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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 37/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 164
BGB § 1960
FGG § 20 Abs. 1
Fehlende Beschwerdeberechtigung des Inhabers einer über den Tod hinaus erteilten Generalvollmacht des Erblassers gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft.
Gründe:

I. Der im Alter von 78 Jahren am 5.11.2001 verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Diese hat die Erbschaft mit notariell beglaubigter Erklärung vom 11.12.2001 ausgeschlagen.

Mit notarieller Urkunde vom 28.1.2000 hatte der Erblasser der Beteiligten zu 1 Generalvollmacht zur uneingeschränkten Vertretung in allen persönlichen- und Vermögensangelegenheiten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und mit Fortgeltung über den Tod hinaus erteilt.

Ob Abkömmlinge des Erblassers oder sonstige als gesetzliche Erben in Betracht kommende Verwandte vorhanden sind, konnte bisher nicht geklärt werden. Eine die Erbfolge regelnde letztwillige Verfügung des Erblassers liegt nicht vor.

Mit Beschluss vom 6.11.2003 ordnete das Nachlassgericht für die unbekannten Erben des Erblassers Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben an. Zur Nachlasspflegerin wurde die Beteiligte zu 2 bestellt.

Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.11.2003 legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein. Sie ist der Auffassung, auf Grund der ihr vom Erblasser erteilten Generalvollmacht aus eigenem Recht sowie aus den Rechten der unbekannten Erben beschwerdeberechtigt zu sein und macht geltend, es bestehe für eine Nachlasspflegschaft kein Bedürfnis, da sie als Generalbevollmächtigte den Nachlass ohne Einschränkung verwalten könne.

Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29.3.2004 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG); die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 für das Verfahren der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Beschwerde wegen fehlender Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, da die Beteiligte zu 1 die Erbschaft ausgeschlagen habe, sei durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Nachlasspflegerin nicht in die Rechtsstellung der Beteiligten zu 1 als Erbin oder Erbprätendentin eingegriffen worden. Auch aus der über den Tod hinaus erteilten Generalvollmacht könne keine Beschwerdebefugnis hergeleitet werden, da die Vertretungsmacht kein subjektives Recht des Bevollmächtigten darstelle. Soweit die Beschwerde nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 auch für die unbekannten Erben eingelegt sei, fehle es an einer Zustimmung oder Ermächtigung des Rechtsträgers zur Prozessführung. Die Erteilung einer Generalvollmacht durch den Erblasser beinhalte keine Erklärung der Erben, den Bevollmächtigten zur Prozessführung zu ermächtigen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand. Das Landgericht ist zutreffend von der Unzulässigkeit der Beschwerde ausgegangen, weil die Beteiligte zu 1 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt ist, sich mit der Beschwerde gegen die mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.11.2003 erfolgte Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Nachlasspflegerin zu wenden.

a) Gemäß § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist. Es genügt nicht, dass die Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers von Einfluss ist und er insofern ein Interesse an ihrer Änderung hat; vielmehr ist stets erforderlich, dass eine unmittelbare Beeinträchtigung eines dem Beschwerdeführer zustehenden subjektiven Rechts vorliegt (BayObLG FamRZ 2001, 453; BayObLGZ 1998, 82/84; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 20 Rn. 12; Jansen FGG 2. Aufl. § 20 Rn. 4).

b) Durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Nachlasspflegerin (§ 1960 BGB) ist nicht in die Rechtstellung der Beteiligten zu 1 eingegriffen worden. Nachdem die Beteiligte zu 1 die Erbschaft ausgeschlagen hat, ist sie von der Nachlasspflegschaft weder als Erbin noch als Erbprätendentin betroffen (§ 1953 Abs. 1 BGB).

c) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Landgerichts, dass aus der Generalvollmacht über den Tod hinaus, welche der Erblasserin von dem Erblasser erteilt worden ist, keine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 hergeleitet werden kann.

aa) Der Senat hält in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. Einf. vor § 164 Rn. 5; Staudinger/Schilken BGB (2004) Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 16; MünchKommBGB/Schramm 4. Aufl. § 164 Rn. 68; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. vor § 164 Rn. 15) an seiner Rechtsprechung (BayObLG FamRZ 2001, 453/454) fest, dass die Vertretungsmacht kein subjektives Recht des Bevollmächtigten ist (a.A. BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 167 Rn. 1; Larenz AT BGB § 31 II; Enneccerus/Nipperdey § 184 I). Vertretungsmacht ist vielmehr nichts weiter als die Legitimation, für einen anderen durch Handeln in seinem Namen für ihn gültige rechtsgeschäftliche Regelungen zu treffen (Staudinger/Schilken aaO. Rn. 17; MünchKommBGB/Schramm aaO. Rn. 68; Flume AT BGB "Das Rechtsgeschäft" 4. Aufl. § 45 II 1).

Eine dem Amt des Testamentsvollstreckers vergleichbare Stellung kommt dem Inhaber einer über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht nicht zu. Der Testamentsvollstrecker übt das ihm zugewiesene Amt aus eigenem Recht gemäß dem letzten Willen des Erblassers und dem Gesetz selbständig aus; er ist weder Vertreter des Erblassers noch der Erben (Palandt/Edenhofer Einf. vor § 2197 Rn. 2). Im Hinblick auf die Kostenbelastung des Nachlasses ist er berechtigt, gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft Beschwerde einzulegen (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 109/110; KG OLGZ 1973, 106/107). Dagegen kann der bevollmächtigte Verteter nur aus fremdem Recht tätig werden, und zwar dem der Erben nach Tod des Vollmachtgebers. Demgemäß haben gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft und die Bestellung des Nachlasspflegers nur die Erben, Erbprätendenten, in eingeschränktem Maße der Testamentsvollstrecker, nicht aber Ersatzerben oder ein Dritter wie hier die Beteiligte zu 1 ein Beschwerderecht (vgl. Staudinger/Marotzke BGB (2000) § 1960 Rn. 30 m.w.N.).

bb) Mit ihrem Vorbringen, ihre Beschwerdebefugnis ergebe sich daraus, dass sie die Beschwerde auf Grund der ihr erteilten Generalvollmacht auch für die unbekannten Erben eingelegt habe, kann die Beteiligte zu 1 nicht durchdringen. Insoweit hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass es an einer Ermächtigung der unbekannten Erben als Rechtsträger zur Führung des Verfahrens durch die Beteiligte zu 1 fehlt. Eine solche Ermächtigung muss sich zum Schutz des Ermächtigenden auf einen bestimmten Anspruch, jedenfalls aber einen bestimmbaren Anspruch aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen (MünchKommZPO/Lindacher 2. Aufl. vor § 50 Rn. 56; Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. vor § 50 Rn. 45); eine Generalermächtigung ist unwirksam (vgl. Zöller/Vollkommer aaO.). Hier wurde die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben insbesondere auch mit dem Wirkungskreis "Ermittlung der Erben" angeordnet, nachdem mehr als zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers die Erben noch immer unbekannt waren. Eine Auslegung der vom Erblasser der Beteiligten zu 1 erteilten Generalvollmacht dahingehend, dass die Vollmacht sich auch darauf bezogen haben könnte, die Ermittlung der unbekannten Erben und die Regelung der Gesamtrechtsnachfolge des Erblassers durch für die erst noch zu ermittelnden unbekannten Erben einzulegende Rechtsmittel gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft zu erschweren, liegt so fern, dass sie vom Landgericht zutreffend nicht in Erwägung gezogen wurde.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. In Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts setzt der Senat den Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde auf den Regelgeschäftswert von 3.000 EUR fest (§ 131 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 2 KostO).



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