Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 46/03
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG


Vorschriften:

BNotO § 15
BeurkG § 54c
Zur entsprechenden Anwendung des § 54c Abs. 3 BeurkG auf vom Notar verwahrte Grundschuldbriefe, wenn der Grundschuldgläubiger die Grundschulden samt Anspruch auf Herausgabe der Grundschuldbriefe an einen Dritten abgetreten hat und später der Herausgabe an den Dritten mit der Begründung widerspricht, die Abtretung sei unwirksam oder rückabzuwickeln.
Gründe:

I.

Mit Urkunde des Notars B. vom 23.2.2001 haben die Beteiligten zu 1 und 2 für sich selbst als Eigentümer drei Briefgrundschulden zu 600000 DM, 600000 DM und 200000 DM bestellt. Nach Grundbuchvollzug wurden die entsprechenden Grundschuldbriefe dem Notar übersandt.

Zu Urkunde des Notars A. vom 10.9.2001 traten die im ersten Absatz der Urkunde namentlich genannten Beteiligten zu 1 und 2 mit der Formulierung "wir, die Eigentümer (Gläubiger)" die drei Briefgrundschulden an die Firma F. ab, einschließlich der Ansprüche auf Herausgabe der Grundschuldbriefe gegen den Notar B., "um dadurch die Übergabe der Briefgrundschulden zu ersetzen". Die Erklärung ist von der Beteiligten zu 1 unterzeichnet und von Notar A. beglaubigt. Sodann heißt es vor Siegel und Unterschrift des Notars: "(Beteiligte zu 1) erklärte, nicht nur im eigenen Namen zu handeln, sondern auch als ... vollmachtlose Vertreterin für (Beteiligte zu 2), deren Genehmigung ausdrücklich vorbehaltend ...".

Zu Urkunde des Notars A. vom 23.11.2001 schlossen die Beteiligten zu 1 und 2, letztere ohne Vollmacht vertreten durch die erschienene Beteiligte zu 1, die zugleich einen Herrn X. vertrat, sowie die Firma F. eine Verwertungsvereinbarung ab. Darin heißt es auszugsweise:

"Mit diesamtlicher Urkunde ... vom 10. September 2001 haben (Beteiligte zu 2) und (Beteiligte zu 1) die ... Eigentümergrundschulden ... und auch alle sonstigen, in den Grundschuldbestellungsurkunden des Notars B. in München ... für sie begründeten oder an sie abgetretenen weiteren Rechte und Ansprüche, insbesondere auch die Ansprüche auf Herausgabe der Grundschuldbriefe durch den Notar B. an die Firma F. vorbehaltlich der Genehmigung der Vertretenen (Beteiligte zu 2) an die (Firma F.) abgetreten.

Die Vertretene (Beteiligte zu 2) genehmigt hiermit die für sie abgegebenen Erklärungen ausnahmslos.

Die Erschienene (Beteiligte zu 1) und die Vertretene (Beteiligte zu 2) versichern, über die vorgenannten Eigentümergrundschulden seit Grundschuldbestellung nicht anderweit wirksam verfügt zu haben, sich insbesondere die Grundschuldbriefe seit Eintragung der Grundschulden im Besitz des Notars B. befinden, der die Grundschulden beurkundet und für die Eigentümer in Verwahrung genommen hat. Der Notar B. wird von der Erschienenen (Beteiligte zu 1) und der Vertretenen (Beteiligte zu 2) angewiesen, die Grundschuldbestellungsurkunden dem diesamtlichen Notar durch Übersendung auszuhändigen. ..."

Am 30.11.2001 genehmigte die Beteiligte zu 2 die in ihrem Na men in der vorbezeichneten Urkunde abgegebenen Erklärungen; die Unterschriftsbeglaubigung erfolgte durch Notar B. Anfang 2002 machte Notar A. gegenüber Notar B. den Herausgabeanspruch auf die drei Grundschuldbriefe für die Firma F. geltend.

Mit Schreiben vom 9.10.2002 wies die Beteiligte zu 1 Notar B. an, die Briefe nicht herauszugeben, da der Rücktritt von der Abtretung an die Firma F. erklärt worden sei. Demgegenüber machte die Firma F. die Herausgabe an Notar A. geltend. Die Voraussetzung für einen Rücktritt sei nicht gegeben. Vorgelegt wurde zugleich ein Schreiben der Firma K., mit dem zum 7.3.2002 ein Bauherrenwechsel betreffend die Bauvorhaben in Chemnitz bekannt gegeben wurde. Hierzu wird vorgetragen, dass eine befreiende Schuldübernahme durch die neue Bauherrin Firma G. nicht erfolgt sei, allenfalls könne von einem Schuldbeitritt ausgegangen werden.

