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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 36/01
Rechtsgebiete: BGB, SGB VIII


Vorschriften:

BGB § 1835a
SGB VIII § 39
Der Anspruch eines ehrenamtlichen Vormunds auf Aufwandsentschädigung (§ 1835 a BGB) entfällt nicht deswegen, weil der Vormund für den in seiner Familie aufgenommenen Mündel Pflegegeld nach § 39 SGB VIII bezieht
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Rojahn und Seifried

am 7. Januar 2002

in der Vormundschaftssache

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 22. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist seit 1.9.1988 Pflegemutter (Vollzeitpflege) des 1983 geborenen Mündels. Sie erhält hierfür Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII. Mit Beschlüssen vom 3.9.1993 und 10.8.1998 wurde sie auch zum Vormund bestellt; ihr wurden die Personensorge und die Vermögenssorge übertragen, mit Ausnahme der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, für die das Kreisjugendamt zum Mitvormund bestellt wurde. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 setzte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 15.1.2001 für den Zeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2000 eine Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a BGB in Höhe von 600 DM aus der Staatskasse fest. Gegen diese Entscheidung legte die Staatskasse (Beteiligte zu 2) durch den Bezirksrevisor beim Landgericht sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, dass der Pflegemutter, die Leistungen nach § 39 SGB VIII erhalte, keine Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB zustehe. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 22.5.2001 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt (§ 56g Abs. 5 Satz 2, §§ 27, 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG).

Es hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen da mit begründet, dass eine Anrechnung der Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII auf die Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB im Gesetz nicht vorgesehen sei. Auch aus der Gesetzessystematik und den Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich nichts, was für eine Anrechnung spräche.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Nach § 1835a BGB kann der Vormund, dem keine Vergütung zusteht, zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz § 1835 BGB) eine Aufwandsentschädigung verlangen, die sich derzeit auf 600 DM im Jahr beläuft. Der Anspruch richtet sich, wenn der Mündel mittellos ist, gegen die Staatskasse. Er setzt keinen Nachweis von Aufwendungen voraus. Der Anspruchsteller, der die Voraussetzungen des § 1835a BGB erfüllt, kann wählen, ob er den Anspruch aus 1835 § BGB, d. h,. Ersatz seiner tatsächlichen Aufwendungen gegen entsprechende Aufzeichnungen und Belege, oder die pauschalierte Aufwandsentschädigung geltend macht; eine Kumulation beider Ansprüche ist ausgeschlossen..

b) Die Voraussetzungen für den Anspruch nach § 1835a BGB liegen hier vor. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 1 für den in ihrer Familie in Vollzeitpflege aufgenommenen Mündel Leistungen nach § 39 SGB VIII erhält. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers stützt sich im wesentlichen auf folgende Argumentation: Im Hinblick auf den Erhalt des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII fehle es der Beteiligten zu 1 an Aufwendungen, für die eine Aufwandspauschale geltend gemacht werden könne, denn durch das Pflegegeld würden auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Führung der Vormundschaft ausgeglichen. Ferner enthalte das Pflegegeld einen Vergütungsanteil, mit dem auch die Tätigkeit der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Führung der Vormundschaft vergütet werde. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen folgt der Senat dieser Auffassung nicht.

aa) Die Aufgabenkreise einer Pflegeperson und eines Vormunds sind nicht deckungsgleich. Als Pflegemutter obliegt der Beteiligten zu 1 die tatsächliche Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung des Kindes, aber nur in beschränktem Umfang die rechtliche Vertretung (vgl. § 1688 BGB). Als Vormund hat sie - hier mit Ausnahme des dem Jugendamt übertragenen Wirkungskreises - das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten (§ 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dagegen ist sie im Rahmen ihrer Personensorge als Vormund nicht verpflichtet, die tatsächliche Betreuung und Erziehung des Mündels selbst zu übernehmen; es genügt, wenn ein Vormund dafür sorgt, dass der Mündel seinem Wohl entsprechend durch andere gepflegt, erzogen und beaufsichtigt wird. Dem gemäß ist anerkannt, dass auch ein Vormund Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege hat (BVerwG NJW 1996, 2385/2386).

