Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 38/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 13a
Absehen von der Anordnung einer Kostenerstattung nach Zurücknahme eines Rechtsmittels im Erbscheinsverfahren, wenn die Rücknahme auf einem gerichtlichen Hinweis beruht, der dem Rechtsschutzbegehren nicht voll gerecht wurde.
Gründe:

I. Die am 9.6.1998 verstorbene Erblasserin hat mit handschriftlichem Testament vom 28.7.1991 unter anderem verfügt:

"1. Zu meinem Universalerben setze ich meinen Bruder R. ein.

2. ...

a) Ich setze als Nacherben, Nachvermächtnisnehmer an meinem Haus A. und B. (Beteiligte zu 1 und 2) ein."

Am 15.6.1998 erteilte das Amtsgericht einen Erbschein, der R. als Alleinerben der Erblasserin und die Beteiligten zu 1 und 2 als Nacherben ausweist. Dieser Erbschein wurde nach dem Tod des R. mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24.9.2001 eingezogen, da die angeordnete Nacherbfolge eingetreten sei. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 wurde am 17.10.2001 ein neuer Erbschein bewilligt, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben der Erblasserin zu je 1/2 ausweist.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2001 beantragte der Beteiligte zu 3 - als Sohn und Rechtsnachfolger des verstorbenen R. -, den Erbschein vom 15.6.1998 als unrichtig einzuziehen. Er ist der Auffassung, dass sein Vater nicht Vorerbe, sondern Vollerbe geworden und nur bezüglich eines einzelnen Vermögensgegenstandes, nämlich des Hauses, beschränkt gewesen sei. Nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass der Erbschein vom 15.6.1998 bereits eingezogen ist, beantragte er mit Schriftsatz vom 31.7.2002 die Einziehung des Erbscheins vom 17.10.2001.

Mit Beschluss vom 6.11.2002 wies das Amtsgericht den Antrag auf Einziehung des Erbscheins vom 15.6.1998 zurück, da der Erbschein bereits eingezogen worden sei; es liege "prozessuale Überholung" vor. Der Beteiligte zu 3 wandte ein, dass er gegen die Richtigkeit des Erbscheins vom 17.10.2001 Bedenken erhoben habe, auf die das Nachlassgericht in seinem Beschluss nicht eingegangen sei. Nach dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen bat das Nachlassgericht den Beteiligten zu 3 um Klarstellung der prozessualen Bedeutung seiner Schriftsätze; bisher werde nicht von einer Beschwerde ausgegangen. Der Beteiligte zu 3 antwortete mit Schriftsatz vom 24.10.2003, dass die ursprünglich beantragte Einziehung des Erbscheins vom 15.6.1998 "überholt" sei, da am 17.10.2001 bereits ein neuer Erbschein erteilt worden sei, gegen dessen Richtigkeit er Bedenken geltend gemacht und dessen Einziehung er mit Schriftsatz vom 31.7.2002 beantragt habe; es werde klargestellt, dass spätestens der Schriftsatz vom 31.7.2002 eine förmliche Beschwerde gegen den bewilligenden Beschluss zur Erteilung des Erbscheins mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins vom 17.10.2001 darstelle.

Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab, da der Erbschein vom 15.6.1998 bereits eingezogen und im Übrigen seinerzeit genauso ergangen sei wie vom Vorerben R. beantragt.

Das Landgericht wies den Beteiligten zu 3 darauf hin, dass das Amtsgericht bisher nur über den Antrag auf Einziehung des Erbscheins vom 15.6.1998 entschieden habe und dass nur diese Entscheidung Beschwerdegegenstand sei. Daraufhin nahm der Beteiligte zu 3 seine "mit Schriftsatz vom 31.7.2002 eingelegte Beschwerde" zurück.

Mit Beschluss vom 5.2.2004 entschied das Landgericht, dass eine Erstattung der den Beteiligten zu 1 und 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten nicht angeordnet werde. Hiergegen richtet sich die "sofortige Beschwerde" der Beteiligten zu 1 und 2.

II. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt; der Beschwerdewert übersteigt 100 EURO (§ 20a Abs. 2, §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG; vgl. Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 20 a Rn. 19a, § 13a Rn. 43). In der Sache hat das Rechtsmittel im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nach Zurücknahme der Beschwerde gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG nach billigem Ermessen über die Auslagenerstattung zu entscheiden ist. Die von ihm getroffene Ermessensentscheidung ist vom Gericht der weiteren Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar. Dieses überprüft die Entscheidung nur daraufhin, ob das Tatsachengericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob es wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (st. Rspr., vgl. BayObLGZ 1997, 148/151 m.w.N.; Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 23).

2. Bei der Zurücknahme eines Rechtsmittels entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass derjenige, der das Rechtsmittelverfahren in Gang gebracht hat, die einem anderen Beteiligten dadurch erwachsenen Kosten erstattet, es sei denn, dass besondere Umstände für eine andere Beurteilung sprechen (vgl. Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 42). Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen. Es hat wegen besonderer Umstände von einer Erstattungsanordnung abgesehen. Die besonderen Umstände hat es insbesondere darin gesehen, dass nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Beschwerdegegner den Beschwerdegegenstand verkannt hätten; denn auch diese hätten - nach Auffassung des Landgerichts unnötige - Ausführungen zur Auslegung des Testaments gemacht.