Am 30.1.2003 erließ Notar B. an die Beteiligten und die Firma F. eine Aufklärungsverfügung. Die Beteiligten zu 1 und 2 trugen vor, die Abtretung an die Firma F. sei unwirksam; die Urkunde vom 10.9.2001 sei nur von der Beteiligten zu 1 unterschrieben. Die Erklärung des Notars A. auf der Beglaubigung schaffe kein Vertreterhandeln bei Unterschriftsleistung. Die Nachgenehmigung der Urkunde vom 23.11.2001 entfalte daher keine Rechtswirkungen. Zum Zeitpunkt der Genehmigung habe es zudem an der Übergabe des Briefes als Wirksamkeitsakt der Abtretung gefehlt. Im Übrigen hätten die zu sichernden Forderungen der Firma F. nie bestanden, diese seien ferner im Wege der Novation auf die Firma G. übergegangen; die Grundlage für die Verwertungsvereinbarung sei damit entfallen. Eine Hinterlegungsanweisung an den Notar sei nicht erfolgt.

Mit Zwischenverfügung vom 5.3.2003 machte Notar B. die Herausgabe der Grundschuldbriefe an die Beteiligten zu 1 und 2 davon abhängig, dass das Einverständnis der Firma F. und des X. vorgelegt wird, während die Herausgabe an die Firma F. davon abhängig gemacht wurde, dass die Beteiligten zu 1 und 2 nicht innerhalb einer bestimmten Frist ein gerichtliches Verfahren gegen die Firma F. rechtshängig machen. Die Wirksamkeit der Grundschuldabtretung an die Firma F. sei zu bejahen. Für die Herausgabe käme es nicht darauf an, ob die Grundschulden infolge Rücktritts den Beteiligten zustehe, weil ein Widerruf bei einer Verwahrung gemäß § 54c BeurkG zu beachten sei, der analoge Anwendung finden müsse. Ob ein Rückabwicklungsanspruch bestehe, könne er nicht klären, die Vereinbarung vom 7.3.2002 sei hinsichtlich der Schuldbefreiung nicht eindeutig.

Mit Schriftsatz vom 15.3.2003 legten die Beteiligten Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ein. Der Notar legte die Akten mit einer Abhilfeentscheidung, in der er die Zwischenverfügung im Hinblick auf das anhängige Beschwerdeverfahren anpasste, der Beschwerde aber im Übrigen nicht abhalf, dem Landgericht vor. Mit Beschluss vom 19.5.2003 wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrem als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Rechtsmittel.

II.

Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde zulässig (§ 19 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG); die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1 und 2 folgt aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Eine Amtspflichtverletzung des Notars durch Verweigerung der Herausgabe der Grundschuldbriefe an die Beteiligten zu 1 und 2, ohne dass deren Berechtigung zuvor gerichtlich geklärt sei oder die Firma F. und Herr X. ihr Einverständnis gegeben hätten, liege nicht vor. Es sei zwar kein ausdrücklicher Treuhandauftrag seitens der Beteiligten erfolgt; in der Überlassung der Grundschuldbriefe im Besitz des Notars liege jedoch das stillschweigende Einverständnis mit der treuhänderischen Verwahrung. Bestätigt werde dies durch die Vereinbarung vom 23.11.2001, in der es heiße, dass der Notar die Grundschuldbriefe für die Eigentümer in Verwahrung genommen habe. Eine Herausgabepflicht des Notars bestehe nur gegenüber dem berechtigten Inhaber der Grundschulden. Die Beteiligten hätten diese und die damit verbundenen Rechte an die Firma F. abgetreten. Die Abtretung sei von der Beteiligten zu 1 zugleich für die Beteiligte zu 2 erklärt und von dieser genehmigt worden. Die zur Abtretung erforderliche Übergabe der Briefe sei durch Besitzkonstitut und Abtretung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem Notar ersetzt worden.

Die Beteiligten machten geltend, dass sie von der Verwertungsvereinbarung zurückgetreten seien. Die Firma F. bestreite, dass die Rücktrittsvoraussetzungen vorlägen. Umstritten sei ferner, ob der Sicherungszweck für die Abtretung der Grundschulden durch Novation entfallen sei oder nur ein Schuldbeitritt der Firma G. vorläge. Bei dieser Sachlage bedeute es keine Amtspflichtverletzung, wenn der Notar analog § 54c Abs. 3 BeurkG vorgegangen sei und die Herausgabe der Grundschuldbriefe ohne vorherige zivilgerichtliche Klärung oder das Einverständnis der anderen möglicherweise Berechtigten verweigere. Diese Vorschrift greife zwar unmittelbar nicht ein, da allenfalls eine einseitige, nicht aber eine mehrseitige Anweisung an den Notar vorliege. Es sei jedoch eine im Hinblick auf die Interessenlage, die § 54c Abs. 3 BeurkG berücksichtigen wolle, vergleichbare Situation entstanden, welche die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung rechtfertige.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob die - gegebenenfalls durch Vorbescheid angekündigte - Handlungsweise des Notars pflichtwidrig ist. Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.

b) Keinen Anlass zu Beanstandungen gibt die rechtliche Würdigung des Landgerichts, dass die Beteiligten zu 1 und 2 zumindest nachträglich ihr Einverständnis mit der Verwahrung der Grundschuldbriefe durch Notar B. zum Ausdruck gebracht haben. Sie versichern in der Urkunde des Notars A vom 23.11.2001 ausdrücklich, dass sich die Grundschuldbriefe seit Eintragung der Grundschulden im Besitz des Notars B. befänden, der die Grundschuldbriefe für die Eigentümer in Verwahrung genommen habe. Ferner weisen sie Notar B. an, die Grundschuldbestellungsurkunden dem Notar A. durch Übersendung auszuhändigen. Die Beteiligten sind somit ganz offensichtlich selbst von einem Verwahrungsverhältnis ausgegangen; sie berühmen sich des Rechts, dem Notar insoweit Anweisungen erteilen zu können.