bb) Ersatzfähige Aufwendungen im Sinne der §§ 1835, 1835a BGB sind solche, die der Vormund zum Zwecke der Führung der Vormundschaft macht. Das jugendhilferechtliche Pflegegeld ist an das Pflegeverhältnis geknüpft; es stellt den notwendigen Unterhalt des Kindes sicher und umfasst auch die Kosten der Erziehung (§ 39 Abs. 1 SGB VIII; vgl. Krug/Grüner/Dalichau SGB VIII Stand Oktober 2001 § 39 S. 17, 24 f.; Wiesner SGB VIII 2. Aufl. § 39 Rn. 15, 48). Es liegt auf der Hand, dass dem Vormund aus der vollen rechtlichen Vertretung des Mündels Aufwendungen entstehen können, die allein im Vormundschaftsverhältnis und nicht schon im Pflegeverhältnis begründet sind. Schon im Hinblick hierauf kann der Aufwendungsersatzanspruch des Vormunds nach § 1835 BGB nicht durch das nach § 39 SGB VIII gewährte Pflegegeld abgegolten sein. Mit der Bestellung zum Vormund hat die Pflegemutter zusätzliche Pflichten übertragen bekommen, für die ihr ein eigenständiger Aufwendungsersatzanspruch zusteht. Dem Beschwerdeführer ist allerdings einzuräumen, dass die Abgrenzung, welchem Wirkungskreis eine bestimmte Aufwendung zuzuordnen ist, im Einzelfall Probleme bereiten kann. Solche Schwierigkeiten praktischer Art sind indes kein Grund, dem Vormund den ihm gesetzlich eingeräumten Anspruch auf Aufwendungsersatz schon im Grundsatz zu versagen. Lässt sich somit der Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 1835 BGB nicht von vornherein ausschließen, so greift auch der Anspruch auf die pauschalierte Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB ein, der einen Nachweis tatsächlich entstandener Aufwendungen gerade nicht voraussetzt.

Im übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst Eltern, die zum Betreuer ihrer volljährigen Kinder bestellt sind, eine Aufwandsentschädigung nach § 1836a BGB a.F. (jetzt § 1835a BGB n. F.) zusteht (BGH FamRZ 1996, 1545; BayObLG FamRZ 1996, 247; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1835 Rn..10). Das hier gefundene Ergebnis steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

cc) Der Anspruch scheitert auch nicht an der weiteren Voraussetzung, dass § 1835a BGB die Aufwandsentschädigung nur für solche Vormundschaften gewährt, für die dem Vormund keine Vergütung (nach § 1836 BGB bzw. § 1 BVormG, vgl. Staudinger/ Engler BGB Bearb. 1999 § 1835 Rn. 6, § 1835 a Rn. 5; Knittel Betreuungsgesetz § 1835a BGB S. 13) zusteht. Der Beteiligten zu 1 steht für die Führung der Vormundschaft keine Vergütung gemäß § 1836 BGB zu. Leistungen, die ihr als Pflegemutter nach § 39 SGB VIII gewährt werden, stellen keine Vergütung für die Führung der Vormundschaft dar. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Leistungen nach 39 SGB VIII mit dem in ihnen enthaltenen Erziehungsanteil eine Vergütungskomponente haben, mit der die Bemühungen der Pflegeperson anerkannt werden sollen (vgl. - zum früheren JWG - BGH FamRZ 1984, 769/771). Denn jedenfalls würde damit allenfalls die Tätigkeit der Beteiligten zu 1 als Pflegeperson, nicht aber ihr damit nicht deckungsgleicher Aufgabenkreis als Vormund "vergütet".

Nach alldem hat das Landgericht zu Recht die Voraussetzungen des § 1835a BGB bejaht und eine Anrechnung der Leistungen nach § 39 SGB VIII verneint.

3. Für eine Entscheidung im Kostenpunkt besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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