vaters zur Adoption erforderlich ist und in welchen Fällen sie entbehrlich ist oder ersetzt werden kann, zusätzlich das Heimatrecht des Kindes, also hier das Recht von Bosnien und Herzegowina, anzuwenden (BayObLG FamRZ 1988, 868/870; Staudinger/Henrich Rn. 25; Soergel/Lüderitz Rn. 10, 12; MünchKomm/Klinkhardt Rn. 8, 11 jeweils zu Art. 23 EGBGB). Auf die strittige Frage, ob es sich um eine Sachnormverweisung handelt (so BayObLG FamRZ 1988, 868/870; Palandt/Heldrich Art. 23 EGBGB Rn. 2) oder um eine Gesamtverweisung, so dass auch eine Rück- oder Weiterverweisung durch das Heimatrecht grundsätzlich zu beachten ist (so die wohl herrschende Meinung: MünchKomm/Klinkhardt Rn. 4; Staudinger/Henrich Rn. 6; Erman/Hohloch BGB 10. Aufl. Rn. 4 jeweils zu Art. 23 EGBGB; von Bar Internationales Privatrecht 2. Band Rn.' 323; Jayme IPRax 1989, 157), kommt es nicht an, da auch das Internationale Privatrecht von Bosnien und Herzegowina für die Voraussetzungen der Adoption, wenn der Adoptierende und der Adoptierte die Staatsangehörigkeit verschiedener Staaten besitzen, die kumulative Anwendung der Rechte beider Staaten vorsieht (Art. 44 des jugoslawischen Gesetzes zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten vom 15.7.1982, das für das Internationale Privatrecht von Bosnien und Herzegowina fortgilt; Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bosnien und Herzegowina S. 28).

cc) Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass nach dem für Bosnien und Herzegowina geltenden Gesetz über die Familie vom 29.5.1979 in der Fassung vom 20.12.1989 die Gültigkeit der Annahme an Kindes statt (u.a.) von der Einwilligung der Eltern des Angenommenen abhängt (Art. 142 Abs. 1, Art. 154) und dass nur für den Fall der "nicht vollen Annahme" (bei der die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen dem Angenommenen und seinen Blutsverwandten im Gegensatz zur "vollen Annahme" nicht erlöschen) die Zustimmung eines Elternteils - unter hier nicht vorliegenden Voraussetzungen - entbehrlich sein kann (vgl. Art. 1.49). Eine Ersetzung der Einwilligung sieht das Recht von Bosnien und Herzegowina nicht vor. Im Ergebnis ist hier also die Einwilligung des Beteiligten zu 3 - ohne Ersetzungsmöglichkeit erforderlich.

dd) Die Vorinstanzen haben aber die Voraussetzungen, unter denen nach Art. 23 Satz 2 EGBGB statt des Heimatrechts des Kindes das deutsche Recht angewendet, hier im Ergebnis also, weil auch das Adoptionsstatut die Anwendung deutschen Rechts verlangt, von einer zusätzlichen Anwendung des Rechts von Bosnien und Herzegowina abgesehen werden kann, nicht zutreffend bestimmt. Die Frage, ob nach Art. 23 Satz 2 EGBGB statt des Heimatrechts das deutsche Recht anzuwenden ist, kann mit der von den Vorinstanzen gegebenen Begründung nicht verneint werden, wie sich aus dem Sinn und Zweck der in Art. 23 EGBGB getroffenen Regelung ergibt.

(1) Art. 23 Satz 1 EGBGB i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl I S. 1142) stellt eine Weiterentwicklung von Art. 22 Abs. 2 EGBGB a.F. dar (Staudinger/Henrich, Soergel/Lüderitz jeweils Rn. 1 zu Art. 23 EGBGB). Gehörte der Annehmende einem fremden Staat an (mit der Folge, dass die Adoption dem Recht dieses Staates unterlag), während das Kind deutsch war, so war nach Art. 22 Abs. 2 EGEGB a.F. die Adoption unwirksam, wenn nicht auch die nach deutschem Recht erforderliche Einwilligung des Kindes oder eines Verwandten des Kindes vorlag. Diese Vorschrift verfolgte einen materiell-rechtlichen Schutz des Kindes. Das IPR-Neuregelungsgesetz hat diesen Schutz in das Kollisionsrecht verlagert. Berufen wird zusätzlich das Heimatrecht des Kindes. Die materiell-rechtliche Ausgestaltung des Schutzes wird grundsätzlich diesem Heimatrecht überlassen (Soergel/Lüderitz aaO). Die materiell-rechtliche Zielrichtung des früheren Art. 22 Abs. 2 EGBGB hat sich aber im Vorbehalt des Satzes 2 erhalten. Durch die kumulative Anwendung des Heimatrechts des Kindes wird seine Adoption materiell-rechtlich erschwert. Dies kann seinem Wohl abträglich sein. Andererseits ging der Gesetzgeber davon aus, dass deutsches materielles Recht auf die Interessen von Kind und Verwandten sachlich-rechtlich wie auch verfahrensmäßig in größtem Umfang Rücksicht nimmt. Er hat daher die kumulative Anwendung des Heimatrechts des Kindes durch Satz 2 bewusst wieder eingeschränkt zugunsten der lex fori, die er als maßstäblich ansah (Soergel/Lüderitz Rn. 21; Staudinger/Henrich Rn. 32 jeweils zu Art. 23 EGBGB; Sturm StAZ 1997, 261/263). Satz 2 ist als eine Korrektur der kumulativen Anwendung des Heimatrechts zu verstehen in Fällen, in denen dieses materiell-rechtlich - nach dem Maßstab des deutschen Rechts - zu streng ist und sich zu Lasten des Kindes auswirkt.