3. Die vom Landgericht für seine Ermessensausübung gegebene Begründung hält der rechtlichen Überprüfung allerdings nicht stand. Das Landgericht hat - wie zuvor das Amtsgericht - den Beschwerdegegenstand nicht richtig bestimmt.

a) Die Vorinstanzen haben angenommen, dass sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 6.11.2002 richtet, mit dem das Amtsgericht den Antrag auf Einziehung des (damals bereits eingezogenen) Erbscheins vom 15.6.1998 zurückgewiesen hat. Das findet in den Erklärungen des Beteiligten zu 3 keine Stütze. Dieser hat im Schriftsatz vom 24.10.2003 die vom Amtsgericht gebrauchte Formulierung von der "prozessualen Überholung" aufgegriffen, sich gegen die Richtigkeit des Erbscheins vom 17.10.2001 gewandt und ausdrücklich klargestellt, dass er seinen Schriftsatz vom 31.7.2002 als förmliche Beschwerde gegen den bewilligenden Beschluss zur Erteilung des Erbscheins vom 17.10.2001 mit dem Ziel seiner Einziehung verstanden wissen will. Das lässt für eine Auslegung dahin, sein Rechtsmittel beziehe sich auf den (den ersten Erbschein betreffenden) Beschluss vom 6.11.2002, keinen Raum. Gegenstand seiner Beschwerde war vielmehr die Erteilung des zweiten Erbscheins mit dem Ziel seiner Einziehung. Soweit der Beteiligte zu 3 in seinem späteren Rücknahmeschreiben selbst etwas anderes schreibt, wurde er ersichtlich erst durch den entsprechenden (unrichtigen) Hinweis des Landgerichts dazu veranlasst.

b) Eine Beschwerde gegen die Erteilung des zweiten Erbscheins war auch grundsätzlich möglich. Zwar können die Wirkungen des Erbscheins nach seiner Erteilung nicht rückwirkend beseitigt werden; insoweit kommt nur dessen Einziehung in Betracht. Die Rechtsprechung lässt jedoch aus prozessökonomischen Gründen zu, dass - wahlweise neben dem Antrag an das Nachlassgericht, den Erbschein einzuziehen - unmittelbar Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins eingelegt wird (vgl. RGZ 61, 273; BGHZ 30, 220/224; BayObLGZ 1954, 71/74; 1957, 292/293; BayObLG FamRZ 1976, 101/103; NJW-RR 1990, 1481; NJW-RR 1996, 1094 und st. Rspr.; Keidel/Winkler § 84 Rn. 4; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 2353 Rn. 51; Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2353 Rn. 26). So lag der Fall hier. Der Beteiligte zu 3 hatte Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins vom 17.10.2001 mit dem Ziel seiner Einziehung eingelegt.

4. Die Entscheidung des Landgerichts, von einer Erstattungsanordnung abzusehen, hat im Ergebnis gleichwohl Bestand. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und anstelle des Landgerichts sein eigenes Ermessen ausüben (vgl. BayObLG NJW 1988, 2388/2389; FamRZ 1990, 430; NJW 1990, 1857/1858; Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 56). Er kommt, wenn auch aus anderen Gründen, zum gleichen Ergebnis wie das Landgericht. Der Beteiligte zu 3 wurde durch gerichtlichen Hinweis, der seinem Rechtsschutzbegehren nicht voll gerecht wurde, zur Rücknahme seines Rechtsmittels bewogen. Das rechtfertigt es - abweichend von der Regel, dass der sein Rechtsmittel zurücknehmende Rechtsmittelführer den anderen Beteiligten die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten zu erstatten hat -, von einer Erstattungsanordnung abzusehen.

5. Der Senat merkt an, dass der Beteiligte zu 3 die Möglichkeit, die Richtigkeit des Erbscheins vom 17.10.2001 im Wege eines Einziehungsantrags durch das Nachlassgericht überprüfen zu lassen (§ 2361 BGB), durch die in dieser Sache bisher ergangenen Entscheidungen und durch die Rücknahme seiner Beschwerde vom 31.7.2002/24.10.2003 nicht verloren hat. In diesem Fall wird sich das Nachlassgericht mit der Auslegung des Testaments vom 28.7.1991 (aufschiebend bedingtes Vermächtnis zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 oder auf einen Teil des Nachlasses beschränkte Nacherbschaft?) zu befassen haben.

6. Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung; hierzu bedarf es keiner Entscheidung. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wurde entsprechend den geschätzten Kosten festgesetzt, welche die Beteiligten zu 1 und 2 an ihren Verfahrensbevollmächtigten zu bezahlen haben und deren Erstattung durch den Beteiligten zu 3 sie mit ihrem Rechtsmittel erreichen wollten.



Ende der Entscheidung

Zurück