Der Umstand, dass die Beteiligten dem Notar keine ausdrückliche schriftliche Verwahrungsanweisung erteilt haben, steht jedenfalls der vom Landgericht vorgenommenen analogen Anwendung von Vorschriften des notariellen Verwahrungsrechts nicht entgegen. Es steht fest, dass Notar B. die Grundschuldbriefe in seiner Eigenschaft als Notar vom Grundbuchamt erhalten, in Verwahrung genommen und nach wie vor tatsächlich in Verwahrung hat. Als Amtsperson durfte er die Grundschuldbriefe in keinem Fall ohne weiteres herausgeben, wenn wie hier mehrere Anspruchsteller Herausgabe an sich verlangen und der wahre Berechtigte vom Notar mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht festgestellt werden kann.

c) Zutreffend ist ferner die Würdigung des Landgerichts, dass die Beteiligte zu 1 in den Urkunden vom 10.9. und 23.11.2001 zugleich als vollmachtlose Vertreterin für die Beteiligte zu 2 gehandelt hat. Die Behauptung der weiteren Beschwerde, es sei "anerkannte Rechtsprechung", dass ein Vertretungsverhältnis bei der Unterschrift oder in unmittelbarem Zusammenhang mit der Unterschrift stehen müsse, trifft nicht zu. Es ist im Gegenteil anerkannt, wie das Landgericht richtig gesehen hat, dass sich das Vertretungsverhältnis auch aus den Umständen ergeben kann (vgl. nur BGH NJW 1995, 43, von der weiteren Beschwerde zu Unrecht für ihre gegenteilige Auffassung zitiert). Hier ergibt sich zweifelsfrei aus den Urkunden selbst, dass die Beteiligte zu 1 zugleich als vollmachtlose Vertreterin für die Beteiligte zu 2 gehandelt hat, was von dieser im Übrigen gar nicht in Abrede gestellt, sondern im Gegenteil ausdrücklich genehmigt wurde.

Ebenfalls zutreffend ist die Würdigung der Vorinstanzen, dass die Wirksamkeit der Abtretung nicht an der fehlenden Übergabe der Grundschuldbriefe scheitert, da die Übergabe durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt wurde (§§ 1192, 1154 Abs. 1 Satz 1, § 1117 Abs. 1 Satz 2, § 931 BGB).

d) Zu Recht hat das Landgericht davon abgesehen, über die sonstigen von den Rechtsmittelführern geltend gemachten Unwirksamkeits- und Rücktrittsgründe zu entscheiden. Es steht den Beteiligten frei, insoweit eine Klärung durch die Gerichte der streitigen Zivilgerichtsbarkeit herbeizuführen. Das Landgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass jedenfalls dem Notar mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine Klärung nicht möglich war. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

e) Auch die Wertung der Vorinstanzen, dass eine der von § 54c Abs. 3 BeurkG geregelten Interessenlage vergleichbare Situation bestand, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift soll sich der Notar jeder Verfügung über das Verwahrungsgut enthalten, wenn der Widerruf einer Verwahrungsanweisung nicht durch alle Anweisenden erfolgt und, darauf gestützt wird, dass das mit der Verwahrung durchzuführende Rechtsverhältnis aufgehoben, unwirksam oder rückabzuwickeln sei. Der Widerruf wird nach Satz 3 dieser Bestimmung unter anderem dann unbeachtlich, wenn eine spätere übereinstimmende Anweisung vorliegt oder der Widerrufende nicht innerhalb einer vom Notar festzusetzenden angemessenen Frist dem Notar nachweist, dass ein gerichtliches Verfahren zur Herbeiführung einer übereinstimmenden Anweisung rechtshängig ist.

Im gegebenen Fall stützt sich die Firma F. darauf, dass die Beteiligten die Grundschulden einschließlich des Anspruchs auf Herausgabe der Grundschuldbriefe an sie abgetreten und Notar B. zur Herausgabe der Grundschuldbriefe an sie (bzw. an Notar A. für sie) angewiesen haben. Die Beteiligten haben diese Anweisung widerrufen und machen die Unwirksamkeit bzw. Rückabwicklung des gesamten Geschäfts geltend. Die Würdigung des Landgerichts, dass es keine Amtspflichtverletzung darstellt, wenn sich der Notar in dieser Situation für ein Vorgehen analog § 54c Abs. 3 Satz 3 BeurkG entscheidet, wie geschehen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung. Den Geschäftswert der weiteren Beschwerde setzt der Senat in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts auf 20000 EUR fest.

Ende der Entscheidung

Zurück