(2) Das Wohl des Kindes erfordert deshalb dann eine Beurteilung nach deutschem Recht, wenn das ausländische Heimatrecht des Kindes etwa auch solche Personen als zustimmungsberechtigt bezeichnet, zu denen das Kind in keiner engeren Fürsorge- oder Verwandtschaftsbeziehung steht, ferner dann, wenn es keine Ersetzungsmöglichkeit vorsieht (Soergel/Lüderitz Art. 23 EGBGB Rn. 22), diese aber im Interesse des Kindes erforderlich ist, um ihm die Eingliederung in seine neue Familie, in deren Obhut es sich bereits befindet, zu erleichtern (Kropholler Internationales Privatrecht 4. Aufl. § 49.IV.3, S. 406). Art. 23 Satz 2 EGBGB ist daher anzuwenden, wenn das Heimatrecht des Kindes die Ersetzungsmöglichkeit nicht vorsieht und dies verhindern würde, dass das Kind auch rechtlich voll in die Familie integriert wird, in der es bereits tatsächlich lebt (von Bar aaO Rn. 325).

(3) Dieser Schutzzweck ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen das Kind nach Abbruch aller Beziehungen zu seiner Heimat nach Deutschland gekommen ist, um hier adoptiert zu werden, wie die Vorinstanzen anscheinend gemeint haben; er ist auch in Fällen einer Stiefkindadoption berührt, wenn sich abzeichnet, dass das Kind auf Dauer in der Obhut seiner mit einem deutschen Staatsangehörigen wiederverheirateten Mutter in Deutschland bleiben, sich seine Bindungen zu der alten Heimat - und zu dem wieder in den Heimatstaat zurückgekehrten Vater - zunehmend lockern werden, wie hier (vgl. BayObLGZ 1994, 332/336 f.). Ungeachtet der Charakterisierung der Vorschrift des Art. 23 Satz 2 EGBGB als eng auszulegender Ausnahmevorschrift muss die Frage, ob deutsches Recht anstelle des Heimatrechts des Kindes Anwendung findet, letztlich nach dem Schutzzweck dieser Norm beantwortet werden, im vorliegenden Fall ist daher zum Wohl des Kindes die Anwendung deutschen Rechts anstelle des bosnischen Rechts erforderlich.

5. Auch wenn in Fällen der Stiefkindadoption die Ersetzung der Einwilligung nach § 1748 BGB nur in seltenen Fällen möglich sein wird (vgl. Erman/Holzhauer Rn. 5; Staudinger/Frank Rn. 44 und 45 jeweils zu § 1748), hat das Landgericht nunmehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind.

Der Senat kann nicht selbst entscheiden, da die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierzu fehlen. Die rechtsfehlerhaften Ausführungen der Vorinstanzen zu der Frage, ob das Wohl des Kindes die Anwendung des deutschen Rechts erfordert, genügen auch nicht, um beurteilen zu können, ob das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde (vgl. § 1748 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hierfür ist eine umfassende Abwägung des Wohles des Kindes und der Interessen des sich weigernden Elternteils erforderlich (BGH FamRZ 1986, 460/462; BayObLG NJW-RR 1994, 903/905), bei der es wesentlich auch auf den Grad und die Auswirkungen der Pflichtverletzungen des sich weigernden Elternteils, also auf die zusätzlichen Tatbestandsmerkmale der anhaltend gröblichen oder besonders schweren Pflichtverletzung bzw. der Gleichgültigkeit ankommt, zu denen keine Feststellungen vorliegen. Grundsätzlich kann das Unterbleiben einer Adoption einen unverhältnismäßigen Nachteil bedeuten (BayObLG aaO; FamRZ 1982, 1129/1131; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1686/1687 f.). Die Frage, ob das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde, kann nicht allein unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, dass das Kind auch ohne Adoption in der Familie seiner Mutter gut versorgt wird (BayObLG FamRZ 1998, 55/56).

6. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Keidel/ Zimmermann § 13a Rn. 16, 36 und 50). Es bedarf daher auch nicht der Festsetzung eines Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde.

Ende der Entscheidung

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